Mittwoch, 9. Mai 2012

Taktik, clevere, die...


«NRW heißt Nicht-Röttgen-Wählen»


Norbert Röttgen, der Mann für den das Bundeskanzleramt nur eine notwendige Karrieresprosse vor dem UNO-Generalsekretariat und der Weltherrschaft ist, hat ein Problem.

Diese verdammte Landtagswahl darf er weder zu deutlich verlieren, noch darf er sie gewinnen. 
Er will keineswegs hinab in die Landespolitik absteigen, darf aber auch nicht zu sehr einbrechen, weil er das damit verbundene Loser-Image schlecht loswürde.

Um sich innerparteilich ein gutes Sprungbrett zu verschaffen ließ er sich zum Chef des mächtigsten Landesverbandes wählen.
 Wahlen standen erst 2015 an und so glaube er sich nicht  um die lästige Provinz kümmern zu müssen.
Beliebt ist er dort sowieso nicht, nachdem er zwei seiner engsten Freunde ein Messer in den Rücken stach.

Mit Andreas Krautscheid wohnte Röttgen sogar viele Jahre zusammen in einer Wohnung in der Bonner Adolfstraße. Zusammen mit dem Aachener Armin Laschet rotteten sie sich zu einem exklusiven Andenpakt 2.0 zusammen und organisierten ihren Aufstieg in der Partei. 
Das gelang recht gut. Krautscheid und Laschet wurden Minister im Kabinett Rüttgers, Krautscheid NRW-CDU-Generalsekretär, Röttgen wurde Bundesminister.

Im CDU-Bezirk Mittelrhein wird im Herbst 2009 der Vorsitz frei. Röttgen, der sich bei der Vergabe von attraktiven Posten in Berlin oft benachteiligt fühlte, hat erkannt, dass er für den Aufstieg eine Hausmacht benötigt. Der Konkurrent für die Nominierung im Kreisvorstand Rhein-Sieg ist sein alter Freund und Mitbewohner.    Andreas Krautscheid glaubt, die Hälfte der Stimmen im Wahlgremium sicher zu haben, 8 von 16. Doch kurz vor der Abstimmung meldet sich die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker bei ihm, sie druckst herum, dann erklärt sie, dass sie für Röttgen stimmen werde. Dabei hatte Krautscheid fest mit ihrer Unterstützung gerechnet, mit seiner Hilfe war sie Bundestagsabgeordnete geworden, er hatte sie als Kreisvorsitzende vorgeschlagen. So erzählt man es sich jedenfalls in der örtlichen CDU. Gesichert ist, dass die Abstimmung mit 9 : 7 für Röttgen endet. Und dass Jürgen Becker, der Ehemann der Abtrünnigen Winkelmeier-Becker, kurz darauf Staatssekretär in Röttgens Umweltministerium wird.
(DER SPIEGEL 07.05.12)

Ein Jahr später zieht Röttgen alle Register, um auch seinen zweiten engen Freund Laschet hinterrücks auszustechen; 2010 besiegt er ihn im Kampf um den NRW-Landesvorsitz.

Für Röttgen sind persönliche Beziehungen, Überzeugungen und Loyalitäten genauso wertlos wie für seine Chefin Merkel. 
Ob als Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie leidenschaftlich für die Atomenergie zu kämpfen oder jetzt für den Atomausstieg - Röttgen kann alles und das Gegenteil vertreten; je nach dem was gerade besser in seine Karriereplanung passt.
Er gilt aber nicht gerade als Fleißarbeiter. Seine Selbstgefälligkeit hindert ihn daran seine Hausaufgaben als Umweltminister zu machen. Energiewende, Netzausbau, Asse, Endlager, Gorlebensanierung - was auch immer es sei: Röttgen läßt die Finger davon.


Lustigerweise kämpft er auch wortgewaltig für Herdprämie und Entfernungspauschale (beides sind extra-sinnlose Milliardenteure Geldverschwendungen) und wirft gleichzeitig der SPD Schuldenmacherei vor.

Für Röttgen lief es dennoch einigermaßen nach Plan - RotGrün sollte nach allen Vorhersagen gewinnen und er könnte den Niederungen der Landespolitik wieder entfliehen.
Das Dumme ist nur, daß die in Telefoninterviews befragten SPD-Anhänger die phlegmatischsten Wähler von allen sind. 
Sie kommen generell nicht in die Hufe, verschlafen, vergessen oder verträumen den Wahlsonntag. 
So auch vor drei Tagen in Kiel - unisono hatte es vorher geheißen die SPD werde stärkste Partei und am Ende lag sie doch hinter der CDU.
 
