Samstag, 9. April 2022

Deutscher Rassismus.

Meine xenophobe Nachbarin hetzt jetzt noch mehr gegen syrische Flüchtlinge; man sehe, was für Feiglinge die wären; alles Männer, die ihre Kinder zu Hause im Bombenhagel ließen, während die tapferen Ukrainischen Männer für ihr Land kämpften und erst mal ihre Kinder und Frauen in Sicherheit brächten.

So kann man sich natürlich auch die Nachrichtenlage zusammen lügen, wenn man alles ausblendet, das dieser absurden Theorie widerspricht.

1.) Ukrainische Männer dürfen gar nicht ausreisen.

2.) In der Ukraine wird an der Seite der eigenen Regierung gegen einen Feind von außen gekämpft. Man steht maximal zusammen, während es in Syrien der eigene Präsident Assad ist, der sein Volk massakriert.

3.) Ukrainische Flüchtlinge sind in der EU willkommen, dürfen sich hier frei bewegen und ihre Familien zu sich holen.

4.) Der Ukrainische Fluchtweg nach dem Verlassen des Landes geht mit dem eigenen Auto oder kostenlos per Bahn, ist vergleichsweise ungefährlich, während Syrer ungeheuerliche Strapazen erleben, im Mittelmeer ertrinken oder durch grausame Pushbacks gequält werden.

5.) Ukrainer haben selbst eine EU-Grenze, die sie nur übertreten müssen, während Syrer möglicherweise über Jahre in Elendslagern feststecken.

6.) Ukrainer haben aber den Doppelvorteil, weiß und christlich zu sein; die Ossis waren ja ziemlich durchsäkularisiert und die Flüchtlinge von 2015/16 überwiegend mit dunklerem Teint gesegnet, als der von Kalkweiß bis Schweinchenrosa changierende Merkelbürger.  Deswegen gibt es nun erneut große Hilfsbereitschaft. Viele in Deutschland ankommende Ukrainer bekommen schnell private Wohnungen vermittelt. Für die auf Lesbos gestrandeten Kriegsflüchtlinge, die dort seit Jahren in elenden Verhältnissen vegetieren müssen, ohne daß ihnen eine einzige Wohnung in Deutschland angeboten wird, dürfte nun endgültig klar sein, welches das ausschlaggebende Kriterium für europäische Asylpolitik ist: Rassismus. Die Dunklen wollen wir nicht.  (Die europäische Flüchtlingspolitik ist ohnehin rassistisch geprägt).

Wie unter christlicher Ägide mit Flüchtlingen verfahren wird, zeigt sich insbesondere im katholischen Polen, welches von der streng katholischen PiS-Partei regiert wird.

[…..] An der polnischen Grenze sterben Menschen auf der Flucht - an Erschöpfung, Kälte, Hunger, Durst. Wer sich durch die sumpfigen Urwälder von Belarus nach Polen kämpft, ist dem falschen Versprechen des Diktators Alexander Lukaschenko aufgesessen, dass über Minsk ein vergleichsweise sicherer Weg in die EU führt - die Menschen aus dem Irak, Jemen, Syrien oder Afghanistan sowie vielen afrikanischen Ländern hoffen, in Europa ein besseres Leben führen zu können. Stattdessen erwartet sie oft die Brutalität der polnischen Grenzbeamten.  Diese Tragödie geht nicht allein auf Kosten der nationalpopulistischen polnischen PiS-Regierung. Mit ihrem Gerede von einer "hybriden Attacke" durch den belarussischen Diktator gab die EU der stramm rechten Regierung in Warschau den willkommenen Vorwand, mit aller Härte gegen Flüchtlinge aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie Afrika vorzugehen. Die Grenzschützer behandeln die Frauen und Männer, Kinder und Alten wie Angreifer und Staatsfeinde, die brutal abgewehrt werden müssen - und drängt viele von ihnen in illegalen Pushbacks auf die belarussische Seite.  Es sind ein paar Dutzend täglich, die kommen, im Vergleich zu den Hunderttausenden an der ukrainischen Grenze. Der Gegensatz könnte krasser nicht sein. Die polnische Regierung unterscheidet klar in Freund und Feind. […..]

(Viktoria Großmann, SZ, 02.04.2022)

Obwohl gerade Deutschland dringend auf Migranten angewiesen ist, wir brauchen viel mehr Immigration, sortieren wir nach Hautfarbe aus.

Die Prinzipien des Grundgesetzes – Menschenwürde, Familie – treten wir mit Füßen, wenn es sich nicht um Weiße handelt.

In der aktuellen Situation gibt es die rassistische Flüchtlingsauslese aber nicht etwa nur an den EU-Außengrenzen Osteuropas, sondern auch in Berlin.

[…] Am 3. März kam eine Frau ins Zuhause von Marwa Barakzai und forderte sie auf, es innerhalb eines Tages zu verlassen. Barakzai, ihr Mann und ihre beiden Kinder sollten ihre Sachen packen und ausziehen. Bis zum nächsten Tag, um zwölf Uhr. Ihre Wohnung werde benötigt, um Flüchtlinge aus der Ukraine unterzubringen. So erzählt es Barakzai heute. Ihre Stimme überschlägt sich fast am Telefon, als sie von dem Tag berichtet. »Anschließend ist das totale Chaos ausgebrochen.«  Barakzai lebte im Norden Berlins, in Reinickendorf, in einer Unterkunft für Geflüchtete. Ihren echten Namen möchte sie nicht veröffentlicht sehen, aus Angst vor Konsequenzen; er ist dem SPIEGEL bekannt. In der Unterkunft sei sie mit etwa 200 anderen Menschen untergebracht gewesen, vor allem aus Syrien und Afghanistan, sagt sie. Barakzai war erst seit diesem Jahr dort, sie war mit ihrer Familie Ende Januar aus Afghanistan angekommen. Andere Familien lebten dort schon seit Jahren. […] Es dauerte nicht lange, bis Flüchtlingshelfer in Berlin von den Verlegungen erfuhren. Auf Twitter machte Tareq Alaows, Vorstandsmitglied des Flüchtlingsrats Berlin, darauf aufmerksam. »Das ist menschlich mehr als verwerflich und muss von der zuständigen Senatsverwaltung sofort gestoppt werden!« […]

(SPON, 09.04.2022


 

Freitag, 8. April 2022

Tolldreist in Düsseldorf.

Um nicht zu parteiisch zu werden, sei vorausgeschickt, daß Ampelministerin Anne Spiegel nachdem was sie sich bei der Ahrtal-Flut leistete, auch zurücktreten müsste.

[…] Wie Politiker und ihre Berater nach der Flutkatastrophe Imagepflege betrieben

180 Menschen starben beim Hochwasser im Sommer. Chatprotokolle und interne Mails enthüllen: In der Staatskanzlei von Armin Laschet sorgte man sich um sein Bild in den Medien. Umweltministerin Anne Spiegel suchte nach Möglichkeiten, um von ihrer Verantwortung abzulenken. […]

(DER SPIEGEL, 18.03.22)

Politiker, die Probleme und Notlagen hintanstellen und in erster Linie daran denken, wie sie ihr eigenen Image polieren, möchte ich nach 16 Jahren CDUCSU-Personal nicht mehr im Bundeskabinett sehen.

[….] Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) steht in Zusammenhang mit der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz mit 134 Toten am kommenden Freitag vor dem Untersuchungsausschuss. Jetzt wurden SMS-Nachrichten und Chatverläufe zwischen Spiegel und Mitarbeitern ihrer Pressestelle geleakt. Die Grünen-Politikerin soll demnach bereits zu Anfang der Katastrophe massiv um ihr Image besorgt gewesen sein. Spiegel war zuständige Umweltressortchefin in Rheinland-Pfalz. Sie habe bereits am Morgen des 15. Juli, als das Ausmaß der Katastrophe bekannt wurde, an ihre Mitarbeiter geschrieben: „Das Blame Game könnte sofort losgehen, wir brauchen ein Wording, dass wir rechtzeitig gewarnt haben, wir alle Daten immer transparent gemacht haben, ich im Kabinett gewarnt habe, was ohne unsere Präventionsmaßnahmen und Vorsorgemaßnahmen alles noch schlimmer geworden wäre etc.“.  [….]

(Berliner Zeitung, 09.03.22)

Als die Flut losgebrochen war, legte sich Spiegel erst mal schlafen, schaltete ihre Telefone aus, so daß sie zehn Stunden nicht zu erreichen war und dachte anschließend offenkundig erst mal nur an eins: An sich selbst.

