Mittwoch, 19. Februar 2020

Pädo-Toleranz


Vielleicht ist es nur ein Klischee aus amerikanischen Krimiserien; verifizieren kann ich es nicht: Pädophile gelten selbst im Knast als Abschaum, rangieren ganz unten in der Kriminellen-Hierarchie.
Möglicherweise handelt es sich dabei auch nur um einen Ausweg für minderbegabte Drehbuchschreiber, um halbgare Stories abzurunden. Kommt ein schmieriger Typ wegen Kindesmissbrauch in Untersuchungshaft, kürzt es für den Zuschauer das Verfahren elegant ab, wenn der Pädophile dort schnell, still und leise von anderen Gefangenen getötet wird.

Seit 15, 20 Jahren erwachsen leise Zweifel in mir, ob pädosexuell übergriffige Männer wirklich allgemein so gehasst werden.
Seit im Jahr 2002 noch unter Papst Johannes-Paul II die erste große Pädosex-Enthüllungswelle aus den USA über die Katholische Kirche rollte, konnte man klar beobachten welche Toleranz die Gläubigen gegenüber ihren kinderfickenden Priestern aufbringen.
Das zeigt schon die Tatsache, daß es überhaupt bis ins 3. Jahrtausend dauerte, daß diese Fälle Medienaufmerksamkeit bekamen.
Wir wissen inzwischen aus breiten Untersuchungen in vielen Ländern, daß von katholischen Geistlichen vergewaltigte Kinder natürlich auch schon in den Jahrzehnten zuvor versuchten sich zu beschweren, aber oft sogar von ihren eigenen Eltern verstoßen wurden, die lieber zum Priester als zu den Opfern hielten. Für die 4.000 Bischöfe weltweit galt das ohnehin: Das Ansehen der Kirche und der sadistischen Vergewaltiger in Soutane war stets höher zu bewerten als das Leid der missbrauchten Kinder.
Ganz offensichtlich galten pädosexuelle Attacken als vergleichsweise tolerabel und damit viel weniger schlimm als zum Beispiel Fremdgehen oder gar homosexuelle Liebe.

In extremer Weise bekam ich diesen Zusammenhang im Fall Pfarrer Peter H. aus Bad Tölz vorgeführt.
Vor nun genau zehn Jahren im Zuge der Canisius-Enthüllungen machte der Fall des aus Essen stammenden verurteilen Kindersex-Straftäters Schlagzeilen, weil er ins Erzbistum München-Freising geschickt wurde und der damalige Chef, ein gewisser Joseph Ratzinger, nachdem er vom Essener Bistum informiert wurde, Pfarrer H. gleich wieder als Pfarrer auf Kinder los lies.
Inzwischen wissen wir natürlich auch, wie gut alles zusammenpasste mit dem späteren Ratzinger, der als Römischer Kardinal sogar weltweit unter Androhung schwerster Kirchenstrafen allen Bischöfen verbot kinderfickende Priester an die Staatsanwaltschaften zu melden.
Es war jener Präfekt Ratzinger, dessen eigenen Bruder ebenfalls seit Jahrzehnten als besonders grausamer und jähzorniger Sadisten-Priester auf Vorschulkinder in Regensburg einschlug. Georg Ratzinger geriet beim Verprügeln acht- oder neunjähriger Jungs so sehr in Ekstase und Rage, daß ihm dabei schon mal das Gebiss aus dem Maul quer durch den Klassenraum flog. Loving Christians, also.

Ein Spiegel-TV-Bericht aus dem Jahr 2010 zeichnete den Weg des pädophilen Peter H. in seinen bayerischen Pfarreien nach und dort sah ich zu meiner (damaligen!) Verblüffung, wie sich wütende Gläubige gegen das Kamerateam und vor ihren Pfarrer stellten.
 Peter H. flößte im Jahr 1979 einem Elfjährigen und mindestens drei weiteren Kindern Alkohol ein und zwang sie dann ihn oral zu befriedigen. Die Kinder berichteten ihren Eltern, die sich beim Gemeindepfarrer beschwerten. Die Angelegenheit landete beim Generalvikar, der die Eltern so lange unter Druck setzte, bis sie von einer Anzeige absahen. H. sollte nicht bestraft werden, sondern einfach ins nächste Bistum geschickt werden – allerdings, so viel brüderliche Solidarität herrscht unter Bischöfen – nicht ohne daß Essen den Münchnern ausführlich erklärt hätte was sie da für einen Typen bekommen.
Pfarrer H. kam im Jahr 1980 zu Erzbischof Ratzinger, der den Fall intern regelte, ohne Polizei, ohne Staatsanwaltschaft, ohne Prozess. An die vergewaltigten Kinder verschwendete Ratzinger keinen Gedanken.
Der Ordinariatsrat unter Vorsitz von Erzbischof Ratzinger beschloss Peter H., "für einige Zeit um Wohnung und Unterkunft" in einer Münchner Pfarrgemeinde zu geben und "Kaplan H. wird sich einer psychisch-therapeutischen Behandlung unterziehen".
Gerade einmal zwei Wochen nach seiner Ankunft in München wurde Kinderficker Peter H. in der Gemeinde St. Johannes Evangelist bei Grafingen als Pfarrer eingesetzt.
Dort missbrauchte H. sofort wieder mehrere Schüler, die er auch beim Sex fotographierte und die Bilder an andere Pädophile verschickte.
Das Amtsgericht Ebersberg verurteilte ihn 1986 zu einer geringen Geldstrafe und anderthalb Jahren Bewährungsstrafe.
Für Ratzingers Bistum immer noch kein Grund sich von dem Pfarrer zu trennen. Es verschob ihn von Grafing nach Garching an der Alz.
Auch dort hagelte es sofort Beschwerden, weil Pfarrer H gar nicht daran dachte aufzuhören Kinder sexuell zu belästigen. Warum sollte er auch? Er hatte ja gelernt, daß seine allmächtige Kirche ihn immer beschützt.
Im Jahr 2008 schließlich wandte sich eins von Hs ersten Opfern von 1979 aus Essen an seine aktuelle Gemeinde und wieder verschob in das Erzbistum einfach weiter; diesmal nach Bad Tölz.
Ratzinger, seit 1981 Chef der Glaubenkongregation verfügte weltweit alle Kinderfickerfälle zu vertuschen. Er weigerte sich, sich damit zu beschäftigen. Schließlich hatte er in dem Vierteljahrhundert bis zu seinem Aufstieg zum Papst wichtigeres zu tun: Theologen wie Ranke-Heinemann, Küng, Galliot und Drewermann mussten abgesetzt werden, weil sie es wagten selbst zu denken und insbesondere kämpfte Ratzinger leidenschaftlich gegen die südamerikanischen „Befreiungstheologen“, die es wagten sich gegen die faschistischen Killerregime auf die Seite der Armen zu stellen. Ratzinger merzte sie alle aus und brachte die südamerikanische Kirche auf stramm faschistenfreundlichen Kurs.