In Röttgens Denkmurmel leuchtete daraufhin sofort das „DANGER“-Schild auf.

Könnte er womöglich doch unfreiwillig Ministerpräsident in dem kleinen Düsseldorf werden müssen? Schließlich ist Lindner noch beliebter als Kubicki und die Piraten kosten Rot/Grün enorm Stimmen.
Zeit für Norbert, den Fuchs, gegenzusteuern. 
Geschickt schraubt er seine Sympathiewerte hinunter.

"Ich müsste eigentlich Ministerpräsident werden", hat Norbert Röttgen gerade im Fernsehen gesagt. "Bedauerlicherweise" würde darüber aber nicht allein die CDU, sondern auch der Wähler entscheiden. Röttgen, so scheint es, kann immer noch nicht verstehen, wie binnen weniger Wochen aus dem Sunnyboy der Bundesregierung ein Zählkandidat in der Provinz werden konnte.


Natürlich möchte Merkel nicht für Röttgens Fußpilz-artige Beliebtheit in Haftung genommen werden und erklärt bei jeder Gelegenheit, die NRW-Landespolitik hänge nicht mit der Bundespolitik zusammen.

Mit seiner Erklärung, in NRW werde auch über Merkel und ihre Europapolitik abgestimmt, hat er genau die Verbindung hergestellt, die Kanzleramt und Adenauerhaus so gerne kappen würden: Das Desaster von Düsseldorf soll an Röttgen hängen bleiben - aber bitte, bitte nicht an der Kanzlerin. Dass man derzeit leichter einen Eskimo in der Wüste als einen Röttgen-Fan in der Union findet, liegt aber nicht nur an dessen Europa-Einlassung. In der CDU sind sie schon seit Wochen darüber verzweifelt, wie lustlos Röttgen den Wahlkampf betreibt. Ohne Herzblut, blass und fahrig absolviert der Spitzenkandidat seine Termine. Kein Wunder, dass er gegen die temperamentvolle Hannelore Kraft und ihr "NRW im Herzen" nicht reüssiert. Nicht minder desaströs ist aber auch die Wahlkampf-Führung Röttgens: Erst hat er sich um eine Antwort auf die Frage gedrückt, ob er bei einer Niederlage im Land bleibt. Dann fiel er mit abenteuerlichen Kurswechseln auf. Ausgerechnet der Umweltminister forderte auf einmal gegen die Parteilinie eine Erhöhung der Pendlerpauschale.

Inzwischen dürfte es „Muttis Klügstem“ gelungen sein sich beim Wähler als unwählbar darzustellen. 
Vielleicht ist er sogar zu sehr über das Ziel hinausgeschossen und zieht seine Partei auf unter 30% an Rhein und Ruhr runter.

Da hilft es auch nicht, dass Röttgen Kraft zur "Schuldenkönigin" kürt. Er will die Menschen gewinnen, indem er andeutet, ihnen Geld oder Lebensstandard nehmen zu müssen. Dabei vermeidet er es aber tunlichst auszusprechen, was ein strikter Sparkurs bedeutete, und vor allem, wo denn überhaupt gespart werden könnte: Röttgen sagt A, das B aber bleibt er schuldig. Überzeugungskraft kann er so nicht entfalten.
Nun hat er wenige Tage vor dem Urnengang versucht, die Wahl auf eine höhere Bedeutungsebene zu hieven, indem er sie zur Abstimmung über den Euro-Kurs Angela Merkels erklärt hat. Ein Akt der Verzweiflung? Oder der Versuch, schon mal einen Teil der Verantwortung zur Kanzlerin abzuschieben. In der CDU sind sie fassungslos über die Vorlage für die Opposition im Bund. Selbst Kabinettskollegen verhöhnten den Umweltminister öffentlich. "Wie Röttgen auf die Idee kommen konnte, die Landtagswahl zum Test für die Politik der Bundesregierung auszurufen, ist mir schleierhaft - zumal er sich im Wahlkampf ja immer mehr der SPD und den Grünen angenähert hat", sagte Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) SPIEGEL ONLINE. Und die Kanzlerin stellt via "Ruhr Nachrichten" klar: "Die Wahl am Sonntag ist eine wichtige Landtagswahl für Nordrhein-Westfalen, nicht mehr und nicht weniger."

Offensichtlich ist auch die Kanzlerin inzwischen niederlagesgewiss - Dank Röttgens Taktik.


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