Zugegeben; die Weltlage ist aus mehrfachen Gründen derartig explosiv und gefährlich, daß Olaf Scholz verständlicherweise nicht noch mehr Personalgewackel in seiner Ampel ertragen möchte. Die drei FDP-Herren (von Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger habe ich seit ihrer Ernennung nie wieder etwas gehört) und der unerwartet stark strauchelnde Karl Lauterbach bringen schon genug Chaos.

Spiegels Landesminister-Kollegin  in Armin Laschets NRW-Kabinett trieb es allerdings so tolldreist, daß selbst Profi-Zyniker wie ich schlucken müssen.

Wie sich jetzt herausstellte, ging das halbe Kabinett von Flut-Grinsefratze Laschet erst mal auf Mallorca feiern.

[….] Rund zehn Tage nach der Flutkatastrophe im vergangenen Juli in Nordrhein-Westfalen hat Landesumweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) mit weiteren Regierungsmitgliedern auf Mallorca Geburtstag gefeiert. […..]»Ich bestätige das«, sagte Heinen-Esser zu dem Bericht gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Auch NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) hätten am 23. Juli an einer Geburtstagsfeier des Ehemanns von Heinen-Esser teilgenommen. Heinen-Esser habe der Zeitung gegenüber erklärt, dass auch die Kölner Bundestagsabgeordnete Serap Güler zu den Gästen gehört habe. Die nordrhein-westfälische Umweltministerin steht bereits seit Längerem in der Kritik, weil sie ihren Mallorca-Urlaub nach dem Hochwasser am 14. Juli zwar kurz unterbrochen, dann aber fortgesetzt hatte.  […..]

(SPON, 07.04.22)

Die CDU-Party-Minister nahmen auch noch Anleihen bei Cancun-Ted Cruz, der auch während einer Naturkatastrophe in seinem Bundesstaat erst mal ein paar Tage Strand-Urlaub nahm. Als er erwischt wurde, weil ihn Reisende am Flughafen gesehen hatten, zeigte der rechtsextreme Hetzer wes Geistes Kind er ist, indem er nicht etwa zu seinem Trip stand, sondern die Schuld seiner kleinen Tochter in die Schuhe schob. Die hätte nach Mexico gewollt.

Genauso ging auch Ursula Heinen-Esser vor: Zunächst lügen, dann alles ihrer Tochter in die Schuhe schieben und erst nachdem die Beweise erdrückend waren, kam der Rücktritt.

[….] Heinen-Esser hatte Wüsts schwarz-gelbe Landesregierung in einen verheerenden Skandal verstrickt. Nicht einmal 48 Stunden nach der verheerenden Flutnacht, bei der vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Land 49 Menschen ihr Leben verloren, war die CDU-Politikerin ungerührt zurück in ihre Ferienwohnung auf Mallorca geflogen. Privat vor Katastrophe - schon diese Flucht unter die Sonne mutete tollkühn an. Nur, es kam dreister: Beim Versuch, ihre Exkursion zu vertuschen, täuschte sie die Öffentlichkeit und einen Untersuchungsausschuss des Landtags. Anfangs sprach Heinen-Esser von nur vier Tagen auf den Balearen, dann räumte sie neun Tage auf "Malle" ein, um angeblich ihre 15-jährige Tochter zu betreuen. Nun kam raus: Heinen-Esser feierte in Spanien den Geburtstag ihres Manns - und lud aus NRW noch eine Ministerin, einen Minister sowie eine Staatssekretärin zu Tisch. Auch diese drei CDU-Freundesleute müssen sich nun Fragen nach Amt und Anstand gefallen lassen.  Heinen-Esser hat nie begriffen, dass sie gleich doppelt gescheitert war. Ihr privates Verhalten nach der Flut schürte Zweifel an der Person - und ihr Amtsgebaren vor der Flut wiederum diskreditierte sie als Politikerin. Denn Heinen-Esser trug die politische Verantwortung dafür, dass die NRW-Behörden nicht früher und lauter Alarm geschlagen hatten vor der Katastrophe.   [….]

(Christian Wernicke, SZ, 07.04.2022)

Laschet und Heinen-Esser sind nun politische Geschichte.

Wahlkämpfer Wüst muss sich fragen lassen, wieso er an NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) und Europaminister Stephan Holthoff-Pförtner (CDU) festhält.

Nur weil am 15.05.2022 Landtagswahlen anstehen und er sich um sein Image sorgt?

Offensichtlich setzt er darauf, ob der Megakrisen Klima, Corona und Ukraine, sein Sumpf-Kabinett aus dem Focus der Öffentlichkeit halten zu können.


 

Donnerstag, 7. April 2022

Der kriminelle Sumpf von Trier – Teil II

Der Elefant im Raum ist offensichtlich die heute blamabel im Bundestag gescheiterte Impfpflicht ab 60.

(….)  Ich kann das immer noch nicht glauben. 300.000 Neuinfektionen jeden Tag in Deutschland, 100 bis 300 Tote jeden Tag, 130.000 Covid-Tote bisher in Deutschland.  Jeden Tag so viele Tote, wie bei einem Flugzeugsabsturz. Man stelle sich vor, zwei Jahre lang würde jeden Tag ein voll besetzter Passagierjet in Deutschland vom Himmel krachen. Meine Phantasie reicht aus, um mir auszumalen, daß man nach 600 Tagen die einzelnen Crashs gar nicht mehr wahrnähme. Aber würde man es auch bejubeln, wenn die FDP-Minister daraus folgernd verlangten, nun auch die Flugsicherheit, Waffenkontrollen am Airport, die bisher vorgeschriebenen akribischen Wartungen  und die Fluglotsen, abzuschaffen?
Diese ganzen Kontrollen am Flughafen sind ja schließlich ungeheuer lästig, kosten die armen Fluggesellschaften Geld und widersprechen der freiheitlichen Entscheidung mit Risiko zu fliegen. Sind solche Maßnahmen nicht ein Zeichen von gescheiterter Planwirtschaft, die den mündigen Bürger gängeln?
Nun ist ein gewisser pathologischer Wahnsinn bei FDP-Rumpelstilzchen wie Wolfgang Kubicki natürlich zu erwarten. Ich verstehe sogar, daß Olaf Scholz während eines heißen Krieges in Europa, bei dem das größte Land, das Zweitgrößte überfallen hat, den Kopf zu voll hat, um sich mit einer platzenden Ampel abärgern zu können, so daß er der FDP mehr nachgibt als nötig. (….)

(Die Hepatitisgelben und ihre Liebe zum Virus, 31.03.2022)

Und nun gibt es im Land der niedrigen Impfquote keine Impfpflicht, so daß die nächste schwere Welle mit Lockdowns und tausenden Toten schon sicher ist.

[….] Welche Menschen an Omikron sterben

Mehr als 200 Tote jeden Tag: Die Pandemie ist noch längst nicht vorbei, Mediziner berichten von erschütternden Verläufen. Eine Datenanalyse zeigt, wie gefährlich die Seuche noch immer ist – und wer besonders gefährdet ist. [….]

(SPON, 06.04.2022)

Ein Boeing-Absturz jeden Tag und die Politik kann sich nicht aufraffen, etwas dagegen zu unternehmen.

Warum? Weil die FDP zu einer weitgehend unseriösen Krawalltruppe verkommen ist und sich CDU-Doppelchef Merz angesichts der offensichtlichen Kabale innerhalb der Ampel vor eine Wahl gestellt sah:

A)   Ich wende schweren ökonomischen Schaden von Deutschland ab, rette Tausenden das Leben, kann dann aber nicht als zackiger CDU-Vorsitzender punkten und muss Kanzler Scholz einen kleinen Erfolg gönnen.

B)   Ich lasse die AfD jubilieren und triumphieren, die rechtsradikalen Verschwörungstheoretiker und Covidoten abfeiern, schicke Deutschland in die nächste tödliche Coronawelle, breche der von den Russlandsaktionen schwer gebeutelten Ökonomie das Rückgrat indem ich erneute Lockdowns provoziere, aber dafür sieht wenigstens Olaf Scholz auch dumm aus.

Merz entschied sich für B und bekommt noch nicht einmal den Shitstorm, den er verdient, weil er nun mal „nur“ Opposition ist, niemand von ihm etwas anderes als destruktive Parteipolitik erwartet und weil es natürlich stimmt, es sich auch um ein handfestes Führungsversagen von Gesundheitsminister Lauterbach und Bundeskanzler Scholz handelt.

