Sonntag, 13. April 2025

Die Erwachsenen Sozis im Raum

Internetten macht keinen Spaß gerade. Ich fühle mich verfolgt. In meiner linken Blase höhnen sie  über die Zumutungen des Kleiko-Vertrages. Übers Wochenende haben sie genauer reingesehen und finden alle ihre persönliche Ausschluss-Kriterien, weswegen die SPD-Basis auf keinen Fall zustimmen dürfe.

[….] Ab Dienstag stimmt die SPD-Basis über den Koalitionsvertrag mit der Union ab. Unter vielen jungen Mitgliedern herrscht Unmut, von "Dealbreakern" ist die Rede. Erste Juso-Verbände haben bereits Beschlüsse zur Abstimmung gefasst.  In der Parteijugend der SPD formiert sich Widerstand gegen den Koalitionsvertrag von Union und den Sozialdemokraten im Bund. Die Jusos aus Bayern und Schleswig-Holstein lehnten die Vorhaben ab und riefen zu einem Nein beim Mitgliederentscheid ihrer Partei auf. Auch Jusos aus anderen Bundesländern äußerten Kritik an den Plänen der möglichen schwarz-roten Regierung.  [….]

(Tagesschau, 13.04.2025)

Meine Missgunst gegenüber Fritze Merz und Wurstfresser Söder reicht allemal aus, um ihnen einen totale Pleite bei der Regierungsbildung zu wünschen. Es wäre mir eine Riesenfreude zuzusehen, wie der große Sauerländer Lebenstraum platzt.

Außerdem ärgere ich mich über die rechte Redakteure, die in der Wochenendpresse ihren Frust darüber ausbreiten, weil sich ihre rechtsreaktionären Idole von der SPD über den Tisch ziehen lassen hätten.

[….] Schwennicke: Die Präsentation war gelungen. Das stimmt. Nur hat Friedrich Merz überverkauft. Was er sagte, klang nach CDU. Das Papier ist aber zu 70 bis 80 Prozent SPD. [….]

Haider: Bleibt die Frage, wie Klingbeil und Esken es geschafft haben, Merz und Söder mit einem Wahlergebnis von 16 Prozent zu einem Koalitionsvertrag zu bringen, von dem Olaf Scholz nur träumen konnte – das viele Geld inklusive.

Schwennicke: Ja. Das ist das große Rätsel. Und obendrein sieben Ministerien, darunter Finanzen und Verteidigung. Übrigens wollte Merz mal Staat und Verwaltung zurückbauen. Jetzt gibt es ein Ministerium mehr. Haider: Auf jeden Fall muss der neue Kanzler keine Sorgen haben, dass die SPD-Basis diesem Koalitionsvertrag nicht zustimmt, oder?

Schwennicke: Das wird durchgehen. Können sich ja wahrhaft nicht beklagen.  […]

(Abendblatt, 12.04.2025)

Allein schon, um den arroganten Schwennicke eines besseren zu belehren, wäre es mir eine Freude, mit NEIN zu stimmen.

Aber damit denkt man leider nur bis zur Nasenspitze. Was würde daraus folgen? Was passiert anschließend? Spoiler-Alert: Mit 16,4% kann die SPD keine Alleinregierung bilden, bei der sie auf keine C-Demokraten Rücksicht nehmen müsste und alle Lieblingsprojekte der Jusos durchsetzen könnte. Leider ist jede mögliche Alternative noch viel schlimmer als eine KleiKo mit diesem Vertrag. CDU-Minderheitsregierung mit AfD-Duldung, CDUCSUAfD-Koalition, Neuwahlen mit noch wesentlich stärkerem AfD-Ergebnis. Mal ganz abgesehen davon, daß die weltpolitische Lage keinen weiteren Schwebezustand der deutschen Regierung zulässt.

Abgesehen von den Inhalten, gibt es aber ein weitere valides Argument für die SPD, in die Merz-K.O.alition einzusteigen: Die CDUCSUler und insbesondere der Sauerländer Geronten-Azubi können es nicht. Die sind auf hanebüchene Weise unvorbereitet und intellektuell überfordert – schon in der Theorie bei Fragen, die seit Jahren und Jahrzehnten auf der Agenda stehen und auf die sie längst hätten eine Antwort suchen müssen.

[…] Merz will Kanzler werden, aber in den Koalitionsverhandlungen war das nicht immer zu spüren. Da habe der CDU-Chef oft zurückgelehnt in seinem Stuhl gesessen und nur zugehört. Nicht geführt, sondern andere machen lassen.

Manchmal, so geht diese Erzählung weiter, schien es, als wäre Merz mit seinen Gedanken ganz weit weg. Beim französischen Präsidenten Emmanuel Macron, beim britischen Premier Keir Starmer, irgendwo in internationalen Sphären. Vielleicht auch bei all dem Unmut, der sich in seiner eigenen Partei gegen ihn zusammenbraute. Auf jeden Fall nicht hier im Raum, wo es um die Details des Koalitionsvertrags ging, um Zeile 2284 zum Beispiel: »Auch die Meere sehen wir als digitalen Chancenraum.«

Merz habe in den Sitzungen gelegentlich wie »ein Opa« gesessen, dem alles über den Kopf gewachsen sei, sagt einer aus dem Dunstkreis von SPD-Chef Lars Klingbeil. Wie ein fast 70-Jähriger eben, dem man die Belastung der vergangenen Wochen und Monate angemerkt habe. Tja, und was außerdem merkwürdig gewesen sei: Wie wenig der CDU-Chef selbst zur Kompromissbildung beigetragen habe. Merz habe allenfalls gejammert, wenn die Verhandlungen mal wieder festgefahren waren. [….]

(DER SPIEGEL 16/2025, 11.04.2025)               

Wie soll das erst im Kabinett werden, wenn die Einschläge urplötzlich von Putin, Trump oder Netanyahu kommen? Wenn von eben auf jetzt, völlig umgedacht werden muss? Dann braucht es die Sozis am Regierungstisch.

Der Kanzler in Spe begreift einfach nicht, wie ernst die Lage ist und was der Job eines Kanzlers ist.

Während die SPD-Mitglieder sich missmutig daran machen, über den Koalitionsvertrag abzustimmen, talibanisiert der geriatrische Trottel schon wieder die noch nicht einmal gebildete Koalition und erinnert das Volk an seine wesentliche Charaktereigenschaft: Ihm ist nicht zu trauen. So wie er über Migranten log, sein Versprechen, nicht mit der AfD zu arbeiten brach, seine Schwüre bezüglich der Schuldenbremse kassierte, zerschlägt er das Koalitionsporzellan, bevor die Sozis es gekauft haben.

[…] Merz entfacht neuen Streit mit der SPD um Steuern und Mindestlohn [….] Dass es den kleinen Leuten bald besser geht – für die SPD war das eigentlich ausgemachte Sache. „Wir werden die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur senken“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und auch an anderer Stelle feierten die Sozialdemokraten einen Prestigeerfolg: Man werde den Mindestlohn in Deutschland auf 15 Euro anheben, kündigte SPD-Chefin Saskia Esken am Mittwoch im Bundestag an, als das 144-Seiten-Papier öffentlich präsentiert wurde. [….] Doch schon wenige Tage später ist fraglich, wie viel wirklich für die SPD drin ist. Denn der designierte Kanzler Friedrich Merz stellte am Sonntag beide Vorhaben wieder infrage. „Nein, die ist nicht fix“, sagte der CDU-Chef in einem Interview mit der Zeitung Bild am Sonntag zur Entlastung für kleine Einkommen. Man werde dies nur umsetzen, wenn es der Haushalt hergebe. Die Sorge, dass Arbeitnehmer angesichts steigender Sozialbeiträge und ausbleibender Steuersenkungen am Ende der schwarz-roten Regierungszeit weniger in der Tasche haben, nannte Merz „aus heutiger Sicht sicherlich nicht unberechtigt“.

