Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Easy choice. Angesichts der selbst zugefügten Blamagen-Kaskade, gibt es nur eine Wahl: Friedrich Merz ist die Impudenz des Monats Januar 2025.
Die Briloner Blitzbirne trat eine solche Peinlichkeitsparade los, daß Olaf Scholz wieder Hoffnung schöpft und ein starkes Wahlkampfthema geschenkt bekam.
Selbstverständlich, der Mainstream ist weiterhin sehr rechts. Große Teile der klassischen Medien verbreiten immer noch das Märchen, der Merz-Vorstoß zum „Zustrombegrenzungsgesetz“ könnte einzelne Übergriffe traumatisierter und psychisch Kranker verhindern. Daß Deutschland im Kriminalität versinke, die ende, wenn man nur die Grenzen schließe. Dabei ist das nicht als ganz großer Blödsinn.
Aber selbst die konservativen Chefredakteure, die grundsätzlich dem xenophoben Merz-Narrativ anhängen, geben zu, eine Shitshow im Bundestag erlebt zu haben. Zum Beispiel Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion, der (wahrheitswidrig) sagt, Merz habe Recht. Aber:
[….] Nur 23 Tage vor der Wahl hat der aussichtsreichste Bewerber für das Kanzleramt ein Chaos produziert, das in die Geschichtsbücher eingeht. Zum zweiten Mal diese Woche wollte Friedrich Merz bei seinem „Zustrombegrenzungsgesetz“ mit dem Kopf durch die Wand – diesmal vergeblich. Der Kollateralschaden durch die Trümmer ist gewaltig. [….] Aber wenn ein Holocaust-Überlebender sein Bundesverdienstkreuz zurückgibt, ein Michel Friedman aus der Partei austritt und die Altkanzlerin kurz vor der Wahl dem eigenen Kandidaten brachial in die Parade fährt – und sogar die FDP zwischenzeitlich von der Fahne geht –, wird klar: Dieses waghalsige Manöver zur Migrationswende ist nicht gut gelaufen. Zu einem solchen Triumph der AfD mit Grinse-Selfies im Parlament und der höhnischen Ansage, man werde die Union vor sich hertreiben, hätte es nicht kommen dürfen. Merz steht jetzt als doppelter Verlierer da. [….] In der Sache, bei den dringend notwendigen Korrekturen in der Migrationspolitik, ist das Land keinen Millimeter weitergekommen. […..]
(HH Abendblatt, 01.02.2025)
Niemand in der CDU wagt sich so kurz vor der Bundestagswahl in drei Wochen aus der Deckung. Niemand will den Eindruck einer zerstrittenen Partei erwecken. Und selbstverständlich trommeln Döpfners dumpfe Drecks-Blätter für Schwarzbraun.
„Da gibt es ja eine Zeitung mit vier Buchstaben – die Presseabteilung der CDU“, sagt Olaf Scholz. Auch wenn Merz, seiner toxischen Persönlichkeit entsprechend, keinerlei eigene Fehler erkennen kann und seine Shitshow der letzten Tage, ohne rot zu werden, als „Sternstunde des Bundestages“ framt, steht er am Ende als der Mann dar, dem der Bundeskanzler attestiert, man könne ihm nicht trauen. Als ein Parteichef, den die zwei wahrscheinlichsten nächsten Koalitionspartner verachten.
[….] Friedrich Merz, sagt Friedrich Merz, ist mit sich im Reinen. Sein »Zustrombegrenzungsgesetz« hat er zwar nicht durchgebracht, aber das scheint dem CDU-Chef kurz nach der verlorenen Abstimmung schon gar nichts mehr auszumachen. Ganz im Gegenteil. Das sei doch eine sehr spannende Debatte gewesen. Der Parlamentarismus habe gewonnen. Und jetzt herrsche Klarheit: Jeder habe nun sehen können, wo die Restampel aus SPD und Grünen steht – und wo seine Union.
Damit hat Friedrich Merz allerdings recht: Jetzt herrscht Klarheit. Allerdings weiterhin nicht in der Frage des Umgangs mit den Problemen der Migration, dafür umso deutlicher über den Spitzenkandidaten der Union: Friedrich Merz hat in den vergangenen Tagen eindrucksvoll vorgeführt, wie ungeeignet er für das Amt des Bundeskanzlers ist. [….] Tatsächlich hat der CDU-Chef in der vergangenen Woche persönliche Defizite gezeigt, die für einen potenziellen Regierungschef und das von ihm möglicherweise regierte Land fataler sind als wuchtig vorgetragene Hardlinerpositionen oder vulgärpopulistische Volten: Friedrich Merz mangelt es an strategischer Weitsicht und einem kühlen Kopf. Er neigt offenbar dazu, seine Wahrnehmung in herausfordernder Situation auf einen Tunnelblick zu verengen, den er für Entschlossenheit und Führungsstärke hält. Anders ist sein Verhalten kaum zu erklären – er wird sich ja kaum mit Absicht selbst demontiert haben. [….] Ebenso folgenlos, auch das wusste er, wäre ein beschlossenes »Zustrombegrenzungsgesetz« geblieben, weil es im Bundesrat keine Mehrheit gefunden hätte. Es ging Friedrich Merz also allein um ein Signal, genauer: um die Ausstellung tatkräftiger Entschlossenheit.
