Donnerstag, 28. Juni 2012

Underneath the radar….




Fußball. 
Draußen ist es irgendwie verdächtig ruhig. Sollte ich das Glück haben, daß Italien „Jogis Jungs“ im Halbfinale raus kickt und dann endlich wieder Schluß ist mit Grölen, Böllern und Autokorsi?
Das gefiele den allermeisten Deutschen natürlich nicht und ganz besonders eine wäre bitter enttäuscht. Nämlich Angela Merkel. 

Keine Zeit eignet sich so gut dazu dummerhafte Politik zu betreiben, wie eine Fußball-EM oder WM.
Im Schatten der sportlichen Ereignisse kann man so einiges am Volk vorbei mogeln, das unter normalen Umständen auf sehr viel mehr Widerstand stieße.

Es könnte auch mehr ins Augen fallen, daß der Kanzlerin im verflixten siebten Jahr (und dabei waren Jahr fünf und sechs schon extrem verflixt!) rein gar nichts gelingen will.

Sie hat mittlerweile so gut wie alle Verbündeten in der EU verloren und gilt weltweit als Haupthindernis auf dem Weg zur Beendigung der Finanzkrise in Europa. 
Auf EU-Gipfeln fallen Abstimmungsergebnisse inzwischen 1:26 gegen Deutschland aus.
Allen Ernstes wollte Merkel in dieser konfrontativen Lage, in der alle nur mit dem Kopf schütteln angesichts der deutschen Politik, ihren Totalausfall auf dem Finanzministerstuhl zum Sprecher der Euro-Gruppe machen. 
„Nein Danke“ war dazu heute die einhellige Antwort der anderen Regierungschefs.

Die Agentur Reuters meldete unter Berufung auf Insider, dass Juncker vorerst Chef der Euro-Gruppe bleibt. Darauf hätten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder am Rande des EU-Gipfels verständigt.  Als Euro-Gruppenchef spricht Juncker für die Finanzminister der 17 Euro-Länder.

Was Angie anrichtet, bzw wozu ihre Sturheit führen könnte, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Merkels Kollegen greifen inzwischen zu extrem drastischer Sprache. Zur HÖLLE könne der Euro bald fahren.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti warnte nun vor einer möglichen Katastrophe für die EU, sollten die Länder keine gemeinsame Linie finden.
Wenn die Italiener entmutigt würden - sprich: falls es keine Hilfssignale aus Deutschland gebe -, könnte dies "politische Kräfte" freisetzen, die die europäische Integration und den Euro "zur Hölle fahren lassen", sagte Monti bei seiner Ankunft in Brüssel am Mittwochabend. Italien habe bereits große Opfer gebracht und die Schulden unter Kontrolle bekommen. Mit anderen Worten: Nun seien die Geberländer wie Deutschland am Zug.
Wie groß die Not in den südeuropäischen Ländern ist, wurde am Mittwoch erneut deutlich. Die Renditen für italienische Staatsanleihen stiegen auf den höchsten Wert seit Dezember, damit drohen dem Land immer höhere Kosten für den Schuldendienst.

Man muß nur in einfache Boulevardblättchen wie die Mopo gucken, um sich die drohenden höllischen Zustände vorstellen zu können.

Angela Merkel hat sich so deutlich festgelegt wie noch nie: „Solange ich lebe“, werde es keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa geben, erklärte sie kürzlich.
Tatsächlich haftet Deutschland über die Europäische Zentralbank bereits heute für Schulden anderer Euro-Länder in Höhe von 100 Milliarden Euro – „obwohl Frau Merkel sichtbar noch lebt“, wie Jürgen Trittin (Grüne) süffisant feststellt.
Ohne diese Vergemeinschaftung würde die Euro-Zone wohl zerbrechen, sind sich Experten sicher. […]
Übrig bliebe ein „Rest-Euro“ mit Deutschland und kleineren Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder Finnland. […]
Das Bundesfinanzministerium hat das Euro-Aus durchgerechnet. Ergebnis: Das „Wirtschaftswachstum“ in Deutschland betrüge im ersten Jahr minus zehn Prozent. Zudem würde die Arbeitslosigkeit auf fünf Millionen hochschnellen (aktuell drei Millionen). […]
Experten beziffern die Gesamtkosten für Deutschland bei einem Euro-Aus auf ein bis zwei Billionen Euro – etwa das Sechsfache des Bundeshaushalts.
[…] Über den Umstellungskurs könnten Sparer im schlimmsten Fall teilweise enteignet werden. […]
Das Bundesfinanzministerium befürchtet, dass mit dem Euro auch andere Errungenschaften untergehen könnten. Zum Beispiel der Binnenmarkt oder die Reisefreiheit. Zudem könnte die zu erwartende massive Wirtschaftskrise auch radikalen politischen Kräften in Deutschland Auftrieb geben.

Macht ja nichts.

Da ist es schon beruhigend, wenn der Bundestag „nur“ über total schwachsinnige Dinge, wie die Antibildungsprämie der Bundesregierung diskutiert.

Zu Recht ist das Betreuungsgeld heftig umstritten. Denn es ist eine falsche Weichenstellung, die auf Jahre die Chancen von Kindern und Frauen verschlechtert. Es ist ein Hemmnis für gute Bildung, es ist ein Stolperstein für Integration, es ist eine Falle für Frauen und es ist noch dazu eine Sackgasse für Fachkräfte.
Weit mehr als zwei Drittel aller Deutschen lehnt das Betreuungsgeld ab, 64 Prozent der CDU-Anhänger ebenfalls. Die Menschen wissen: Das Betreuungsgeld ist nichts anderes als eine Stillhalteprämie für Horst Seehofer. Auch deshalb ist die Ablehnung so überwältigend.

