Wenn es zur „Gewalt gegen Sachen“ kommt und man sich irgendwo ganz tief in sich drin ein mikroskopisch kleines bißchen darüber freut, bewegt man sich auf ganz dünnem Eis. Es gibt keine Rechtfertigung für Gewalt. Auch nicht durch Whataboutism.
Klammheimliche Mescalero-Freude über Opfer physischer Gewalt darf keinen Platz in der Demokratie haben. Schon allein, weil Rache- und Gewaltdrohungen bittere Realität der politischen und pöblerischen Rechten sind.
Umso genauer gilt es zu analysieren, wie es zu Gewalt kommt und das ist bei Gewalt gegen Menschen wenig rätselhaft: Medien und Parteien können mit überproportionaler Themensetzung, mit menschenfeindlichen Framing und negativen Narrativen reale Gewalt auslösen. Wenn Verbrecher, wie Trump, xenophob und islamophob hetzen, transfeindliche und antisemitische Botschaften absetzen, fallen diese auf gewaltbereiten Boden. Es gibt hunderte „Hate Groups“ allein in den USA. Deren Mitglieder werden selbstverständlich aktiver und gewalttätiger, wenn Vance und Trump bei jeder Gelegenheit erklären, Migranten wären allesamt Verbrecher, äßen die Haustiere guter braver Amerikaner und man müsse dringend etwas gegen sie unternehmen. Damit ist das Gift in der Welt und sickert in den braunen Bodensatz. Es ist nahezu irrelevant, wenn Demokraten und (einige) Medien die Hundefresser-Geschichten als Lügen demaskieren.
Auch in Deutschland sind es die stramm rechten Parteien CDU, AfD und CSU, die mit ihren menschenfeindlichen Merz-Märchen über „kleine Paschas“, „faulenzende Ukrainer“ oder „Zahnarzttermin stehlende Syrer“ direkt Gewalt gegen Menschen auslösen.
[…..] Die Zahl rechtsextreme Straftaten hat zugenommen. Im vergangenen Jahr registrierte das Innenministerium einen Höchststand.
Die Zahl der rechtsextremen Straftaten in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Das geht aus der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Gruppe im Bundestag hervor. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums bestätigte inzwischen einen entsprechenden Bericht der Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Die Polizei verzeichnete demnach bundesweit allein bis zum 30. November 2024 33.963 Delikte im Bereich "politisch motivierte Kriminalität - rechts". Die abschließende Zahl wird voraussichtlich im Mai vom Bundeskriminalamt (BKA) vorgestellt. Sie dürfte wegen der im Dezember begangener Straftaten und verspäteter Nachmeldungen noch höher sein. […..]
Friedrich Merz spielt dabei eine besonders schäbige Rolle, weil er menschenverachtende, an Volksverhetzung grenzende Sprache benutzt, die den Hass auf den Straßen triggert.
[….] Falsch ist vor allem das, was Friedrich Merz inhaltlich fordert. Und falsch ist seine Sprache. Denn sein Vorschlag, die deutschen Grenzen dicht zu machen und Geflüchtete ohne Prüfung einfach zurückzuschicken, verletzt deutsches, europäisches und internationales Recht.
Es ist ein Grundgedanke des Flüchtlingsrechts, dass jeder, der an eine europäische Grenze kommt, ein Recht darauf hat, dass sein Fall zumindest geprüft wird. Geprüft, ob ein anderer Staat im Dublin-System zuständig ist. Geprüft, ob bei einer Zurückweisung eventuell Menschenrechtsverletzungen drohen. Das Asylrecht ist ein Recht für den Einzelfall. Der Einzelne, der vor Verhältnissen flieht, die ihn als Menschen gefährden. Dieser Einzelne hat Rechte.
Und es ist vor allem die Sprache von Friedrich Merz, die zeigt, dass seine Politik dieses Grundverständnis angreift. Die Geflüchteten werden hier statt zur Rechtsperson zur Masse, die abgewehrt werden muss - mit einem "Zustrombegrenzungsgesetz".
"Kompromisse" seien bei "diesen Themen nicht mehr möglich". Und überhaupt sei "das, was im Monat abgeschoben wird, in drei Tagen wieder da". "Das", was da abgeschoben wird, sagt Merz - und meint wohlgemerkt Menschen. Mit einer solchen kompromisslosen Sprache der Entmenschlichung hat auch die AfD angefangen. [….]
Den Hass zu verstärken, mit Hetze Menschen zu erreichen, funktioniert, weil Homo Sapiens einfach keine angenehme Gattung ist. Donald Trump und Mini-Trump Merz nutzen das aus.
Richard Blair, 80 Jahre alt, ist der Sohn von George
Orwell. Er staunt selbst, wie aktuell die in den 1940ern geschriebenen Werke
seines weltberühmten Vaters sind.
[….] SZ: Warum braucht es dafür die Dystopie? In Farm der Tiere tat Ihr Vater etwas Ähnliches. Er skizziert, wie die Tiere leiden, sie befreien sich von den Unterdrückern – den Menschen –, leben glücklich und erreichen beinahe eine Version einer Utopie. Dabei hätte man es belassen können. Stattdessen übernehmen die Schweine und sind am Ende von den Menschen nicht zu unterscheiden.
Blair: Die Amerikaner hätten das Happy End geliebt. Als die Tiere die Herrschaft übernehmen, ist kurze Zeit alles perfekt. Dann verändern die Schweine das Zusammenleben – ein kleines bisschen hier und da –, und anfangs greift niemand ein. Das ist der Punkt, an dem die Fäulnis einsetzt. Darum geht es wieder dahin zurück, wo es angefangen hat.
SZ: Entspricht Trumps Erfolg dem, was wir in Farm der Tiere sehen, wenn es darum geht, wie die Macht ausgebaut wird?