Die Schäfchen in Bad Tölz gingen mit Ratzinger d’Accord.
Auf die Frage, ob sie denn nicht wüßten, daß es sich um einen verurteilten Kindersex-Straftäter handelte, ätzten sie empört zurück „Na und? Wer denn nicht?“

[…..] Reichenwallner, 60, graue Haare, Brille, ist ein gebürtiger Bayer mit sonorer Stimme. Seit 18 Jahren ist er Bürgermeister von Garching an der Alz im oberbayerischen Landkreis Altötting. Mehr als 16 Jahre davon war Peter H. der Pfarrer der Gemeinde mit 8500 Einwohnern. Im Spätsommer 2008 musste er die Pfarrei verlassen. Der offizielle Grund, erinnert sich Reichenwallner: das Rotationsprinzip. […..] Andererseits sagen auch viele, was für ein "guter Pfarrer" Peter H. doch war. […..]

Pfarrer Peter H. ist ein dickleibiger, jovialer Mann, der seine Pfarrei in Garching 21 Jahre lang straff führte. […..] "Er war ein glänzender Prediger, ein glänzender Rhetoriker, der die Leute anzog", sagt Bürgermeister Reichenwallner. […..] Den "beliebten Pfarrer" gehen lassen zu müssen, war ein Schock für die kleine Gemeinde zwischen Chiemsee und Waginger See. "Das kam für uns aus heiterem Himmel. […..] In einer Mitteilung des Pfarrverbands Garching-Engelsberg wurde Peter H. als "Pfarrer zum Anfassen" gelobt. Der Abschied im September 2008 war in der Gemeinde von Wehmut geprägt - Bürgermeister Reichenwallner erinnert sich an eine "melancholische Veranstaltung". Eine Garchingerin sagt, sie habe weinen müssen damals. Sie war nicht die einzige.
"In Bayern sind die Kirche und die Gemeinde noch eng miteinander verwoben", sagt Reichenwallner. Auch daher rührt das enge freundschaftliche Verhältnis zwischen Bürgermeister und Pfarrer. […..] Reichenwallner nimmt ihn in Schutz: "Jeden Tag tauchen neue Verfehlungen auf, warum wird jetzt ausgerechnet dieser Fall so groß gespielt?", fragt der Bürgermeister. "Er ist rechtskräftig verurteilt und hat sich seither soweit bekannt und von der Diözese bestätigt nichts mehr zu Schulden kommen lassen - und eine gute Arbeit in unserem Pfarrverband geleistet." […..]

Missbrauchte Messdiener? Dafür konnte der Vatikan kein Mitleid aufbringen. Für Papst Ratzinger schon.

"Den Papst und die gesamte Kirche in die Missbrauchsskandale hineinziehen zu wollen ist ein Zeichen von Gewalt und Barbarei"
(Erzbischof Rino Fisichella, Chef der päpstlichen Akademie für das Leben, 2010)                                                                                                         

In den folgenden zehn Jahren gab es in Rom nicht nur keinen Lernprozess, sondern Papstnachfolger Bergoglio ist sogar noch Kinderfickerfreundlicher als Ratzinger. Er reduzierte das Strafmaß mehrerer Pädo-Geistlicher, beförderte verurteilte Kinderficker wie Kardinal Pell demonstrativ und sprach gar den größten Kinderfickerförderer Johannes Paul-II heilig.

Und warum auch nicht. Immer noch wächst die RKK weltweit, sie wird jedes Jahr reicher und 25 Millionen deutsche Katholiken halten dieser Kirche ihre Treue.
Es führt kein Weg dran vorbei: Deutsche, aber auch alle anderen katholischen Gläubigen sind sehr Pädosex-tolerant. Sie akzeptieren es nicht nur, sondern spenden eifrig Milliarden Euro, um genau diese Strukturen weiter zu fördern.

Vor wenigen Tagen bekräftigte Papst Franz ex cathedra, daß an den Kinderficker-anlockenden Strukturen der RKK nichts geändert werden dürfe und breitete weit seine Arme aus für all jene Männer, die gern Kleider anziehen und kleine Jungs vergewaltigen.
Natürlich sage ich nicht, daß jeder Katholik so etwas befürwortet, daß alle Priester pädosexuell sind.
Es mag Dinge geben, die Menschen zumindest subjektiv betrachtet an der Kirche sehr schätzen.
Aber sie müssen sich alle den Schuh anziehen pädosexuelle Verbrechen immerhin zu tolerieren.