Die gesamte konservative Presse, aber auch der seit seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten extrem Scholz-antagonistische SPIEGEL lassen ihrer Wut auf „die Politik“ und die Ampel freien Lauf.
Ich werde die Fehler der SPD in der Corona-Politik nicht schönreden, aber da es sowieso schon von Flensburg bis zum Bodensee Presseprügel hagelt, muss ich nicht als 10.000ster auch noch auf die Geschlagenen einprügeln.

Stattdessen erinnere ich an einen Großskandal, der angesichts der Megakrisen Klima, Corona und Russland so gut wie gar nicht mehr wahrgenommen wird:
Die weltumspannende Kinderfi**erverein Römisch-katholische Kirche mit seiner besonders abscheulichen Dependance RKK-Deutschland stellt weiterhin paradiesische Strukturen für ephebo- und pädosexuelle Triebtäter und Sadisten zur Verfügung, blockiert die Aufklärung, verhöhnt die Opfer, ermutigt die Täter und verehrt demonstrativ die schlimmsten Unterstützer der Kinderf**ker, indem zum Beispiel Karol Woytila trotz seiner ungeheuerlichen Förderung eines der sadistischsten Sextäters aller Zeiten - Marcial Maciel Degollado – blitzartig heiliggesprochen wurde.
Eine der perfidesten Auswüchse des Kinder**ckersumpfes inkarniert sich in der Person Stephan Ackermann. Mit dem Trier Bischof benannte die Deutsche Bischofskonferenz ausgerechnet einen Mann, der besonders schäbig mit den Missbrauchsopfern umgeht zum Missbrauchsbeauftragten der RKK.

Ackermann hielt immer wieder seine schützende Hand über die Kinderquäler, fiel den Opfern in den Rücken und blockierte die Aufklärungsbemühungen.

Diese Woche setzte er noch einen drauf und ließ die von seinen Priestern vergewaltigten Opfer demonstrativ seine ganze Verachtung spüren.

[….] Bischof outet Betroffene[….] Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat offenbar in einer Besprechung mit Bistumsmitarbeitern den Klarnamen einer Frau genannt, die Opfer sexualisierter Gewalt durch einen Priester geworden und bis dahin nur unter Pseudonym bekannt war. [….] Ackermann unterschrieb deshalb eine Unterlassungserklärung, bestätigte der Rechtsanwalt der Betroffenen, Oliver Stegmann, der Süddeutschen Zeitung. Nennt Ackermann noch einmal den Klarnamen der Frau, droht ihm eine Geldstrafe. Besonders heikel: Die Betroffene ist beim Bistum Trier angestellt und wurde offenbar vor etwa 40 Kolleginnen und Kollegen gegen ihren Willen geoutet. [….] Ackermann [….][soll]  den echten Namen von Karin Weißenfels enthüllt haben. Seine Begründung soll viele Zuhörer entsetzt haben: Wenn jetzt schon offen über Namen gesprochen werde, dann nenne er auch den Namen der beteiligten Person, soll Ackermann gesagt haben. Zudem sei Weißenfels' bürgerlicher Name vielen Menschen im Bistum bekannt. [….] "Frau Weißenfels kämpft seit Jahrzehnten dafür, dass das ihr angetane Unrecht aufgearbeitet wird", sagt ihr Rechtsanwalt. "Die Verantwortlichen des Bistums haben offenbar bis heute nicht wirklich verinnerlicht, was ihr angetan wurde. Dass der Bischof mit ihrem Pseudonym nicht ordentlich umgeht, ist eine inakzeptable Grenzüberschreitung." [….]

(SZ, 06.04.2022)

Mittwoch, 6. April 2022

Einwanderer willkommen!

Heute war ich zu einer Routine-Vorsorge beim Arzt. Genauer gesagt, einer Ärztin, da der mir seit 35 Jahren vertraute Praxisinhaber in Rente gegangen ist. Nun sind da nur noch Ärztinnen. Das passt ins Bild; sind doch inzwischen zwei Drittel der Medizin-Studierenden Frauen.

Es ist allerdings wie bei den Köchen – mögen auch die große Mehrzahl Frauen sein; die Chefärzte und Chefköche sind nahezu ausschließlich Männer.

Die neue Praxisinhaberin ist Iranerin; als Kind nach Deutschlang eingewandert.  Auch das passt wunderbar ins Klischee der intellektuellen im Ausland lebenden Iraner. Sie scheinen alle Akademiker zu sein und zwar in Fachgebieten, wie Architektur, Mathematik oder Medizin, die man nicht zwingend nur in Deutschland ausüben kann.

Xenophobie sollte genauso wenig wie Islamophobie einen Platz in unserer Gesellschaft haben.

(….) Pauschalisierungen aufgrund von Rasse oder Religion sind ohnehin absurd, weil der soziokulturelle Hintergrund, die Bildung und Wohlstand eher ein Indikator für Kriminalität sind.

Islamophobe Hetzer, die alle deutschen Probleme mit Kriminalität auf „den Islam“ schieben, kann man ganz leicht mit dem Gegenbeispiel Iran zu fassen bekommen.  Es gibt de facto keine Kriminalität oder Integrationsproblematik durch Iraner in Deutschland, obwohl sie weitüberwiegend ebenfalls Muslime sind.

Wieso das so ist, lässt sich leicht erklären. Während in den 1960er Jahren die am schlechtesten gebildeten Türken als Gastarbeiter nach Deutschland kamen, waren es im Zuge der Ayatollah-Revolution von 1979 in erster Linie Intellektuelle und Akademiker, die aus dem Iran nach Deutschland flohen.

Daher  sind typische Berufe von Deutsch-Iranern heute auch Architekt oder Chirurg. Natürlich gibt es mit „denen“ keine Probleme, obwohl sie dem Islam angehören. (…)

(Rage Of White Men, 17.02.2018)

Die beiden Corona-Jahre haben es noch einmal überdeutlich klar gemacht: Wir haben in Deutschland ein massives Arbeitskräftemangel-Problem.

Sogar der nicht eben als Migranten-freundlich bekannte Frank Plasberg setzte  auf dieses Thema.

[….]  Die neue Arbeiter-Losigkeit: Warum gehen Deutschland die Fachkräfte aus?  Ob Pflegekraft, Kellnerin oder Handwerker – überall fehlen in Deutschland Fachkräfte. Die Unis sind voll, der Handwerker-Markt ist leer. Und das trotz oft guter Bezahlung. Was tun? Sind Fachkräfte aus dem Ausland die Lösung, die Menschen aus der Ukraine eine Hilfe? […]

(Hart, aber fair, 04.04.2022)

Mir behagt das ganze Konzept von Nationen nicht. Ginge es nach mir, würden alle Einreisebeschränkungen fallen. Es ist absurd, daß Menschen enorme Rechte und Privilegien nur aus dem Zufall ihres Geburtsortes ableiten.

Aber ich weiß natürlich, daß meine Position nicht mehrheitsfähig ist, weil die allermeisten Menschen an ihren patriotischen und nationalen Gefühlen festhängen. Ein globales Problem, das sich keineswegs auf Extrempatrioten (USA, Frankreich) beschränkt. Ohne den enormen Patriotismus und das Nationalgefühl der Russen und Ukrainer hätten wir vermutlich einen großen Krieg weniger.

Wer aber nicht aufgrund moralischer und humanitärer Prinzipien Migranten willkommen heißt, könnte sich vielleicht von ökonomischen Überlegungen überzeugen lassen.

Die Einschläge des allgemeinen Personalmangels kommen immer näher.

Olivia Jones macht gerade für die Reeperbahn eine „Seitenwechsel“-Kampagne, weil das weltberühmte Hamburger Nachtleben nach den zwei Coronajahren durch fehlende Mitarbeiter in der Gastronomie nicht wieder anläuft.

Restaurants sind nur halbvoll, weil es keine Kellner gibt.

