Donnerstag, 21. August 2025

Realitätsresistenz

Der weltberühmte Historiker und Antisemitismus-Experte Timothy Snyder, just nach Toronto verzogen, bescheinigt Trump ein Problem: Anders als die US-Amerikaner, könne er Putin nicht mit sinnlosem Geschwafel ohne jegliche Faktenkenntnis überzeugen.

[….] Trump glaubt, er könne ausländische Staatsoberhäupter wie Amerikaner behandeln – indem er ihnen fantastische Versprechungen macht und sie in unausstehlicher Weise schikaniert. Aber Fantasterei funktioniert jenseits der Grenzen der USA nicht. Das leere Versprechen einer „wunderbaren“ Zukunft bewegt weder Diktatoren, die Verbrechen begehen, um ihre eigenen Visionen voranzutreiben, noch Menschen, die ihre Familien gegen eine verbrecherische Invasion verteidigen, die ihnen ihr Land und Vermögen stiehlt, ihre Kinder entführt und Zivilisten foltert und ermordet.

Putin hat keinen Grund, Trumps Vision einer wunderbaren Zukunft seiner eigenen vorzuziehen: einer Ukraine mit einer Marionettenregierung, einer durch Gewalt eingeschüchterten Bevölkerung, in Massengräbern verscharrten Patrioten und Ressourcen in russischer Hand.

Wie Trumps Fantastereien funktionieren auch seine Schikanen im Ausland nicht. Gewiss, viele Amerikaner haben Angst vor Trump. Er hat seine eigene Partei einer Säuberungsaktion unterzogen und hält die republikanischen Kongressabgeordneten mit Gewaltandrohungen auf Linie. Er setzt das US-Militär als Polizei ein, zuerst in Kalifornien und jetzt in Washington, D.C.

Zu akzeptieren, dass eine Invasion die Grenzen rechtlich verändern kann, zerstört die Weltordnung

Doch ausländische Feinde nehmen diese Einschüchterungstaktiken anders wahr. Die Maßnahmen, die die Amerikaner schockieren, erfreuen die Feinde der USA. In Moskau betrachtet man den Einsatz des Militärs innerhalb der USA als Zeichen von Schwäche.

Großsprecherei mag in den USA, wo wir Worte mit Taten verwechseln, Anklang finden. Aber in den Augen der russischen Führung verbirgt sich dahinter eine schwache Außenpolitik. Trump hat Russland außerordentliche Zugeständnisse gemacht, ohne dafür etwas zu bekommen. Russland hat sich revanchiert, indem es den Krieg in der Ukraine fortsetzt und Trump im staatlich kontrollierten Fernsehen verhöhnt. [….] Trump hat mit „ernsten Konsequenzen“ gedroht, falls Putin einen bedingungslosen Waffenstillstand nicht akzeptieren würde. Das war Gerede, und bisher waren die Folgen von Trumps Worten für Russland noch mehr Gerede. [….] Trump ist an die Grenzen seiner Fantasiewelt gestoßen. […..]

(Timothy Snyder, 19.08.2025)

Auch wenn die Mechanismen der „Trump-Delusion“ bekannt sind – ungebildetes Volk, Homeschooling, Kirchen, Seth Rogan, FOX News, Presseversagen – staunt man immer wieder, wie bereitwillig die 80 Millionen Trumpanzees auch die offensichtlichsten Lügen schlucken. Was hat der debile Orange nicht alles gebetmühlenartig versprochen, das aber nie eintrat: Obamacare abschaffen, Mexiko für die Mauer zahlen lassen, am Tag Eins den Ukrainekrieg beenden.

Blitzartig wollte er auch durch seine Zollpolitik die Lebensmittelpreise drastisch senken, obwohl jeder Drittklässler weiß, daß Zölle de facto eine Verbrauchersteuer sind und die Preise steigen lassen. Aber die lästige Realität erscheint völlig irrelevant. Während die neuralgischen Eierpreise in astronomische Höhen schossen, phantasierte TACO tagtäglich „EGGS ARE WAY DOWN“. Um 92% wären die Eierpreise schon gesunken.

