Donnerstag, 15. Juli 2021

Verblüffend wenig Verblüffung

Wenn es eine kirchliche, christliche Kernkompetenz gibt, die ich wirklich anerkenne, dann ist es Genozid.

Keine andere Ideologie hat über so lange Zeit so viele Genozide angestiftet und durchgeführt. Naturvölker in der ganzen Welt, Katharer, Templer, Pogrome gegen Juden, Muslime im „Heiligen Land“.

[….] Das Alte Testament (Samuel 11.12.31) berichtet, wie König David mit gefangenen Ammonitern umging: »Aber das Volk drinnen führet er heraus und legt sie unter eiserne Sägen und Hacken und eiserne Keile und verbrannte sie in Ziegelöfen. So tat er allen Städten der Kinder Ammons.« Der engagierte deutsche Kirchenkritiker Karl Deschner sieht hierin eine Vorwegnahme der Methoden Hitlers. [….] Die Puritaner im 17 und 18. Jahrhundert beriefen sich auf das Alte Testament, als sie die Ureinwohner Amerikas, die Indianer - ob Männer, brauen oder Kinder - mordeten. Blutigste Verbrechen wurden »legitimiert« durch Glaubensbekenntnisse. Zur Ausrottung des Bösen sei man von Gott bestellt. [….] In der berüchtigten Bartholomäusnacht vom 23. auf den 24. August 1572 starben 10 000 französische Protestanten. 13 Millionen nordamerikanische Indianer wurden von den weißen Siedlern, den angeblich Zivilisation bringenden Europäern, niedergemetzelt. Die blutige Bilanz der Ausrottung der lateinamerikanischen Indios seit 1492 beläuft sich gar auf 75 Millionen Tote. Der Sklavenhandel raffte zwei Millionen Afrikaner dahin. [….] (Bernhard H. F. Taureck,17.07.1999)

Bei Massenmorden – Inquisition, Hexenverbrennung, Auto Dafés, Missionierungen – macht niemand dem Christentum so schnell Konkurrenz. Insbesondere, wenn man einkalkuliert, daß der Holokaust, aber auch beispielsweise der Genozid an bis zu einer Million Tutsi in Ruanda 1994, auch fast ausschließlich von Christen begangen wurden.

Insofern sind wir auch nicht über die ungeheuerlichen Massenmorde und die versuchte Ausrottung von 150.000 indigene Menschen in Kanada, durch die katholische Kirche bis in die 1990er Jahre hinein, verblüfft.

(….) Ein Abscheulichkeits-Maximum erreichte die kirchliche Kinderfolter im 19. und 20. Jahrhundert in Kanada. Dort wurden in 139. katholischen Einrichtungen rund 150.000 indigene Kinder gefoltert und tausende davon umgebracht.

Im Mai 2021 entdeckte man in der westkanadischen katholischen „Residential School“ bei Kamloops (British Columbia), die bis 1978 betrieben wurde, 215 Kinderleichen, die die Geistlichen einfach heimlich verscharrt hatten.

Wenige Wochen später, der nächste Fund. Diesmal waren es 751 anonyme Kindergräber bei einem katholischen Kinderheim in der Provinz Saskatchewan. (….)

(Wenn das Mitleid aufgebraucht ist, 05.07.2021)

Wenige Tage nach dem dritten entdeckten Kinder-Massengrab auf dem Gelände Katholischer Einrichtungen, fand man gestern das Vierte.

[….] In Kanada sind erneut dutzende anonyme Gräber auf dem Gelände eines ehemaligen Internats für Kinder von Ureinwohnern gefunden worden. Mehr als 160 Gräber seien auf dem früheren Schulgelände auf Penelakut Island entdeckt worden, teilte der Chef des Stammes der Penelakut, Joan Brown, mit. In dem Internat auf der Insel westlich von Vancouver waren vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1975 Kinder von Ureinwohnern unterrichtet worden.   "Es bricht mir das Herz", sagte Kanadas Regierungschef Justin Trudeau zu dem neuen Fund. "Wir können diejenigen, die umgekommen sind, nicht zurückbringen, aber wir können und werden die Wahrheit ans Licht bringen und weiterhin mit den indigenen Gemeinschaften zusammenarbeiten, um Diskriminierung und strukturellen Rassismus zu bekämpfen."  In den vergangenen Wochen waren in Kanada mehr als tausend anonyme Massengräber indigener Kinder nahe vier verschiedenen Internaten entdeckt worden. Die Funde sorgten landesweit für Entsetzen.  In Kanada waren seit 1874 rund 150.000 Kinder von Ureinwohnern und gemischten Paaren von ihren Familien und ihrer Kultur getrennt und in kirchliche Heime gesteckt worden, um sie so zur Anpassung an die weiße Mehrheitsgesellschaft zu zwingen. Viele von ihnen wurden in den Heimen misshandelt oder sexuell missbraucht. [….]

(DIE ZEIT, 14.07.2021)

Bis hierhin ist alles  - leider – überhaupt nicht verblüffend.

Das passiert eben, wenn Christen-Institutionen zu Macht kommen.

Insbesondere mit Schwachen, wie Kindern, gehen sie sagenhaft grausam um.

Auch das ist so gar nicht verblüffend, weil die RKK bekanntlich stets darauf pocht, Regeln wie der Ausschluss minderwertiger Menschen (Frauen und Schwulen) von geistlichen Ämtern, wären prinzipiell nicht zu verändern, weil sie von Gott geschaffen wurden.

Die Kirche hält sich viel darauf zu Gute eben NICHT aktuellen Ansichten (wie der, Pfui Pfui Pfui, „Ehe für alle“) zu frönen, sondern sich an ewig gültige Dogmen zu halten. Daher wurde ihr Lehr-Märchenbuch seit 2.000 Jahren eben auch nicht durch eine neue Bibel mit modernen  Regeln ersetzt.

Sklaverei, Antisemitismus, Misogynie und Kinder-quälen gehören zur katholischen DNA. Das zu ändern ist gar nicht möglich, da man nach kirchlicher Ansicht damit Jesus selbst einen Irrtum nachsage. Aber Unfehlbarkeit ist gerade das Wesen seiner Göttlichkeit.

Offensichtlich ist das auch richtig. Denn sofern es Jesus gibt (und das glauben tatsächlich viele Menschen) und dieser Jesus allmächtig ist, hätte er bei all den Genoziden, begangen von seinen Bodentruppen, eingreifen können. Das tat er aber offensichtlich nie und sah tatenlos dem Holokaust zu, ebenso wie den zu Myriaden durch Priester begangenen Kinder-Vergewaltigungen, oder den tausenden durch kanadische sadistische Geistliche begangenen Kindermorden.

Auch das verblüfft mich nicht. So ist Jesus eben.

160 massakrierte ungläubige Indianer auf der Penelakut-Insel nahe Vancouver locken ihn nicht hinterm Ofen hervor.

Mich verblüfft auch nicht die angemessen ehrlich schockierte und einfühlsame Reaktion des Premierministers Trudeau, weil er ein guter Typ ist.

Wenig verblüffend ist auch seine ehrlich empörte Forderung an den Vatikan.

[….] Kanadas Premier Trudeau fordert Entschuldigung vom Papst! Franziskus müsse sich für das Vorgehen der Kirche in Internaten für indigene Kinder entschuldigen, sagt Trudeau. Zuvor war ein weiteres Massengrab gefunden worden.  [….]

(Zeit, 26.06.2021)

Es verblüfft mich aber immerhin ein bißchen, wie teilnahmslos diese Massenmorde weltweit rezipiert werden.

Es verblüfft mich, daß ich nicht von allen Regierungen und internationalen Organisationen schwere Vorwürfe an die Adresse des Heiligen Stuhls höre.

Verblüffenderweise sagt niemand, so eine genozidale Kinderquäler-Organisation, die auch heute noch an genau den Werten festhält, mit denen sie 150.000 kanadische Kinder misshandelte und umbrachte, wäre ungeeignet, als Träger für Schulen und Kitas zu fungieren.

Daß niemand danach ruft, der RKK die Gemeinnützigkeit zu entziehen, verblüfft mich.

Mittwoch, 14. Juli 2021

Die braunen Drecksspatzen.

Die AfD ist mit Donald Trump insofern vergleichbar, daß sie nicht gewählt wird, weil ihre politischen Konzepte überzeugen.   Im Gegenteil, es ist nahezu irrelevant, welche kruden Ideen es ins Wahlprogramm schaffen oder nicht.