Ich erhielt gerade die vierte Vattenfall-Mahnung, weil ich bei einem Grundversorgungsvertrag 154,07 Euro im Rückstand bin. Es geht um eine Wohnung im Hamburger Osten, deren Bewohner sich offenbar nicht bei dem Stromversorger angemeldet hat. Daher wendet sich Vattenfall nun an mich, den angeblichen Wohnungseigentümer. Kleines Problem am Rande: Ich habe damit nichts zu tun. Die Wohnung gehört mir nicht! Erst fand ich es noch ganz lustig. Als ich gestern das vierte mal eine halbe Stunde in der Vattenfall-Warteschleife hing, um das aufzuklären, war ich langsam genervt. Schließlich geriet ich doch an einen lebendigen Mitarbeiter, der den Vorgang auch auf seinem Computer fand; ‚ich sehe, Sie sind nicht der Wohnungseigentümer, das wurde zuletzt am 25.03. hier eingetragen.‘

Wieso ich denn weiterhin Rechnungen bekäme, begehrte ich zu wissen. Antwort: Die Vattenfall-Zentrale leidet unter so großem Personalmangel, daß es bei der Bearbeitung der telefonisch aufgenommenen Vorgänge Monate Verzug gibt.

Im Januar habe ich schriftlich meinen Mobiltelefonvertrag zu Willy.tel verlegt. Bis heute ist nichts passiert, weil die Jungs komplett überlastet sind.

Butter-Lindner, das Berliner Delikatessengeschäft mit vielen Filialen in Hamburg, musste im Dezember 2021 wegen Verkäufermangels ausgerechnet die Filiale schließen, in der ich jeden Freitag einkaufte. Eine absurde Angelegenheit an dem extrem belebten Standort unmittelbar in der Umsatz-stärksten Zeit.

[….] Acht Filialen betreibt das Feinkostunternehmen, das zunächst unter dem Namen Butter Lindner mit Molkereiprodukten bekannt wurde, inzwischen in Hamburg. Zumindest in Winterhude müssen die Kunden auf den Service bis auf Weiteres verzichten. Das Unternehmen hat die Filiale am Mühlenkamp geschlossen – unmittelbar vor dem einträglichen Weihnachtsgeschäft.  Ein Schild im Schaufenster liefert die Begründung: Es fehlt an Fachkräften. „Dieses Lindner Feinkostgeschäft ist von der angespannten Arbeitsmarktsituation betroffen“, steht da zu lesen. „Unsere engagierte Suche nach qualifizierten Mitarbeitern/innen hat leider einen Engpass nicht vermeiden können. Ohne genügend geeignete Fachkräfte können wir mit unserem umfassenden Feinkostangebot nicht angemessen für Sie da sein.“ Es ist ein Paukenschlag für den Hamburger Einzelhandel, dass ein Geschäft wegen Personalmangels gleich schließen muss. „Es war für uns das letzte Mittel, und die Schließung tut uns sehr weh“, sagt Claudia Mehrl, Sprecherin der Lindner Feinkostläden mit Hauptsitz in Berlin. [….]

(Abendblatt, 04.12.2021)

Der Laden brummte, aber Mitte März 2022 kam dann das endgültige Aus. Lindner war nicht in der Lage Personal zu finden, schließt nun für immer.

Die Situation in der Gastronomie, im Handwerk, im Verkauf, in der Pflege zeigt, daß Deutschland eben nicht nur auf intellektuelle Inder und Iraner angewiesen ist, sondern inzwischen quer durch alle Branchen durch fehlende Mitarbeiter schwere Verluste eingefahren werden.

Nicht nur sollten wir also bei all dem Horror durch Putins Krieg, großzügig alle Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, sondern endlich auch die von Belarus bis Lesbos gestrandeten Flüchtlinge, aus dem Nahen Osten, Afrika und Afghanistan willkommen heißen. Wir brauchen Menschen mit allen Qualifikationsgraden. Auch die Unqualifizierten. Spätestens in der zweiten Generation zahlt es sich aus.

[….]  Die Wirtschaftswissenschaftlerinnen Doris Oberdabernig und Alyssa Schneebaum haben herausgefunden, dass die Nachfahren von Einwanderern in vielen europäischen Ländern, inklusive Deutschland, im Vergleich mit einheimischen Altersgenossen, deren Eltern denselben Bildungsstand hatten, viel besser abschneiden. »Die Bildungslücke zwischen Einheimischen und Einwanderern ist in den beiden letzten Generationen kleiner geworden«, schreiben die Autorinnen. »Setzt sich dieser Prozess in den nächsten Generationen fort, dann werden Personen mit Migrationshintergrund bald einen vergleichbaren Bildungsstand aufweisen wie die einheimische Bevölkerung.« Eine amerikanische Untersuchung von Wirtschaftswissenschaftlern aus Princeton und Stanford kam zu einem ähnlich optimistischen Ergebnis. Die Löhne von Einwanderern aus allen Herkunftsländern stiegen in den letzten 100 Jahren von Generation zu Generation rasch an. Die meisten Beobachter, so schlussfolgern die Autoren, »unterschätzen den langfristigen Erfolg von Immigranten«. [….]

(Prof. Yascha Mounk, Der Spiegel Nr.14, 02.04.2022, s.44)

Dienstag, 5. April 2022

Hinterher ist man immer schlauer

Das ist wirklich einem Arbeitskollegen meines Vaters so passiert.

Er hatte eine deutlich jüngere Frau geheiratet und deren dämliche Freundinnen hingen ständig bei ihnen rum. Eine davon war eine hoffnungslos chaotische Person. Schule abgebrochen, dem Alkohol zugetan, alle drei Tage eine neue Affäre. Eines Tages erschien sie völlig aufgelöst, war schwanger und pleite. Wer der Kindsvater sein könnte, war unklar. Was sie denn nur tun solle.  Da sie nicht im Entferntesten in der Lage war, auch nur für sich selbst zu sorgen, empfahl ihr der Kollege meines Vaters, rational abwägend, lieber abzutreiben.  Man verlor sich aus den Augen bis einige Jahre später die junge Dame wieder bei ihnen klingelte, einen entzückenden drei-jährigen Jungen an der Hand hielt und mit den Ratgebern von früher abrechnete: „Kevin ist mein ein und alles! Das liebste Kind der Welt und IHR WOLLTET DAMALS, DASS ICH IHN TÖTE!“

Die Moral von der Geschichte: Rate niemals einer Schwangeren, was sie tun soll. Man kann es nur falsch machen.

Inzwischen habe ich eine ähnliche Story mit ganz anderen Protagonisten gehört. Die Bekannte der Cousine meiner Nachbarin. Oder so. Vielleicht kommt es öfter vor, daß  mit der Entscheidung für oder wider Kind, schlecht beratene Frauen sich später bitter beklagen. Vielleicht ist es auch nur ein urbaner Mythos wie die Spinne in der Yucca-Palme.

Die vollkommen wahnsinnigen US-Republikaner mit ihrem „Don’t say gay“-Gesetz und ihrem Vorhaben, Schwangerschaftsunterbrechungen unter drakonische Strafen zu stellen, stellen diese Grundsatzfragen wieder auf die Tagesordnung. Weiße alte Männer sollen über den Körper einer jungen Frau entscheiden. Ich hatte schon vor Jahrzehnten gedacht, die Moraldebatte über Abtreibungen wäre endgültig entschieden.

Drei Aspekte sind und waren dabei für mich immer entscheidend:

1.) Was mit ihrem Uterus zu geschehen hat, geht nur die Besitzerin des Organs etwas an.

2.) Weltweit zeigen die Erfahrungen, daß es bei liberalen Gesetzen und offener Sexualaufklärung sehr viel weniger Abtreibungen gibt, als bei drakonischen Gesetzen, weil dadurch Schwangere so unter Druck gesetzt werden, daß sie sich nur noch darauf konzentrieren, wie man einen Abbruch überhaupt bewerkstelligen kann.

3.)  Bei einer Schwangerschaftsunterbrechung wird eben kein Kind getötet, sondern ein kleiner Zellhaufen nistet sich nicht an einer bestimmten Stelle ein. Das ist ein völlig natürlicher Vorgang. Daher heißt es auch „Gott ist der größte Abtreiber.

Den Christen sei an dieser Stelle ins Stammbuch geschrieben, daß auch die meisten menschlichen Embryonen ganz natürlich absterben, bevor sie geboren werden. Das hat Gott so eingerichtet.