Auch an anderer Stelle droht nur vier Tage nach der Einigung auf einen Koalitionsvertrag neuer Ärger. Denn Merz widersprach der SPD-Führung auch bei dem für 2026 angekündigten höheren Mindestlohn. „Das haben wir so nicht verabredet“, sagte Merz. [….] Der öffentliche Vorstoß aus der Union löst in der SPD Kopfschütteln aus. Die Partei lässt ihre Mitglieder von Dienstag an bis zum 29. April über den Koalitionsvertrag abstimmen. Merz’ Querschuss könne das Ergebnis negativ beeinflussen, heißt es warnend aus der Fraktion.[…]

(Markus Balser, 13.04.2025)

Merz Goes Trump. Den Leitsatz Pacta sunt servanda hat der ehemalige Richter nie gehört.

Samstag, 12. April 2025

Was passiert mit Jens Spahn?

Wie immer bei Regierungsbildungen, wenn man auf die Zustimmung der SPD-Basis zum Koalitionsvertrag wartet, wird wild spekuliert, wer Minister wird.
Ich nehme mich nicht aus; in erster Linie interessiert mich die Ressortverteilung. Dann kommen die Namen und erst an dritter Stelle die inhaltlichen Details. Es fühlt sich an, wie die Katze im Sack zu kaufen, wenn ich dem K.O.alitionsvertrag zustimme und gar nicht weiß, welche Minister ich mir damit ans Bein binde.

Die Parteichefs wissen natürlich um dieses Problem und befürchten das Ausbrechen eines allgemeinen Hühnerhaufen-Modus. Antipathien könnten die Ratio überlagern. Oder frustrierte Mitglieder von der Abstimmung fernhalten, wenn sie ihren Liebling übergangen sehen. Daher erklärt man uns gebetsmühlenartig, es komme in erster Linie auf die Inhalte an. Das funktioniert als recht effektives Totschlagargument, denn wer will schon zugeben, daß ihm Inhalte weniger wichtig als Personalien sind?

In Wahrheit kann man Inhalte gar nicht von Personen trennen. Der Ampel-Koalitionsvertrag wurde bezüglich der Verteidigungspolitik nie verändert, aber die Verteidigungspolitik schon! Erstens durch den 24.02.2022 und zweitens durch den Rücktritt von Christine Lambrecht am 17. Januar 2023 und die Ernennung von Boris Pistorius zwei Tage später. Der Koalitionsvertrag kann gar nicht auf alle auftretenden Problem a priori Antworten geben. Vieles hängt von den Fähigkeiten und der Integrität des Amtsinhaber ab.

Wenn eine Pandemie ausbricht, fühle ich mich wohler unter Gesundheitsminister Lauterbach, als unter Gröhe oder Spahn. Nicht nur, weil Lauterbach vom Fach ist, sondern weil Spahn erwiesenermaßen charakterlich nicht integer ist. Es gibt eine lange Liste mit Mauscheleien und privaten Bereicherungen, die er schon im jungen Alter füllte.

Die wesentlichen Dinge, die das Gesundheitssystem so ungerecht machen, wie das Verweigern einer Bürgerversicherung und das Festhalten an der Zweiklassenmedizin für wenige Reiche und viele Arme, wurden im Koalitionsvertrag festgeschrieben und sind in der Entscheidung des Urnenpöbels für die Parteien, welche strikt für Zweiklassenmedizin eintreten, begründet.

Daran ändert die Personalie des Gesundheitsminister nichts. Aber ein anständiger Minister wie Lauterbach, kann dennoch den Unterscheid machen, indem er beispielsweise den Zugang von Lobbyisten auf Gesetze beschränkt, während die  FDP-Gesundheitsminister Rösler und Bahr Pharma- und PKV-Vertreter nicht nur ins Ministerium holten, sondern diese auch die sie betreffenden Gesetze gleich selbst schreiben ließen.

Jens Spahn ließ als Finanz-Staatssekretär unter Schäuble und als Bundesgesundheitsminister zweifelsfrei erkennen, daß er in der Bundesregierung nichts verloren hat. Der Mann ist ein Risiko für Deutschland. Fachlich überfordert und mit einer hohen Korruptionsenergie ausgestattet, die ihn geradezu Trumpesk in Talkshows lügen und hetzen lässt.

Was soll nun also mit ihm passieren? Wird Merz ihn ins Kabinett rufen? Welches Ressort, das die CDU für sich reklamierte, könnte passen? Wirtschaftsministerium, Verkehrsministerium, Gesundheitsministerium, Außenministerium, Familienministerium, Digitalministerium?

Für Spahn spricht einiges: Er ist extrem bekannt, außerordentlich ehrgeizig, schleimte sich als Mitglied der vier apokalyptischen Reiter der Migration (Linnemann, Merz, Klöckner, Spahn) intensiv beim Parteichef ein, ist bestens in der rechten Medienwelt vernetzt, könnte als Schwuler für die seltene Diversität im Merz-Umfeld stehen, verfügt über gute Kontakte zur extremistischen GOP und kann auf Ministererfahrung verweisen.

[….] Jens Spahn, 44: Dass der frühere Gesundheitsminister einen wichtigen Posten bekommen muss, halten viele für klar. Das Gerücht, er würde auf den Posten des Botschafters in Washington abgeschoben, kommentierte man in seinem Umfeld eher belustigt. In der Union heißt es, Spahn wolle Fraktionschef werden. Manche Christdemokraten sind aber überzeugt, dass das ein großer Fehler von Merz wäre, weil Spahn zu ehrgeizig ist, zu sehr auf eigene Rechnung arbeiten könnte. Im Kabinett kommt nicht viel für ihn infrage – allenfalls vielleicht der Außenministerposten. Sehr unwahrscheinlich, aber als nicht komplett ausgeschlossen gilt manchen, dass Spahn komplett leer ausgeht. [….]

(SPON, 10.04.2025)

Es spricht aber auch einiges gegen Spahn. Er kommt aus NRW, das mit Merz, Scharrenbach (Schatten-Infrastrukturministerin), Laschet (Schatten-Außenminister) und Linnemann (Schatten-Wirtschaftsminister) ohnehin überrepräsentiert ist, er ist ein Mann (auch bereits überrepräsentiert) und zudem absolut nicht vertrauenswürdig. Merz müsste immer damit rechnen, von ihm ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen. Zudem ist der Mann chronisch unbeliebt und trüge insofern kaum dazu bei, die miesen CDU-Umfragewerte zu erhöhen.

Spahn erhöht den Druck, berücksichtigt zu werden, indem er seine Rolle als CDU-Rechtsaußen betont. Er weiß, wie viel Unmut es bei der rechten CDU-Basis gibt, die Merzens stramm rechte xenophobe und fiskalpolitisch konservative Wahlkampfrhetorik vermissen. Umso mehr versucht er sich, als AfD-affiner Posterboy zu geben, um auf dem Ticket ins Kabinett zu reiten.