[…..] Einer der größten Missbrauchsfälle der katholischen Kirche um den ehemaligen Pfarrer Peter H. könnte strafrechtlich neu aufgerollt werden. "Wir prüfen, ob es weitere Taten gibt und ob Ermittlungen aufzunehmen sind“, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft München II Frontal21 und dem Recherchezentrum CORRECTIV mit. Der Priester soll in Bottrop, Essen, Grafing und Garching an der Alz insgesamt mindestens 28 minderjährige Jungen sexuell missbraucht haben, teilten das Bistum Essen und das Erzbistum München-Freising auf Anfrage mit.
[…..] Im Jahr 2000 soll Kardinal Ratzinger in seiner Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation bei einem Besuch der Gemeinde auch auf Pfarrer H. getroffen sein. Das berichtete H. damals Mitgliedern des Pfarrgemeinderates. Das Bistum bestätigte Ratzingers Besuch bei dem inzwischen verstorbenen Weihbischof Heinrich von Soden-Fraunhofen. […..]

Correctiv rekonstruiert wieso Pfarrer H. sich in Bayern so sicher fühlte. Weihbischof von Soden-Fraunhofen, ein enger persönlicher Freund Joseph Ratzingers, also dem ursprünglich Verantwortlichen für Pfarrer Hs weitere Kinderfickerkarriere, hielt stets seine schützende Hand über ihn.
So muss das pädophile Schlaraffenland sein: Arbeit bei einer Organisation, die einem kontinuierlich neue kleine Jungs zuführt und der Stellvertreter Gottes persönlich segnet es ab!

[…..] Die Pfarrnachrichten beschreiben, dass von Soden-Fraunhofen und H. gemeinsam eine Kindersegnung mit Handauflegung im Dezember 1993 feiern wollen. Dort stand: „Bischof von Soden und Pfarrer H. werden nach einem kindgemäßen Wortgottesdienst allen Kindern die Hände auflegen und sie segnen.“ H. rekrutierte die Messdiener. Nach der Kommunion begann für die Jungen und Mädchen der Messdienerunterricht, den H. leitete. Er füllte den Altarraum in Garching und Engelsberg mit über 100 Ministranten. Von einer Abschirmung des Pfarrers von Kindern und Jugendlichen war in Garching nichts zu merken. H. schuf sich Gelegenheiten und von Soden-Fraunhofen griff nicht ein. Auch als beim Pfarrfest die Vorwürfe an der Mauer standen: kein Wort vom Weihbischof.
[…..] Ein Festbuch des Priesterseminars zur Priesterweihe zeugt bis heute von der gemeinsamen Weihe. Als Ratzinger die Erzdiözese in München leitete, war von Soden-Fraunhofen unter ihm Weihbischof. Der Kontakt reißt auch nicht ab, als Ratzinger 1982 nach Rom geht und zum Leiter der Glaubenskongregation aufsteigt. Die beiden Kirchenmänner schreiben sich Briefe, teils mit derben Ausdrücken. Bei einem Disput über eine christliche Sekte, die Ratzinger, kaum in Rom angekommen, rehabilitiert, nennt von Soden-Fraunhofen den Kardinal in einem Brief sogar kumpelhaft „Rindviech“.   Über H. weiß Ratzinger schon lange Bescheid. […..] Kardinal Ratzinger kannte den Fall H. aus seiner Zeit als Erzbischof. Auch später, als Chef der Glaubenskongregation, unternahm Ratzinger nichts, um die Gemeinde in Bayern vor dem Priester zu schützen.
[…..] Und so kommt es im Jahr 2000 zu einer denkwürdigen Begegnung. Nach Informationen von CORRECTIV trifft der spätere Papst mindestens einmal H., als er seinen alten Freund von Soden-Fraunhofen in Engelsberg besuchen will. Ratzinger ist zu der Zeit Chef der Glaubenskongregation in Rom, der zweite Mann hinter dem Papst. […..] Pfarrgemeinderat Mittermeier […..] hat das Gespräch noch plastisch in Erinnerung. Demnach hat Ratzinger vor der Tür des Pfarrhauses in Garching gestanden und bei H. geklingelt. H. habe ihn gefragt, sagt Mittermeier, „stell Dir vor, wer gestern Abend bei mir vor der Tür stand? Ich hatte natürlich keine Ahnung. Er sagte, es war der Ratzinger selbst.“ Ratzinger habe ihm gesagt, „er wolle zu seinem Studienkollegen von Soden-Fraunhofen“, sagt Mittermeier. […..] Ratzinger unternahm nach dem Besuch bei von Soden-Fraunhofen nichts, um H. aus dem Amt zu entfernen. Es gab keine Verwunderung, keine Besorgnis, keine Untersuchung, keine Konsequenz. Im Gegenteil: Acht Jahre arbeitet H. weiter in Garching. Er leitet die Messdienerausbildung, unterrichtet Schulkinder. […..] Auch Dirk Bongartz spricht über die Zeit mit dem Kaplan. Es sei vor der Kommunion passiert. H. habe ihn eingeladen, bei ihm zu übernachten. Doch die Mutter schickt auch den fünf Jahre älteren Bruder und dessen Freund mit. Während die beiden älteren Jungs in einem Zimmer schlafen, will H. mit Bongartz alleine in einem Zimmer die Nacht verbringen. Er zieht sich einen Bademantel an. Schließlich entkleidet er sich ganz und legt sich nackt zu dem Jungen.
„Das war mir unangenehm, das wollte ich nicht“, sagt Bongartz und das habe er auch gesagt. Nur der Bruder und dessen Freund im Nebenzimmer hätten ihn gerettet, sagt Bongartz heute, deshalb habe H. schließlich abgelassen. „Es war eine schreckliche Nacht.“ Er selbst habe mit keinem darüber gesprochen, so Bongartz, aber die Blicke seines Bruders hätten ihm gesagt: „Na siehste, jetzt weißt du, was das für einer ist.“
Dieses Muster zieht sich durch die vielen Jahre, in denen Peter H. straflos und unter dem Schutz der Kirche kleine Jungen missbrauchte. Mit Messwein und kleinen Geschenken machte er sich seine schutzbefohlenen Opfer gefügig. Drohte der Skandal aufzufliegen, versetzte die Kirche H. an einen neuen Ort.
Strafen musste er keine fürchten. Stattdessen deckten ihn Bischöfe und Kardinäle. Und immer wieder bekam er Gelegenheit, sich neue Opfer zu suchen. […..]