Blair: Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es eine Parallele zwischen Trump und Farm der Tiere gibt. Und Trump ist Mr. Jones und Napoleon in einer Person. Ein grauenhafter Gedanke, nicht wahr? Farmer Jones war der Herrscher der Farm. Was er befahl, mussten die Tiere tun. Deshalb hatte Napoleon, ein Schwein, diesen großen Traum, alles zu ändern. Und das tat er. Doch im Laufe der Zeit passte er die Regeln an. Unterdrückte die Hühner, Pferde, alle anderen Tiere. So verwandelte Napoleon den Traum in einen Albtraum. Und Trump will die Welt anführen, würde ich sagen. Die Schwächeren werden unterdrückt. Die Stärkeren werden sich über sie hinwegsetzen und die Situation kontrollieren. […..]
(R. Blair, SZ-Magazin, 11.12.2024)
So wie Merz und seine Union politische Gewalt gegen Schwächere, Minderheiten und politische Gegner bewußt auslösen, ziehen sie auch eine Form der Gewalt auf sich.
Es wäre naiv, das nicht einzukalkulieren. Allerdings ist der strategisch inkompetenten Unionsführung durchaus zuzutrauen, die Massenproteste gegen sich kurz vor der Wahl, nicht antizipiert zu haben.
Zu ihrem Glück, haben es die rechten Täter, auf der linken Seite mit prinzipiell besseren und moralischeren Menschen zu tun, die sich nicht gegen die Schwächsten stellen, sondern die Schwachen gegen die Starken schützen. Aber nicht nur die prinzipielle Stoßrichtung von linker und rechter Gewalt ist diametral entgegengesetzt. Quantität und Qualität unterscheiden sich ebenfalls erheblich. Es gibt viel weniger linke, als rechte Gewalt. Außerdem sind die Rechten erheblich skrupelloser. Sie morden und verletzen mehr, zünden Unterkünfte von Unschuldigen an, attackieren, Frauen, Kinder, Obdachlose, Schule. Linke gehen kaum über Sachbeschädigung hinaus.
Linke Gewalt ist auch damit keineswegs zu rechtfertigen. Sie ist nicht etwa deshalb „gut“, weil sie weniger grausam und seltener, als rechte Gewalt ist.
Sie ist nicht deswegen „gut“, weil sie sich gegen Hass-Täter, statt auf Hass-Opfer richtet.
Wenn sich drei gesamte Parteien in der heißen Wahlkampfphase an die Seite der Nazis stellen und bösartigen Hass gegen Minderheitern schüren, kann man nicht rechtfertigen, daß sie selbst Gewalt ausgesetzt werden. Man muss es aber erwarten!
Merz, Spahn, Linnemann und Söder kümmert es nicht; sie sind mit Personenschützern unterwegs. Ausbaden muss es das einfache Parteimitglied, welches sich in den Straßenwahlkampf stellt. Insbesondere in einer liberalen Stadt, wie Hamburg.
Anders als sozialdemokratische, Linke und Grüne Wahlkämpfer in den rechten Freistaaten, die dort niedergeschlagen und schwer verletzt werden, haben es die CDU-Wahlkämpfer im roten Hamburg eher nicht mit Gewalt gegen Leib und Leben zu tun.
Aber die Herzen fliegen ihnen nicht zu.
[….] Nach dem Vorstoß der Union zur Begrenzung der Migration hat die Zahl der Attacken deutlich zugenommen. [….] Zerstörte, beschmierte, abgefackelte oder gestohlene Wahlplakate in einem Ausmaß „wie noch nie“, Farbattacken auf die Parteizentrale, Mitarbeiter und Wahlkämpfer in Angst. Die Hamburger CDU beklagt Aggressionen in bislang unbekannter Dimension, seit ihre Bundestagsfraktion am Mittwoch zwei Anträge zur Begrenzung der Migration nur dank AfD-Unterstützung durchgebracht hat. Auf die „verschärfte Sicherheitslage“ hat die Partei nach Empfehlungen der Polizei reagiert und Wahlkampfauftritte und -stände „gerade in den innerstädtischen Quartieren mit starker linker Szene“ abgesagt. So formuliert es der Abgeordnete Christoph de Vries, der im Wahlkreis Mitte erneut für den Bundestag kandidiert. [….] Aus „Sicherheitsgründen“ verzichtet die Partei unter anderem in Hamburg-Mitte jetzt auf mehrere Infostände oder Verteilaktionen: am Großneumarkt, auf St. Pauli, St. Georg und in Hamm-Süd. De Vries weiß von „weiteren Absagen am Spritzenplatz in Ottensen und in der Neuen Großen Bergstraße in Altona-Nord sowie am Gerhart-Hauptmann-Platz“.
CDU Hamburg sagt Infostände ab – aus Sorge um Wahlkämpfer […..]
(Hamburger Abendblatt, 04.02.2025)
CDU-Spitzenkandidat Thering hat keine Einwände gegen die menschenverachtende Sprache und die Lügen seiner Kumpels Merz und Ploß. Er stellt sich, gemeinsam mit Alt-Bürgermeister von Beust, an die AfDophile Spitze zu Merz und gegen Merkel. Aber jammern kann er wie ein Großer.
[….] Hamburgs CDU-Chef: „Situation ist psychisch sehr belastend“
Angezündete und beschmierte Plakate, Farbattacken und Beschimpfungen: Nach dem Migrationsantrag der Union im Bund haben die Aggressionen gegen Hamburgs CDU-Wahlkämpfer deutlich zugenommen. „Manche trauen sich nicht mehr an die Infostände“, sagt CDU-Chef Dennis Thering am Dienstag im Interview mit der MOPO. [….]
(HH MoPo, 04.02.2025)