So wie niemand Trumps Mantra von der Riesenmauer glaubte, die er zu bauen gedenke und für die Mexiko zahlen werde. Das war a priori unsinnig und dementsprechend entstand in den vier Trump-Amtsjahren weder die Mauer, noch zahlte Mexiko dafür einen einzigen Cent.

Diese offensichtlichen Lügen und programmatischen Leerstellen spielen aber keine Rolle, weil man Trump/die AfD aus einem viel simpleren Grund liebt: Man hasst dieselben Leute.

Unglücklicherweise kennen wir inzwischen seit Jahren AfD-Fraktionen in sämtlichen Parlamenten.

Es gibt nicht nur keine konstruktive Mitarbeit der weit überwiegend sehr faulen und unbedarften braunen Abgeordneten, nein, die Figuren sind allesamt so garstig, daß sie sich binnen kurzer Zeit auch gegenseitig hassen.

Jede Faschistenfraktion, die sich in Deutschland bildet, beklagt Abgänge, Parteiaustritte oder zerstreitet sich so sehr, daß sie sich in verschiedene parlamentarische Häufchen aufteilen.

(….)  Der Hamburger AfD-Vorsitzende Jörn Kruse war so verhasst, daß er sich nur an der Spitze halten konnte, indem er einen Job in den USA annahm und dem Parlament fernblieb. Dennoch hagelte es Parteiaustritte, bis Kruse 2016 rausgeworfen wurde.  Gegenwärtig ist der alte Ronald-Schill-Intimus Nockemann neuer AfD-Chef in Hamburg.

Die AfD-Fraktion in Baden Württemberg spaltete sich 2016 gleich komplett in zwei Fraktionen. Die Bundesvorsitzende Petry schritt ein, geriet dabei so mit dem Führer der einen Partialpartei Meuthen, der zufällig auch ihr Co-Bundesspracher war, aneinander, daß sie am Ende auch noch ihren Posten verlor.

[….] AfD in Bayern: Schurken unter sich. Die AfD-Abgeordneten im bayerischen Landtag verleumden sich gern gegenseitig. Nun wirft das erste Fraktionsmitglied hin - und könnte die Spaltung befördern. [….]

(Anna Clauß, 30.03.2019)

Selbst der bayerische AfD-Fraktionsvorsitzende Markus Plenk hat die Nase voll von dem eigenen Saftladen und will nun der CSU-Fraktion beitreten.

Ähnliche Kabale, die einem nicht gedanklich erinnerlich sein mögen, findet man für jeden Landesverband einer rechten Fraktion. Da kann man wahllos ein Bundesland in die Google-Suchmaske tippen. Zum Beispiel Niedersachsen – dort hassten sich die Spitzenkandidatin Guth und der Landesvorsitzende Hampel so sehr, daß sie ebenfalls die Partei zerlegten.

[….] 2017 – 2018: Eskalation des Machtkampfes und Absetzung des Landesvorstandes. Bereits am Abend der Landtagswahl kam es zum Bruch des Landesvorstandes. Sechs Landesvorstandsmitglieder forderten in einem Schreiben an die Kreisverbände einen personellen Neuanfang auf einem außerordentlichen Parteitag. Der Landeskonvent beschloss am 26. November einen Antrag beim Landesvorstand mit der Einrichtung eines Parteitages am 13. und 14. Januar 2018. Jeweils die Hälfte des Vorstandes verschickte dann Einladungen zu Landesparteitagen an unterschiedlichen Orten mit verschiedenen Tagesordnungen und bezeichnete die jeweils andere Einladung als ungültig. [….]

(Wikipedia) […..]

(Ruppige Rechte, 05.04.2019)

Auch die eigenen Parteivorsitzenden werden immer wieder von den semikriminellen Vorstandskollegen weggemobbt.

Die gegenwärtige AfD-Bundestagsfraktion schrumpfte durch Zank und Streit um acht Mitglieder.

Aber so wie es Trump-Fans nicht stört, daß ihr Idol über 30.000 Lügen von sich gab, kaum einen Satz zu Ende bringen kann, sich ständig verspricht, Fremdworte nicht aussprechen kann, schon mal seine Hose falsch herum anzieht, ein explodiertes Frettchen auf dem Kopf trägt und sich jeden Morgen mit organger Clown-Schminke ansprühen lässt, sind auch AfD-Wähler nahezu immun gegen das kriminelle Banausentum ihrer geistig und moralisch hoffnungslos überforderten Abgeordneten.




Dennoch scheint es in der nationaldebilen Parteiführung so nah an der nächsten Bundestagswahl die Sorge zu geben, daß allzu verkommen, ungepflegte und offensichtlich dämliche Kandidaten den ein oder anderen zwischen Merz-Maaßen und Höcke-Hampel schwankenden Wähler ins CDU-Lager treiben könnten.

Deswegen gibt das Meuthen-Hauptquartier einen Wahlkampf-Leitfaden für AfD-Kandidaten heraus.

Sicher ist sicher, denn bei den Neandertalern kann man Zähneputzen und Duschen nicht als selbstverständlich voraussetzen. So schwollen die Wahlkampftipps auf 76 Seiten Umfang an.

 [….] »Kontrollieren Sie vor den Fotoaufnahmen nochmals Ihre Optik: Sitzen die Haare? Entfernen Sie Fussel.«  [….] »Nicht nur Frauen, auch Männer benötigen für Fotoaufnahmen ein dezentes Make-up, um zum Beispiel glänzende Haut abdecken zu können.«  [….] »Es ist besser, sich zu rasieren und nicht mit fettigen Haaren zu erscheinen.« [….] »Formulieren Sie …. möglichst kurz und prägnant ›im BILD-Zeitungsstil‹. … Schreiben Sie Pressemitteilungen in möglichst einfacher Sprache, damit der sprichwörtliche BILD-Zeitungsleser diese verstehen kann.« [….] »Twitter ist eher links-grün-orientiert und entsprechend werden Sie viel Gegenwind erfahren.« [….] »Niemals mit Alkohol Soziale Netzwerke bedienen.«  [….] »Bitte prüfen Sie rechtzeitig vor einer Kandidatenaufstellung, ob es in der Vergangenheit Probleme gegeben hat, die Medien und politische Konkurrenten gegen unsere Kandidaten ›aus dem Hut zaubern‹ können.« [….]

(SPON, 14.07.2021




Dienstag, 13. Juli 2021

Härterer Kurs

Zu den vielen politischen Eigenarten der Pandemie gehört das von Politikerin aller Parteien immer wieder aufgesagte Mantra „Es wird in Deutschland keine Impfpflicht geben!“   Offenbar will man damit die Schwurbler-Szene beruhigen und den Verschwörungstheoretikern keine neue Nahrung geben.

Ich halte das für vergebene Liebesmüh. Die Impfgegner, die man lieber Seuchenfreunde nennen sollte, sind ohnehin nicht erreichbar für vernünftige Argumentationen.

Es ist ein langer und harter Weg bis zur Herdenimmunität. Da können wir uns keine Zweifler, Faulpelze, Unentschlossenen und Tagträumer leisten.

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Melanie Leonhard, die ich im Gegensatz zu ihrem Kollegen auf Bundesebene sehr für ihre Corona-Politik schätze, ist beim Thema „Impfpflicht“ ähnlich verdruckst und legt erstaunlichen Optimismus an den Tag.

[…..] Der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat fordert eine Impfpflicht für das Personal in Kitas und Schulen. Hintergrund ist die Debatte darüber, wie Infektionen bei Minderjährigen und eine Weitergabe des Virus in die Familien eingedämmt werden können. „Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sehe ich im Moment noch nicht“, sagte Leonhard. Beim Pflege- und Kitapersonal gebe es sehr gute Impfquoten von über 70 Prozent. Es könnte aber in einer Pandemie eine Situation geben, in der eine Impfpflicht wie bei Masern für bestimmte Berufe gesetzlich geregelt werde. […..]

(Mopo, 13.07.2021)

70% Geimpfte bei Priorisierungsgruppe Eins im Monat Acht der Vakzin-Verfügbarkeit, kann ich nicht als „gut“ bezeichnen, wenn wir in der Gesamtbevölkerung 85% benötigen.  In der dringlichsten Priorisierungsgruppe erwarte ich eigentlich eher eine Impfquote von annähernd 100%.

Wer als Pfleger oder Krankenschwester einen Beruf gewählt hat, bei dem man mit den vulnerabelsten Menschen dieser Gesellschaft umgeht, darf diese nicht gefährden.