Gott ist somit der größte Abtreiber überhaupt. Letztendlich läßt er 9 Embryos absterben, um ein Kind zu erzeugen

How many embryos and fetuses never make it to birth?  How many babies die in natural childbirth?  How many infants die before reaching age five?  The statistics are not good.  The most hazardous journey of life is the first few months. According to the calculations of Gregory Paul (see his published articles here), who used the best figures from embryology and neonatal doctors, as few as one-quarter of all conceptions avoid reabsorption or miscarriage, and of those fetuses that do make it to full-term, another large percentage die during natural childbirth.  It’s obvious that embryos are not well-designed for making it to infancy.  The female body was not well-designed for childbirth, either, since the ratio of fetal skull size to female hip size doesn’t make for great odds for the mother.  Every year, more than half a million women die in pregnancy or childbirth.  Natural evolution, not religion, explains the tough compromises forced on the human body, and why few embryos make it to infancy and so many mothers die in the process.   Although the odds of a fertilized egg making it to a live birth are less than 1 in 5, another hazardous journey through infancy lies ahead.  Before modern medicine, around 20% of children in England and the United States died before the age of five, and that number was much higher in pre-industrial societies.  For most of the existence of our human species, over the past one hundred thousand years or so, probably only around half of all born babies reached the age of five.  All these poor odds add up to the fact that for most of human existence there had to be 10 pregnancies or more to guarantee the life of a single five year old child.

(John Schock, 27.04.2011)

Die Geschichte des Arbeitskollegen meines Vaters habe ich immer in diesem Sinne verstanden. Es ist ein unlauterer und ungerechter Vorwurf, irgendjemand habe dafür plädiert, den kleinen süßen Kevin zu töten. Genau das ist nie passiert, denn als es um die Frage „Abbruch oder nicht“ ging, existierte kein Leben, kein Kind, kein Kevin. Man diskutierte in einem ganz anderen System.

Sobald Kevin da ist, erübrigt und verbietet sich selbstverständlich sofort jede Erörterung, ob er leben darf.

Kein halbwegs anständiger Mensch würde sich anmaßen, über das Lebensrecht eines existierenden Homo Sapiens zu diskutieren.

Allein schon das Wissen um Kevin verunmöglicht rückwirkend die Ratschläge zum Thema Abtreibung zu rekapitulieren.

Jede diesbezügliche Überlegung gehört in die Zeit, als niemand eine Vorstellung von Kevin haben konnte, weil er schlicht nicht existierte. Dabei ist es unmöglich einen ganz genauen Zeitpunkt anzugeben, an dem ein Zellhaufen, wie er etwa in einem Ejakulat existiert, ein lebensfähiger Kevin geworden ist.

In dieser Geschichte gibt es Parallelen zum Umgang mit Wladimir Putin. Abgesehen von seinen Fans und Freunden unter Europas Rechtspopulisten, müssen sich auch der Nazi-Hetze völlig unverdächtige Politiker wie Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier heute heftiger Vorwürfe erwehren.

[….] Die Russland-Politik von Ex-Kanzlerin Merkel steht in der Kritik. Nach dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj wirft auch Polens Regierungschef Morawiecki ihr schwere Fehler vor. Nun verteidigte Merkel sich.  Altkanzlerin Angela Merkel hat sich trotz massiver Kritik des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj hinter die Entscheidung gestellt, die Ukraine 2008 nicht in die NATO aufzunehmen. "Bundeskanzlerin a.D. Dr. Angela Merkel steht zu ihren Entscheidungen im Zusammenhang mit dem NATO-Gipfel 2008 in Bukarest", teilte eine Sprecherin Merkels der Nachrichtenagentur dpa mit. [….]

(Tagesschau, 04.04.2022)

Anders als die ehemalige Kanzlerin, die ihre frühere Haltung rechtfertigt, gibt sich ihr ehemaliger Außenminister fürchterlich zerknirscht.

[….]  Ein Staatsoberhaupt in der Defensive. Denn seine Entscheidungen aus der Vergangenheit holen ihn ein: „Mein Festhalten an Nord Stream 2, das war eindeutig ein Fehler“, erklärte er bereits am Montag mit Blick auf die deutsch-russische Gaspipeline durch die Ostsee. „Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben.“ Seine Einschätzung sei gewesen, dass Putin nicht den kompletten wirtschaftlichen, politischen und moralischen Ruin seines Landes für seinen imperialen Wahn in Kauf nehmen werde. „Da habe ich mich, wie andere auch, geirrt.“  Am Dienstagmorgen setzte Steinmeier seine „Beichte“ im ZDF-Morgenmagazin fort. „Wir müssen unterscheiden zwischen dem Putin, der 2001 im Deutschen Bundestag geredet hat, der den Eindruck erweckt hat, es gebe die Chance für einen gemeinsamen Weg zur Freiheit, Demokratie und zur Beachtung der Menschenrechte, und dem eingebunkerten Kriegstreiber Putin des Jahres 2022“, warb der ehemalige SPD-Politiker für Verständnis.  Dann aber räumte Steinmeier ein: „Das wirklich Traurige ist, dass wir in vielen Punkten gescheitert sind.“ Dies betreffe den vergeblichen Versuch, Russland in eine europäische Sicherheitsarchitektur einzubinden, ebenso wie jenen, demokratische Werte in Russland voranzutreiben. „Das ist eine bittere Bilanz, vor der wir stehen“, fuhr der 66-Jährige fort.  […..]

(MOPO, 05.04.2022)

Bekanntlich war ich nie ein Fand von Merkel und Steinmeier. Den Bundespräsidenten habe ich stets wegen seiner abstrusen Frömmigkeit kritisiert und Merkel war ohnehin 15 Jahre die böse Nemesis dieses Blogs.

Aber bei aller Lust an Häme; Botschafter Melnyks Attacken auf den deutschen Bundespräsidenten sind ungeheuerlich. Steinmeier sollte sich solche Ausfälle nicht von Nazi-Fan Melnyk gefallen lassen.  Es ist sehr billige Häme, nun von Vorwürfen ätzende Händeschüttel-Bilder deutscher Regierungspolitiker mit Putin auszugraben.

Lächerlich. Mit guten Freunden ist es leicht politische Kontakte zu halten. Aber noch viel wichtiger ist es, daß Kanzler, Minister und Präsident Kontakt zu den feindlich gesinnten Mächten halten.  Man sollte Politiker nicht dafür kritisieren, ihre Arbeit getan zu haben.

Aber es gibt auch den Kevin-Aspekt. Dem 2022er Putin, der alle Beziehungen zertrümmert, Kriege anzettelt, Butscha verantwortet, die Europäische Friedensordnung vom Tisch fegt, würden Merkel und Steinmeier nicht die Hand reichen.

Der gegenwärtige Kreml-Herrscher hat sich selbst so weit außerhalb unserer Anstandsregeln abgestellt, daß ihn kein westlicher Politiker bei Verstand als Partner oder auch nur Partnerschaft-tauglich betrachtet.

Der 2000er Putin hingegen war ein Mann, mit dem man sich vorstellen konnte, eine enge europäische Kooperation einzugehen und selbstverständlich war es damals vollkommen richtig auch genau das zu versuchen.

Hätte das funktioniert, wäre es womöglich nie zu den russisch-westeuropäischen Krisen 2008, 2014 und 2022 gekommen. Wir hätten alle profitiert.

A posteriori ist es leicht, zu behaupten, dafür habe es nie eine Chance gegeben, denn nun existiert der Ukraine-Krieg-Putin. Mit dem Wissen von heute darf man aber nicht die durchaus fruchtbare deutsch-französisch-russische Friedens-Zusammenarbeit von 2003 beurteilen, weil damals kein Horror-Wladimir existierte.

Wie auf dem Weg vom irrelevanten Zellklumpen zum realen Kevin, kann niemand genau sagen, wann aus dem kooperativen Putin, der Paria wurde, mit dem man nichts mehr zu tun haben will.

Ich bin sehr skeptisch, wenn ich heute höre „Putin habe ich nie getraut; der wollte doch immer Krieg!“  Es handelt sich vermutlich um Autosuggestion, wenn jemand heute glaubt, den Ukraine-Krieg von 2022 seit 20 Jahren vorausgesehen zu haben.

Es gibt psychologische Untersuchungen darüber, wieso Menschen so gern Quizshows sehen. Sie fühlen sich klug und den Kandidaten überlegen, weil sie sich bei den vorgegebenen Antwortmöglichkeiten kurz nach der Auflösung der Richtigen selbst suggerieren, sie hätten auch richtig gelegen. Dadurch hält man sich für gebildet, auch wenn man eigentlich die a posteriori so logisch erscheinende Antwort eben nicht gewußt hätte. Ein solche Show funktioniert aber nicht, ohne Multiple-Choice; ohne Auflösung, weil man sich dann nicht schlauer fühlen würde als man ist.