[….] Im Streit um Äußerungen des Unions-Fraktionsvize Jens Spahn, der sich für einen anderen Umgang mit der AfD im Bundestag ausgesprochen hatte, hat Berlins SPD-Fraktionschef Raed Saleh den CDU-Politiker kritisiert. "Wer Rechtsextremisten wie die AfD gleichstellt mit der demokratischen Opposition, relativiert die Gefahr für Gesellschaft und Demokratie als auch die schmerzhaften Lehren aus unserer Vergangenheit", sagte Saleh am Samstag dem rbb.

"'Nie wieder' heißt: Nie wieder Faschismus. Nie wieder Rechtsextremismus. Und diese Worte bedeuten nichts ohne die entsprechende Haltung. Und diese Haltung lässt Spahn fahrlässig vermissen", so Saleh, der auch Vorsitzender der Berliner Enquete-Kommission gegen Rassismus ist.

Seit der Bundestagswahl ist die AfD zweitstärkste Kraft hinter der Union. Spahn hatte sich dafür ausgesprochen, bei organisatorischen Fragen im Bundestag mit der AfD so umzugehen wie mit anderen Oppositionsparteien auch - etwa bei Abläufen im Parlament oder Verfahren in der Geschäftsordnung. [….]

(RBB, 12.04.2025)

Die mit Rechtsextremisten sympathisierenden Kräfte in der CDU nehmen stark zu und werden durch die Koalition mit einer angeblich so gut verhandelnden SPD immer unzufriedener. Spahn könnte ihre Beruhigungspille werden.

Freitag, 11. April 2025

Hoffen auf die Fehler der anderen

Wie sich Europa gegenüber den großen globalen Playern USA und China, sowie in militärischer Hinsicht auch Russland, behaupten soll, weiß ich nicht.

Natürlich, die addierte Bevölkerungszahl und die addierte Wirtschaftsleistung sollte uns zu einem wichtigen Faktor machen.

Wir sind viel weniger als die Chinesen, aber mehr als die USAner. (Russland 144 Millionen Einwohner)

Beim Bruttoinlandsprodukt liegt die EU mit 17 Billionen Dollar nur noch auf Platz drei hinter den USA (27,4 Billionen) und China (17,8 Billionen), aber wir sind immerhin noch eine relevante Größe. Im Gegensatz zu Russland mit zwei Billionen US-Dollar.

Flächenmäßig sind wir lütsch mit gerade mal 4.500.000 km². China (9.600.000 km²) und die USA (9.800.000 km²) sind mehr als doppelt so groß. Russland ist der Riese mit 17.100.000 km².

Die wahren Kraftverhältnisse kann man nicht anhand der genannten Kennzahlen beziffern, da die Softpower eine große Rolle spielt. Weltweit führt die USA dort mit enormen Abstand. Die Kinder in Ruanda oder Chile oder Tibet eifern US-amerikanischen Stars und Marken und Ideen nach. Da spielt China fast gar keine Rolle.

Relevant ist unbedingt die militärische Stärke, bei der die EU mit den anderen drei Großen nicht im Entferntesten mithalten kann.

Schließlich hemmt die EU ganz entscheidend ihr fragiles föderales Machtsystem.

Xi und Putin sind Diktatoren, die allein herrschen. Ihr Wort ist Gesetz. Die USA sind nur noch formal eine Demokratie. De facto regiert Trump bereits autokratisch. Laut Verfassung könnte er zwar sein Amt verlieren, aber dazu müssten Teile seiner Partei mitspielen und die Fanatiker hielten selbst nach dem Kapitolsturm und dem zweiten Impeachment eisern zu ihm.

Wenn man sich Trump, Putin und Xi als voll armierte Elitesoldaten vorstellt, steht von der Leyen daneben, wie ein mageres Kleinkind im Lendenschutz mit bloßen Fäusten.

Die EU wurde  2008, 2014, 2017, 2022 und 2025 eindringlich gewarnt und wußte, was zu tun ist, weil es ihre einzige Überlebenschance ist: Zusammenrücken, nationale Egoismen aufgeben, Kompetenzen nach Brüssel geben, Einstimmigkeitsprinzip abschaffen, außenpolitisch mit einer Stimme sprechen, massiv in eine gemeinsame Armee investieren.

Wir sind aber bisher an diesen Aufgaben nicht nur gescheitert, sondern sind erheblich weiter ins Hintertreffen geraten. Der Brexit, Orbán, Fico und die Rechtsextremisten im EU-Parlament sind allesamt Selbstkastrationen im Ringen mit China, Russland und den USA.

Wir, die EU-Bürger, die Wähler sind dabei eindeutig die Schuldigen, da wir uns mit unserer sagenhaften Bräsigkeit und Borniertheit selbst ins europäische Knie schießen. Niemand hat 51,89 % der britischen Wählenden gezwungen, beim EU-Mitgliedschaftsreferendum am 23. Juni 2016, für den Austritt und den daraus zwingenden ökonomischen Niedergang zu stimmen.

Aus eigener Kraft können wir uns nicht aufraffen, die EU fit für die Globalisierung zu machen. Dazu ist der Urnenpöbel einfach zu dämlich.

Unsere letzte Chance liegt im US-Urnenpöbel, der noch viel dämlicher ist und am 05.November 2024 Project25-Trump zum zweiten mal nicht nur ins Weiße Haus wählte, sondern ihm in beiden Parlamentskammern dazu jeweils eine absolute Mehrheit bescherte.

Die Dämlichkeit ihres orangen Messias übertrifft die EU-Dämlichkeit so deutlich, daß wir durch tumbe Passivität an relativer Stärke gewinnen. Mit dem irren Peter Navarro und seinem Zollwahn schwächt Trump die USA, wie es kein Konkurrent von außen könnte.

[….] Zugegeben, Liz Truss ließ kein Pappschild anfertigen, um ihre waghalsige Wirtschaftspolitik zu erklären. Sie erhob auch keine Zölle, sondern verkündete radikale Steuersenkungen auf Pump. Dennoch fühlen sich viele Briten beim Blick in die USA gerade an die verhängnisvollen Tage im Herbst 2022 erinnert, in denen sie die britische Wirtschaft zum Absturz brachte.

Kaum hatte Truss damals ihre Möbel in die Downing Street geschafft, zwang sie ihrem Land ein ähnliches riskantes Experiment auf, wie es nun der US-Präsident mit seiner radikalen Zollpolitik wagt. Der Versuch endete im Desaster.  Die Märkte rebellierten. Truss entließ ihren Finanzminister und trat nach nur 45 Tagen im Amt schließlich selbst zurück. Die Boulevardzeitung »Daily Star« wettete auf dem Höhepunkt der Krise, dass Truss schneller zurücktrete, als ein Salatkopf welken würde. Der Spitzname »Lettuce Liz« war geboren.

Manche Beobachter in London fragen sich nun, welches Gemüse für Trump steht. Vielleicht ein Kürbis, witzelte Journalist Lewis Goodall in seinem Podcast.   Die Parallelen zum Drama in Washington sind frappierend. Donald Trump erlebt seinen Liz-Truss-Moment.  [….]

(Steffen Lüdke, SPON, 11.04.2025)

Die EU gewinnt automatisch in dem Maße das Vertrauen der internationalen Anleger, wie Trump die US-Börsen talibanisiert und die Geldgeber der USA (China, Japan, Belgien) ihre Bonds auf den Markt werfen. Trump ist so extrem verblödet, daß er trotz seiner fast autokratischen Macht, im ökonomisch mit Abstand stärksten Staat der Welt, nun an seine Grenzen gerät. Zhou Bo, Oberst a. D. der Volksbefreiungsarmee, ist Senior Fellow am Zentrum für Internationale Sicherheit und Strategie der Tsinghua-Universität in Peking, sieht es pragmatisch.