Es kann auch kein Nichtschwimmer DLRG-Aufseher am Strand sein. Ein Maskenmuffel kann kein Chirurg werden. Wer Busfahrer sein will, muss einen Erste-Hilfe-Kurs machen.  Wer in Delta-Zeiten in einem Pflegeheim mit lauter bettlägerigen 90-Jährigen arbeitet und sich nicht impfen lassen will, kann das ja sein lassen, aber dann hat er sich einen anderen Job zu suchen.

Deutsche Politiker gehen, unterstützt von den frommen Ethikräten viel zu vorsichtig mit dem Volk um.

[……]  Frankreich und Griechenland führen sie ein: die Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. In Deutschland stoßen Forderungen nach einem solchen Schritt auf Ablehnung - auch die Ethikratsvorsitzende hält dies für nicht nötig. Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Alena Buyx, hält eine Corona-Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen in Deutschland für unnötig. [……] Erstens gebe es für die meisten vulnerablen - also besonders gefährdeten - Gruppen andere Möglichkeiten zum Schutz. "Und: Wir haben viel bessere Impfraten bei den unterschiedlichen Berufsgruppen als beispielsweise in Frankreich", so Buyx. "Beim Gesundheitspersonal und bei den Lehrerinnen und Lehrern haben wir wirklich super Impfraten. Deswegen glaube ich, brauchen wir das gar nicht." […..]

(Tagesschau, 13.07.2021)

Ich kann Frau Buyx‘ Argumentation nicht nachvollziehen.

Deutschland hat jetzt schon, beim Stand von gerade mal 42% vollständig Geimpften, Probleme genügend Impfwillige zu finden. Für Kinder unter 12 Jahre ist noch keine Impfzulassung in Sicht und dann ist das noch der harte Kern der Scheuchenfreunde.

Woher nimmt Buyx die Zuversicht ohne Pflicht auf 85% Impfquote zu kommen?

Allein die Überlegung Impfprivilegien einzuführen oder einen Zwang für bestimmte Berufsgruppen einzuführen, führt zu einem enormen Anstieg der Impfbereitschaft.

[……] Rekordzahlen in Frankreich Fast eine Million Impfanmeldungen nach Macrons Brandrede.  Präsident Emmanuel Macron hat angekündigt, strengere Coronaregeln einzuführen. Er appellierte an die Bevölkerung, sich impfen zu lassen. Mit Erfolg: Schon am nächsten Tag buchten mehr Menschen einen Termin als je zuvor. […..]

(Spon, 13.07.2021)

Richtig so, Macron! Die Infektionszahlen steigen überall wieder an. Wir brauchen solche Maßnahmen. Die vierte Welle kommt.

Die erste Coronawelle, die von China über Italien und Österreich nach Deutschland schwappte, war extrem unheimlich, weil man so wenig über die Krankheit wußte. Nach weltweit über vier Millionen Covid19-Toten; davon 92.000 in Deutschland; haben sich unsere Sorgen als begründet erwiesen.

Umso unheimlicher ist es, daß wir nach der dritten Welle, mit all dem in der Zwischenzeit gewonnenen Wissen; aus politischer Feigheit, Opportunismus und Lockdown-Müdigkeit die gleichen Fehler immer wiederholen.

Nur weil die Intensivstationen Dank der Geimpften nicht mehr vor dem totalen Kollaps stehen, können wir nicht so tun, als habe sich das Virus auf wundersame Weise in Luft aufgelöst.

[…..] Aber es ist langsam an der Zeit zu erkennen, wie erschütternd unambitioniert diese Zielvorgabe - den totalen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern - war und ist. Anstatt niedrige Inzidenzen anzustreben, weil eben jede einzelne Infektion zählt, weil jede einzelne Erkrankung zu "Long Covid" führen kann und weil wieder steigende Inzidenzen wieder Quarantäne-Unterbrechungen und damit soziale und ökonomische Schäden bedeuten werden.   Was an der Methode der Modellierung haben die noch nicht verstanden? Warum fällt es nach anderthalb Jahren der Pandemie so schwer, in Wenn-dann-Funktionen zu denken? Warum hoppeln wir ständig den Ereignissen hinterher? Am Wissen, was geschehen könnte und wie es sich verhindern oder einhegen ließe, mangelt es ja nicht. Gerade haben noch alle einmütig die Kinder und Jugendlichen gelobt für ihre Rücksichtnahme, haben sie bedauert für all das, worauf sie verzichten mussten, und nun ist schon erkennbar, dass die Schulen immer noch nicht vorbereitet sind auf den Herbst. Bei allem, was an demokratischen Zumutungen und Ausnahmen beschlossen werden konnte, soll es nicht möglich sein, zügig Luftfilter in den Schulen einzubauen? Wem wollen sie das erklären? […..]

(Carolin Emcke, 02.07.2021)

Mopo-Mann Christian Burmeister spricht sich ebenfalls ganz selbstverständlich gegen eine Impfpflicht aus, [Warum?] konstatiert, manche bräuchten noch mehr Zeit zum Nachdenken [nach anderthalb Jahren Pandemie!].

Möglicherweis ergebe sich aber ein sozialer Impfzwang, indem Geimpfte ihre ungeimpften Freunde nicht dabei haben wollten, oder Arbeitgeber keine Seuchenfreunde mehr einstellten.

[…..] Jeder hat in diesem Land die Freiheit, sich gegen das Impfen zu entscheiden. Und das ist auch gut so. Aber genauso hat die Mehrheitsgesellschaft die Freiheit, Impfverweigerer auf Distanz zu halten, wenn sie eine mögliche Gefahr darstellen.  Wer also im Herbst oder Winter feststellt, dass sein Leben ohne Impfung komplizierter und weniger abwechslungsreich geworden ist, darf sich nicht beschweren: Er oder sie hat sich freiwillig so entschieden! [….]

(Mopo Leitartikel, 13.07.2021)

Das ist aber zu simpel gestrickt. Man kann sich nicht so ohne weiteres die Seuchenfans vom Leib halten. Sie sitzen in Zügen und Bussen, arbeiten im Service oder in Krankenhäusern.

Ich kann den staatlichen Kleinmut nicht verstehen, der die „Freiheit sich nicht impfen zu lassen“ gegen das Risiko von mehr Corona-Toten und lebenslang leidenden Delta-Longcovids abwägt.

Wer allein im Homeoffice sitzt oder einen anderen Beruf ganz ohne Kontakte hat, der keinen ÖPNV benutzt und alle Einkäufe online erledigt, kann weiterhin darauf bestehen, sich nicht impfen lassen zu wollen.

Aber für alle anderen Menschen fordere ich mehr Impfhärte vom Staat.

Montag, 12. Juli 2021

Fromme an der Spitze

Angela Merkel gilt als fromm, weil ihr Vater Horst Kasner Pfarrer war.  Als Vikar an der Epiphanienkirche im feinen Hamburg-Winterhude heiratete er die Lehrerin Herlind Jentzsch und wurde offensichtlich ein immer frommerer Pfaff.

Einer, der noch 1954 aus dem säkularen westdeutschen Hamburg in das DDR-Dorf Quitzow bei Perleberg ging; offenbar vom missionarischen Eifer getrieben, die sozialistischen Ost-Schäfchen zu guten Christen zu machen. Klein Angela und ihre Mutter blieben noch einige Wochen in der piekfeinen Eppendorfer Isestraße, bis sie dem frommen Horst in den Sozialismus folgten.

Nach gängiger Lesart sind DDR-Christen als bockige Minderheit in der atheistischen Mehrheitsgesellschaft ganz besonders gläubig. Die Hardcore-Christen Wolfgang Thierse und Kathrin Göring-Kirchentag scheinen die These zu bestätigen.

Angela Merkel betonte als ewige Vorsitzende der größten christlichen Partei Deutschlands natürlich auch ihre christlichen Überzeugungen.

Aber eigentlich haben wir keine Ahnung, ob Merkel ein so tiefgläubiger Mensch wie Schavan und Nahles ist und den ganzen Tag voller Entzücken mit feuchtem Höschen an den lieben Herrn Jesus denkt.