Ich erinnere mich nicht, daß einer der „ich habe es doch immer gewußt“-triumphierenden Putin-Verächter in Parteien und Presse, 2008 oder 2014  lautstark dafür plädiert hätte, die Bundeswehr um 100 Milliarden Euro aufzurüsten, NATO-Truppen an der Ostgrenze zu stationieren, die Wehrpflicht zu behalten und einen ökonomischen Einbruch von 10% zu befürworten, damit man von russischen Öl-, Gas- und Kohle-Lieferungen unabhängig wird.

Haben die NATO-Einsatz-fordernden WELT-Journalisten etwa in den letzten Jahren auf Flüge und Benzin verzichtet, die Wintermonate ohne zu heizen in Daunenjacken verbracht? Haben sie ihre Netrebko-CDs geschreddert und Schalke04-Spiele wegen des Gazprom-Logos boykottiert?

Montag, 4. April 2022

Putins Helfer

Gestern hatte ich auf Russlands Unterstützung in Afrika, dem Nahen Osten und Asien hingewiesen. Nach Butscha sollte man meinen, die Putin-Fans in der deutschen Öffentlichkeit und der Medienlandschaft wären inzwischen ziemlich still. Das stimmt bedingt.

Das Linke Betonkopflager, beispielsweise Wagenknecht und Lafontaine, ist ziemlich abgetaucht; weist nicht mehr daraufhin, daß NATO und USA noch schlimmer wären. (Warum eigentlich nicht? GWB hat mit seinen völkerrechtswidrigen Angriffskriegen immer noch deutlich mehr Unschuldige auf dem Gewissen als Putin, viele US-amerikanische Kriegsverbrechen sind dokumentiert.) Aber Whataboutism fliegt einem um die Ohren, wenn die Gräuel-Bilder gerade noch so frisch sind, weil Whataboutism nur ablenken kann und nicht des einen Verbrechen mit den Untaten anderer rechtfertigen kann.

Gar nicht verwunderlich sind die Volten aus dem rechtsextremen Verschwörungstheoretiker-Lager. Nazi-Blogger David Berger übernimmt für seine PP-Plattform beispielsweise die Lügen der Covidioten-Hetzsammelseite „Unser Mitteleuropa“. Demnach sei das „Massaker von Butscha nur ein Fakenews-Märchen“. Zitiert wird unter anderem der rechtsextreme ehemalige NPD-Aktivist Carsten Jahn vom „Team Heimat“, der „Beweise“ dafür gefunden haben will, es handelte sich um eine „False-Flag-Aktion“ der berüchtigten Ukrainischen Asow-Neonazis.

Genau das hatte ich aus dieser Ecke erwartet. Wer derartig moralisch verkommen ist, ergötzt sich generell an Massakern, saugt begierig propagandistischen Honig aus Tod und Terror. Werden Massaker von den eigenen Leuten angerichtet, dichtet man es flugs in eine False-Flag-Story um. Das kennen wir von den rechtsextremen Trump-Parlamentariern, die den blutigen Putschversuch vom 06.01.2021 im US-Kapitol planten und dann bei schlechter Presse verkündeten, die Trump-Flaggen und QAnon-Schilder wären von verkleideten Antifa-Aktivisten getragen worden.

Kein Wunder also, daß deutsche Hetzblogger die Methode gleich adaptieren.

Viel gefährlicher sind natürlich die Verstrickungen von US-Toppolitikerin in die Insurrection. Hunderte gewählte Parlamentarier, aber zum Beispiel auch Ginni Thomas, die Ehefrau des ultrarechten Supreme-Court-Richters Clarence Thomas, waren Treiber des Sturms auf die US-Demokratie. 

Wenn David Berger für sich allein in seinem dunklen SM-Keller zwischen Hitler-Büsten und Meth-Pfeifen sitzend, Hassphantasien verbreitete und es nur die üblichen Spinner läsen, müsste man sich wenig Sorgen machen.

Aber diese braunen Medien dringen in die Parlamente vor.  Die AfD übernimmt gern die Putin-freundlichen Lügen, weil sie Russland als eins der letzten Refugien der weißen, christlichen, heterosexuellen, männlichen Macht betrachtet. Aufgrund mannigfacher Komplexe fürchten sich die „Kleinschniedelesken Männchen“ vor Diversität, gleichberechtigten Frauen und Queeren. Sie saugen begierig Desinformationen auf.

Die AfD-Parlamentarier sind begeistert.

[….] "Der russische Staat und staatsnahe Unternehmen, Oligarchen investierten sehr viel Zeit darin, Kontakte zu rechtsextremen und verschwörungsideologischen Milieus im Westen zu unterhalten."

(Julia Smirnova, Analystin ISD Germany)

Auch zu Gunnar Lindemann? Bei der Veranstaltung in Brandenburg ist er an Elsässers Seite. Für die AfD sitzt er im Berliner Abgeordnetenhaus. In seiner Freizeit vertritt er Putins Interessen.  Lindemann bereiste die Krim, Lugansk, Donezk, seit die Gebiete faktisch unter russischer Kontrolle stehen. Bei seinen Besuchen forderte der AfD-Politiker die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken im Osten des Landes. Die Ukraine setzte ihn auf ihre Sanktionsliste. Vor Publikum verteidigte Lindemann im März mal wieder Russland.

  "Russland betreibt extra die Angriffe so, dass sie versuchen, die Zivilbevölkerung zu schützen."

(Gunnar Lindemann (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin)

Das ist gelogen – die Wahrheit sieht so aus.  Bilder wie diese aus Mariupol haben Russlands Ruf ruiniert. Leute wie er wollen das kaschieren: Gunnar Lindemann.  Er greift eine Erzählung auf, die auch im verschwörungsideologischen Milieu weit verbreitet ist. Putin selbst nutzte sie, um die Invasion zu rechtfertigen:

"Mittlerweile kommen natürlich immer mehr Details raus, worüber die westliche Presse versucht zu schweigen. Wir erinnern uns zum Beispiel: Am Anfang des Krieges schon hat Russland gesagt, es gibt Biolabore, Biowaffenlabore in der Ukraine mit der USA zusammen."

(Gunnar Lindemann (AfD), Mitglied des Abgeordnetenhauses Berlin) [….]

(Kontraste, 31.03.2022)

Der Bundestagsabgeordnete Eugen Schmidt, 46, macht ungeniert Propaganda für Putin im Parlament.

Es geht aber noch schlimmer. Ungarns Regierungschef Viktor Orbán, der katholische, antisemitischen Diktator von Ursula von der Leyens Gnaden.

Der Mann aus der konservativen EU-Parteienfamilie verhalf der EU-Kommissionspräsidentin mit den entscheidenden Stimmen ins Amt und im Gegenzug hält sich die stärkste Frau Europas devot zurück, wenn in Ungarn Pressefreiheit und richterliche Unabhängigkeit abgeschafft werden.

Von der Leyen ist geiler auf die konservativen Stimmen Polens und Ungarns, als die deutsche Chemieindustrie auf russisches Erdgas. Sie stört sich nicht nur nicht daran, daß Ungarn sich als größtes Fan-Land Russlands inszeniert, sondern verhindert auch Abmahnungen gen Budapest. Umso intimer schmust Orbán mit Putin.

[….] Wladimir Putin galt als Vorbild von Ungarns Regierungschef Viktor Orbán. Was sich mit dem Ukraine-Krieg als fatal erwies, sagt György Dalos. Der Historiker schätzt die Lage in Ungarn vor der Wahl am Sonntag ein.

t-online: Herr Dalos, Ungarns Regierungschef Viktor Orbán machte aus seiner Verehrung für Wladimir Putin keinen Hehl, nun führt Russland Krieg gegen die Ukraine. Schadet Orbáns Vorgeschichte mit Russlands Präsidenten ihm nun im Wahlkampf?

György Dalos: Viktor Orbáns Flirt mit Wladimir Putin war keine besonders kluge Idee – das ist eine Tatsache. [….] Seine ganze Politik des letzten Jahrzehnts war ein großer Fehler: Ungarn ist ein kleines Land, mit einer derartigen Schaukelstuhlpolitik zwischen den großen Mächten wie der Europäischen Union und Russland war die Gefahr groß, zwischen die Fronten zu geraten. [….] Mein Land ist in dieser Hinsicht extrem von der Europäischen Union abhängig, weswegen Orbáns antieuropäische Politik umso sinnloser erscheint. [….] Wir sind geradezu eine Demokratie ohne Demokraten – wenn ich es auf diese Formel bringen darf. Das Verfassungsgericht, das Parlament und die Behörden, alles wird von Orbán kontrolliert. [….]