[….] Die USA befinden sich im Niedergang. Nach dem Zweiten Weltkrieg machten sie 50 Prozent der Weltwirtschaft aus, heute ist es nur noch ein Viertel. Dieser Rückgang verläuft langsam und ist vor allem relativ. Doch wer glaubt am stärksten an den eigenen Abstieg? Nicht China, sondern die Amerikaner selbst. Trump wurde gewählt, weil er Amerika als „in der Krise“ bezeichnete und versprach, die USA wieder großzumachen. Vor der Pandemie hieß es, China würde die USA bald überholen. Heute wird weniger darüber gesprochen, aber es ist immer noch nicht unmöglich, insbesondere wenn China sein Potenzial besser nutzt, beispielsweise in den Bereichen KI und Robotik. Aber ob China Nummer eins wird, ist zweitrangig. Der Abstand schrumpft, und genau deshalb sollten die USA umdenken.

Sind die Zölle eine strategische Chance für China?

Natürlich sind sie das. Wie Napoleon sagte: Wenn dein Feind einen Fehler macht, störe ihn nicht. Die USA sind nicht unser Feind. Aber wer diesen Wettbewerb als strategisch sieht, könnte so denken. Trumps Kurs bringt China näher an andere Staaten. Trotz bestehender Probleme verbindet diese neue Bedrohung auch China und die EU. [….]

(SZ, 11.04.2025)

Donnerstag, 10. April 2025

Der Mann, der nie den Schritt in die Seriosität schaffte

Das wird ihm nicht gefallen. Nun ist er nur noch der peinliche Typ, der den Streisand-Effekt gegenüber der Titanicnachweisen will.

[….] Free-Speech-Visionär Christian Lindner will einen TITANIC-Titel verbieten lassen, denn es ist besser, Satire falsch zu verstehen, als sie nicht zu verstehen.  Jetzt Totalverweigerer sanktionieren und endgültige Satire unterstützen!  [….]

(Titanic vs. Lindner)        

Vermutlich wurde nie ein Mann so sehr geliebt, wie Christian Lindner von Christian Lindner. Für ihn war es selbstverständlich, mit den mächtigsten und berühmtesten Personen dieses Planeten zu verkehren: Milei, Musk, Trump. Großzügig bot er an, sich dazu herabzulassen, mit ihnen zu parlieren, den armen Unwissenden zu erklären, wie der Lindnerismus die Welt retten wird. Es wird ihm für immer unverständlich bleiben, wieso die Größten dieser Welt nicht auf sein Angebot eingingen und ihn gar nicht treffen wollten.

Er versteht sich selbst als das Zentralgestirn des Universums. Nicht mehr in der Politik vorzukommen, schmerzt gar fürchterlich.

Nun schafft er es nur noch mit der Kraft seiner Lenden in die Yellowpress:

[…..] Das Familienglück ist ein neuer Höhepunkt in der Beziehung des Paares. Lindner und Lehfeldt lernten sich 2018 kennen – er war damals Partei- und Fraktionschef der FDP im Bundestag, sie Reporterin bei RTL. Für Lindner zog Lehfeldt von Köln nach Berlin. 2022 heirateten sie auf Sylt, in der kleinen Kirche am Ortsrand von Keitum.

Auf ihren Instagram-Kanälen veröffentlichten Lindner und Lehfeldt ein Schwarz-Weiß-Foto einer Babyhand, die von zwei Erwachsenenhänden umschlossen ist. Dazu schrieben sie: «Vor wenigen Tagen sind wir Eltern unseres ersten Kindes geworden. Wir sind überglücklich und fühlen große Dankbarkeit, dass wir jetzt eine Familie sind.» Dazu posteten sie ein Herz-Emoji. Das Paar bedankte sich zudem «von Herzen für die große Anteilnahme und die vielen Glückwünsche», die sie erreicht hätten.   [….]
(SPON, 10.04.2025)

Angesichts der geballten Form von weltpolitischen Großkrisen, ist es natürlich dramatisch, ausgerechnet jetzt vom Regierungsazubi Merz und seinen dummerhaften Dödeln angeführt zu werden. Wir hätten Scholz und Habeck behalten können und stünden damit jetzt viel besser da. Aber RotGrün hatte keine Chance mit der hepatitisgelben Pest im Nacken.

Niemand kann mir nachsagen, daß ich Lindner nicht schon immer verachtet, bekämpft und beschimpft hätte.

Aber angesichts von Krieg und Klima und Trump, fällt noch mehr ins Gewicht, wie froh Deutschland sein muss, diesen Destruktionsagenten los zu sein.

Volker Wissing, während des Bestehens der Ampel treuer FDP-Gefolgsmann und vorbildlich lobbyhöriger Minusminister, offenbart erst jetzt die Abgründe, die sich in der täglichen „Arbeit“ mit Lindner auftun.

[…..] Verkehrsminister Volker Wissing hat der FDP-Führung um Parteichef Christian Lindner vorgeworfen, den Bruch der Ampel-Regierung gezielt herbeigeführt zu haben. Er sei „davon überzeugt, dass diese Koalition hätte weiterbestehen können, wenn man sie gewollt hätte“, sagte der parteilose Politiker im Podcast „Meine schwerste Entscheidung “ unserer Redaktion. „Man wollte nicht diese Konflikte nach außen, diese Streitereien beenden. Das war nicht gewollt, und für mich war immer klar, dass es so enden kann und dass die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es so enden wird“, machte Wissing deutlich. Aber es sei gewesen, als redete man an eine Wand. […..] Wenn man in der Ampel einen Kompromiss aushandeln und positiv vertreten wollte, habe man „als Grünenversteher oder irgendwie als Freund der SPD“ gegolten, kritisierte Wissing. Diese destruktive Haltung führte er auf Lindner zurück: „Also, ich glaube, Lindner hatte immer die Angst, dass wenn wir zu konstruktiv sind, dass die FDP dann als nicht mehr existent oder vergrünt oder jetzt auch links oder so was wahrgenommen wird.“ Er sei selbst da „etwas optimistischer und nicht so ängstlich“ gewesen wie sein Parteichef.

[…..] Die Nacht des Ampel-Bruchs habe ihm körperlich zugesetzt, berichtete Wissing. Eigentlich sei er sehr robust, „aber an diesem Abend habe ich mich wirklich physisch sehr gequält“, weil er alles für falsch gehalten habe. Es sei falsch gewesen, dass die FDP ein Papier zur Wirtschaftswende mit Maximalforderungen an die Koalitionspartner geschrieben habe. „Es war falsch, dass wir keine Einigung für den Haushalt gefunden haben. Es war falsch, Neuwahlen zu provozieren. Ich fand alles falsch.“

Seit dem Ampel-Bruch herrscht zwischen Lindner und Wissing absolute Funkstille. […..]

(Abendblatt Podcast, 10.04.2025)

Mögen sich Lindner und Lehfeldt als Comedy-Duo mit der Titanic battlen und Instagram mit Babybildern zuspammen; solange sie der Politik weit fernbleiben, bin ich glücklich.

Mittwoch, 9. April 2025

Sozialdemokratischer Ärger

Jetzt bin ich dran. Anders als in den Obrigkeitsparteien CDU und CSU, in denen kein Mitgliedervotum abgehalten wird, weil dort ohnehin nicht aufgemuckt wird, müssen Klingbeil und Esken noch zittern. Die Basis, also auch ich, hat das letzte Wort in der Causa Merz-K.O.alition.