Es hat etwas von Sippenhaft, vorauszusetzen, daß sie ähnlich fromm wie ihr Vater sein müsste. Die Wahl ihres Studiums spricht nicht dafür. Glaubensferner als Physik geht es nicht.   Wir wissen aber, daß Merkel einen ausgeprägten Machtinstinkt hat und dafür ist es in einem strukturkonservativen Land wie Deutschland, in dem nun einmal die meisten CDU wählen, sinnvoll neben dem Ministerjob eine Parteilaufbahn in jener CDU anzustreben. Wenn man keine störenden moralischen oder sozialen Ansichten hat, ist das machttaktisch sinnvoll und in dem Fall sagt man natürlich nicht laut, daß einem die Religion nichts bedeutet.

Die nächste CDU-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer hingegen darf man getrost zu den Katholiban zählen. Sie ist tief verwoben in das katholische Brauchtum, Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und Botschafterin der Hardcore-Christen von der Stiftung pro missio.  Im Falle AKK strahlen ihre aus dem Katholizismus übernommenen menschenfeindlichen Überzeugungen immer wieder auf ihre Politik aus. Sie diskriminiert offen und wiederholend Schwule, Lesben oder Transgender.

[……] Ein Blick auf ihre religionspolitische Haltung zeigt aber, dass die gläubige Katholikin eine christliche Hardlinerin ist, die das Rad der Geschichte zurückdrehen möchte.  Die 56-jährige Annegret Kramp-Karrenbauer ist bekannt für ihren leidenschaftlichen Einsatz im Dienste der Religion. Sie ist nicht nur Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), sondern demonstriert immer wieder ihre Frömmigkeit, wenn es um politische Inhalte geht.  So ist es noch nicht lange her, als Kramp-Karrenbauer sich gegen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare aussprach, da diese zu einer Zulässigkeit von Inzest und Polygamie führen könne. Einen Grund zur Entschuldigung wollte sie auch nach heftigen Reaktionen nicht sehen. Vielmehr bekräftigte sie ihr christliches Eheverständnis erst kürzlich bei der ZDF-Talkshow "Maybrit Illner" und im Interview mit dem ZDF-Morgenmagazin.   Ihre Aussage reihte sich in eine lange Liste religiöser Peinlichkeiten ein: Kurz nach dem Attentat auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" sprach sie sich etwa gegen eine Streichung des sogenannten "Blasphemie-Paragraphen" (§ 166 StGB) aus. Denn dieser verdeutliche, dass Religion und die damit verbundenen Gefühle der Menschen ein schützenswertes Rechtsgut seien.  Ebenso entschieden positionierte sie sich gegen die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche (§ 219a StGB) und verteidigte die selbsternannten "Lebensschützer" von Durchblick e. V., die regelmäßg Plastik-Embryonen versenden, um Abtreibungen anzuprangern. Verständnis für Kritik an der geschmacklosen Aktion hatte Kramp-Karrenbauer nicht. Im Gegenteil: "In einer Gesellschaft läuft einiges schief, wenn sich die Öffentlichkeit nicht mit 1.278 Abtreibungen allein im Saarland beschäftigt, sondern über eine Kampagne zum Thema aufregt", meinte die damalige saarländische Familienministerin gegenüber der evangelischen Nachrichtenagentur idea.  Als Retterin des christlichen Abendlandes inszenierte sich Kramp-Karrenbauer auch, indem sie sich gegen eine Entscheidung des Saarbrücker Amtsgerichts wandte, Kreuze aus den Sitzungssälen entfernen zu lassen: "Das Kreuz verdeutlicht, dass der Mensch nicht das Maß aller Dinge ist", so Kramp-Karrenbauer laut Saarländischem Rundfunk. Die NS-Justiz habe gezeigt, was es bedeute, wenn sich der Mensch zum absoluten Richter mache. "Deswegen hat es für mich keinen Sinn, das Kreuz generell aus Gerichtssälen zu verbannen".  Durch die Initiative von Kramp-Karrenbauer wurde zudem der Reformationstag in vielen Bundesländern zum Feiertag erklärt. Als saarländische Ministerpräsidentin nahm sie unter anderem an einem "Fest zu Ehren Martin Luthers" teil. [….]

(hpd, 10.12.2018)

Armin Laschet ist sogar noch extremer als Kramp-Karrenbauer. Monsignore Heribert August, 74, begleitet seit 30 Jahren jeden Schritt des CDU-Vorsitzenden.

[…..] Armin Laschet ist auf eine katholische Grundschule gegangen, danach auf das Bischöfliche Pius-Gymnasium. Er hat in seiner Gemeinde Jugendarbeit gemacht, war Messdiener und sang im Kirchenchor. Als Jugendlicher überlegte Laschet kurz, Priester zu werden, entschied sich dann aber dafür, Jura zu studieren. Während des Studiums in München und Bonn war er Mitglied in katholischen Verbindungen. 1991 wurde er Chefredakteur der Kirchenzeitung in Aachen, später Geschäftsführer des katholischen Einhard-Verlags. Bis 2016 war Laschet Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken. [….]

(Spiegel, 20.06.2021)

Für einen wie Laschet sind Homoehe und Transgender-Menschen bis heute einfach bähbäh.

Er ist nicht nur überzeugter Katholik, der sich fortwährend mit Priestern bespricht und sich schützend vor die schlimmsten Kinderfi**er-Bischöfe stellt, sondern pflegt Kontakte  zum ultra-ultrakonservativen Opus Die; jenem berüchtigten geheimen Folter-Orden innerhalb der RKK.   Sein Mastermind und engster Vertrauter, der radikal homophobe Staatssekretär Liminski gehört zum Opus Dei. Aber auch die Familie, in die er einheiratete, ist berüchtigt für ihre Verbindungen zum dunklen Geheimorden.

[…..]  Der deutsche Theologe Peter Hertel beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit dem Opus Dei. »Schleichende Übernahme« heißt eines seiner Bücher über die Organisation. Ziel des Opus, schreibt Hertel, sei ein autoritärer, uniformer und schlagkräftiger Katholizismus – durch »Besetzung zentraler kirchlicher Schaltstellen und Kapitalansammlung«. […..]  Eng verbunden mit dem Opus Dei ist auch der Jugendklub »Linie 15« in Bonn – ein Klub nur für Jungen, gegründet von Eltern, die laut Selbstbeschreibung »eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für ihre Söhne mit einer tiefen christlichen Prägung« suchen. Liminski ging hier in seiner Jugend regelmäßig hin. Als 20-Jähriger baute er die »Generation Benedikt« mit auf, ein Jugendnetzwerk, benannt nach dem konservativen, 2013 emeritierten Papst.  Im Jahr 2009 trat Liminski als Redner beim Kongress »Freude am Glauben« des Forums Deutscher Katholiken auf. Er stand auf einer Bühne unter einem Bild des Papstes und schimpfte auf die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, deren Schriften »nicht mehr aufklärerisch, sondern eher pornografisch« seien. Er sprach von »sexueller Orientierung als Instrument vermeintlicher Selbstbestimmung«. Und er bedauerte, dass aus Schulen, Gerichten und öffentlichen Gebäuden Kreuze entfernt würden. […..]   Kurt Malangré, der Bruder von Laschets Schwiegervater, saß einst für die CDU im Europaparlament, war Oberbürgermeister in Aachen und das erste Opus-Mitglied in Deutschland. Sein Bruder Heinz Malangré, Laschets Schwiegervater, war Miteigentümer der Kirchenzeitung, für die Laschet einst als Chefredakteur arbeitete. […..]  (Spiegel, 20.06.2021)

Laschet ist keineswegs nur privat Katholik.

In der Pandemie gefährdete er massiv Menschenleben, indem er sich hartnäckig für die hochriskanten Kirchenöffnungen einsetzte.

Als Ministerpräsident trachtet er danach, die menschenrechtsfeindlichen Opus-Dei-Fanatiker mit Posten zu versorgen.