Dienstag, 18. Februar 2020

Taktische Spielchen.


Das war mal ein geschickter Schachzug von der Linkspartei in Thüringen:
Sie schlägt Ramelows Vorgängerin Lieberknecht als Übergangs-MP vor.

Anders als das vergiftete Linder-Angebot, der à la Österreich eine Expertenregierung einsetzen wollte – und damit sagt „wir Politiker sind keine Experten“ – hätte die fromme CDU-Pastorin Christine Lieberknecht den Charme keine aus der Luft gegriffene Fremde zu sein, sondern wäre als ehemalige MP dem Volk leicht zu erklären und sie müsste als ehemalige MP des Landes auch nicht eigearbeitet werden, weil sie den Laden kennt.

Damit zeigt sich die Linke kompromissbereit, wirkt unideologisch, versucht nicht mehr krampfhaft ihren Mann durchzubringen und setzt die auf Totalverweigerung pochende CDU gewaltig unter Druck, da Lieberknecht bekanntlich CDU-Mitglied ist.

[….] Und nun, CDU? Können die Christdemokraten ernsthaft die Wahl einer Christdemokratin ablehnen, wie sie zuvor die Wahl Ramelows abgelehnt haben?
Sie können. Und sie spielen den Schwarzen Peter wieder Ramelow zu. [….]

Oberflächlich sieht es so aus, als ob sich die CDU nun endgültig ins Abseits manövriert hätte. Dieser unverantwortlichen, mit der AfD paktierenden Thüringen-CDU ist offenbar das Land vollkommen egal. Ein Chaotenhaufen, der nach den Rücktritten von Hirte, Mohring und AKK weiterhin nur destruktiv erscheint.
Umso heller strahlt Ramelow, der von der politischen Rechten immer schlechter als linksextreme Gefahr dargestellt werden kann.


Es gibt allerdings eine andere Sicht auf die Dinge, die Ramelows Angebot deutlich vergiftet erscheinen lässt.
Zunächst einmal zeigt sie die Absurdität des Hufeisenmodels auf. Persönlich ist Lieberknecht Ramelow sehr nah, da beide extrem fromme praktizierende Christen sind. Außerdem steht die Ex-MP im Gegensatz zur Mohring-CDU für eine klare Abgrenzung zum Faschisten Bernd Höcke. Sie sollte nach Ramelows Vorstellungen nur 70 Tage bis zu Neuwahlen regieren und dafür drei rotrotgrüne Minister aus dem ehemaligen Kabinett an ihrer Seite haben.
Damit wäre de facto eine CDU-Links-Koalition praktiziert, auf die RRG zukünftig bei jeder Linken-Verdammung aus dem Konrad-Adenauer-Haus verweisen könnte. Der Post-AKK-CDU-Vorsitzende hätte eine höchst unangenehme Diskussion am Hals und die Werteunion liefe Amok.
Die fetteste Kröte wären aber die Neuwahlen, die Thüringens CDU und auch AFDP-Mann Kemmerich unbedingt verhindern wollen.

[….] Von Neuwahlen allerdings würde - Stand jetzt - vor allem die Linke profitieren. Die CDU könnte sich Umfragen zufolge halbieren, Grüne und FDP aus dem Landtag fliegen. Möglicherweise reichte es für ein rot-rotes Bündnis unter Ramelow. [….]

Nun ist eine recht unangenehme Situation für die zerfasernde Erfurter Union entstanden. Sie steht als Verweigerin da, die aus Angst um ihre Sitze im Landtag sogar eine Ministerpräsidentin der eigenen Partei ablehnt.

Also beteiligt sich die CDU nun ihrerseits eifrig an taktischen Spielchen.

[…..] Sie fordert stattdessen eine Experten-Regierung, berufen von Linken, CDU, SPD, Grünen und FDP. "Sie sollen die volle Handlungsfähigkeit hinsichtlich der entscheidenden Herausforderungen des Landes herstellen", heißt es in der Pressemitteilung der CDU-Fraktion. Eine dieser Herausforderungen wäre die Festlegung auf den Haushalt 2021. Erst danach, so die CDU, soll es in Thüringen zu Neuwahlen kommen. Also erst gegen Ende des Jahres. Das widerspricht jedoch klar der Forderung Ramelows, Neuwahlen frühzeitig anzusetzen. [….]

Das Kalkül ist klar: Wenn erst mal ein Jahr lang wieder die CDU die Ministerpräsidentin stellt, könnte sie mit Amtsbonus in Neuwahlen gehen, das gewaltige Linken-Umfragehoch – derzeit wird sie bei 40% gemessen – resultiert aus der Kemmerich-AFDP-CDU-Empörung und wird bis dahin sicher wieder abklingen. Möglicherweise könnte man die vorzeitigen Neuwahlen auch ganz sein lassen.