Nun kann nicht jeder Wähler täglich die mexikanisch-amerikanische Grenze abgehen und aus eigener Ansicht den Stand des Mauerbaus beurteilen. Sie haben auch keine Ahnung, was im Donbass oder Gaza läuft, wenn ihr Haussender FOX, Netanjahu und Putin stets als Helden preist.

Denen kann man viel erzählen. Aber Supermarktpreise? Benzin?

Müssten nicht ALLE Amerikaner, außer der Dementen, Kleinstkindern und Superreichen, im täglichen Leben bemerken, daß genau wie zu erwarten und wie prognostiziert, durch Zölle und die Jagd auf Migranten, die Preise massiv ansteigen?


Wenn Trump aus Wut auf Brasilianische Richter, die seinen hochkriminellen Kumpel Bolsonaro anklagen, den wichtigsten Kaffee-Lieferanten mit 50% Sonderzöllen belegt, steigen – total überraschend – die Kaffeepreise.


Amerikanische Medien sprechen von FOODFLATION, weil die Lebensmittelpreise unter Trump derartig explodieren.

Besonders extrem trifft es Obst und Gemüse, weil da gleich drei Trump-Faktoren zusammenkommen.

·        Die Klimaerhitzungspolitik. Es herrscht Dürre im mit Abstand wichtigsten Erzeugerstaat Kalifornien.

·        Die Migrationspolitik. ICE-Agenten verjagen die dringend benötigten Erntehelfer.

·        Die Zollpolitik. Importgemüse wird zusätzlich besteuert.

Alles drei zusammen ergibt fast 40% Preisanstieg.

[…..] Den meisten Amerikanern dürften die warnenden Rufe von Wirtschaftsexperten und deren Modelle egal sein. Für sie zählt: Wird das Leben unter Trump besser und erschwinglicher oder nicht?

Diese Frage lässt sich noch nicht abschließend beantworten, doch zumindest eine gesunde Ernährung wird auf absehbare Zeit wohl teurer. Denn wie neue Zahlen des US-Bureau of Labor Statistics zeigen, sind die Produktionspreise für frisches Gemüse im Juli explodiert. Im Schnitt legten sie 38,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat zu. Ein gewaltiger Sprung, der ein erstes Anzeichen der Folgen von Trumps Zoll- und Migrationspolitik sein könnte. […..] Da sind die Zölle, die den Import von Produkten verteuern. Dass sich das zunächst bei Gemüse zeigt, ergibt Sinn. Denn einige Unternehmen haben bereits ihre Bestände aufgefüllt, bevor die meisten Zölle in Kraft traten, also noch zu niedrigen Preisen importiert. Bei frischem Gemüse ist das schwierig – längere Lagerzeiten sind nicht möglich.

Und noch etwas könnte den Preissprung beeinflusst haben: die massive Abschiebepolitik der Trump-Regierung. Denn um die hohen Abschiebequoten zu erreichen, hat die Abschiebe-Behörde ICE nicht davor zurückgeschreckt, auch bei Razzien auf landwirtschaftlichen Betrieben nach Arbeitsmigranten zu suchen und diese des Landes zu verweisen. Weniger Arbeiter bedeuten weniger Produktion. […..] Mehrere Experten rechnen mittelfristig mit steigenden Preisen in den USA. [….]

(Hamburger Abendblatt, 21.08.2025)

Schlechte Wirtschaftsdaten bekämpft Trump, indem er die Statistiker feuert, die sie errechneten.

Schlechte Approvalratings bekämpft Trump, indem er die sie veröffentlichenden Journalisten als „Fake-News“ beschimpft und sie verklagt.

Schlechte Wahlergebnisse bekämpft Trump, indem er sie nicht akzeptiert und einen wütenden Mord-Mob gegen die gewählten Vertreter losschickt.

Was aber, wenn immer mehr Trumpanzees im Supermarkt merken, wie extrem teuer alles wird, sich daraus Unzufriedenheit entwickelt und viele seiner Fans bei den Midterms zu Hause bleiben?