[…..] Unter den fünf Organisationen, die von der Politik neu in den Rundfunk entsendet wurden, ist der Verband kinderreicher Familien Deutschland. Er soll auf Initiative der CDU-Fraktion, der auch Ministerpräsident Armin Laschet angehört, zu seinem Sitz im WDR-Gremium gekommen sein.  Die Lobbyvereinigung setzt sich für Toleranz und Anerkennung von Großfamilien ein. Das klingt zunächst harmlos und ehrenwert, allerdings agieren im Hintergrund des Verbands offenbar Personen mit erzkonservativen, fragwürdigen Positionen. Es sind Ansichten, die jenseits des Wegs von »Maß und Mitte« liegen, den Unions-Kanzlerkandidat Laschet im Bundestagswahlkampf gern propagiert.  Den Verband kinderreicher Familien e.V. gibt es seit 2011, der Sitz der Geschäftsstelle ist in Mönchengladbach. Laut eigener Auskunft hat er 6000 Mitglieder. Es gehe darum, Menschen Mut zu machen, drei und mehr Kinder zu bekommen, heißt es vonseiten des Verbands.[…..] In den vergangenen Jahren trafen sich Verbandsvertreter mit dem NRW-Familienminister und Vizeministerpräsidenten Joachim Stamp (FDP) und mit Nathanael Liminski (CDU), dem Chef der Staatskanzlei in Düsseldorf. […..] Teil des Beratergremiums ist Manfred Spieker. Der Sozialwissenschaftler ist Mitglied bei Opus Dei, jener erzkonservativen Organisation katholischer Laien und Priester, die der Mythos eines Geheimbunds umgibt. Spieker war einst auch CDU-Mitglied, er trat 2017 aus, als die Große Koalition mit Stimmen der Union die Ehe für alle beschloss.  Homosexualität bezeichnete er damals als »lebensfeindlich«. Die kirchliche Segnung homosexueller Paare, sagt er, schade der Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Zusammen mit AfD-Politikerinnen und AfD-Politikern trat Spieker schon bei den sogenannten »Demos für Alle« auf, deren Veranstalter gegen die Rechte sexueller Minderheiten mobil machen.  Auch Herwig Birg, ein emeritierter Bevölkerungswissenschaftler, gehört zum Verbandsbeirat. Den Fachkräftemangel solle Deutschland durch eine »Steigerung der Geburtenrate« und nicht »durch Zuwanderungen aus dem Ausland« bekämpfen, forderte er 2019 in einem Interview mit der Stiftung für Familienwerte. […..] 2015 trat Birg beim AfD-Bundesparteitag auf. Manche seiner Thesen tauchten in AfD-Pressemitteilungen auf. […..] Der Verband kinderreicher Familien hat im Rundfunkrat nur einen Sitz, sein Einfluss in dem Gremium dürfte begrenzt sein. Dennoch stellt sich die Frage: Warum unterstützt die CDU eine Organisation, in der Homophobie und antimoderne Denkmuster verbreitet zu sein scheinen? […..]

(SPON, 12.07.2021)

Sonntag, 11. Juli 2021

Merkel 16.0 – Teil II

Es ist ein Trauerspiel; die ersten Chips und Computer wurden in Deutschland entwickelt. Die SPD-Regierung unter Helmut Schmidt plante vor 40 Jahren (sic!), im Jahr 1981, den Glasfaserausbau, aber der bräsige Helmut Kohl und die bräsige Angela Merkel ließen alles einschlafen.

Nach 16 Jahren mit ihren Digitalisierungskatastrophen Ramsauer, Oettinger, Bär, Dobrindt und Scheuer, werden auf Regierungsebene Faxe verschickt, die die Ministerialen dann umständlich mit der Hand abtippen müssen. Wir schreiben das Jahr 2021.

Die CDU vermochte es, die einstige technologische Führung nicht nur zu verspielen, indem sie einseitig und tumb Technologien des letzten Jahrtausends – AKWs, Verbrenner-PKWs, Massentierhaltung – förderte und alles Fortschrittliche aus Deutschland vertrieb. Nun sind wir Europas Internet-Schlußlicht. Es ist unklar, ob der Rückstand noch aufzuholen ist. Ganz sicher sind aber die asiatischen Länder technisch längst uneinholbar enteilt.

Während in China schon große Teile des Lebens von KIs gesteuert werden, gibt es in Deutschland noch nicht mal mehr das Knowhow ein Smartphone herzustellen. Als ich meine erste Corona-Impfung erhielt, bekam ich einen Stempel in mein gelbes Papier-Impfheftchen von 1969. Weiter sind wir noch nicht.

Nicht vergessen sollte man die 16 Jahre C-Bundesinnenminister unter Merkel.

Der große Otto Schily hatte den Laden bis 2005 im eisernen Griff und erheblich modernisiert, reagierte wöchentlich mit neuen Initiativen auf die neuen Terrorgefahren seit 9/11.

Mit Merkel wurde aber auch an dieser Front jede Arbeit eingestellt.   Für die CDU-Kanzlerin debakulierten als Innenminister Wolfgang Schäuble (2005-2009), Thomas de Maizière (2009-2011), Hans-Peter Friedrich (2011-2013), Thomas de Maizière (2013-2018) und seither scheinamtiert der ewig abwesende „Erfahrungsjurist Crazy-Horst“ Seehofer als Superminister, der noch so gut wie keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat.   Daß sich Strafverfolgung und Kriminalität längst auch in der digitalen Sphäre abspielen, ist ihnen bisher noch nicht aufgefallen.

Wenn ein mittelständischer Betrieb, wie die grundsolide Hamburger Familienfirma Wempe Opfer einer Cybererpressung wird, wie es im Juni 2019 geschah und die Polizei ruft, zucken die Beamten mit der Schulter. Tja, da könne man leider nichts machen; mit Computern kenne man sich nicht aus. Der Rat der Ermittler: „Zahlen sie am besten das Lösegeld und hoffen auf das beste!“

Das geschieht jedes Jahr hundertfach in Deutschland. Im Januar 2021 traf es beispielsweise die FUNKE-Mediengruppe; aber die Polizei ist technologisch hoffnungslos abgehängt.

Der höchst gefährliche, rechtsextreme, antisemitische Verschwörungsideologe Attila Hildmann wird seit einem halben Jahr mit Haftbefehl gesucht, tauchte aber, mutmaßlich aufgrund einer Insider-Warnung, rechtzeitig unter.

Im November 2020 wurden nach einer Fülle von Anzeigen bei einer Hildmann-Hausdurchsuchung Laptops und Klugtelefone sichergestellt. Drei Monate später hatten die LKAs Berlin und Brandenburg noch nicht mal angefangen die Daten auszulesen, weil es dafür offenbar nicht ausreichend polizeiliches Knowhow gibt.

[…..] Drei Monate nachdem die Berliner Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen Attila Hildmann übernommen hat, sind nach Informationen  von WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) wichtige Beweismittel immer noch nicht ausgewertet. […..] Zunächst hatte die Brandenburger Justiz gegen den in Wandlitz im Landkreis Barnim wohnhaften Hildmann ermittelt, der vor allem über seinen Telegram-Kanal regelmäßig gegen die Corona-Politik der Bundesregierung hetzt und krude Verschwörungsmythen verbreitet. […..] Ende November hatte die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren von der Cottbusser Justiz übernommen. 60 Bände [Natürlich alles in Papierform –T.]  und mehr als 33 Fallakten sollen übergeben worden sein. […..] Bislang aber wurden die beschlagnahmten Beweismittel nach Informationen von WDR und SZ noch nicht ausgewertet. [….]

(Tagesschau, 22.02.2021)

Der rechtsextreme Wahnsinnige dreht seither erst richtig auf und tanzt der Polizei auf der Nase herum.

Die Telegram-Kanäle sind immer noch zugänglich, auf Twitter sondert Hildmann im Zehn-Minuten-Takt seine braune Hasspost ab.

[…..] Noch vor Kurzem postete Hildmann, der ursprünglich als Kochbuchautor bekannt wurde, bei Telegram eine Fotomontage mit Angela Merkel in KZ-Kleidung und schrieb dazu: "Sperrt diese Untermenschen Jüdin endlich nach Auschwitz wo sie hingehört bevor noch mehr Kinder Selbstmord begehen und wehrlose Alte mit Judenspritzen ermordet werden!" […..] Die einzigen Richter, die unterdessen auch in Abwesenheit Hildmanns ein Urteil fällen können, sitzen in der Pressekammer des Landgerichts Berlin. An sie hat sich der ehemalige Grünen-Politiker Volker Beck gewandt, um zumindest einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen Hildmann zu erstreiten. Hildmann hatte mehrmals erklärt: Wenn er "Reichskanzler" wäre, würde er für den Grünen die Todesstrafe "durch Eier-Treten" einführen. […..]

(Süddeutsche Zeitung, 11.07.2021)                

Mehr als acht Monate nach der Beschlagnahme, gelang es den Polizei-Blitzbirnen nun die Mobiltelefon-Daten teilweise auszulesen.

Nicht aber die Festplatten der Laptops. Das ist zu schwierig für sie.