Wenn die Parlamentsfraktionen allzu heftig taktieren besteht immer die Gefahr, daß sich das Wahlvolk angewidert abwendet. Es sind traumhafte Bedingungen für Populisten, die ihrem Mob-Anhang verkünden können „die Parteien“ beschäftigten sich nur mit sich selbst und kümmerten sich nicht um das Volk.

Wir kennen das aus dem Bundestag, wenn Oppositionsparteien Gesetzesvorschläge einbringen, die ursprünglich von einem der Koalitionspartner stammen und nun dem was sie selbst eben noch gefordert hatten, ablehnen.
Das tun alle Parteien um des wahltaktischen Vorteils willen.
Rot und Grün brachten immer wieder zu schwarzgelben Zeiten Vorschläge zur Cannabis-Legalisierung oder der „Ehe-für-alle“ ein, die auch von der FDP gefordert wurden, um dann zu zeigen wie die FDP an der Seite der CSU gegen ihre eigenen Überzeugungen stimmt.
Ähnlich verfährt heute die Linke mit ehemaligen SPD-Vorschlägen, um anschließend die angeblich so verwerfliche Wendigkeit der Sozis an Merkels Seite öffentlich zu beklagen.

In Wirklichkeit ist aber die Klage über „taktische Spielchen“ das einzig verwerfliche.
Ich erwarte von einer Partei parlamentarische Taktiken nicht nur zu praktizieren. Sie sollen das auch beherrschen.
Denn letztendlich sind Parteien nichts anderes als Überzeugungslobbyisten, die ihren Wählern gegenüber verpflichtet sind möglichst viel ihrer eigenen Programmatik umzusetzen.
Das ist sogar ihre Kernaufgabe. Eine prinzipienreitenden Oppositionspartei, die sich jeder Parlamentstaktik um gemeinsame Anträge, Redezeiten und Kompromisse verweigert, kann sich zwar ihren Wählern als reinrassige Vertreterin der reinen Lehre präsentieren.
Aber sie ist gleichzeitig auch vollkommen wirkungslos, erreicht also das Gegenteil ihrer Wünsche, weil sich dann alle anderen mit deren Vorstellungen durchsetzen.
Wer nicht regieren will, hat im Parlament nichts zu suchen, weil er damit seinen Anhängern den Mittelfinger zeigt.
Eine Koalitionspartei wie die FDP 2009-2013 stimmte zwar gegen die Homoehe, die in ihrem eigenen Wahlprogramm stand, aber nur weil sie innerhalb der CDUCSU-Koalition mehr für ihre Lobbyisten erreichen konnte: Hotelsteuerbefreiung, pampern der Privatkrankenversicherungen, Pharmaindustriefreundliche Arzneimittelzulassungen, etc.

So geht es jeder Partei, die nicht zufällig mit absoluter Mehrheit regiert, man muss ein paar Kröten schlucken, um dafür umso mehr der eigenen Programmatik durchzusetzen.

In diesem Sinne wünsche ich den Thüringer Parteien heftiges Taktieren zu Gunsten ihrer Wähler und hoffe natürlich, daß Rotrotgrün erheblich erfolgreicher taktieren als AFDP und CDU.

Montag, 17. Februar 2020

Cum-Ex, Genossen!

Die Finger habe ich mir wund geschrieben in den acht Jahren, die Wolfgang Schäuble Bundesfinanzminister war (2009-2017).
Diese komplette Arbeitsverweigerung, diese Chuzpe trotz großer parlamentarischer Mehrheiten jede Veränderung des Steuersystems dreist auszusitzen. Keine Unternehmenssteuerreform, keine Ent-Chaotisierung der Mehrwertsteuersätze, keine Aktienspekulationssteuer, keine Tobinsteuer, kein Gedanke daran irgendein Steuerschlupfloch zu schließen.
Der Mann verharrt nunmehr mit dieser grotesken Kombination aus herrischem Auftreten und radikalem Aussitzen seit fast einem halben Jahrhundert ununterbrochen im Bundestag. Seit 1972 ist er Bundestagsabgeordneter, 48 Jahre – wahrlich Zeit genug, um ihn nach all seinen dreisten Lügen (Stichworte Kofferspendenlüge, Schreiber/Baumann-Lüge, Spendenaffäre) zu durchschauen, aber der deutsche Michel liebt ihn immer noch.
Es war der heutige SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans, der als NRW-Finanzminister im März 2011 einen Brandbrief an Bundesfinanzminister Schäuble schickte, um auf die ungeheuerlichen Cum-Cum- und Cum-Ex-Betrügereien der DekaBank hinzuweisen.
Es ist der größte Steuerbetrugsskandal der Bundesrepublik. Mindestens 32 Milliarden Euro ergaunerten sich die kriminellen Banker.
Was sind das nur für Typen, die so einen gewaltigen Steuerraub geschehen lassen? Nun, im Fall DekaBank wissen wir es: Sie wurde unmittelbar vom Bundesfinanzminister Schäuble beaufsichtigt, der weiterhin versuchte den Giga-Betrug auszusitzen. Im Juni 2011 platze dem Münchner SPD-Oberbürgermeister Ude der Kragen; er ging persönlich zu Schäuble, um ihn zu konfrontieren.
Aber erst ein volles Jahr später ließ Schäuble die Cum-Ex-Geschäfte unterbinden; ließ sich bei dem Verbot von Cum-Cum-Geschäften sogar bis 2016 Zeit.
Und nun, in der AKK-Krise rufen sie wieder nach Wolfgang Schäuble. Er könne ein guter Übergangsvorsitzender und Kanzler der CDU sein.

