Zu den
ehernen Regeln der Demokratie gehört es, daß aus dem Amt ausgeschiedene
Regierungsmitglieder sich nicht zu ihren Nachfolgern äußern.
Das ist
nicht nur eine Frage der Höflichkeit oder eine alte diplomatische
Gepflogenheit, sondern grundsätzlich erforderlich für das Funktionieren einer
Demokratie, die schließlich im Gegensatz zu Autokratien vom Führungswechsel
geprägt ist.
Man kann
sich gut vorstellen, wie schwer es Barack Obama fiel seine Amtsgeschäfte ausgerechnet
Trump zu übergeben; nachdem der Amtsinhaber so intensiv für Trumps Gegnerin
Wahlkampf gemacht hatte und diese auch drei Millionen Stimmen mehr als der
Orange Depp erhielt.
Wie zerknirscht
Bill Clinton war seinen Job GWB zu überreichen, obwohl sein Vize und Freund Al
Gore 500.000 Stimmen mehr als Bush Jr. bekommen hatte.
Zum Wohle
der Nation ließen sie sich aber nichts anmerken und übergaben korrekt und
ausgesucht höflich den Stab, so wie es dann auch GWB tat, der sich ebenfalls
einen anderen Nachfolger als Obama gewünscht hatte.
Zickzack-Sigi
schafft das allerdings nicht, konnte gerade mal eine Woche seinen Mund halten,
bevor er, der ehemalige Außenminister, seinem Parteifreund und Nachfolger Maas
in die Amtsgeschäfte spuckt.
Gabriel
eben, werden sich jetzt auch Nahles und Scholz denken. Eine Bestätigung mehr,
daß es richtig war ihn in Rente zu schicken, obwohl er Deutschlands
beliebtester Minister war.
Gabriel ist
ein helles Köpfchen, kann sehr vieles, aber ganz bestimmt keine
innerparteiliche Solidarität.
Heikos
Maas‘ Unterstützung für die diplomatischen Vergeltungsmaßnahmen gegen Russland
hält Gabriel für grundverkehrt und kann sich nicht drei Minuten zurückhalten,
bevor er zur Presse rennt, um dem Neuen Knüppel zwischen die Beine zu werfen.
Die Affäre Skripal würde Gabriel ganz anders
handhaben.
[….]
Am Dienstag aber meldete sich der
Politiker, den die SPD-Führung bei der Bildung der jüngsten Bundesregierung
nicht mehr im Kabinett haben wollte, mit einem kurzen Satz zurück.
Mitten in der
internationalen Krise mit Russland setzte er einen Tweet ab, in dem er den
früheren EU-Kommissar und SPD-Politiker Günter Verheugen für dessen Kritik an
den Russland-Sanktionen lobt. "Günter Verheugens Kommentar zeigt Mut und
einen kühlen Kopf", schreibt Gabriel dort und verlinkt einen Text, der
zuvor auf SPIEGEL ONLINE zu dem Thema erschienen war. [….]
Tout
Berlin schüttelt nun über den Ex-Außenminister den Kopf, die konservativen
Medien beschimpfen ihn wieder einmal als „Russland-Versteher“.
Der
Ärger über Gabriels Stil ist nur zu verständlich.
Allerdings,
so Leid es mir tut, hat er inhaltlich gesehen Recht.
Was ist
denn das für eine Absurdität aufgrund eines Verdachts von Frau May, die ohnehin
nicht glaubwürdig ist und nachdem es der britische Geheimdienst war, der mit
Fehlinformationen den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg initiierte, nun Russland
zu strafen?
Sollte man es nicht wenigstens sicher wissen, bevor man eskaliert?
Sollte man es nicht wenigstens sicher wissen, bevor man eskaliert?
[….]
Bei keinem anderen Land gebe es die
Kombination aus Fähigkeit, Absicht und Motiv für eine Tat wie in Salisbury,
sagte Premierministerin Theresa May am Montag. Es gebe Beweise, dass Russland
den Einsatz chemischer Kampfstoffe für Attentate erforschen ließ. [….]
Wir
haben zwar keine Ahnung, ahnen aber irgendwie, es könnte Russland gewesen sein,
weil die das eigentlich hinbekommen müssten und ihnen das irgendwie in den Kram
passt?
Wer mit
so vagen Vermutungen argumentiert, könnte genauso gut begründen, daß es nicht
Russland war, weil anderen Geheimdienste ebenfalls die technischen Möglichkeiten
haben, weil ihnen daran liegt Russland anzuschwärzen.
Oder wie
ist es mit dem Argument, daß der ach so gute russische Geheimdienst, wenn er
denn Skripal hätte umbringen wollen, dieser jetzt auch wirklich tot wäre und
zwar ohne daß alles auf einen Mord oder gar Russlands Urheberschaft hindeutete?
Günther
Verheugen spricht lediglich eine Binsenweisheit der internationalen
Gepflogenheiten aus:
[….] Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen hat das Vorgehen gegen Russland jetzt kritisiert.
"Generell sollten
Sanktionen faktenbasiert sein und nicht auf Vermutungen aufbauen", sagte
Verheugen der "Augsburger Allgemeinen". "Die Argumentation im
Fall Skripal erinnert mich ein bisschen an eine Urteilsverkündung nach dem
Motto 'Die Tat war dem Beschuldigten nicht nachzuweisen, aber es war ihm
zuzutrauen'", kritisierte der SPD-Politiker.