Alle SPD-Mitglieder entscheiden vom 15. bis zum 29. April im Mitgliedervotum über den neuen Koalitionsvertrag. Das ist gelebte Mitbestimmung – direkt, verbindlich und stark.

Parallel dazu gibt es von 14.-28.04.2025 Gelegenheit Fragen bei Dialog- und Onlinekonferenzen zu stellen. Das Ergebnis wird am 30.04.2025 vorgestellt und nur bei einem „Ja“ wird es zur Kleiko Merz kommen.

Die SPD-Verhandler geben sich demonstrativ optimistisch. Das fällt nicht sehr schwer; schließlich jammert die konservative Presse, landauf landab, die CDU habe sich für den unbedingten Kanzlerwunsch ihres Vorsitzenden von der SPD über den Tisch ziehen lassen und kaum konservative Handschrift durchsetzen können.

Vielleicht ist das nur ein Manöver, um die SPD-Mitglieder einzuwickeln. Aber plausibel ist die überproportionale Durchsetzung der SPD schon, da die CDUCSU völlig unvorbereitet in die Verhandlungen stolperte und wegen des enormen Erpressungspotentials Klingbeils: Merz musste der SPD sehr weit entgegen kommen, weil er am 23.02.25 mit 28% furchtbar schwach abschnitt, seither weiter abschmiert und keinerlei Alternative zur SPD hat. Dennoch gehen die Ober-SPDler auf Nummer sicher und werben enthusiastisch mit ihrer Durchsetzungsfähigkeit um die Zustimmung der Mitglieder.

[… ] als demokratische Mitte in politisch unsicheren Zeiten tragen wir eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Landes. Wir haben mit der Union hart und intensiv verhandelt. [… ]  

          Mit dem großen Finanzpaket für Sicherheit und Infrastruktur können wir jetzt so stark in unser Land investieren wie niemals zuvor. In Schulen und Kitas, in Klimaschutz und Wohnungsbau, in die Bundeswehr und in sichere Arbeitsplätze. Auf dieser Basis wollen wir eine stabile Regierung aus der demokratischen Mitte bilden.

Wenn es gelingt, wie bei diesem Koalitionsvertrag, zwischen SPD und CDU/CSU Brücken zu bauen, kann uns das auch an anderen Stellen in unserem Land wieder gelingen.     

          Unsere Sicherheit und unser Wohlstand sind durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und eine immer protektionistischere Handelspolitik bedroht. Deshalb müssen wir handeln.

Mit dem historischen Finanzpaket für Sicherheit und dem 500 Milliarden Euro Sondervermögen für Infrastruktur können wir unser Land systematisch modernisieren. Bauen, sanieren, vorankommen ist jetzt das Gebot der Stunde.

Um uns robust für die Zukunft aufzustellen, haben wir ein großes Paket für Wachstum und Arbeitsplätze geschnürt. Energiekosten werden gesenkt, Investitionen für Made in Germany gefördert, Zukunftstechnologien unterstützt und die Einwanderung von Fachkräften erleichtert.

Besonders wichtig ist uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre Familien ein gutes und sicheres Leben führen können. Stabile Renten, ein höherer Mindestlohn, mehr bezahlbare Wohnungen, mehr Geld für Chancengerechtigkeit und frühkindliche Bildung, die Sicherung des Deutschlandtickets und eine Verlängerung der Mietpreisbremse – auch das konnten wir in den Verhandlungen erreichen.       

          Wer sich in Europa umschaut, sieht, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass sich in diesen Zeiten Regierungen in der demokratischen Mitte bilden lassen. Wir haben dafür jetzt eine gute Grundlage.     [….]

(Lars und Saskia, SPD-Parteivorsitzende,09.04.2025)

Ich hatte heute noch keine Gelegenheit, den 146-seitigen Koalitionsvertrag vollständig durchzulesen, aber offenkundig werden selbst die äußerst niedrigen Erwartungen weitgehend enttäuscht.

Ich ärgere mich über die Ambitionslosigkeit in der Sozialpolitik. Zu den seit Jahrzehnten offensichtlichen Megaproblemen weiß offenbar niemand in CDUCDUSPD eine Antwort, außer alles auf die lange Bank zu schieben:

[….] Ob bei Rente, Gesundheitssystem oder Pflege: In den Sozialversicherungen stehen die Zeichen auf Notstand. Wichtigster Grund ist die Demografie. In den kommenden zehn Jahren geht die Babyboomer-Generation in den Ruhestand, während weit weniger junge Menschen das Erwerbsalter erreichen. Dadurch gehen den Sozialversicherungen auf der Einnahmeseite nicht nur Beitragszahlende verloren – zugleich steigen die Ausgaben für Rente, Pflege und medizinische Versorgung erheblich. Die Folge: Die Beitragssätze werden weiter stark steigen, binnen der nächsten zwei Jahrzehnte geschätzt von jetzt gut 40 Prozent auf etwa 50 Prozent des Bruttolohns.

Bei allen drei Sozialversicherungen agiert die Koalition nach dem Motto: »Und wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründ' ich einen Arbeitskreis.« Rente: eine Rentenkommission soll einberufen werden und bis Mitte der Legislatur – also 2027 – ihre Ergebnisse vorlegen. Krankenkassen: Eine »Kommission unter Beteiligung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern« soll bis Frühjahr 2027 Vorschläge erarbeiten. Pflege: Eine »Bund-Länder-Arbeitsgruppe auf Ministerebene unter Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände« soll Grundlagen einer »großen Pflegereform« erarbeiten – noch in diesem Jahr.

Derweil verschärft die Koalition die finanziellen Belastungen noch erheblich: Das Rentenniveau wird nun bis 2031 auf dem jetzigen Stand von 48 Prozent garantiert – Kosten laut Schätzung des Ministeriums: 9,1 Milliarden Euro allein im Jahr 2030. (Sollte die Garantie danach verlängert werden, wären es 2035 gut 28 Milliarden Euro und im Jahr 2040 dann rund 40 Milliarden Euro. Pro Jahr.) Die Mütterrente für vor 1992 geborene Kinder wird abermals angehoben – Kosten: gut 4,5 Milliarden Euro im Jahr für eine armutspolitisch sehr ungenaue Leistung, da sie sowohl an arme als auch reiche Mütter und Väter ausgezahlt wird. [….]

(SPON, 09.04.2025)

Ich ärgere mich über die Ressortverteilung, der Karl Lauterbach zum Opfer fiel.

Ich ärgere mich  darüber, daß ein rechtspopulistischer Hetzer und als Minister erwiesener Totalausfall, neuer Innen- und Verfassungsminister wird: Dobrindt.

Ich ärgere mich über die Personalie Merz. Ich verachte den Mann nicht nur, sondern halte ihn für hochgefährlich.

Ich ärgere mich darüber, mit SPD-Stimmen einen chronisch verlogenen xenophoben Geronten ins Kanzleramt befördern zu müssen.

Ich ärgere mich über den heimlichen Autoren des Koalitionspapiers: Die AfD, deren Vorstellungen nun umgesetzt werden: Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen, Familiennachzug aussetzen, obwohl das garantiert kontraproduktiv ist.

Ich ärgere mich über die ängstliche Besitzstandswahrung, die hier an den Tag gelegt wird.

[….] Dem politisch heikleren Vorhaben, eine Wehr- oder Dienstpflicht einzuführen, weicht die neue Koalition dagegen aus. Vorgesehen ist vorerst nur eine neue Wehrerfassung. Dies sendet nicht das notwendige klare Signal an ein Land, das heute kaum fähig wäre, sich selbst zu verteidigen.