Anders als bei der geplatzten ersten Lesung traf diesmal sogar die Bundesfamilienministerin Schröder im Bundestag ein und ging Fragen nicht aus dem Weg. 
Irgendwie tapfer. Normalerweise tauchen Merkel-Minister bei unangenehmen Dingen einfach ab und werden nicht mehr gesehen.
Allerdings kann man mit Ehrlichkeit und Ratio der Herdprämie nichts Positives abgewinnen.
 Aber Kristina Schröder hat sich längst von den argumentativen Zwängen der Ehrlichkeit befreit.

Ministerin Schröder erneut beim Lügen erwischt.
"Selten hat eine Bundesregierung so dreist gelogen wie Schwarz-Gelb beim Elterngeld. Nicht zwei Drittel, wie Kristina Schröder behauptet, sondern lediglich 15 Prozent der Eltern beziehen zumindest zeitweise gemeinsam Elterngeld. Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die alten Probleme ungemindert fortbestehen", erklärt der familienpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Jörn Wunderlich, zu den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Elterngeld und zu deren Kommentierung durch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Wunderlich weiter:
"Entgegen den Darstellungen der Ministerin ist es für Paare weiterhin äußert unattraktiv, gemeinsam Elterngeld zu beziehen. Gerade einmal ein Promille aller Eltern bezog über den gesamten Zeitraum gemeinsam Elterngeld. In 99,9 Prozent der Fälle waren Elterngeldbezug und Erziehungsarbeit weiterhin ungleich verteilt. Nach Ansicht der Bundesregierung ist dies jedoch offenbar kein Problem. Unseren Antrag, den gemeinsamen Elterngeldbezug attraktiver zu machen, hat die Koalition vor zwei Wochen abgelehnt."
(PM der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag 27.06.2012, Jörn Wunderlich)

Mittwoch, 27. Juni 2012

Der Feind meines Feindes….




Menschenrechte, Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Frauenemanzipation, Folterverbot, Abschaffung der Sklaverei, Abschaffung der Todesstrafe, Freiheit der Kunst, Abschaffung der Prügelstrafe, Tierrechte, Ächtung von Antisemitismus, Schwulenrechte, Abschaffung des Verbots gemischtrassiger Ehen, Abschaffung des Verbots gemischtkonfessioneller Ehen, Verbot von Vergewaltigungen in der Ehe, etc pp - all das mußte gegen den erbitterten Widerstand der Kirchen erkämpft werden.

Die Kirchen waren dagegen und verschwendeten damit sinnlos über Dekaden ihre Kraft.


Matthäus 10,37: Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert; und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, der ist meiner nicht wert.

Jeremia 17,5: Verflucht ist der Mann, der sich auf Menschen verlässt und hält Fleisch für seinen Arm und weicht mit seinem Herzen vom Herrn.

1Mose 17,1: Ich bin der allmächtige Gott; wandle vor mir und sei fromm.

Wer es also ernst meint mit der Menschenwürde, der sollte dringend die Finger von der Bibel lassen – alle modernen Menschenrechte wurden GEGEN den erbitterten Widerstand der Kirche und gegen die Bibel erkämpft.
Die reizenden Christen stemmten sich immer am längsten gegen die Abschaffung der Sklaverei, gegen die Leibeigenschaft, gegen das Frauenwahlrecht. Etc.

Ein Jünger steht nicht über seinem Meister und ein Sklave nicht über seinem Herrn.
(Jesus, MT 10,24)

Die Sklaverei ist ein Gottesgeschenk.
(Kirchenlehrer Ambrosius) 

Die Sklaven sollen zur Ehre Gottes noch eifriger Sklavendienste tun, damit sie herrlichere Freiheit von Gott erlangen.
(Bischof Ignatius)

Die Sklaven sollen ihren Freikauf nicht aus der gemeinsamen christlichen Kasse fordern; sie sollen sich nicht aufblähen, sondern zur Ehre Gottes noch eifriger Sklavendienste tun, damit sie herrlichere Freiheit von Gott erlange.
(Bischof Ignatius)

Glücklicherweise hat sich der kirchliche Widerstand gegen Bürgerrechte meistens als Mißerfolg erwiesen, weswegen Seth Macfarlane es als Zeitverschwendung betrachtet auf Seiten der Kirche zu stehen:

It is a huge waste of time; if you look back in history every civil rights-movement; the blacks or woman, they always lose. Anyone who tries to fight the advance on any particular minority-group is going to lose - whether it is now, whether it is 20 years from now.
They are wasting their time.

Immer wenn Religionen mal wieder ein Stückchen ihrer menschenrechtsverletzenden Methoden und Lehren aufgeben sollen, blasen sie zum letzten Gefecht und weigern sich mit Händen und Füßen dagegen den rechtsstaatlichen Regeln zu folgen.

So ein Beispiel erleben wir just anhand des ziemlich sensationellen sogenannten „Beschneidungsurteils“ des Kölner Landgerichtes.
 Möglicherweise erleben wir gerade den Anfang vom Ende der Penisschneiderei bei Juden und Moslems in Deutschland.
Das Urteil und dessen Bedeutung wurden bereits von Skydaddy auf „hpd“ gebührend beschrieben, so daß ich die Argumente nicht alle wiederholen muß.

Ein interessanter Aspekt scheint mir zu sein, daß das Ernstnehmen der Menschenrechte und des Grundgesetzes von allen Religionen gleichermaßen als Bedrohung empfunden wird.
 Hysterisch schließen die Abrahamiten die Reihen und hacken gemeinsam auf den deutschen Rechtsstaat ein.

Wir sprechen hier von Gruppierungen, die sich bei anderer Gelegenheit nicht mal das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen. 
In Nordirland gehen 95% (!) aller Kinder auf konfessionsreine Schulen - so sehr hassen sich dort im Jahr 2012 noch Protestanten und Katholiken.

Aber daß Türken nicht mehr ihren Babies am Penis rumschneiden sollen, eint sie schlagartig.