(Marc von Lüpke, 03.04.2022)

Es kam wie es kommen musste: Putin-Fanboy Orbán, der sämtliche Medien kontrolliert und alle Wahlgesetze zu seinen Gunsten manipulierte, gewann die gestrige Parlamentswahl haushoch.

Die Frau, die als erste einschreiten sollte, wenn ein EU-Land alle demokratischen Prinzipien abschafft, sich zu einer antisemitischen xenophoben und Putin-anhimmelnden Diktatur aufschwingt, dabei von der EU finanziert wird, schweigt so laut, daß es weh tut: Kein Wort von der Leyens zur „Wahl“ in Ungarn.

Putin-freundliche Naziblogger und AfD-Abgeordnete sind peinlich und schädlich.

Aber viel gefährlicher ist Ursula von der Leyens Appeasement.

Die Personalie von der Leyen, der die SPD aus gutem Grunde nie zustimmte, obwohl damit der mächtigste Posten der EU an eine Deutsche ging, bleibt womöglich die giftigste Hinterlassenschaft der völlig verfehlten 16 Jahre CDU-Kanzlerschaft in Deutschland 2005-2021. Die stellvertretende EU-Parlamentsvorsitzende Katarina Barley (SPD) ist entsetzt.

[….] Barley: Das Versagen der EU beim Schutz ihrer demokratischen Grundwerte wird damit zementiert. Orbán ist ein Antieuropäer, jemand, der Wladimir Putin als seinen Verbündeten betrachtet. Er hat während dieses Wahlkampfes in den staatlichen Sendern antiukrainische Propaganda rauf und runter laufen lassen. Orbán wird eine weitere europäische Integration immer wieder behindern. Für Ungarn bedeutet sein Sieg, dass die demokratischen Standards künftig noch weiter abgebaut werden. [….] Die Schuld liegt bei Orbán, aber die EU hat ihn zu lange gewähren lassen. Orbán hat zum Beispiel die ungarischen Minderheiten in den Nachbarstaaten sehr großzügig versorgt und ihnen dann ein vereinfachtes Wahlrecht eingeräumt. Dafür hat er auch europäisches Geld genutzt – das stimmt. Das Schlimmste ist, dass die EU seinem Treiben seit zwölf Jahren zusieht und nichts unternimmt. Sie hat zugeschaut, wie Scheibchen für Scheibchen die Demokratie in Ungarn abgeschafft wurde. Es hat 700 Änderungen des Wahlrechts gegeben, die natürlich alle zum Nutzen von Orbán waren. [….]

SPIEGEL: Seit über einem Jahr hätte die EU-Kommission mit dem Rechtsstaatsmechanismus ein Mittel in der Hand, gegen solche Praktiken vorzugehen. Sie hat es bisher nicht genutzt.

Barley: Das war ein kolossaler Fehler der EU-Kommission. [….]Solange Orbán Mitglied der konservativen Parteienfamilie war, hat man einfach freundlich zugeschaut und ihm auf die Schulter geklopft. Jetzt können wir die Uhr nicht zurückdrehen. Ich würde mir auch wünschen, dass die deutsche Wirtschaft ihren Kurs ändert. Ein Grund, warum Orbán diese Wahl so hoch gewonnen hat, ist auch, dass man in Ungarn sehr gut leben kann. Das hat damit zu tun, dass die deutsche Wirtschaft von seinen autokratischen Methoden profitiert und ihn dadurch stützt. [….]

SPIEGEL: Von seinen Kolleginnen und Kollegen in den Mitgliedstaaten ist Orbán bislang geschont worden. Haben Sie die Hoffnung, dass sich das jetzt ändert?

Barley: Wir sehen ja dort eher einen Nachahmereffekt. Einige Staaten beobachten ganz genau, wie einfach man mit autokratischem Gebaren davonkommt. Deswegen macht die polnische Regierung mit dem Abbau des Rechtsstaats weiter. Deshalb eifert der slowenische Ministerpräsident Janez Janša seinem Vorbild Orbán nach. [….]

(SPON; 04.04.2022)

Sonntag, 3. April 2022

Danke, Olaf Scholz

Wladimir Klitschko stellt klar, für ihn sei Wladimir Putin „klar krank“.

Damit folgt Wladimir seinem Bruder Vitali, der schon 2014 zur Krim-Krise festhielt „Putin ist krank!“

Wladimir Kaminer sagt im ZEIT-Podcast über Wladimir Putin, er könne den Satz "Putin ist verrückt" nicht mehr hören.

Der in Moskau lehrende Ökonom Vla­dis­lav Ino­zem­tsev untersucht, wie Putin verrückt werden konnte.

[…]  Vor dem Krieg waren die meisten Exper­ten, dar­un­ter auch ich, der Ansicht, dass Putin die Ukraine nicht angrei­fen wird, ent­we­der weil er nicht über die not­wen­di­gen stra­te­gi­schen Kräfte verfügt, um das gesamte Land zu beset­zen, oder weil eine mög­li­che mili­tä­ri­sche Nie­der­lage seine Macht zu Hause gefähr­det. Der Beginn der rus­si­schen Offen­sive hat viele Men­schen zu der Annahme ver­an­lasst, dass Putin wahn­sin­nig gewor­den ist und den Sinn für die Rea­li­tät ver­lo­ren hat. Die dama­lige Bun­des­kanz­le­rin Angela Merkel erklärte bereits 2014, dass der rus­si­sche Staats­chef „in einer anderen Welt“ lebt.  Wie konnte das pas­sie­ren? Ich würde dafür drei Haupt­fak­to­ren nennen.  Putin als Opfer seiner eigenen Propaganda[…]  Putin hat sich im Westen getäuscht. […]  Die Put­in­sche Macht­ver­ti­kale funk­tio­niert nicht mehr. […]  

 (Vla­dis­lav Ino­zem­tsev, 20.0.2022)

Der berühmte britische Historiker Ian Kershaw hält die Frage nach Putins Geisteszustand für nicht entscheidend. Denn wäre er es, wären wir im Westen offenkundig auch verrückt, indem wir seit vielen Jahren tumb alle Zeichen ignorieren.

[…..] Es ist nicht so, dass der Westen keine Warnsignale erhalten hätte, wie brutal Putins Regime auf eine vermeintliche Bedrohung reagiert, wie paranoid sein Blick auf die Nato ist und wie er über die Hinwendung der Ukraine zur EU und zur Nato denkt. Fügt man noch die Annahme des Kremls hinzu, dass Russland von westlichen Sanktionen nichts zu befürchten habe, ist der Hintergrund der Invasion so gut wie vollständig.   [….] Zwischen 2004 und 2014 hatte sich die bloße Existenz einer unabhängigen Ukraine in Putins Gedanken immer mehr zu einer Obsession entwickelt. Und seit 2014 waren die Beziehungen der Ukraine zur Nato und zur EU eher enger geworden. Da der Westen die Coronapandemie immer noch nicht ganz hinter sich gelassen und im Debakel in Afghanistan seine Schwäche offenbart hatte, muss Putin geglaubt haben, dass er keine bessere Gelegenheit bekommen würde, das Ukraineproblem relativ unbeschadet zu lösen.  Keiner der vom Putin-Regime gegebenen Hinweise auf eine Gefahr für den Weltfrieden ließ den Westen von seinen engen Wirtschaftsbeziehungen zu Russland abrücken. Europäische Länder – insbesondere Deutschland – haben zugelassen, dass sie von russischem Gas abhängig wurden. Unterdessen kauften russische Oligarchen derart viele Immobilien in London, dass die Stadt den Spitznamen Londongrad erhielt. Sie ist so etwas wie die Geldwaschanlage der unvorstellbar reichen russischen Elite, die zum Teil Putin nahesteht. Russisches Geld floss in die Kasse der Konservativen Partei und in den Besitz von Zeitungen und führenden englischen Fußballklubs. […..]

(Ian Kershaw, 13.0.2022)

Ich sage nach wie vor, daß Ferndiagnosen über Putins Geisteszustand unseriös sind und kann nicht beantworten, wie rational der Kreml-Herrscher denkt.

Unglücklicherweise sind unter den Herrschern von Groß- und Supermächten immer mal wieder Verrückte. Der mächtigste Mann der Welt vom Januar 2017 bis Januar 2021 ist definitiv geisteskrank. Im Fall Trump gibt es genug Belege.