[…..] Einer der Wortführer der Corona-Leugner-Szene, der Verschwörungsideologe Attila Hildmann, wird von der Justiz mit neuen Vorwürfen verfolgt. Nachdem das Berliner Landeskriminalamt nach Informationen von SZ und WDR nun vier Mobiltelefone ausgewertet hat, die bereits im vergangenen November bei einer Durchsuchung von Hildmanns Wohnung sichergestellt wurden, hat die Staatsanwaltschaft Berlin ihre Ermittlungen gegen Hildmann auf 80 einzelne Straftaten erhöht. […..] Aber: Mehrere Notebooks, die bereits vor mehr als einem halben Jahr bei Hildmann sichergestellt wurden, seien weiter nicht vollständig ausgewertet. […..]

(Süddeutsche Zeitung, 11.07.2021)

Samstag, 10. Juli 2021

Merkel 16.0

Wer ein Ferienhäuschen auf Ibiza oder in der Danziger Bucht besitzt, kann in der Pandemie komplett dahin übersiedeln, weil es dort überall Glasfaseranschlüsse gibt und Homeoffice dort viel bequemer möglich ist.

Das nette kleine Sommerhäuschen an der polnischen Ostsee, das man vor Jahren extrem billig gekauft hat, bekommt nun doch eine Heizung eingebaut, damit man auch mal in der kälteren Jahreszeit länger dableiben kann. Denn dort gibt es überall schnelles Internet. 300 km westlich in Mecklenburg-Vorpommern ist das noch Utopie.

Die EU-Bürger der baltischen Staaten können schon viele Jahre alle Behördengänge, Steuererklärungen online erledigen. Pandemiebedingt Schulen zu schließen funktioniert selbstverständlich völlig anders, wenn die digitale Infrastruktur schon längst flächendeckend installiert ist.

Deutschland ist digitales Entwicklungsland. So lange die CDUCSU-Schlafmützen Bundeskanzleramt und Staatskanzleien besetzen, wird sich das auch nicht ändern.

Seit vielen Jahren leisten wir uns Offline-Dinosaurier wie Scheuer, Dobrindt, Bär und Oettinger als zuständige Minister. So wird Deutschland den technologischen Rückstand gegenüber all seiner Nachbarn niemals aufholen, zumal CDUCSU in der Wählergunst ganz vorn liegen. Die Mehrheit des Urnenpöbels möchte also diese Steinzeitpolitik, in der Gesundheitsämter ihre Corona-Daten per Fax verschicken und das auch nur von 09.00 bis 17.00 Uhr an den Wochentagen.

Genauso funktioniert auch der Regierungsalltag im Herzen Berlins in Merkels 16. Regierungsjahr.

[….] Die Gegenwart im Regierungsbetrieb sieht zum Beispiel so aus: Parlamentarische Anfragen der Bundestagsabgeordneten werden von der Bundestagsverwaltung per Fax an das Kanzleramt übermittelt, dort eingescannt und als PDF-Bild an das zuständige Ministerium weitergeleitet, wo ohnehin schon heillos überforderte Ministerialbeamte diese Anfragen teilweise von Hand abtippen müssen, um sie fristgerecht beantworten zu können. Komplizierter geht es kaum.  Die Süddeutsche Zeitung hatte darüber im März dieses Jahres berichtet, woraufhin wiederum die FDP-Fraktion eine Kleine Anfrage stellte, in der sie sich unter anderem nach dem Stand der Digitalisierung bei der Bearbeitung solcher Anfragen erkundigte. In der Antwort der Bundesregierung ist nun von "Bildfaxdokumenten" die Rede, die teils immer noch abgetippt werden müssten, "da ein automatisches Auslesen und Überführen in ein bearbeitbares Format im Zuge der Übermittlung von der Bundestagsverwaltung an die Bundesregierung technisch noch nicht möglich ist". Kurzum: Höchste staatliche Stellen scheitern mitunter also schon daran, sich gegenseitig eine Word-Datei zuzuschicken. Muss man sich da noch wundern, dass in den Schulen und Gesundheitsämtern nicht alles reibungslos läuft? […..]

(Boris Herrmann, 05.07.2021)

Freitag, 9. Juli 2021

Negativ-Orden

So wie ich Nationalismus und Patriotismus rundherum ablehne, mokiere ich mich auch über Uniformen und halte das sichtbare Tragen von Orden oder Auszeichnungen für anachronistisch bis lächerlich.

[…..] Our little army boy

[…..] Mourning in the aerodrome

The weather warmer, he is colder

Four men in uniform

To carry home my little soldier[…..]

Give the kid the pick of pips

And give him all your stripes and ribbons

Now he's sittin' in his hole

He might as well have buttons and bows […..]

(Kate Bush 1980)

In Deutschland existiert eine unübersehbare Flut kommunaler, Landes- und Bundes-Auszeichnungen, die sich die Ausgezeichneten insbesondere gern gegenseitig verleihen.

Man lese dazu nur den Wikipedia-Eintrag eines beliebigen Ministers, Bischofs oder Ministerpräsidenten und wird unter dem Punkt „Ehrungen“ eine ganze Liste verschiedenster Preise, Medaillen, Auszeichnungen und Orden finden.

Ich halte mich hingegen an das Hamburgische Motto, das unser großer Bürgermeister Henning Voscherau stets verkündete: „Ein Hanseat nimmt keine Orden an!“

Wir sind das diametrale Gegenteil Wiens, sprechen keine akademischen Titel mit und nehmen Orden erst gar nicht an.

 So inkonsequent, wie ich im Gegensatz zu nationalem Patriotismus augenzwinkernd durchaus Lokalpatriotismus akzeptiere, verstehe ich auch, daß die Stadtväter in Ausnahmefällen alle paar Jahre mal einer außergewöhnlich verdienstvollen Tochter der Stadt, einem Sohn der Stadt ihre Dankbarkeit ausdrücken wollen.   Dafür verfügt auch Hamburg über verschiedene Instrumente; die allerhöchste und bekannteste Auszeichnung ist natürlich die Ehrenbürgerschaft.

[…..] Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts, das kein besonderes Recht, sondern eine Auszeichnung darstellt, steht dem Senat zu und wurde ursprünglich allein von ihm ausgeübt […..] Allerdings hatte der Senat bereits bei der Verleihung 1813 die Erbgesessene Bürgerschaft um Zustimmung gebeten, vor allem aber deshalb, um die Genehmigung für das mit der Verleihung des Bürgerrechts verbundene Geldgeschenk einzuholen. […..] Um dieser seltenen Ehrung eine noch größere Bedeutung zu geben, wurde dann im Jahre 1834 die Mitgenehmigung der Bürgerschaft herbeigeführt, ohne jedoch eine Verpflichtung hierzu anzuerkennen. Erst 1890 beschloss der Senat, die Bürgerschaft stets mit einzubeziehen und vorher vertraulich den Vorstand der Bürgerschaft zu informieren, um unliebsame Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. […..] Bei der Ehrenbürgerschaft handelt es sich heute um die höchste Ehrenbezeugung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat; Rechte und Pflichten entstehen hierdurch nicht. [….]

(Hamburg.de)

Als Fußballphobiker verstehe ich zwar nicht wieso „Uns Uwe“ Seeler Hamburger Ehrenbürger wurde, aber von den 36 Persönlichkeiten, die seit 1813 Ehrenbürger wurden, heiße ich die Nachkriegsentscheidungen alle gut.

1983 Helmut Schmidt

1985 Ida Ehre

1986 Gerd Bucerius

1986 Herbert Wehner

1991 Kurt A. Körber

1991 Alfred Toepfer

1993 Rudolf Augstein

1999 Marion Gräfin Dönhoff

2001 Siegfried Lenz

2003 Uwe Seeler

2005 Helmut Greve

2005 Hannelore Greve

2007 Prof. John Neumeier

2009 Loki Schmidt

2013 Michael Otto

 In grauer Vorzeit gab es einige fragwürdige Würden an Top-Militärs und Hochadelige.  (1816 Generalfeldmarshall Fürst Gebhard Leberecht von Blücher, 1871 Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck, 1917 Reichspräsident Paul von Hindenburg). Aber mit den ausgezeichneten Johannes Brahms (1889) oder Johann Smidt (1843) kann man auch heute noch sehr gut leben.  Seit 1978 wurde die Ehrenbürgerwürde in über 40 Jahren nur 15 mal verliehen; das ist sparsam genug.