Es sei jedoch nicht erwiesen, dass die Beschneidung dem Wohl des Kindes schade, sagte [der Vorsitzender der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum Heinrich] Mussinghoff: "Es ist auch nicht einsichtig, weshalb die Beschneidung dem Interesse des Kindes zuwiderlaufen soll, später selbst über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden."

Unfreiwillig zeigt der Katholikenfunktionär hier wie sehr sein Denken religiotisch bestimmt ist.
Er kann die Dinge gar nicht neutral sehen und bleibt seinem eingeschränkten Kontext verhaftet. 

Als Amerikaner kenne ich mehrere Männer, die überhaupt nicht religiös sind, aber sich einfach darüber ärgern beschnitten zu sein, weil sie es nicht entscheiden konnten.

Die Vorhaut ist doch nicht nur eine Frage der religiösen Konversion!

Zirkumzision ist ein emotional aufgeladenes Thema, das ich hier nicht diskutieren will.
 Fest steht aber, daß die früher vorgebrachten medizinischen Vorteile (Schutz vor Masturbation, Hygiene,..) allesamt haltlos sind. Dennoch KANN man es machen lassen, weil man es schön findet. Oder sexuell vorteilhaft. Oder um seine Zugehörigkeit zu einer Gruppe auszudrücken. Es mag noch mehr Gründe geben. 
Sicher ist aber eins: Es ist nicht rückgängig zu machen. 
 Ich spreche hier also nicht pro oder contra Beschneidung, sondern meine lediglich, das sollte man gefälligst selbst entscheiden dürfen.

Damit bin ich offenbar im Einklang mit dem deutschen Gesetz und die Religiösen sind es nicht.
Daß ein einzelner Mensch vielleicht seine Vorhaut gerne behalten möchte, geht in den Kopf eines Religioten gar nicht rein.

In der Süddeutschen Zeitung erschien heute ein Aufsatz von Eberhard Schockenhoff (katholischer Priester und Professor für Moraltheologie) über die Unmöglichkeit der Wiederzulassung Wiederverheirateter zur Kommunion.

Bester Satz für mich:

"Auch darf das Scheitern eines gemeinsamen Lebensentwurfs nicht als nahezu zwangsläufige Folge zu hoher moralischer Ideale dargestellt werden, als sei die Forderung ehelicher Treue unerfüllbar. Was geschehen ist, der Bruch der ersten Ehe und die Untreue gegenüber dem Partner, hätte niemals geschehen dürfen."

Die Moraltheologen denken mal wieder nur mit dem Schwanz und nur an Sex!
Als ob Ehen lediglich an UNTREUE "scheitern" könnten!

Daß man und frau sich auseinanderlebt kann 1000 andere Gründe haben und außerdem muß eine Ehe, die vielleicht 10, 20 oder 30 Jahre gedauert hat doch keineswegs "gescheitert" sein, nur weil man sich am Ende trennt!

Auch Moraltheologie-Professoren sind eben Religioten und somit geistig beschränkt.

Man muß die Jugend davor schützen solchen Sekten irreversibel in die Hände zu fallen.

 Man sollte es halten wie die Amish: Erwachsenentaufe. 
Das bedeutet für die Juden und Moslems „Erwachsenenbeschneidung.“
Es ist doch vollkommen in Ordnung, wenn ein rechtlich gesehen mündiger Mensch mit seinem Penis anstellt was immer er will.
Man darf ihm die Möglichkeit aber nicht nehmen, indem man aufgrund uralter Bräuche vollendete Tatsachen schafft.

Uralte Bräuche sind aber eben keine guten Argumente, Herr Graumann!

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dr. Dieter Graumann:
„Diese Rechtssprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Die Beschneidung von neugeborenen Jungen ist fester Bestandteil der jüdischen Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert. In jedem Land der Welt wird dieses religiöse Recht respektiert.“
(PM 26.06.12)

"Die Witwenverbrennung ist fester Bestandteil der Hindu-Religion und wird seit Jahrtausenden weltweit praktiziert.“

„Diese Rechtsprechung ist ein unerhörter und unsensibler Akt. Das Opfern von Jungfrauen ist fester Bestandteil der aztekischen Religion und wird seit Jahrtausenden in Mexiko praktiziert."

"Die Gottesurteile durch Ertränken waren feste Bestandteile der christlichen Religion und wurden Jahrhunderte europaweit praktiziert."

"Die Lex Prima Noctis war fester Bestandteil der christlichen Religion und wurden Jahrhunderte europaweit praktiziert."

Auch wenn es den organisierten Religioten so gar nicht gefällt: Sie können in der heutigen Welt immer weniger ihre menschenrechtswidrigen Praktiken durchführen.

Wir haben mittlerweise Rechtsstaaten entwickelt und da bleibt nun mal immer weniger Platz für altertümliche Foltermethoden.

Das ist zwar bedauerlich für die Religionsführer aber umso besser für die Menschen.

Dienstag, 26. Juni 2012

Schaffe, schaffe, Scheiße baue!




Im föderalen Deutschland gibt es vier Mega-Bundesländer, die über sechsfaches Stimmgewicht im Bundesrat verfügen.

Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfahlen und Niedersachsen.
Als Merkel und Westerwelle 2009 die Bundesregierung bildeten, stellte die Union alle vier Megaministerpräsidenten. Sie brachten allein schon satte 24 Stimmen im Bundesrat zusammen. 
Mit tatkräftiger Unterstützung der Wildsäue und Gurkentruppen in Berlin (Eigenbeschreibung der Koalitionsparteien) sind schon 12 der 24 Stimmen an die Opposition gefallen.
NRW und BW werden inzwischen Rot/Grün regiert.
Nur die Bayerischen Wähler scheinen vernunftresistent genug zu sein, um mehrheitlich den Politamokläufer und Hobbypsychopath Vollhorst Seehofer zu favorisieren.