In Deutschland, das in seiner Geschichte von vielen echten Spinnern (Otto I., Ludwig II., Wilhelm II., Hitler) regiert wurde, glauben offenbar viele Menschen, ein Irrer wäre automatisch auch als Führer illegitim. Gaddafi, Saddam, Kim Jong-Un, Putin – alle irre? Trump, Johnson? Vielleicht sind die alle geisteskrank, aber sie sind/waren die legitimen Regierungschefs, mit denen wir umgehen müssen, weil wir uns nun einmal nicht aussuchen können, wer in einem anderen Land regiert.

 Mich irritiert aber sehr, daß die bellizistische Fraktion Deutschlands, die Putin für „völlig durchgeknallt“ hält und nun wie der ebenfalls offensichtlich dem Wahnsinn anheimgefallene Ukrainische Botschafter Melnyk „all in“ gehen wollen, um am liebsten mit der NATO die russischen Truppen aus der Ukraine vertreiben wollen, so sicher sind, der eben noch als „krank und durchgeknallt“ eingestufte Putin, würde vollkommen rational auf militärischen Druck reagieren. Gegenüber genügend NATO-Feuerkraft würde er sich wie ein Gentleman zurückziehen und keineswegs zu „kranken und durchgeknallten“ Methoden wie A-, B- oder C-Waffen greifen.

Ich kenne Putin nicht persönlich und weiß nicht, ob er „irre“ ist. Aber wäre er es, handelte er so irrational, daß ihm die Folgen seiner Taten nicht interessierten, haben wir alle schon verloren.

Denn dann sind alle Sanktionen, alle wirtschaftliche Maßnahmen und alle Waffenlieferungen zum Scheitern verurteilt, weil man einen Irren, der über tausende Atomsprengköpfe gebietet, nicht aufhalten kann. Eine Niederlage der russischen Truppen in der Ukraine, würde dann unweigerlich in einen Weltkrieg münden.

Ich hoffe also, daß Putin nicht „irre“ und nicht „krank“ ist.

Gegen diese Theorie spricht seine durchaus raffinierte Vorbereitung. Dem wirtschaftlich angeblich so schwachen Russland ist etwas gelungen, von dem USA und EU nur träumen können: es manövrierte China eiskalt aus.

[….]  Die chinesische Führung hat seit Kriegsbeginn klargestellt, dass sie sich nicht von Russland abwenden wird. Druck erscheint daher in der Tat wenig erfolgversprechend.  […..]  China stehe vor einem nicht aufzulösenden Dilemma, sagt der frühere Spitzendiplomat Bilahari Kausikan aus Singapur. Um sich auf seinen Hauptgegner USA konzentrieren zu können, würde eigentlich naheliegen, dass Peking die Beziehungen zu den Europäern zu retten versuche. Doch die Position gegenüber Russland verhindere das. »China hat keine guten Optionen«, schreibt Kausikan.  In diese Situation hat sich die Führung selbst gebracht. Beim Besuch Putins in Peking am 4. Februar verabschiedeten er und Xi Jinping eine gemeinsame Erklärung, die als Gründungsdokument einer autoritären Entente verstanden werden kann. Beide Länder wenden sich darin gegen US-geführte Militärbündnisse in ihrer Nachbarschaft. Die Analystin Yun Sun vom US-Thinktank Stimson Center vermutet, dass Putin den Chinesen damit ausmanövriert habe: Wegen der gemeinsamen Erklärung könne China sich jetzt nicht von Russland abwenden. […..]

(DER SPIEGEL Nr.14, 02.04.2022, s.30f.)

Russland ist auch keineswegs so isoliert, wie es USA und EU gern hätten. Auch die Atom-Macht Indien stellt sich nicht gegen Russland. Hinzukommen 30 (von Putin erfolgreich umgarnte) afrikanische Staaten und zahlreiche Nahost-Monarchien. Die wirtschaftlich mächtigen Asean-Staaten verurteilen zwar offiziell gemeinsam mit dem Westen den Ukraine-Krieg, aber Japan, Indonesien, Südkorea und Co beteiligen sich nicht an Sanktionen gegen Russland.

[….] Die Golfstaaten, von den Energiesorgen des Westens wie beschwingt, halten Europa und den USA in der Ukrainekrise eine doppelte Moral vor. »Ich sehe hier absolut keinen Unterschied zwischen George W. Bushs Invasion im Irak 2003 und Putins Invasion in der Ukraine«, sagt der saudi-arabische Politologe Mansour Almarzoqi. »Riad ist nicht Teil dieses Konflikts und will nicht Teil dieses Konflikts werden.«  Auch wenn sie seit jener Sicherheitsrats-Entscheidung Ende Februar mit dem Westen gestimmt haben – als Brüder im Geiste sollten Europas und Amerikas Politiker die Herrscher am Golf nicht missverstehen. Putin genießt in der arabischen Welt durchaus Sympathien. Und die USA werden noch immer von vielen in der Region als Feind betrachtet, wegen der Invasionen im Irak und in Afghanistan, des Drohnenkriegs und der Ereignisse im Foltergefängnis Abu Ghraib. In konservativen Kreisen steht Putin mit seiner Verachtung für Genderpolitik und Schwulenehe auch für die Ablehnung von Individualismus, Säkularismus und Lebensformen, die aus dieser Sicht für den vermeintlichen Werteverfall des Westens verantwortlich sind.  Und wie in Indien und Südafrika investiert Russland auch im arabischen Raum gezielt in die sozialen Medien und hat damit Erfolg. Was im von Kriegen und Bürgerkriegen heimgesuchten Nahen Osten grundsätzlich gut funktioniert, sind Debatten, die vom Leid der Menschen in der Ukraine ablenken, indem gefragt wird: Aber was ist mit dem Jemen? Was mit Palästina? Das Gefühl, dass weiße und europäische Menschenleben mehr zählen als arabische, ist in der Region nicht zu Unrecht weitverbreitet.   Es grassieren aber auch Fake News und Verschwörungstheorien. Vor allem verfängt russische Propaganda in Kreisen, die sich ohnehin als Teil des antiamerikanischen Lagers verstehen. Das sind allen voran Iran und dessen Verbündete: die Hisbollah im Libanon, die Huthi-Miliz im Jemen und das syrische Regime, das direkt von Moskau unterstützt wird. So sieht man in Damaskus oder in den Vororten Beiruts, wo die Hisbollah stark ist, inzwischen auch Putin-Porträts neben jenen des Hisbollah-Anführers Nasrallah oder des syrischen Präsidenten Assad.  [….]

(DER SPIEGEL Nr.14, 02.04.2022, s. 83)

Diese geopolitischen Vorbereitungen sprechen für eine gar nicht irre, sondern rationale geostrategische Planung Putins.

Das sieht nach einem Mann aus, der nicht blindlings losschlägt, sondern genau kalkuliert.

Aber dann sind da wiederum die Bilder von heute aus Butscha. Die russische Armee zieht sich aus der Kiewer Gegend zurück und hinterlässt Berge von ermordeten Zivilisten.

[….]"21.57 Uhr: Russland will angesichts des Vorwurfs von Kriegsverbrechen im ukrainischen Butscha für Montag eine Sitzung des Uno-Sicherheitsrats einberufen. Das schreibt der Vertreter Russlands bei den Uno, Dmitri Polanski, auf der Plattform Telegram. Bei der Sitzung solle über die »Provokation von ukrainischen Radikalen« diskutiert werden."  [….]

(SPIEGEL Live-Ticker, 03.04.2022)


Das kann Putin nur schwer schaden und wird die letzten Zweifler in Europa mobilisieren.

Wer jetzt noch gegen Waffenlieferungen, auch schwere Waffen für die Ukraine positioniert, erleidet gerade schwer Shitstorms.

In dieser Situation sehe ich schwarz und zwar dunkelschwarz.

Es könnte allerdings auch noch schwärzer, nämlich vantablack sein, wenn der aggressive Dampfplauderer Friedrich Merz oder der unstete Markus Söder oder der intellektuell hoffnungslos überforderte Armin Laschet Bundeskanzler wären.

Ich bin froh, mit Olaf Scholz einen Kanzler zu haben, dem seine extreme Rationalität nicht abzusprechen ist, der nicht aus der Hüfte schießend irgendetwas anordnet, das er nicht vorher gründlich durchdacht hat, der sich nicht vom irren Melnyk treiben lässt.