Was aber eindeutig fehlt ist ein Äquivalent zur „Goldenen Himbeere“, den RAZZIES, die vor der Oscar-Verleihung die schlechtesten Leistungen in Film und Fernsehen benennen.

Wieso haben wir keine Hamburger Versager-Trophäe, die denjenigen überreicht wird, die der Stadt den allergrößten Schaden zugefügt haben?

Drei Preisträger wären sicher.

Ganz weit vorn liegt der jetzt schon legendär katastrophale Di.Mi.Do-Bürgermeister Ole von Beust (2001-2010), der den Senat fast ausschließlich mit Halbkriminellen besetzte, den Herpes-Faschisten Schill zum Bürgermeister machte, den sozialen Wohnungsbau vollständig einstellte, Straßen, Brücken und Siele verkommen ließ, der Stadt 30 Milliarden Schulden allein mit seinem HSH-Nordbank-Desaster aufgehalste, alle im Hamburger Besitz befindlichen Versorgungsunternehmen und Krankenhäuser an CDU-Spezis vertickte, Milliardendesaster Elbphilharmonie, Exodus des Medienstandorts Hamburg, weil die Verlage keinen Ansprechpartner mehr im Senat hatten, Verkauf der städtischen Immobilien und Filet-Grundstücke. Zu allem Überfluss auch noch ein Abrisswahn. Allein für die grauenvoll scheußliche „Europapassage“ gegenüber des Rathauses, ließ von Beust 11 wunderschöne historische Kontorhäuser sprengen. Drei Milliarden Euro wurden auf von Beusts Betreiben mit dem aberwitzigen Kohlekraftwerk Moorburg buchstäblich in die Luft geblasen.

Wir haben es nur unserem Hamburger Ehrenbürger Helmut Schmidt zu verdanken, der sich 2006 energisch Ole von Beust in den Weg warf, daß der CDU-Bürgermeister nicht auch westlich des Rathauses seine grausige Glas-Kubus-Architektur auf dem Domplatz errichtete.

Einen Negativ-Orden hat sich jetzt schon, gerade mal im 13. Amtsmonat der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks verdient, der geradezu wahnhaft den Verkehr zu einem immerwährenden Alptraum macht; jeden, der nicht jung und gesund ist, aus der Innenstadt vertreiben will, einen einzigen immerwährenden Stau fabriziert und dazu auch noch manisch Straßengrün abholzt. Der Tort, den Tjarks der schönen Elbmetropole antut, mag noch nicht so brutal wie der Beustsche sein, aber der Grüne ist erst ein Jahr im Amt und bloß Senator. Nach neun Jahren als Regierungschef könnte er Hamburg durchaus zum Totalsanierungsfall runterwirtschaften.

Negativ-Orden Nummer Drei geht an Hadi Teherani. Der Glaskubus-Architekt hat sich Schimpf und Schande für die Verschandelung der Stadt reichlich verdient.

Ich möchte keine nicht verifizierbaren Gerüchte darüber weiterverbreiten, wie Teherani immer wieder von Beust dazu brachte, ihm Großaufträge zuzuschanzen, aber seine Bauten prägen tatsächlich inzwischen das Stadtbild.  Ich erkenne die Teherani-Handschrift von weitem, weil keine anderen Hamburger Häuser derart abgrundtief häßlich sind.  Das Dockland, die tanzenden Türme auf der Reeperbahn, den Berliner Bogen, das Deichtor Center, die Europapassage sind allesamt abscheulich.

„Abscheulich“ ist natürlich meine subjektive Bewertung; ich gebe gerne zu, daß anderen Menschen die Teherani-Architektur womöglich gut gefällt, auch wenn ich noch nie so einen Menschen getroffen habe und weiß, daß Hobby-Architekt Helmut Schmidt jedenfalls nicht dazu zählt.

Design und Kunst sind Geschmackssache.   Unumstritten ist aber, daß die Teherani-Gebäude immer Glasfassaden haben und dadurch erheblich eingeschränkt zu verwenden sind, weil die Wärmeverteilung in den Häusern nie funktioniert.   Sie sind im Winter eiskalt und heizen sich im Sommer derartig auf, daß man in den Bürokomplexen de facto nicht arbeiten kann.

Als die Büros im „Berliner Bogen“ so glutheiß wurden, daß die Angestellten reihenweise kollabierten, erwiderte Teherani schnippisch, es sei eben spießig auch im Sommer tagsüber zu arbeiten. Wenn es so warm werde, sollten die Angestellten doch nachts kommen.

In der fünfstöckigen Europapassage sind die Baumängel so erheblich, daß noch nach Jahren die Läden im obersten Stockwerk Eisbeutel bereithalten müssen, weil sich dort die Hitze staut, während im Untergeschoss so ein eiskalter Zug herrscht, daß die Kunden sich nicht dahin trauen. Die Mängelliste 2007 war so endlos, daß Teherani seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpassen musste.

Außer den praktischen Erwägungen und nicht funktionierenden Temperaturmanagement der immer gleichen eckigen Glasbauten, stellt sich auch die Frage, ob man eigentlich diese totale Transparenz will?
Wieso soll es eigentlich erstrebenswert sein, daß jeder Passant von außen die dort arbeitenden Menschen durch die Glasfassade genau mustern kann?
Ich möchte nicht immer von allen gesehen werden.

Hinzu kommt der allgemein bekannte Klimawandel, der die Sommer immer heißer machen wird. Ist es klug dann immer mehr Gebäude zu bauen, die durch ihre Glasfassaden generell gar keinen Schatten spenden können?

 […..] Wer sich die Poetologie der Maklerbranche ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass diese Branche ohne das Wort "lichtdurchflutet" nicht lebensfähig ist.   Auch sie wird in Klimawandelzeiten marketingmäßig umdenken müssen. Vielleicht, es sind gerade die Tage der längsten Sonneneinstrahlung in Deutschland und das Land beginnt wieder mal zu riechen wie früher der von Kaugummiresten und Sonnenmilchtropfen so herrlich verklebte Fußweg zum Dreimeterbrett im Freibad, wird man eines Tages Anzeigen lesen, in denen kellerhaft feuchte und dunkel verschattete Wohnungen, in die sich garantiert niemals ein Lichtstrahl verirrt, angepriesen werden. Diese werden Höchstpreise erzielen, die man sich nur als Vlad der Pfähler (vulgo: der lichtsensible Graf Dracula) leisten kann.   Mit ihm teilt der Autor eine seltsame, womöglich ja krankhafte Neigung: Es ist die Angst vor brütender Hitze, Schattenlosigkeit und die Sehnsucht nach Novemberniesel in hoffentlich bald wieder dunkler werdenden Tagen. Übrigens, stimmt, man sieht ja auch aus wie Knäckebrot und stammt definitiv nicht aus der Karibik. Man ist nun mal kein Freund der Sonne. Weiß aber, dass sie seit Menschengedenken angebetet wird und zum Hotspot der allgemeinen Sehnsucht wurde. "Denn die einen", sagt Brecht, "sind im Dunkeln / Und die anderen sind im Licht." Wer will schon zu den einen gehören? […..] Später schreibt Edith Farnsworth, die erst von Mies begeisterte, dann entgeisterte Bauherrin, grimmig: "Das Haus ist durchsichtig wie ein Röntgenbild ... die Glas-Stahl-Konstruktion ist unbewohnbar." Man sieht sich vor Gericht. Genau dort also, wo seit einigen Jahren auch die Glasarchitekturen New Yorks verhandelt werden - als seien sie die inkriminierten Subjekte in Paul Austers New-York-Trilogie "City of Glass". Auf der Anklagebank: Glas als Baustoff. Bill de Blasio initiiert als Bürgermeister von New York ein Nachdenken darüber, gläserne Hochhausbauten aufgrund ihrer vermeintlichen Energie-Ineffizienz zu verbieten. "Monumente", sagt er, "die unserer Erde schaden - das wird in New York City nicht länger erlaubt sein." […..]   Glas wird zum Dieselskandal der Architektur. […..] so rächt es sich nun, dass Häuser und Städte seit vielen Jahrzehnten die einfache Kunst des Schattenspendens eingebüßt haben: auskragende Dächer, engstehende, einander verschattende Stadthäuser, dicke, daher speichertaugliche Mauern, schattenspendende Begrünung, Wasser, Läden zum Schließen der Fassade, der Wind, der zur Kühlung eingefangen und gelenkt wird: Nichts davon ist neu zu erfinden. Der Süden ist schon lange findig im Umgang mit dem sengenden Glutmonster dort oben. […..]