Auf den ersten Blick wird das Land nun konservativer regiert. Die neue Regierung will die irreguläre Migration stärker bekämpfen, mehr für die innere Sicherheit tun, den Empfängern des bisherigen Bürgergelds mehr abverlangen, Steuern senken. Das sind Kernelemente jener Wende, für die Merz immer geworben und für die sich die Mehrheit der Deutschen bei der Wahl entschieden hat. Allerdings stehen diese Merz’schen Versprechen unter manchen Vorbehalten – zum Beispiel dem, ob sich die „Zurückweisungen“ an den deutschen Grenzen so umsetzen lassen wie geplant. Und die Unternehmen sollen zwar bald durch Abschreibungen Steuern sparen können, was Investoren ermutigen dürfte. Aber das Absenken der Körperschaftsteuer soll erst im Jahr 2028 beginnen, also nicht in näherer Zukunft.

[….] Schwarz-Rot ist alles in allem weniger ein Bündnis für Fortschritt als eines, das bewahren will. Das mag in einer Zeit, in der die deutsche Sicherheit und der deutsche Wohlstand auf dem Spiel stehen, schon ein sehr ehrgeiziges Ziel sein. Vermutlich wären viele Deutsche froh, wenn die Lage in vier Jahren – trotz Trump und Putin – nicht wesentlich schlechter aussähe als heute. Eine ganz große politische Wende aber bleibt aus, ebenso ein spektakulärer Impuls für die Wirtschaft. Stattdessen versprechen Union und SPD neue alte Wohltaten wie die niedrige Gastro-Steuer, den verbilligten Agrardiesel oder die nächste Anhebung der Mütterrente. Diese teuren Geschenke, eingefordert besonders von der CSU, stehen eher für das Bewahren des Komforts der Vergangenheit als für den Aufbruch in eine Zeit, in der Zumutungen nicht ausbleiben werden. [….]

(Nicolas Richter, 09.04.2025)

Ich ärgere mich darüber, wie es dem C-Block gelang, Demokratie und Transparenz zu Gunsten von Mauschelei zu schleifen.

[…..] LobbyControl übt scharfe Kritik am heute vorgestellten Koalitionsvertrag von Union und SPD. Der Vertrag trägt nicht dazu bei Transparenz und Lobbykontrolle in Deutschland voranzubringen – ein enttäuschendes Ergebnis und ein falsches Signal.

Anja Nordmann, politische Geschäftsführerin von LobbyControl, erklärt:

„Unsere Demokratie steht derzeit von außen wie von innen stark unter Druck. Union und SPD setzen völlig falsche Prioritäten, wenn Themen wie illegitime Einflussnahme, Integrität und Transparenz in ihrem Koalitionsvertrag nicht vorkommen. In diesem Wahlkampf war Einmischung von außen deutlich sichtbar – etwa durch Tech-Milliardär Elon Musk. Außerdem gab es mehrere fragwürdige Parteispenden in Millionenhöhe. Das zeigt deutlich: Es braucht dringend eine Reform der Parteien- und Wahlkampffinanzierung. Wir hatten uns für einen Parteispendendeckel als wichtigste Maßnahme starkgemacht. Gerade mit Blick auf die nächsten Wahlkämpfe ist es fatal, dass dieses Instrument zum Schutz der Demokratie weiter fehlt.

Wir fordern Schwarz-Rot auf, diese Missstände dringend anzugehen, um den Angriffen antidemokatischer Kräfte standzuhalten.“

Angriffe auf zivilgesellschaftliche Instrumente

In den letzten Monaten haben CDU und CSU immer wieder zivilgesellschaftliche Organisationen diffamiert. Dies gipfelte darin, dass die Unionsparteien während der Koalitionsverhandlungen Einschränkungen für das Informationsfreiheitsgesetz und Klagerechte im Umwelt- und Verbraucherschutz forderten – wesentliche Instrumente einer kritischen Zivilgesellschaft. Der Koalitionsvertrag sieht nun vor, dass Informationsfreiheitsgesetz zu „reformieren“, Verbandsklagerechte sollen eingeschränkt werden.

Anja Nordmann: „Starke Proteste haben immerhin erreicht, dass das Informationsfreiheitsgesetz nicht abgeschafft, sondern reformiert werden soll. Nun kommt es darauf an, wie eine solche Reform aussieht. Die Koalition sollte das Gesetz zu einem umfassenden Transparenzgesetz weiterentwickeln statt es einzuschränken. Es ist gut, wenn der Koalitionsvertrag die wichtige Rolle der Zivilgesellschaft für eine wehrhafte Demokratie betont. Zugleich ihre Handlungsspielräume zu beschneiden ist widersprüchlich und falsch."

Weiter kommentiert Anja Nordmann: „EU-Plattformregeln, die die Macht von Big Tech beschränken, sollen laut Koalitionsvertrag konsequent durchgesetzt werden. Das ist gut. Doch der Vertrag enthält auch zahlreiche Lobbygeschenke für Konzerne. Insgesamt ist der Koalitionsvertrag ein herber Rückschlag für eine starke, transparente und gerechte Demokratie."  [….]

(LC, 09.04.2025)

 
Ich ärgere mich über Geschenke für die Besserverdienenden, die sich Restaurantbesuche leisten. Ich ärgere mich über klimaschädigende Maßnahmen zur Erhöhung des CO2-Ausstoßes.

[…..]  Wer aber wird konkret entlastet und wer muss zur Gegenfinanzierung möglicherweise mehr bezahlen? Diese Fragen sind zwischen Union und SPD umstritten und bleiben offen. Zugleich erlaubt die Haushaltslage keine Steuerreform ohne Gegenfinanzierung.

Schneller merken könnten Bürger kleinere Entlastungen. Etwa, wenn sie im Restaurant künftig den ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Speisen zahlen – vorausgesetzt, die Gastronomen geben das teure Geschenk weiter. Oder wenn sie Überstunden machen, deren Zuschläge künftig steuerfrei sein sollen. Verschonen soll der Fiskus auch bald Menschen jenseits des Rentenalters, wenn sie Einkünfte von bis zu 2000 Euro erzielen.

Ebenfalls freuen können sich Pendler: Ab 2026 soll die Pendlerpauschale 38 Cent ab dem ersten Kilometer betragen – aktuell sind es 30 Cent. Für Landwirte wird die sogenannte Agrardieselrückvergütung wieder »vollständig« eingeführt. Ihre versuchte Abschaffung durch die Ampelkoalition hatte zu massiven Protesten geführt. […..]

(SPON, 09.04.2025)

Ich ärgere mich aber auch über die höhnischen Kritiker von links, die nun der SPD vorhalten, ihre Wurzeln, bzw Prinzipien aufgegeben zu haben.

Die tun aber alle so, als habe die SPD die absolute Mehrheit und wäre nun frei, ihr Parteiprogramm umzusetzen. Das ist aber absurd. Die SPD bekam 8,15 Millionen Stimmen bei 84 Millionen Menschen in Deutschland. 16% der abgegebenen Stimmen der Wahlberechtigten. 84% wählten andere Parteien und die absolute Mehrheit wählte rechts. Damit kann man beim besten Willen keine pure soziale Politik durchsetzen, denn der Urnenpöbel will keine soziale, sondern ganz klar antisoziale Politik zu Gunsten der Superreichen und gegen Minderheiten.

Ich ärgere mich über meine Parteiführung, die das Desaster schönredet.