Man betrachtet üblicherweise den politischen Wechsel als gutes Zeichen, als Beleg für das Funktionieren der Demokratie. Keine Regierung darf sich so in der Macht verkrallen, daß sie sich nicht mehr abwählen lässt.
In anderen Ländern ist es ganz üblich, daß ein abgewählter Regierungschef in die Opposition geht und einige Zeit später wieder ins Amt gewählt wird. Norwegen und Israel sind Beispiele.

In Deutschland ist das unüblich. Hier ist das Obrigkeitsdenken noch so verankert, daß ein Bundeskanzler nicht als politisch aktiver „Ex-Kanzler“ denkbar ist. Sie scheiden aus der Politik aus und müssen fortan als „Ausscheidung“ ihr Dasein fristen.
Auch auf Länderebene gibt es nur ganz vereinzelt diese Comebacks - Eberhard Diepgen und Bernhard Vogel fallen mir ein.

Ein neues Phänomen der letzten CDU-Machtverluste ist die Tiefe der Abstürze. 
Mit den Länderregierungschefs Ahlhaus (*1969) und Mappus (*1966) sackten 2011 zwei Pykniker im besten Politikeralter in so tiefe Löcher, daß sie nur noch endgelagert werden können. 

Beide haben gewaltigen Ärger mit der Staatsanwaltschaft und werden von ihren eigenen Parteien nur noch mit der Kneifzange angefasst.
Schon Wulff (*1959), KT von und zu Guttenberg (*1971) und Norbert Röttgen (*1965) hatten verbrannte Erde hinterlassen, so daß man niemanden die Nachfolge wünschen mochte. 
Aber Mappus hat nicht nur eine etwas peinliche Affäre zu verantworten, sondern DEN Machtverlust in DEM CDU-Land schlechthin verursacht. 
Dabei demonstrierte er ausgerechnet in dem Land des Unternehmertums und der Vollbeschäftigung, in dem sich einer seiner Vorgänger als „das Cleverle“ bezeichnen ließ, die völlige ökonomische Ahnungslosigkeit der CDU-Landesregierung und zettelte auf Steuerzahlerkosten ein Milliardendesaster an.

Illegal natürlich - aber das ist ja Ehrendsache bei CDU-Hinterzimmerdeals.

Es ist ein tiefer Fall, den der ehemalige Ministerpräsident Baden-Württembergs erlebt. CDU-Mann Stefan Mappus wurde verstoßen von den Wählern, von seiner Partei und einem neuen Arbeitgeber. Nun hat auch der Rechnungshof des Landes das Vorgehen der früheren Landesregierung unter dem Christdemokraten beim Abschluss des EnBW-Deals scharf gerügt. […] Die Prüfung des Geschäfts von Ende 2010 ergab, "dass das Verfahren im Vorfeld des Vertragsabschlusses in wesentlichen Teilen nicht den Anforderungen genügt, die aus der Landesverfassung und der Landeshaushaltsordnung folgen". Auch bei der Ausgestaltung des Aktienkaufvertrags sei es nicht in ausreichendem Maße gelungen, "Regelungen zu vermeiden, die für das Land wirtschaftlich nachteilig sind".

Eingefädelt wurde der Deal (am Landtag vorbei) offenbar in Wahrheit von Mappus' Trauzeugen Dirk Notheis, der den CDU-Regierungschef wie eine Marionette benutzte, um sich die Taschen aus der Landeskasse zu füllen.

 Auch der CDU-Finanzminister Stächle dilettierte in sagenhaftem Ausmaß und nickte einfach die Milliardenausgaben ab, ohne den Vorgang auch nur zu prüfen.

Derzeit prüft ein Untersuchungsausschuss des Landtags den fünf Milliarden Euro schweren EnBW-Deal, bei dem Notheis seinen CDU-Freund Mappus beraten hat. Es geht um die Frage, ob das Land zu viel bezahlt hat. Der Staatsgerichtshof des Landes hat den ohne Mitwirkung des Parlaments von Mappus und Notheis eingefädelten Kauf der Anteile vom französischen Energiekonzern EdF als Verfassungsbruch beurteilt.  Um den Deal einzufädeln, verschickte Notheis per E-Mail Anweisungen an Mappus. Die Nachrichten lassen den damaligen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs als Marionette erscheinen, die beim EnBW-Kauf von einem Investmentbanker gesteuert war. Notheis bezeichnete Merkel in den E-Mails als "Mutti", und Mappus' Einfluss auf die Kanzlerin der Bundesrepublik so: Weil der Baden-Württemberger drei von zehn Delegierten auf einem CDU-Bundesparteitag stelle, "kann er Angela mit seinen Truppen töten".

So geht es zu, wenn CDU’ler aus dem Landesverband Schäuble und Schavans freie Hand haben. Mit Geld können die Konservativen einfach nicht.

Unfassbare Geld-Massen nimmt CDU-Finanzminister derzeit auf und erhöht den deutschen Schuldenberg auf astronomische Zahlen.

Deutschland muss wegen der Hilfen in der Schuldenkrise mehr Geld aufnehmen als bisher geplant. Die Deutsche Finanzagentur wird im dritten Quartal des Jahres nach eigenen Angaben zusätzlich Kredite in Höhe von drei Milliarden Euro aufnehmen. Die Finanzagentur, die für die Kreditaufnahme und das Schuldenmanagement des Bundes zuständig ist, gibt demnach im dritten Quartal Schuldpapiere in einer Gesamthöhe von 71 Milliarden Euro aus. Insgesamt will sich der Bund in diesem Jahr 255 Milliarden Euro am Kapitalmarkt leihen. Mehr als die Hälfte davon sammelte die Finanzagentur im ersten Halbjahr ein: 35 Auktionen brachten insgesamt 136,5 Milliarden Euro in die Staatskasse. Sie waren durchschnittlich 1,7-fach überzeichnet.