(Gerhard Matzig, 28.06.2021)

Donnerstag, 8. Juli 2021

Ist das langweilig!

Von taz bis FAZ wird niemand der Diagnose widersprechen, daß die CDU 31 Jahre nach Angela Merkels Eintritt in die Bundesregierung, 21 Jahre nach Merkels Wahl zur Parteivorsitzenden und 16 Jahre nach Merkels Wahl zur Bundeskanzlerin, vollständig geistig erlahmt ist.

Es gibt kein politisches Projekt, welches man mit ihr assoziiert, keine CDU-Zukunftspläne, keinen Gestaltungswillen, keine Ideen für die Herausforderungen unserer Zeit, kein Personal, das auch nur ansatzweise über Charisma verfügt und schon gar nicht existieren irgendwelche „Vordenker“ in der Partei.

Die CDU ist in jeder Hinsicht intellektuelle Underperformerin, die nur einmal so etwas wie Aufbruchsstimmung erlebte, als nämlich mit Friedrich Merz, ein abgewirtschafteter Politrentner aus dem 1990er ohne ökonomisches Grundwissen neoliberales Thesen verbreitete, die seit einem Vierteljahrhundert widerlegt sind. Der Mann, der nie eine Wahl gewonnen und nie regiert hat, blieb sich bis zuletzt treu, indem er, als es drauf ankam, bei den beiden Kämpfen um den Parteivorsitz gegen AKK und Laschet, total versagte.

Der mittlerweile auch zum gemeinsamen CDUCSU-Kanzlerkandidaten gekürte CDU-Parteichef ist die Apotheose seiner Partei und vermeidet strikt jede Positionierung. Weswegen man die CDU wählen solle, die gerade 16 Jahre regiert hat, kann er nicht sagen.

In NRW mäandert Laschet planlos durch die Coronapolitik, hat keinerlei Idee für den Pandemie-Schulbetrieb und blockiert effektiv den Klimaschutz.

Laschet ist die Inkarnation des Stillstandes; da hält er sich strikt an sein Vorbild Merkel.

Im Bundestagswahlkampf gibt es nur zwei Festlegungen des mutmaßlich nächsten Kanzlers: Ohne Limit auf der Autobahn rasen und deutliche Steuererleichterungen für die reichsten 10% der Deutschen, so daß noch mehr von unten nach oben umverteilt wird. 

 Seinen Wahlkampfslogan klaute er von Gerd Schröder.

Die CDU-Wahlkampagne ist derartig ambitionslos und öde, daß man sich noch nicht mal die Mühe machte, echte Polizisten und Krankenpfleger zu suchen, die auf Plakaten bekunden, die CDU zu wählen, sondern Mitarbeiter der Parteizentrale kostümierte. Der renommierte Wahlkampfberater und Werbetexter Frank Stauss diagnostiziert treffend.

[……]   SPIEGEL: Die CDU hat ihre Plakate für die Bundestagswahl vorgestellt. »Deutschland gemeinsam machen«, ist der Leitsatz. Wie schnell sind Sie eingeschlafen, nachdem Sie die Kampagne gesehen haben?

Stauss: Das ging sehr zügig. Eigentlich war ich schon eingeschlafen, bevor ich sie gesehen hatte, weil ich genau so etwas erwartet hatte. Aber das muss ja nicht falsch sein.

SPIEGEL: Wie bitte?

Stauss: Es ist eine Kampagne, die absolut auf Sicherheit spielt. Die Union ist Frontrunner, sie versucht, das Ganze, ohne zu stolpern, ins Ziel zu bringen. Nicht anecken, alle Themen irgendwie oberflächlich anreißen, das ist ihr Ziel. Insgesamt ist das alles furchtbar dröge und ambitionslos. Aber womöglich die richtige Strategie.

SPIEGEL: Verstehen wir das richtig – je langweiliger die Plakate, desto größer die Siegchancen der Union?

Stauss: Klar. Die Union liegt vorn und hat einen Kandidaten, von dem niemand einen großen Aufbruch erwartet. Für die Partei geht es darum, Stabilität, Sicherheit und einen hohen Wiedererkennungswert auszustrahlen. […..]

(Veit Medick, 07.07.2021)




So ist er, der Urnenpöbel. Je eifriger und glaubwürdiger ein Kandidat, eine Partei einen Aufbruch und entscheidende Neuerungen ankündigt, desto sicherer verliert er die Wahl. Das war schon Merkels geniales Erfolgsrezept. Bloß nichts sagen, bloß immer wolkig daher plappern, bloß nichts tun, das die Wähler aufregen könnte oder sie womöglich dazu veranlasst sich politisch zu engagieren. Je mehr Nichtwähler, desto besser für die CDU.

[….]  Armin Laschet setzt wie Merkel auf asymmetrische Demobilisierung. Die Folge: Viele Menschen wollen eine Veränderung, glauben aber nicht, dass ihre Stimme entscheidend ist – und gehen dann einfach nicht zur Wahl. [……]

(Samira El Ouassil, Spon, 08.07.2021)

 


Laschets Grundhaltung, tumb jede Politik zu vermeiden und einfach ewiggrinsend alles auszusitzen, geht soweit, daß er drastische Angriffe auf die Verfassung aus seiner eigenen Partei stoisch geschehen lässt. Der CDU-Bundestagskandidat Maaßen kann antisemitisch raunen, verschwörungstheoretisch warnen und völkisch hetzen wie er möchte – Laschet lässt es geschehen.

In einer funktionierenden validen Demokratie würde so eine Politikverweigerung von den Wählern abgestraft werden.

Das reale deutsche Wahlvolk besteht aber zu weiten Teilen aus bequemen und lesefaulen Idioten, die nicht weiter als bis zur Nasenspitze denken können. Sie ziehen die katholische-fromme, homophobe, fascho-tolerante personifizierte Untätigkeit aus NRW immer noch jedem vor, der den Liter Benzin um einen Cent verteuern, ein Tempolimit einführen oder womöglich gar durch Mindestlohn und Vermögenssteuer dafür sorgen könnte, daß die Multimilliardäre Kühne, Quandt und Schwarz auch Abgaben zahlen. Nein, nein, nein, es soll bitte alles immer so bleiben, wie es ist.

[…..] Warum der Kanzlerkandidat der Union auf der Beliebtheitsskala überraschend so weit oben steht? Das hat viel mit Gewöhnung zu tun. […..] Zu den derzeit beliebten Sätzen der CDU gehört die Behauptung, keine Partei des "Entweder-oder" zu sein, sondern eine des "Sowohl-als-auch". Man kann sagen, dafür hat sie den passenden Kanzlerkandidaten gefunden. Armin Laschet, 60, will das Land sowohl stabilisieren als auch erneuern, sowohl das Klima als auch die Industrie schützen, sowohl die Pandemie bekämpfen als auch Freiheiten gewähren. Er liebt sowohl Nordrhein als auch Westfalen, er kann sowohl herzlich als auch pampig sein, als Redner sowohl einschläfern als auch mitreißen. Mit all diesen Eigenschaften hat er in den Machtkämpfen um den CDU-Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur der Union sowohl Friedrich Merz als auch Markus Söder ausgestochen.  Gleichwohl muss Laschet mit dem Vorwurf leben, dass sein kultiviertes Sowohl-als-auch manchmal wie ein "Weder-noch" rüberkommt. Etwa wenn er auf Fragen nach einem CDU-Bundestagskandidaten aus Südthüringen weder "Hans-Georg" noch "Maaßen" in den Mund nimmt oder wenn er die Provokationen am rechten Rand seiner Partei weder duldet noch unterbindet. […..]   Der Schub kam dann aber ziemlich bald. Mitte Juni klang Güllner am Telefon plötzlich so: "An den Laschet gewöhnt man sich langsam. Deshalb geht er hoch." Inzwischen liegt die Union bei Forsa elf Prozentpunkte vor den Grünen. Auch bei anderen Instituten hat Laschet eine ähnliche Achterbahnfahrt auf der Werteskala hinter sich.  Das eigentlich Irre daran ist: Er hat nicht viel dafür getan. Vielleicht mal abgesehen davon, dass er stets die Nerven behielt und den sich wild wandelnden Stimmungen mit demonstrativer Gelassenheit zuschaute. Laschet blieb einfach Laschet - mit allen Stärken und Schwächen. Das reicht im Moment. [….]

(Boris Herrmann, 08.07.2021)