Ich ärgere mich über die Bredouille in der ich bei meiner Stimmabgabe zu Mitgliedervotum stecke. Alles widerstrebt mir. Ob Personal oder Programmatik: Ich will das alles nicht.

Ich ärgere mich, daß ich aber doch gezwungen bin, diesem extrem beschissenen Koalitionsvertrag zuzustimmen und damit dem fürchterlichen Merz zum Kanzleramt zu verhelfen. Denn ein Nein lässt nur zwei Alternativen zu: Entweder die CSU schwingt direkt zur AfD um und bildet eine schwarzbraune Koalition. Das wäre noch schlimmer als die CDUCSUSPD-Kleiko. Oder es kommt so chaotischen Szenen, in der keine neue Regierungsbildung möglich ist. Steinmeier müsste schließlich Neuwahlen ausrufen und ob des totalen Scheiterns von Union und Sozis, würde die AfD noch viel stärker werden. Das wäre noch schlimmer als die CDUCSUSPD-Kleiko.

Dienstag, 8. April 2025

Submerged

 Die offensichtlichen Unterschiede zwischen der ersten und zweiten Trump-Präsidentschaft, hatte ich gestern dargestellt.

#47 ist wesentlich gefährlicher als #45.

Umso mehr verblüfft mich die Lernunfähigkeit der Opposition, die ihre Fehler aus der ersten Amtszeit tumb wiederholt.

Sie kramen wieder das alte Golf-Motiv raus: Trump arbeite kaum im Weißen Haus, sondern amüsiere sich lieber auf seinen Golfplätzen in Florida.

Was das koste! Und wie heuchlerisch, schließlich versprach er einst im Wahlkampf, so fleißig für Amerika zu arbeiten, daß ihm gar keine Zeit für sein geliebtes Golfspiel bliebe.

Überraschung; da hat Trump gelogen. Potz Blitz. Sonst ist er doch immer ehrlich.

Dabei wissen wir auch aus der ersten Amtszeit, wie sehr seine Wähler sich von der manischen Golferei und den damit verbundenen horrenden Kosten beeindrucken lassen: Gar nicht!

Keinen Trumpanzee stört es, wie Trump sich eine goldene Nase verdient, indem er all die Secret Service-Agenten und WH-Mitarbeiter zu aberwitzig überteuerten Preisen auf Steuerzahlerkosten in seinen eigenen Hotelzimmern unterbringen lässt. Seine Jünger empfinden es vielmehr als Ausweis des genialen Geschäftssinnes, den sie so sehr bewundern.

Viel absurder erscheint aber die Annahme der „Linken“, Trump könne durch mehr Anwesenheit in Washington das Leben der USAner verbessern. Er würde etwas gegen den weltweiten Börsenabsturz unternehmen oder in sonstiger Form dem Wohl der Nation diesen.

Absurd. Trump kann nichts anderes, als maximalen Schaden anrichten. Jede Steuermillion, die ihn eine Stunde länger auf dem Golfplatz festhält, ist gut investiert. Je länger und je weiter er sich vom Weißen Haus fernhält, desto besser für die USA und den Rest der Welt.


Der Gipfel des Wahnsinns besteht aber in der Vorstellung, Trumps Anwesenheit bei Gedenkveranstaltungen oder Beerdigung, wäre Ausweis von „dignity“ und „honor“.

Das gilt für alle anderen US-Präsidenten. Sie konnten einzelne Bürger oder Vereine oder Veranstaltungen durch ihre persönliche Anwesenheit beehren. Trump hingegen ist eine egomane Abrissbirne, die jeden noch so würdigen Anlass desavouiert.

Noch niemals gelang es Trump in irgendeiner Situation, Trost zu spenden oder jemand anderen zu ehren, als sich selbst. 

Niemand mit einem IQ über Zimmertemperatur wünscht sich einen Trump-Besuch bei seinem Geburtstag, der Hochzeit oder der eigenen Beerdigung. Als US-Amerikaner wünsche ich mir stets die größtmögliche Distanz zu Präsident Sauron.

Friedrich Merz ist nicht ganz so dumm und egoistisch, wie Donald Trump. Aber was heißt das schon? In der Liga kann niemand mitspielen. Für deutsche Spitzenpolitiker hingegen setzt die Doofheit des Merz schon echte Maßstäbe. Der Dampfplauderer kann sich nicht kontrollieren, kann nicht an sich halten und blamiert sich unter großem politischen Druck, so sicher wie das Amen in der Kirche.

Er kann sein Mundwerk nicht im Zaum halten und da er nicht in der Lage ist, weiter als eine Armlänge zu denken, kommen unweigerlich Dummerhaftigkeiten aus seiner Sauerländer Fressluke, die seine CDU-Epigonen umständlich wieder einsammeln müssen.

Ich halte die internationale Lage für so fragil und gefährlich, daß ich über jeden Tag froh bin, an dem Merz weiterhin untergetaucht bleibt. Schließlich muss man bei ihm immer mitzittern, was er wieder verbal anrichtet.

Daher stimme ich ausdrücklich nicht in die hämischen Kommentare mit ein, die sein völliges Abtauchen aus der politischen Szene beklagen. Merz versteckt sich inzwischen sogar feige vor seinen einst größten Fans: Der JU.

[…] CDU-Chef Friedrich Merz hat seine Teilnahme am Frühlingsempfang der Jungen Union (JU) kurzfristig abgesagt. Das wurde dem SPIEGEL aus Parteikreisen bestätigt. Zuvor hatte das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet. Offiziell wird die Absage laut RND mit den laufenden Koalitionsverhandlungen begründet.

Merz umschifft damit den potenziell unangenehmen Termin bei der Nachwuchsorganisation der Union in Berlin. Innerhalb der CDU und insbesondere bei der JU gibt es Unmut über den Parteichef, der bei einem Regierungsbündnis aus Union und SPD Bundeskanzler würde.

Unter Christdemokraten gibt es die Sorge, dass die Parteiführung um Merz in den Verhandlungen bereits zu viele Zugeständnisse an die SPD gemacht habe und letztlich zahlreiche eigene Wahlversprechen und Programmpunkte nicht mehr umsetzen kann.

JU-Chef Johannes Winkel hatte zuletzt ein Nein zum künftigen Koalitionsvertrag angedroht, sollte die Union künftig nicht härter auftreten. [….]

(SPON, 08.04.2025)

Merz hat die Hosen voll, weil ihn der Absturz in den Umfragen, seit des ohnehin enttäuschenden 28%-Bundestagsergebnisses, nervös macht. Die CDU bebt; immer mehr Parteigliederungen streben in die Arme des Nazis. Hier wäre ein orientierungsgebender Parteichef dringend gefragt.

[….] Der CDU-Kreisverband im Harz fordert, den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der AfD und der Linken in ostdeutschen Bundesländern aufzuheben. Laut einem Bericht der Mitteldeutschen Zeitung ist ein Beschluss, in dem sich der Verband so positioniert, am Montag bei der Landesgeschäftsstelle in Sachsen-Anhalt eingegangen. Die CDU Sachsen-Anhalt bestätigt das, die SPD warnt vor Spielen „mit dem Feuer“.

Es ist zwar das erste Mal, dass ein CDU-Kreisverband konkret das Kooperationsverbot abschaffen möchte. Aber der Kreisvorsitzende im Harz, Ulrich Thomas, ist mit ähnlichen Äußerungen bereits aufgefallen.

Thomas ist nicht nur Kreisvorsitzender, sondern auch Mitglied des Landesvorstands und sitzt für die CDU im Landtag Sachsen-Anhalt. Schon im Sommer 2019 schlug er vor, CDU und AfD sollten zusammenarbeiten und eine Koalition eingehen.