Man fragt sich schon woher Merkel und ihre CDU die Chuzpe nehmen in Europa umher zu laufen und Ländern, die so pleite sind, daß sogar schwer chronisch Kranke keine Medikamente mehr bekommen, mit erhobenen Fingern zu diktieren, sie dürften kein Geld leihen!

Sie sollte sich lieber an die eigene Nase fassen und mal mit ihrem CDU-Spitzenpersonal in Stuttgart sprechen.

Der [EnBW-Deal] ist - ob durch eigene Verfehlung der Betroffenen oder nicht - zur Katastrophe geworden: für Mappus, für seinen Nachfolger Winfried Kretschmann, für Baden-Württemberg, für den Berufsstand der Investmentbanker, für die EnBW. Und ein wenig auch für die politische Kultur der ganzen Republik.
Die fortschreitende Aufklärung des EnBW-Deals erhellt ein Schattenreich, in dem sich ein mächtiger Volksvertreter von einem augenscheinlich noch viel mächtigeren Geschäftsmann willig fernsteuern ließ - zum politischen und finanziellen Wohl der Beteiligten, und allerhöchstens nebenbei zum Wohl der Bürger. Wenn Politikverdrossene je ein schlagendes Beispiel suchten für die Pflichtvergessenheit und Machtversessenheit von Eliten: Mappus und sein Kumpel, Parteifreund und Bankberater Dirk Notheis haben es ihnen frei Haus geliefert.
Die beiden haben fünf Milliarden Euro, ein Siebtel des Landeshaushalts, zu ihrem Spielgeld gemacht. Selbst die Bundeskanzlerin, die Notheis in seinen Mails "Mutti" nennt oder - wenn er mal höflich sein will - "Angela", war nur eine Figur in diesem Spiel. […]
Stefan Mappus ist bereits hart bestraft worden, er wurde verstoßen von den Wählern, von seiner Partei und einem neuen Arbeitgeber. Er ist so tief gefallen, wie ein Politiker nur fallen kann. Und es wäre zumindest niemand bass erstaunt, wenn die Staatsanwaltschaft doch noch einen Anfangsverdacht auf treuwidriges Handeln erkennen würde.
 (Roman Deininger 26.06.2012)

Montag, 25. Juni 2012

Guter Mann!


Das ist natürlich schön blöd für J.R.

In 60 Jahren hat er sich an die Spitze einer Organisation aus über einer Milliarde Menschen geschoben und dabei stets die Methoden „Mauscheln, Vertuschen, Verheimlichen, Lügen, Drohen, Verdrehen, Zurechtbiegen und Klüngeln“ verwendet.
Dialektik reicht nicht, um Kardinal zu werden.
 Da muß man schon Rabulistik beherrschen. 

Und schlecht sind sie ja nicht darin, die lustigen Geronten in den bunten Kleidern.
 Sie schaffen es immer wieder über Jahrhunderte an Uralt-Vorstellungen festzuhalten, die längst eindeutig wissenschaftlich widerlegt sind.
Man braucht schon eine ordentliche Portion Chuzpe, um am Geozentrismus festzuhalten, wenn längst alle Welt weiß, daß sich die Erde um die Sonne dreht und nicht umgekehrt.
Oder eben Doofheit, so wie die Hälfte der US-Amerikaner, die an Creationismus glauben.
Daß also Gott die Welt in einer Woche erschaffen habe und zwar vor 6000 Jahren. Obwohl jeder von der Existenz von Dinosauriern gehört hat, die vor hundert Millionen Jahren auf den Planeten umher stampften.

Im kleinen vatikanischen Kosmos, der sich nicht mit Ratio und Logik plagen muß, gibt es glücklicherweise viele, viele sehr dicke Teppiche. Unter die kann man so ziemlich alles drunter kehren.

Und nun das:
Fromme Menschen aus dem Vatikan fangen auf einmal an die Teppiche zu lüpfen, als sei es ihre Soutane im Darkroom.
Und da kommt so allerlei zum Vorschein, das man zwar erwartet hatte, das aber nie tatsächlich gesehen wurde.
Der Papst ist so präfinal, daß hinter den Kulissen die Kardinäle schon wie die Kesselflicker streiten, um sich in gute Positionen für die Nachfolge zu bringen.

Zu früheren, frommeren Zeiten gab es effektivere Methoden sich zum Papst wählen zu lassen. 
Borgias und Medicis haben andere Kardinäle entweder gekauft oder abgemurxt.
Sich gegenseitig abzumurxen ist vermutlich nie richtig aus der Mode gekommen. 
Man denke nur an Roberto Calvi, Direktor der Mailänder Banco Ambrosiano, oder Gottes Banker Michele Sindona
David A. Yallop legt in seinem Buch “in Gottes Namen” sogar sehr sehr einleuchtenden Indizien dafür vor, daß auch Albino Luciani (= Papst Johannes Paul I.) nach 33 Tagen im Vatikan vergiftet wurde, weil er im Begriff war die IOR-Machenschaften aufzudecken.

Hinter der prächtigen Fassade des Petersdoms herrschen Hauen und Stechen.
 Nur zugegeben wird es nicht. Der zweitmächtigste Mann des Vatikans, der hochumstrittene und meistgehasste Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone lügt, daß sich die Balken biegen.