Verheugen war von 1999
bis 2010 EU-Kommissar, zunächst für die Erweiterung der Europäischen Union,
später für Industrie. "Die Haltung, dass Putin und die Russen im Zweifel
für alles verantwortlich sind, ist eine Vergiftung des Denkens, die aufhören
muss", sagte er.
[….]
(SPON,
27.03.18)
Ich verstehe
nicht, wie man irgendetwas an Verheugens Worten falsch finden kann.
Um mal
den Advocatus Diaboli zu spielen; stellen wir uns vor es wäre so wie es der
Postillon vor einigen Tagen meldete:
[….] Nun
dürften auch die letzten Zweifel an der Täterschaft Russlands bei der
Vergiftung des russischen Ex-Spions Sergei Skripal ausgeräumt sein. Wie die
britische Regierung heute mitteilte, wurde der Ausweis des russischen
Präsidenten Wladimir Putin am Tatort in Salisbury entdeckt.
Laut der britischen
Premierministerin Theresa May wurde der Ausweis erst jetzt bei einer erneuten
Untersuchung des Tatorts gefunden, weil er unter einem Laubblatt lag. […..]
In dem
Fall wüßten wir eins sicher: Die Beziehungen zwischen Russland und der EU sind
schwer gestört.
Da man
eine atomare Supermacht, das größte Land der Erde, eine UN-Vetomacht und
nebenbei auch unseren wichtigsten Gas- und Öllieferanten nicht einfach
ignorieren kann, wäre es in dem Fall doppelt und dreifach wichtig viele
Diplomaten in den jeweils anderen Ländern zu haben, damit die Beziehungen
wieder verbessert werden könnten. Nur das diplomatische Corps ermöglicht die
Kommunikation zwischen Regierungen, die schwere Konflikte miteinander
austragen.
Die EU
und USA tun aber das diametrale Gegenteil des Sinnvollen. Sie bauen die
Gesprächskanäle ab und verursachen damit absolut sicher eine weitere
Eskalation, werden also zu einer weiteren Verschärfung der Spannungen mit
Russland beitragen.
Was
soll das?
[….] Nach Großbritannien weisen Deutschland, die USA und weitere 18 Staaten insgesamt mehr als hundert russische Diplomaten aus ; allein 60 müssen die USA binnen einer Woche verlassen. Die Spannungen zwischen dem Westen und Russland wegen des Attentats auf den Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter Yulia erreichen eine neue Stufe.
[….] Nach Großbritannien weisen Deutschland, die USA und weitere 18 Staaten insgesamt mehr als hundert russische Diplomaten aus ; allein 60 müssen die USA binnen einer Woche verlassen. Die Spannungen zwischen dem Westen und Russland wegen des Attentats auf den Ex-Agenten Sergej Skripal und seine Tochter Yulia erreichen eine neue Stufe.
Die Antwort aus Moskau
ließ nicht lange auf sich warten: Das russische Außenministerium reagierte mit
"scharfem Protest" und sprach von einer "provokativen
Geste", die nicht ohne Konsequenzen bleiben werde.
Die Führung in Moskau
warf der EU vor, sie lasse sich in eine von Großbritannien und den USA
inszenierte Kampagne hineinziehen, mit der ein Keil zwischen die Union und
Russland getrieben werden soll. Die Ausweisung westlicher Diplomaten aus
Russland steht wohl unmittelbar bevor.
Und das dürfte noch nicht das Ende der
Eskalationsspirale sein: Als EU-Ratspräsident Donald Tusk am Montagmittag für
die europäische Seite die Aktion ankündigte, erklärte er, weitere abgestimmte
Gegenmaßnahmen der EU-Regierungen seien möglich. [….]
(Christian
Kerl, FUNKE, 27.03.18)
Wohin
soll das führen?
Wir bauen alle Gesprächskanäle zu schwierigen Ländern ab, reden nur noch mit Nationen, die uns ohnehin zustimmen?
Wir bauen alle Gesprächskanäle zu schwierigen Ländern ab, reden nur noch mit Nationen, die uns ohnehin zustimmen?
Und
glaubt irgendjemand, der Abzug von Botschaftspersonal könnte bei Putin zu der
Einsicht führen, von nun an nur noch ganz lieb und demokratisch das zu tun, was
die EU gern hätte?
Die EU ist meines Erachtens eine der Hauptstützen für Putins Macht. Die Russen verspüren so eine Art Hassliebe zu Europa. Sie wollen dazugehören und nicht gedemütigt werden, sie fühlen sich gleichzeitig minderwertig und überlegen.
Die EU ist meines Erachtens eine der Hauptstützen für Putins Macht. Die Russen verspüren so eine Art Hassliebe zu Europa. Sie wollen dazugehören und nicht gedemütigt werden, sie fühlen sich gleichzeitig minderwertig und überlegen.
Je mehr
Europa Russland ausgrenzt, desto mehr sehen sich die russischen Wähler nach
einer starken Führungsfigur, die Europa Contra gibt und die russischen Muskeln
spielen lässt – Putin also.
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