Neben den politischen Rahmenbedingungen, die nach Lindners feiger Flucht vor Jamaika eine erneute „Groko“ erzwangen, ist schon allein die Tatsache, daß Schäuble endlich aus dem wichtigsten Bundesministerium entfernt wurde und ein fleißiger, kundiger Sozialdemokrat – Olaf Scholz – Finanzminister wurde, Grund genug die aktuelle Koalition zu begrüßen.
Niemand zweifelt an, daß die SPD eine viel härtere Linie gegen Banker fährt und es war ausgerechnet das zuvor von Olaf Scholz regierte Hamburg, das im Bundesrat am meisten Druck gemacht hatte die Cum-Ex-Banker an die Kandare zu nehmen.

Da war es schon sehr merkwürdig zehn Tage vor der Hamburger Bürgerschaftswahl ausgerechnet bei der außerordentlich seriösen NDR-Sendung PANORAMA eine Breitseite auf den ehemaligen Hamburger Regierungschef und heutigen Vizekanzler Scholz, sowie den aktuellen Hamburger Regierungschef und ehemaligen Hamburger Finanzsenator Peter Tschentscher präsentiert zu bekommen.
Der Chef der altehrwürdigen Hamburger Warburg-Bank, die mutmaßlich auch 47 Cum-Ex-Millionen ergaunert hatte, traf sich mit Scholz und Tschentscher und plötzlich soll die Rückforderung der Millionen vom Tisch gewesen sein?
Kann das sein? Wieso sollten Sozis einem steinreichen Privatbanker entgegen kommen? Und wieso wird die Geschichte unmittelbar vor den Landtagswahlen im betreffenden Bundesland lanciert?
Die hoffnungslos abgeschlagene Opposition wittert Morgenluft und schreit rund um die Uhr „Cum Ex“!

[….] In der „Cum-Ex“-Affäre um angeblich verschenkte Millionen Euro Steuergeld in Hamburg gerät die SPD zunehmend unter Druck. Am Montag demonstrierten rund 100 Menschen vor der Finanzbehörde am Gänsemarkt. Mit dabei war auch der Hamburger Linken-Bundestagsabgeordneter Fabio De Masi (39). [….]

Scholz und Tschentscher, beide von der Sohle bis zum Scheitel seriös und persönlich zutiefst bescheiden, sollen sich wegen einer 40.000 Euro-Spende des Bankers an die SPD kompromittiert haben?

Der Zusammenhang mit der Spende lässt sich leicht widerlegen. Oberbanker Christian Olearius spendete in Hamburg nämlich regelmäßig an alle Parteien.
Also was haben die Panorama-Journalisten eigentliche für Belege für ihre Story?
Es lohnt sich also den Originalbericht nachzulesen, bzw den TV-Clip anzusehen.


Dabei wird ganz klar, daß sich alle Spekulationen nur auf die privaten Tagebucheinträge des Herrn Olearius stützen.
Es gibt keinen Beleg für Fehlverhalten oder gar Bestechlichkeit der Sozis.

[….] Dies geht aus bei Durchsuchungen beschlagnahmten Tagebüchern von Christian Olearius hervor. [….]

Eine recht zweifelhafte Quelle. Gut für CDU, Grüne und Linke, die nun unmittelbar vor der Wahl auf den in Umfragen haushoch führende Peter Tschentscher eindreschen können. Er kann sich nämlich nicht wehren, da er sich mit konkreten Aussagen zum Fall Warburg/Olearius strafbar machen würde.

[….] Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) wies auf Twitter die Vorwürfe zurück: Das Steuergeheimnis würde ihm verbieten, auf den Einzelfall einzugehen und gegebenenfalls richtigzustellen. "Grundsätzlich gilt: Wir stellen sicher, dass es keine politische Einflussnahme auf steuerliche Verfahren gibt und diese nur nach Recht und Gesetz entschieden werden!" Es gebe im Steuerrecht keine Deals.
Tschentscher sagte am Donnerstag in Berlin: "Ich darf aus Gründen des Steuergeheimnisses zu einzelnen Sachverhalten nichts sagen. Aber es gilt ganz klar: Es gibt keine politische Einflussnahme auf Entscheidungen von Finanzämtern." Insbesondere in Hamburg könne man sicherstellen, dass es solche Einflussnahmen aus der Politik auf Finanzämter nicht gebe. Im ZDF-Morgenmagazin sagte er am Freitag: "Wir sind hinter jedem Steuer-Euro her, den wir zurückerhalten können." Hamburg sei als erstes Bundesland konsequent gegen Cum-Ex-Geschäfte vorgegangen. "Ich habe persönlich mit keinem Vertreter der Warburg-Bank über ihre Steuerangelegenheiten gesprochen", betonte Tschentscher gegenüber dem NDR am Freitag. [….]

Aber aufgrund des Wahlkampfes dreschen Linke, konservative Zeitungen und CDU in vollendeter Gemeinsamkeit auf die angeblichen Cum-Ex-Sozis ein.
Ein guter Wahlkampfvorwurf, da er den Kern des SPD-Selbstverständnisses trifft. Da wird schon irgendetwas von dem Dreck hängen bleiben. Die meisten Wähler können sich ohnehin kein Urteil bilden, weil die Materie viel zu kompliziert ist.
Auch neun Jahre nachdem SPD-Politiker die Cum-Ex-Methoden öffentlich anprangerten und Dutzende Milliarden Euro Schaden später, können mindestens 99% der Bürger immer noch nicht genau erklären was Cum-Ex und Cum-Cum sind, wer dafür verantwortlich ist.

Aber Dr. Joachim Seeler, geb 1964, ein entfernter Verwandter Uwe Seelers und seit fünf Jahren SPD-Bürgerschaftsabgeordneter kann es recht gut erklären.