Nun, dafür lässt er mit großem Eifer Wahlgesetze verabschieden, die es potentiellen Demokraten erschweren überhaupt zu wählen und zwingt seine loyalen GOP-Gouverneure zu massiven Gerrymandering, um mehr republikanische Sitze rauszuholen.





Diese Farce könnte durch eine massive Wahlbeteiligung oder sehr hohe demokratische Zugewinne aber kompensiert werden. Daher stellt sich die Frage, ob es überhaupt noch Wahlen geben wird.

Mittwoch, 20. August 2025

Unsere Mitschuld am Trump-Desaster

Man kann dem Kalifornischem Gouverneur Gavin Newsom gar nicht genug für seine Troll-Trump-Social-Media Kampagne danken!

Endlich, nach so vielen Jahren, schafft es jemand, die größte Gefahr für die USA-Demokratie bloßzustellen: Den Gewöhnungseffekt an den Trump-Irrsinn. Die stoische Hinnahme all der Lügen, Hetze, Verfassungsfeindlichkeit und überbordender Borniertheit.


Im Nebeneffekt entlarven sich die Trumpesken Lügen-Medien, wie FOX-News, selbst, indem sie empört Newsom der Lächerlichkeit bezichtigen, die seines Amtes nicht angemessen sei. Wenn also Newsom Trump imitiert, findet FOX seine Gaga-Postings schlimm, für Trumps Original-Gaga-Postings, küssen sie ihm den Hintern.


Es sind aber keineswegs nur „die Medien“, „die Amerikaner“ oder „die Politiker“, die sich der Trump-Normalisierung schuldig machen, sondern wir alle.

So ein Mann gehört vollständig geächtet und boykottiert, dürfte nirgends empfangen werden, müsste mit einem totalen Kommunikationsbann belegt werden. Sein toxischer Wahnsinn sollte nicht medial multipliziert werden.

Was für eine gemeingefährliche, übergriffige, kriminelle Type der Politiker Trump ist, wissen wir alle aus dem Wahlkampf 2015/2016.

Mit seiner Amtsübernahme im Januar 2017 gab es Gewissheit für die Europäer: Die USA sind keine verlässliche militärische Schutzmacht und wenden sich auf globaler Ebene zu den Schurkenstaaten.

A posteriori weiß ich, wie naiv ich bis 2017 als Pazifist war, der es stets begrüßte, wenn die Bundeswehr geschrumpft wurde und weniger Milliarden in Kriegswaffen und Rüstung investiert wurden. Der Putin der Schröder-Jahre bis 2005, der sich in engster Abstimmung mit Frankreich und Deutschland 2003 intensiv gegen den GWB-Irakkrieg engagierte, war tatsächlich keine Bedrohung für „uns im Westen.“ Wozu also eine hochgerüstete Bundeswehr, wenn man mit den zig Milliarden Euro so viel besseres anfangen konnte? Das war Konsens von Links bis CDUCSU. Schließlich schrumpften die C-Minister der 16 Merkel-Jahre die deutsche Armee auf Bonsai-Niveau, trockneten ihre Bestände aus. CSU-Star Karl-Theodor von und zu Guttenberg schaffte die Wehrpflicht ab.

Aber der 2005er Putin existiert schon lange nicht mehr. Drei Daten – Krim 2014, Trump 2016 und Ukraine 2022 – lassen nicht mehr den geringsten Zweifel: Europa muss unbedingt eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik mit eigener EU-Armee schaffen. Alle Europäer haben massiv in Rüstung zu investieren.

Auch heute habe ich mich nicht, wie Hofreiter vom Paulus zum Saulus gewandelt und begeistere mich nicht für Panzer und Kanonen. Die Bundeswehr, alles Soldatische, Uniformen sind mir unsympathisch. An der Waffe wäre ich eine absolute Niete. Ich fände es viel schöner, wenn überall Frieden herrschte und sich im Zweifelsfall „irgendjemand anderes“ um unsere Sicherheit kümmerte.