Für den Vatikan ist klar, wo der Feind steht. »Viele Journalisten gefallen sich darin, Dan Brown zu spielen. Sie erfinden fortgesetzt Märchen und wärmen alte Geschichten auf«, sagte Tarcisio Bertone in Rom. Wenn der Kardinalstaatssekretär Ber tone, der Regierungschef des Heiligen Stuhls, im Interview mit seiner hauseigenen Wochenzeitung Famiglia Cristiana solche Worte spricht, dann gibt er der Öffentlichkeit zu verstehen: Die Verantwortlichen für die Krise im kleinsten, aber vielleicht einflussreichsten Staat der Welt, dessen Glaubensgrundsätzen Milliarden von Menschen anhängen, sind die Leute von der Presse. Kritikabwehr ist ein Reflex, der sich im Vatikan automatisch einstellt, wenn jemand versucht, das System der Geheimhaltung zu kritisieren. Die Kritiker werden verteufelt, und man selber inszeniert sich als verfolgte Unschuld. Der apokalyptische Ton, in dem der Vatikan sich verteidigt, soll Kritiker einschüchtern und weitere Kritik ersticken. Deshalb hat Bertone auch verkündet, dass es »einen Willen zur Spaltung« der Kirche gebe, »der vom Bösen kommt«, also vom Erzfeind, vom Beelzebub, vom Teufel. Die katholische Kirche selber sei vollkommen einig, behauptet Bertone, und es gebe in ihrem Inneren keine Spaltungen, weder zwischen dem Papst und seinen Mitarbeitern noch unter den Kardinälen. »Wir erleben stattdessen den wiederholten und hart näcki gen Versuch, Zwietracht zwischen dem Heiligen Vater und seinen Mitarbeitern zu säen. Und das hat an sich etwas Böses.«
(Marco Ansaldo, DIE ZEIT, 21.06.12)

Blöd natürlich auch, daß Bertone zwar viel behaupten kann, man ihm aber ohnehin nichts mehr glaubt. Die Pressearbeit des heiligen Stuhls ist so grottig, daß Ratzi nun neben seinem hoffnungslos überforderten Sprecher Lombardi einen Kommunikationsdirektor bestimmt hat, der als professioneller Lügner die Ansichten des Vatikans verbreiten soll.

 Gesucht war also ein Mann, der a) katholisch ist, b) einem erzkonservativen und rückwärtsgewandten Orden angehört, c) viel Erfahrung mit der internationalen Presse gesammelt hat und d) die Methoden eines Mediums kennt, das geradezu pathologisch vor der Wahrheit zurück schreckt und die abstrusesten Lügengeschichten verbreitet.

Und HEUREKA - diesen Mann gibt es.
Es ist der amerikanische Opus Dei-Journalist Greg Burke, der vorher für den Teebeutler-Sender FOX NEWS (= Fixed Noise) arbeitete.

Der 52-jährige Burke ist jedenfalls Informationsprofi. Seit mehr als 20 Jahren berichtet er aus Rom und ist ein versierter Vatikanspezialist. Ein Jahrzehnt lang hat er für das renommierte Time Magazine gearbeitet und zuletzt für den rechtskonservativen US-Sender Fox News. Burke sagte der Süddeutschen Zeitung am Sonntag, er sei so nervös und aufgeregt wie er es 2006 war, als er über den Krieg aus dem Libanon berichtete. Seine Arbeit werde sich mehr hinter den Kulissen abspielen. Er werde zwar mit der Presse reden können, aber Lombardi bleibe der Sprecher des Papstes. Burke bekommt ein Büro im Staatssekretariat, nicht im vatikanischen Presseamt, dessen Chef Lombardi ist.   Burke vergleicht den neu geschaffenen Posten mit dem des Kommunikationsdirektors im Weißen Haus, 'von dem die meisten Leute gar nicht wissen, wer er ist'.
(Andrea Bachstein, SZ, 25.06.12)

Eine gute Wahl, lieber Papst!

Es ist aber doch ein wenig inkonsequent lediglich einen FOX-Mann zu holen. 
Ich schlage vor, daß Burke auch noch seine Kollegen Glenn Beck (“I Have Seen The Finger Of God”) und Sarah Palin („I can see Russia from my house!“) in den Vatikan holt.

Dann wird alles gut.

Sonntag, 24. Juni 2012

Weltfremd



Im Moment versuche ich gerade ein Auto zu kaufen.
Natürlich gibt es Menschen, denen es gefällt zu handeln, auf Messen, bzw Gebrauchtwagenmärkte zu fahren, die zahlreichen Internetportale durchzusuchen.
 Ich finde das hingegen zum Brechen. 

Ich habe auch keine Ahnung von Autos.

Erstaunlich ist aber wie meinungsfreudig der Otto Normalverbraucher beim Thema Automarken ist. Jeder haut sofort seine vorgeblichen Insiderinformationen raus über Marken, die man nun wirklich nicht kaufen dürfe, weil die nur Schrottkarren fabrizierten.
Hingegen baue die Marke XY nur sehr gute Autos. 
Anfangs fragte ich noch interessiert nach, worauf denn diese Einschätzung fuße. Ziemlich schnell stellte sich aber immer raus, daß die selbst ernannten Auto-Experten noch weniger darüber wußten als ich.
Prinzipiell konstatiere ich eine enorme Vorliebe für deutsche Autos.  Daß Wagen aus heimischer Produktion der Konkurrenz aus Japan, Korea oder gar Italien überlegen wären, scheint Konsens zu sein.
Meine Einwürfe über verschlafene Entwicklungen - Rußpartikelfilter, Hybridantriebe, CO2-Redutionen - die stets aus anderen Nationen kamen, drangen nicht durch. 
Auch die Frage nach dem fast immer deutlich höheren Preis der fahrbaren Untersätze aus Bayern oder Wolfsburg prallte lediglich auf Unverständnis.
 Das wichtigste sei schließlich der WIEDERVERKAUFSWERT. 
Mein jetziges Auto (zehn Jahre alt, Italiener) wäre nämlich bestimmt noch 30% mehr wert, wenn es ein Deutscher wäre.
Aha. Also zählen ein paar Hundert Euro  extra nach zehn Jahren mehr, als sich zehn Jahre lang jeden Tag unwohl zu fühlen mit einem Auto, das man nicht leiden kann.
Die Diskussionen sind glücklicherweise für mich schnell zu beenden, da ich politisch denke.
 Mal was von Naomi Klein gehört?
Man soll seine Verbrauchermacht nutzen!  Und wann gibt man als Geringverdiener schon mal so viel Geld auf einmal aus, wie für ein Auto?
So einen Batzen werde ich garantiert nicht an eine Firma überweisen, an deren Spitze drei bayerische Multimilliardäre hocken, die jährlich sechsstellige Summen an die CDU spenden. 
Oder der österreichische Milliardär Ferdinand Piëch. Oder an eine Firma, die unter der Ägide des Merkel-Berater Jürgen Schrempp Zigtausende Arbeitsplätze vernichtete.