[…..] Seit vielen Jahren verhandeln deutsche Finanzgerichte Straftatbestände in Sachen sog. CumEx Geschäfte. Dabei geht es um die mehrfache Rückerstattung von Kapitalertragsteuern auf Aktiendividenden, obwohl nur ein Rückerstattungsanspruch bestand. Diese Rückerstattungen wurden von einigen Fonds und Banken bei den jeweiligen Finanzämtern aufgrund einer Gesetzeslücke im deutschen Steuerrecht zwischen 2001 und 2012 eingereicht. Allein die Hamburger Finanzverwaltung hat insgesamt 18 Strafverfahren wg. Steuerhinterziehung aufgrund von CumEx Geschäften initiiert.

Die von der Hamburger Opposition jetzt kurz vor der Wahl gemachten Vorwürfe gegen den Hamburger Senat im Fall des Bankhauses M.M. Warburg entbehren allerdings jeder Grundlage:
• Der Haushaltsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft hat sich Anfang 2018 ausführlich mit dem Vorgang befasst. Neu ist der Vorgang in keiner Weise.
• Ob eine Steuerforderung gegen M.M. Warburg besteht wird aktuell in einem Verfahren vor dem Landgericht Bonn verhandelt. Erst mit der Vorlage eines Urteils kann die Hamburger Finanzverwaltung eine mögliche Nachforderung gerichtsfest begründen.
• M.M. Warburg selbst gibt an, die in Rede stehenden Dividenden zuzüglich der strittigen Steuerforderung i.H.v. EUR 47 Mio. an die Deutsche Bank überwiesen zu haben, die
diese aber nicht an das zuständige Finanzamt abführte. Auch das wird in dem laufenden Verfahren geklärt.
• Die Verjährung einer Steuerforderung wird durch ein laufendes Strafverfahren gehemmt. Das hat der Bundesfinanzhof kürzlich klargestellt. Anders als von der Opposition dargestellt ist eine mögliche Forderung eben nicht verjährt.
• Dass der Senat Einfluss auf das Handeln der Hamburger Finanzverwaltung genommen haben soll ist rechtlich gar nicht möglich und vollständig abwegig.

„Die Opposition der Hamburgischen Bürgerschaft hätte gut daran getan, sich im Vorfeld mit dem Sachverhalt vertraut zu machen. Es ist wohl kein Zufall, dass die Opposition wenige Tage vor der Bürgerschaftswahl versucht, dieses Thema zu Lasten des Senates zu thematisieren. Dass auch die Grünen als Koalitionspartner versucht haben, auf diesen Zug aufzuspringen, ist besonders bemerkenswert, passt aber ins Bild.“
Mit freundlichen Grüßen
(SPD Landeslistenplatz 21)

Sonntag, 16. Februar 2020

Der Neue?

Zugegeben, der Rücktritt von Kardinal Marx hat mich überrascht, weil ich ihn seit beinahe zwei Jahrzehnten als extrem ehrgeizig wahrnehme. Stets trachtete er danach mehr Titel und mehr Funktionen, mehr Macht an sich reißen.
Mit gerade mal 53 Jahren wollte er im Jahr 2008 unbedingt Chef aller deutschen Bischöfe werden und litt schwer an der Wahlniederlage gegen Erzbischof Zollitsch. 2014, inzwischen zum Kardinal aufgestiegen, ließ er sich das Amt nicht mehr nehmen und übernahm stetig neue wichtige Posten in der Kurie, so daß man sich schon vorstellte, er könne wie zuvor die Bayern Ratzinger und Müller in die erste Garde des Vatikans aufrücken.
Aber nun, mit für katholische Verhältnisse jugendlichen 66 Jahren (Ratzi war 79 als er Papst wurde) hat er plötzlich keinen Bock mehr auf eine weitere Amtszeit und wirft mitten im synodalen Reformprozess den Bettel hin. Soll doch ein anderer im März 2020 für sechs Jahre den Vorsitz der deutschen Bischofskonferenz übernehmen.
Ausgerechnet der machtbewußte Hoppla-jetzt komm‘ ich-Kirchenfürst soll so zartbesaitet sein, daß er die Zickereien seiner Brüder im Amte nicht vertrug?

[….] Es ist aber kein Ge­heim­nis, dass Marx als Vor­sit­zen­der der Bi­schofs­kon­fe­renz un­ter sei­nen Mit­brü­dern um­strit­ten ist. Bei den Voll­ver­samm­lun­gen nervt er im­mer wie­der mit her­ri­schem Auf­tre­ten. Er rei­ße al­les an sich, heißt es, kön­ne nicht de­le­gie­ren, sei gleich­zei­tig aber un­or­ga­ni­siert und schlecht vor­be­rei­tet. Öffent­lich pre­sche er mit­un­ter ohne Ab­spra­che vor. One-Man-Show statt Mann­schaft. Mit die­sem Füh­rungs­ver­ständ­nis kommt er selbst in der an­ti­quier­ten ka­tho­li­schen Kir­che nicht mehr an. [….]
(Felix Bohr, SPIEGEL, 15.02.2020)

Die wenigen nicht extrem erzkonservativen deutschen Katholischen Bischöfe sind nun enttäuscht, da sie mit dem inhaltlich flexiblen Marx einen vermeidlichen Fürsprecher verlieren, der das Ohr des Papstes hat.
Marx ist sehr wendig.
So verlangte er nach der Wahl Bergoglios zum neuen Ratzi Bescheidenheit für die katholischen Bischöfe.
Außer natürlich für sich. Er blieb in seinem gigantischen Rokoko-Palais, kaufte sich in Rom für 10 Millionen Euro einen persönlichen Prunkpalast, den „Palazzo Marx“.
So verlangte er nach dem Aufkochen der Missbrauchsskandale unbedingte Offenheit der Bischöfe, volle Transparenz gegenüber den Opfern. Nur eben nicht in seinem eigenen Bereich.