Doch nicht einmal diese Signalsetzung ist ihm gelungen – und auch das hätte Friedrich Merz vorher ahnen können, nein: wissen müssen. Man muss schon sehr von der eigenen Großartigkeit und Autorität überzeugt sein, um zu glauben, eine Regierung im Überlebenswahlkampf würde sich den als alternativlos präsentierten Vorgaben des Oppositionsführers unterwerfen, nur weil der das jetzt aber unbedingt sofort will. Und man muss die Chuzpe der Demokratieverächter von der AfD schon sehr unterschätzen, wenn man meint, es wäre ausreichend, ein paar böse Sätze über die Rechtsaußen in seinen Antrag zu schreiben, um diese von der Zustimmung abzuhalten. [….] Bei allem inhaltlichen Entsetzen: Was Friedrich Merz da getan hat, ist auch ein faszinierend vollständiges politisches Desaster. Ungläubig reibt man sich die Augen: Wie kann sich einer, der doch gefühlt schon Kanzler war, solche Fehler erlauben? [….]
Als Sozialdemokrat danke ich Friedrich Merz dafür, uns Wahlkampfmunition zu liefern und sich kontinuierlich selbst in die Füße zu schießen. Was könnte uns Besseres passieren, als ein CDUCSU-Kanzlerkandidat, der einerseits zu bundesweiten Massendemonstrationen gegen seine Partei inspiriert und andererseits die Satiriker füttert?
Als Sozialdemokrat gehöre ich aber auch einer stolzen Partei an, die nach dem Verbot der Kommunisten als einzige Partei im Reichstag gegen Hitlers Ermächtigungsgesetz stimmte, während die CDU-Vorgängerparteien JA ZU DEN NAZIS sagten.
Daß Friedrich Merz im Jahr 2025 auf den Spuren seines Nazis-Opas, dem Briloner Bürgermeister Josef Paul Sauvigny, erst Zentrum, dann Übertritt in die NSDAP, wandelt, kann mich nur entsetzen.
[….] Die Abgeordneten der AfD lachen, sie freuen sich, reichen sich die Hände. Es ist eines der Bilder dieser Woche, die in Erinnerung bleiben werden. [….] Entscheidender ist der Zusammenschluss von CDU/CSU, AfD, FDP: [….] Es ist das erste Mal, dass die Konservativen sich mit den Extremisten im Bundestag zusammengetan haben. Es ist, das steht zu befürchten, erst der Anfang einer Zusammenarbeit, die schließlich zu einer Regierungskoalition von Union und AfD führen wird. Möglicherweise zuerst auf Länder-, schließlich auch auf Bundesebene. Es geht nicht um das Ob, es geht um das Wann. [….] [….] Das Thema, das sich in westlichen Demokratien historisch am besten dafür nutzen lässt, ist die Einwanderung. Die Geschichte des „Wir“ gegen „Die“ wurde in dieser Woche im Bundestag einmal mehr erzählt.
Die politische Instrumentalisierung dieser Erzählung ist besonders riskant, weil die Gräben in der immer schon polarisierten deutschen Einwanderungsgesellschaft nun drohen noch tiefer zu werden. Das liegt auch am deutschen Staatsbürgerschaftsrecht, das es eingewanderten Menschen bis zum Jahr 2000 praktisch unmöglich machte, Deutsche zu werden. Auch ihre Kinder, die in Deutschland geboren wurden, blieben Ausländer. Der Grund dafür war ein Gesetz von 1913: Es beruhte auf dem Abstammungsprinzip und ließ Menschen, die nicht deutschen „Blutes“ waren, nicht als rechtlich gleichgestellte Bürger:innen gelten. [….] Schon 1999 kämpfte die CDU gegen eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechts und nutzt das Thema auch heute noch fortwährend zur Polarisierung. Der deutsche Pass werde „verramscht“, heißt es im Wahlkampf besonders oft von der Union – und hier trifft sie sich mit der AfD. Diese autoritär gesinnte Partei denkt in der Logik des Staatsbürgerschaftsrechts von 1913 und agiert maßgeblich entlang der Spaltungslinie „Wir Deutsche“ gegen „Die Ausländer“. Sicherheit, Wohlstand, jegliche Interessen von „echten“ Deutschen werden gegen die vermeintliche Bedrohung von eingewanderten Menschen ausgespielt. [….]
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