Außerdem fahren in Deutschland mehr als vier Millionen GOLFs auf der Straße. Ich will doch kein Auto, das jeder andere auch hat.

Also keine deutschen Autos. Niemals.
Es gibt aber eine weitere Merkwürdigkeit beim Kauf eines Autos:
 Die Vertragshändler hassen es sich von ihren Autos zu trennen und empfinden Kunden daher als echte Belästigung. 
Wie jeder Mensch des Jahres 2012 versuchte ich zunächst im Internet ein paar Informationen einzuholen. Schon das ist nicht leicht.   
Die Webseiten sind teilweise grottig schlecht gemacht. Der Car-Konfigurator funktionierte einwandfrei nur bei Honda und Toyota. Üblicherweise wird der Preis eines Neuwagens aber als Staatsgeheimnis betrachtet.
 Broschüren? Gedruckte Broschüren mußten her.
 Die kann man glücklicherweise im Internet bestellen.
 Üblicherweise verlangen sie dabei die Beantwortung eines länglichen Fragenkatalogs inklusive Einverständniserklärung der Verwendung aller Daten bis hin zu Blutgruppe und Penisgröße.
Aber was soll’s? Immerhin könnte ich dann in Ruhe zu Hause rumblättern und vergleichen.

Dachte ich.

Tatsächlich reagierten auf online-Anfragen nur zwei Firmen.
 In einem Fall kam ein Brief aus der Zentrale, daß die Kataloge derzeit bedauerlicherweise vergriffen wären; ich sollte doch in einigen Wochen noch mal nachfragen.

Lediglich Hyundai schickte einen dicken Packen Kataloge. 
Zwar nicht genau zu den Modellen, die mich interessierten, aber immerhin. 
Pluspunkt für die Koreaner. Weiterer Vorteil: Niemand kennt das Model „Veloster“. 
Selbst die echten Auto-Cracks, die entsprechende Zeitschriften abonniert haben, zuckten mit den Schultern. 
Ja! Genau so was will ich haben!

Auf meinen Wunsch nach einer Probefahrt im Hyundai-Veloster meldete sich eine sehr bayerische Stimme aus einem Callcenter bei mir. Mit vielen rollenden „r“s suchte die freundliche Dame den nächsten Hyundai-Händler in meiner Nähe. Sehr nett.
 Nur, daß ich den selbstverständlich schon längst über die Internetseite gefunden hatte. Man werde meinen Wunsch weiterleiten. 
Eine Woche verging.
Schon lange wunderte ich mich nicht mehr über das Desinteresse am Autoverkauf. Also fuhr ich einfach mal hin. Telefonisch oder online erreicht man ohnehin nichts.

Zunächst einmal: Der erste Eindruck des kleinen 2+1-Türers ist viel unauffälliger als ich dachte. Kommt geradezu bescheiden daher. Also nach dem dreht sich garantiert niemand auf der Straße um. Den haben sie im Prospekt echt viel poppiger photographiert als er ist.
Der wirkt erst mal ein bißchen so wie irgendein Golf. Erst auf den zweiten Blick sieht man, daß er anders ist. Ist auch recht klein. Flach.
 Dieses Understatement fand ich ja schon mal richtig klasse.
Dann kam der große Moment mit der Tür. Ich bin schließlich alles andere als ein Zwerg mit kurzen Beinen. Und tatsächlich: Die Fahrertür ist richtig lang. Bequemes Einsteigen und wenn ich drin sitze und nach links gucke, habe ich völlig freie Sicht und nicht nur die B-Säule im Blickfeld wie bei Viertürern.
Klasse. 
Auch das Cockpit gefiel mir wesentlich besser als erwartet. Im Katalog wirkt der Touchscreen des Bordcomputers und all das Chrom so dominierend. In echt wirkt das viel gefälliger und bescheidener. Design: Like!  Gefällt mir optisch.

Man kann den Sitz auch ganz weit zurück machen und auf der rechten Seite ist auch alles PRIMA. Die Rückbank ist durchaus zu benutzen. Die hintere Tür ist gar nicht so schmal wie ich dachte.

Dann kam auch tatsächlich mal so ein pyknisches kleines dickes Etwas in einem extrem schlecht sitzenden Anzug auf mich zu und wollte wissen, ob ich Hilfe bräuchte.

Da habe ich als erstes rausgehauen, ob es sicher so sei, daß Glasdach nur mit Ledergarnitur ginge, oder ob ich das auch unabhängig voneinander bekommen könnte. 
(Sonderausstattungen sind nur in Paketen erhältlich. Will man eine Sache unbedingt haben, muß man ein Dutzend sinnloser anderer Gimmicks dazu bestellen)
Hat ihn völlig überfordert, der Gedanke.
Hilflos wankte er zu seinem Chef, konnte sich aber nicht recht ausdrücken. Hinterherlatschenderweise assistierte ich dann, indem ich meine Frage noch mal stellte. Aber der Chef-Geront stierte weiter auf irgendwelche Unterlagen und würdigte mich nicht eines Blickes. 
Hat starr nach unten geglotzt und nur schulterzuckend mit dem Kopf gewackelt.
UNHÖFLICH. Also echt. 
Wenn schon nicht begrüßen, so könnte er doch einen Kunden wenigstens mal ansehen!
Der kleine Dicke fummelte dann den Prospekt aus einer Schublade und fing an zu blättern. 
Hilfreich war das nicht, denn DEN Katalog habe ich ja längst und aus dem stammten nämlich meine Informationen. 
Schließlich kam der mollige Midget zu dem Schluß, das ginge offenbar nicht - Glasdach ohne Leder. 
Er ließ auch keinerlei Verständnis dafür erkennen, daß ich nur das eine wollte. 
Wer will denn freiwillig Ledersitze? Im Winter sind die arschkalt (im wahrsten Sinne des Wortes) und im Sommer verbrennt man sich erst und klebt dann fest.