[….] Wäh­rend er die 2018 ver­öf­fent­lich­te Miss­brauchs­stu­die der Bi­schö­fe we­sent­lich mit vor­an­trieb, hält er ei­nen 2010 er­stell­ten Be­richt zu se­xu­el­len Überg­rif­fen in sei­nem Erz­bis­tum für die Öffent­lich­keit un­ter Ver­schluss. [….]
(Felix Bohr, SPIEGEL, 15.02.2020)

Wie es in der gesamten deutschen Presse üblich ist, sorgen sich nun alle, um das Ansehen der katholischen Kirche in Deutschland. Alle stimmen schließlich darin überein der Kirche zu helfen nicht noch mehr Mitglieder zu verlieren, wollen unbedingt ihre Macht erhalten.
Nun eint sie die Furcht vor einem Durchmarsch der Konservativen um Overbeck und Woelki, die bestens mit dem vatikanischen Dunkelkatholiken Gänswein, TVE, Ratzinger und Müller vernetzt sind. Keine Handbreit den Reformern könnte das neue Motto lauten, nachdem auch Franzi mit einem gewaltigen Knall die Tür vor der Frauenordinierung und der Lockerung des Zölibats zuschlug.
Besonders gefürchtet wird die minderbezahnte Perücke aus Köln.
Wie eine mächtige Spinne hockt der Metropolit des Erzbistums Köln mit seinen  Suffraganbistümern Aachen, Essen, Limburg, Münster und Trier in der nach Rom reichsten Kirchenprovinz der Welt und zieht seine Fäden. Sollte Rainer Maria Kardinal Woelki neuer Vorsitzender der DBK werden, schwant den vielen Kirchenfreunden in den Redaktionen Böses: Mehr Austritte, mehr Nähe zur AfD, mehr Homophobie.
Da ich auch glaube ein Chef wie Woelki würde der RKK sehr schaden, hoffe ich natürlich, daß er sich durchsetzt.

Der SPIEGEL aber hebt schnell den angeblich liberalsten katholischen Bischof Deutschlands auf den Schild: Der neue Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer.
Der sei so bescheiden, spräche ein halbes Dutzend Sprachen – mindestens. Habe sich schon im Alter von 19 Jahren der Arbeit im Orden der Herz-Jesu-Pries­ter verschrieben und würde womöglich sogar ernsthaftes Interesse daran zeigen die Kinderfickereien seiner Priester offenzulegen.
Ein netter Bischofskonferenz-Vorsitzender?
Zunächst einmal ist das nicht so abwegig. Die nationalen Episkopate geben sich gern ein wenig moderner und liberaler als das sittenstrenge Rom.
Lehmann und Zollitsch galten durchaus als Widersacher der jeweiligen Päpste.
Aber das gehört auch zur Inszenierung, um ein möglichst breites Spektrum abzudecken.
Die RKK ist eine zentralistische und absolute Diktatur. Die nationalen Konferenz-Chefs können so viele Papiere aufsetzen wie sie wollen; keine der Teilkirchen hat auch nur das kleinste Fünkchen Macht.
Selbst wenn alle 17 deutschen Diözesen einstimmig das Frauenpriestertum fordern, wäre das völlig irrelevant, weil Rom entscheidet.

Die Liberalität Wilmers liest der Spiegel aus einer einzigen Äußerung ab, in der er die Binsenweisheit aussprach, der Missbrauch liege in der DNA der Kirchenstrukturen und seinem Werdegang, aus dem so viel Bescheidenheit und Weltkundigkeit spreche.

    geboren am 9. April 1961 in Schapen (Emsland)
    August 1980 Eintritt in die Ordensgemeinschaft der Herz-Jesu-Priester
    1980-1982 Noviziat in Freiburg i.Br.
    1985 Ablegung der Ewigen Profess
    31. Mai 1987 Priesterweihe in Freiburg
    1987-1993: Studium in Rom und Freiburg
    1993-1995 Referendar am Windthorst-Gymnasium in Meppen
    1995-1997 Lehrer für Religion, Geschichte und Politik und sowie Schulseelsorger an der Liebfrauenschule in Vechta
    1997-1998 Lehrer für Deutsch und Geschichte an der Fordham Preparatory School (Jesuit High School) in New York (Bronx)
    1998-2007 Schulleiter des Gymnasium Leoninum Handrup
    2007-2015 Provinzial der Deutschen Ordensprovinz der Herz-Jesu-Priester in Bonn
    2015-2018 Generaloberer der Herz-Jesu-Priester in Rom
    6.4.2018 Ernennung zum 71. Bischof von Hildesheim
    1.9.2018 Weihe zum Bischof und Amtseinführung im Bistum Hildesheim

Ein bißchen wenig für einen angeblichen großen Reformer, der sich nach seinem DNA-Spruch beeilte zu versichern, wie wunderbar er sich mit Kardinal Woelki verstehe und alles gleich viel tiefer hängte:
Ich sehe mich nicht als Revoluzzer, betonte er eilfertig beim erzkonservativen Domradio in Köln.

Selbst wenn Wilmer DBK-Vorsitzender werden sollte und tatsächlich liberaler als andere Bischöfe sein sollte, hätte er keine Macht etwas zu verändern.

Aber es wäre aus meiner Sicht natürlich bedauerlich ein sympathisches Gesicht an der Spitze der deutschen Kirchenfürsten zu haben.
Möge sich also lieber Woelki durchsetzen.