Die Union solle sich auf ihren Kern zurück besinnen, stand damals in einer von Thomas mit verfassten Wahlanalyse: „Es muss wieder gelingen, das Soziale mit dem Nationalen zu versöhnen.“  [….]

(David Muschenich, 08.04.2025)

Aber bei Merz muss man stets damit rechnen, daß er die Situation verschlimmbessert. Seien wir also über jeden Tag froh, an dem er sich vor der Öffentlichkeit versteckt.

Montag, 7. April 2025

Welcher Amerikaner träumt heute noch von Fließband-Jobs?

Wie komplett irrsinnig die Ein-Mann-induzierte globale Wirtschaftskrise des Donald T. ist, muss ich sicher nicht auch noch darlegen. Weltweit schreibt die Presse über das Thema. Es beschäftigen sich weitaus kompetentere Leute, als ich, damit. Und keiner, der einen IQ über Zimmertemperatur hat, hält Trumps Kurs für schlau.

Überwiegend beschäftigt man sich mit Prognosen. Wie schlimm wird es noch kommen und was ist die beste Strategie, mit dem Weißen Haus umzugehen. Von harten Gegenmaßnahmen, USA-Boykott, Kooperation mit China bis zum Dürrschen Rat, sich einzuschleimen und Trump devot anzubieten, alle Zölle gegen US-Produkte auf Null zu setzen, ist alles dabei.

Da bin ich gleich doppelt froh, die hepatisgelbe Pest nicht mehr im Bundestag zu wissen! Der designierte FDP-Bundeschef blamiert sich mit seinem Zero for Zero-Vorschlag, weil er offenkundig immer noch nicht begriffen hat, daß sich Trump gar nicht an realen EU-Zöllen orientiert, sondern sich Zahlen aus Handelsbilanzdefiziten zusammenphantasiert. Außerdem will Trump ja eben gerade keinen Freihandel, sondern mit der US-Zollmauer ausländische Firmen zwingen, in den USA zu produzieren. Man sollte meinen, das sei inzwischen von jedem Schulkind begriffen worden. Aber man darf die Blödheit der FDP eben nie unterschätzen.

Ich glaube, in Trumps Zoll-Wahn liegt aber doch ein Funken Hoffnung. Einerseits könnte der Börsenabsturz und der dadurch bedingte Wertverlust vieler Altersversorgungen ganz normaler US-Bürger, endlich das Land zu mehr Widerstand gegen den Trumpfaschismus animieren. Zweitens sollte dies ein „Weckruf“ für die EU-Staatenlenker sein, nun endlich ihr nationalistisches KleinKlein zu überwinden und im großen Maßstab Kompetenzen nach Brüssel zu übertragen. Allerdings gab es schon genügend Weckrufe (Eurokrise, 2014 Krim, Flüchtlingskrise, Trumps Wahlsieg 2016, Ukrainekrieg 2022, Trump II), die stets zu großer Schnatterei in Brüssel führten. Es folgten kluge Reden und Absichtserklärungen, die aber immer schnell wieder vergessen waren. Warum sollte das 2025 besser werden, während Orbán und Fico bremsen, die Briten draußen sind und Deutschland von einem nationalistischen Dummerle ohne irgendwelche Expertise, oder gar Regierungserfahrungen angeführt wird?

Drei Erkenntnisse zu Trumps Präsidentschaft scheinen mir relevant zu sein.

Erstens kann man #47 nicht mit #45 vergleichen. Im Januar 2017 stolperte er planlos ins Amt, plapperte zwar auch schon Sinnlosigkeiten, die ihm eben durch seinen Vakuum-Kopf kullerten heraus (nuke hurricans, inject bleach), aber er war noch von genügend halbwegs zurechnungsfähigen Mitarbeitern umgeben, die den größten Schwachsinn verhinderten. Offenbar oft, indem sie seine notorische Faulheit und Aufmerksamkeitsschwäche ausnutzten, ihm also triggernde Vorgänge gar nicht vorlegten und an ihm vorbei Entscheidungen trafen. Das ist jetzt vollkommen anders. Nun ist er nur noch von Ja-Sager-Fanatikern umgeben und verfügt mit dem Project 25 über eine Untergangs-Blaupause.

Zweitens galt #45 als recht ideologiefreier Business-Typ, der Überzeugungen jederzeit umwerfen konnte, wenn er ein gutes Geschäft witterte. Ob es Amerika und ihm gut ging, las er an den Börsenkursen ab. Dieses Verhältnis hat sich bei #47 umgedreht. Heute ist er in erster Linie Ideologe, der sich so sehr von seinem persönlichen Hass leiten lässt, daß ihm offenkundig der allgemeine Wohlstand zweitrangig erscheint.

Drittens verfolgt #47 dubioserweise eine antimoderne, seit 100 Jahren überholte Wirtschaftspolitik. Mit den Zöllen, deren Wirkung er offensichtlich immer noch nicht ansatzweise verstanden hat, will er US-amerikanische und internationale Investoren dazu zwingen, im großen Stil Fabriken in den USA zu errichten und dort Millionen Menschen blue-collar-Jobs am Fließband zu geben. Das wird sicher nicht funktionieren; schon allein weil es dafür Planungssicherheit bräuchte, zu der Trump prinzipiell völlig unfähig ist. Im 24-Stundentakt ändert er seine Pläne.

Aber selbst wenn dieser Gaga-Plan gelänge, bleibt die entscheidenden Frage, wozu das gut sein sollte? Es wird in Afrika und Südostasien produziert, weil es dort viel billiger und effektiver geschieht. Das ist der Sinn der Globalisierung, daß jeder macht, was er am besten kann, durch diese Spezialisierung noch effektiver wird und dadurch unterm Strich alle profitieren. Massenproduktion aus China, Vietnam und Bangla-Desch (zurück) in die USA zu verlegen, würde die Produkte durch die US-Löhne extrem viel teurer machen. Praktisch umsetzbar dürfte das ohnehin kaum sein, da in den USA Dank Biden de facto Vollbeschäftigung herrscht. Es gibt dort kein Heer aus aberhundert Millionen anspruchslosen Arbeitswilligen, wie in China!

Natürlich hat Detroits Vergangenheit als Autobauerstadt, in der Hunderttausende  50 Stunden die Woche am Fließband schafften und dort physisch anstrengende stumpfe Arbeit leisteten, bis heute eine große kulturelle Bedeutung. Aber selbst wenn durch ein Wunder die Ford und GM-Fabriken der 1960er und 1970er wieder auftauchten: Wer sollte da arbeiten? Die Generation Tiktok denkt gar nicht daran, heute solche Jobs zu übernehmen. Sie muss es auch nicht. Das nennt sich Automatisierung. Die Jobs sind weg und das ist auch gut so.

[….] "Real Time" host Bill Maher challenged one of President Trump's central arguments as he wages a tariff war among several countries.

"I have one basic question: Why do we want to bring back manufacturing?" Maher asked his panel on Friday. "It's so 70s, you know? I mean, that ship has sailed. You know, there are countries that make jeans for $11. We're never going to be that country again."

"China's moving into the AI age, and he wants to go back to manufacturing, which, by the way, if you create new jobs, who's gonna take them? Robots," Maher continued. "That's who's gonna take them anyway! He acts like progress itself is woke. And nobody spoke more against woke bulls--- than me, but progress itself is not woke. We've moved into a different era."  [….]

(Bill Maher)