Da er dann weiter teilnahmslos neben mir stand, ergriff ich die Gesprächsinitiative erneut und fragte, ob es möglich wäre mal ein paar Meter zu fahren, damit ich ein Gefühl bekäme.
„Jetzt??? Aber unser Veloster hat ja gar keine Nummernschilder!“
Da ich aber nicht wegging, erklärte er sich bereit rote Nummernschilder dran zu machen und damit ich einmal um die Ecke fahren könnte - aber „nur ganz kurz“, damit sich das nicht auf dem Km-Stand bemerkbar mache. (?)
Herr Daniel, so hieß der Typ, trollte sich also und in der Zwischenzeit habe ich sämtliche Hyundais angesehen, die da noch rumstanden. Die sind durch die Bank weg viel netter als ich dachte.
 Auch das große Coupé Genesis. Und der „neue i30“ gefällt mir ebenfalls wesentlich besser als die meisten Golf-Klasse-Autos.
Von innen sind die richtig schön gemacht, gute Verarbeitung, übersichtliche Bedienung, kein Schnickschnack und trotzdem peppig. Ganz nett. Es wurde nur auf die Dauer etwas langweilig in einer kleinen Halle um kleine koreanische Karren herum zu mäandern.
Mittlerweile wartete ich aber schon 15 Minuten und machte mich erst mal auf die Suche nach dem verwirrten Pykniker, den ich auch schnell draußen erspähte. 
Da war ein Veloster auf so einem schrägen Präsentiergestell montiert und Dicki glotze unter der Motorhaube rum.
Rote Schilder konnte ich aber nicht sehen.
Schließlich stellte sich raus; das Ding war tot. Batterie alle und er bekam den einfach nicht an.
Obwohl der auf beiden Seiten eine fette Werbung „VELOSTER - PROBEFAHREN JETZT“ drauf gemalt hatte.
„Nö, das geht jetzt nicht. Da müßten wir einen Termin machen.“
Ich wollte den aber irgendwie schon mal starten und willigte ein. Einzige Möglichkeit Samstag 12.00 Uhr.
Ob es an einem Wochentag ginge?
„Nein, wir haben ja schon eine Probefahrt mit einem Kunden am Samstag und wollen ja nicht zweimal das Auto extra fertig machen!“
Daraufhin habe ich mich noch mal zu dem Ausstellungsveloster begeben und gebeten den Kofferraum mal aufzumachen. War auch ein Problem - denn das geht nur im Strom und die Batterie war abgeklemmt. Hat der dicke Daniel aber hinbekommen. Das sah auch alle gut aus. Die hintere Hälfte des Dachs ist serienmäßig verglast und das klappt auch alles mit hoch, wenn man hinten aufmacht. Echt klasse. Also von wegen „schlechte Sicht“ oder gar „Schießscharte“ - wie alle auf deutsche Autos fixierten Tester gewarnt hatten. Das haben die schlauen Koreaner schon durchdacht.
Nur: Das Dach ist eben NIEDRIG und ich stoße, wenn ich gerade sitze, genau mit dem Kopf an die Decke.
Schlau wie ich bin, dachte ich, daß es bei einem Glasdach womöglich zwei oder drei Zentimeter mehr Platz sein könnten, weil da drunter ja keine Verkleidung mehr ist. Wußte aber Herr David nicht. Und sie hatten auch keinen da.
„Bekommen Sie denn vielleicht mal einen Veloster mit Glasdach?“
Wieder großes Schulterzucken. Also auf dem Plan stünde nichts.
Daraufhin habe ich dann den Sa-12.00 Uhr-Termin wieder abgesagt, weil es ja keinen Sinn macht ein Auto probe zu fahren, von dem ich jetzt schon sagen kann, daß es zu klein ist und ich nicht drin sitzen kann.
 Da war Herr Daniel froh. 
Spart eine Batterie.
Inzwischen war ich auch dermaßen genervt von diesem billardkugelköpfigen Blödmann, daß ich sowieso keinen Bock mehr hatte da ein Auto zu kaufen.

Auf dem Weg zu Hyundai mußte ich übrigens tanken und habe bei der Gelegenheit das Auto mal kurz in so eine Billigwaschanlage gestellt - (zehn Jahre gab es nur die teure Cosy-Wash-Methode, um den Lack zu schonen. Aber jetzt ist ja wohl egal), weil der wirklich extrem klebrig und schäbig aussah.
In frisch gewaschen sieht mein altes Auto gar nicht mehr schäbig und klapperig aus. 
Und durch den TÜV ist er auch ohne Mängel gekommen - obwohl es ein Italiener ist.

Wieso wollte ich eigentlich ein Neues haben?
Daran waren nur die Deutschen Schuld, die mir einredeten man müsse ein Auto immer nach spätestens vier Jahren verkaufen. Stichwort „Wiederverkaufswert“.
Also wollte ich mein Auto in Zahlung geben, solange ich noch etwas dafür bekomme.

Tatsächlich ist es aber jetzt schon „wertlos“, wie mir ein Besuch bei einem zweiten Händler bestätigte.
Da es aber keinen Sinn macht etwas WERTLOSES zu verkaufen, lasse ich den Autokaufplan jetzt fallen. 

Ich wußte ja schon lange, daß es schwer ist Geld einzunehmen. 
Nun habe ich gelernt, daß es auch schwer ist Geld auszugeben.