Aber so ist die Realität nicht. Wir Europäer müssen das schon in die eigene Hand nehmen.

Daß das nicht geschah und wir acht Jahre nach Trumps ersten Amtsantritt immer noch hilflos im Hühnerhaufenmodus gackern, nicht mal in der Lage sind, der Ukraine genügend Munition zu liefern, ist ein nicht zu entschuldigendes kapitales Versagen der ökonomischen Megamacht EU. Wir machen es sogar noch schlimmer, indem wir uns mit dem aktuellen Trump-von der Leyen-Deal noch mehr in US-Abhängigkeit begeben, indem wir für mehrere hundert Milliarden Euro Waffen in den USA kaufen und damit Trumps Rüstungsindustrie boosten, statt endlich unsere Eigene zu entwickeln. Absolut erbärmlich.

Und so kommt es dann zu der Peinlichkeitsparade, die wir Montag im Weißen Haus erleben mussten, als sieben Top-Europäer als Statisten auftraten und Trumps irre Lügen lobten.

[….] Und am Montag? Man muss sich die Szenerie im Weißen Haus einmal vorstellen: Die mächtigsten Europäer, große Egos wie Macron, Merz und Meloni, sitzen in einem Nebenraum, während Selenskij seinen Termin, nun ja, beim Boss hat. Die ganze Welt kann dabei live zuschauen, doch ausgerechnet den Herrschaften fehlt ein Fernseher, auf dem sie den Auftakt des Treffens verfolgen könnten.

Sie schauen auf ihre Telefone, sie bekommen natürlich mit, dass Trump diesmal fast schon nett ist zu Selenskij. Dass er sogar dessen Kleidung lobt, denn wie vom Weißen Haus gewünscht hat der Ukrainer dieses Mal nicht ein tarnfarbenes T-Shirt oder einen grünen Pulli an, sondern ein schwarzes Jackett über einem schwarzen Hemd. Sein Anzug sieht immer noch militärisch aus, der Lage in der Ukraine angemessen eben. Aber auf eine moderne und dezente Art. Trump, dem Kleider wichtiger als der Krieg zu sein scheinen, gefällt das ganz offensichtlich.

Bei den Europäern im Wartezimmer sorgte das logischerweise für Erleichterung. „Man konnte sofort spüren, dass die Atmosphäre gut ist“, sagt ein Teilnehmer. Aber mischte sich da in das Aufatmen nicht auch ein Schuss Scham? Da hocken die Abgesandten des alten Kontinents im Wartezimmer und dürfen froh sein, dass der eitle, alte Mann im Oval Office einen guten Tag hat. Sieben Zwerge, wenn sie ehrlich sind, geparkt in irgendeiner Kammer des Bergkönigs. Eine Sternstunde europäischer Selbstbehauptung war das eher nicht.  [….] Man habe, so heißt es aus Diplomatenkreisen, inzwischen ja gelernt, wie man mit Trump umgehen müsse. Zuerst: Man muss ihn loben und ihm danken, je öfter und überschwänglicher, desto besser. Und dann muss man dem US-Präsidenten die Punkte, die einem wichtig sind, immer und immer wieder einhämmern, ihn „in das eigene Narrativ einhüllen“, wie einer es ausdrückt, damit der Amerikaner halbwegs auf Linie bleibt und nicht an Putins Narrativ glaubt. Wer dabei etwas zu Trump sagt, ist zuweilen ähnlich wichtig wie das, was gesagt wird.

Klingt etwas kindisch? Ja klar. Aber die europäischen Staats- und Regierungschefs sind darüber längst hinweg, zumal politisch enorm viel auf dem Spiel steht. „Trump ist, wie er ist“, lautet ein Kommentar, den man in Europa zum Verhandlungsstil des Amerikaners hört. Nützt nichts, sich darüber noch aufzuregen.

Also haben die sieben untereinander die Rollen verteilt. Ursula von der Leyen lobt noch mal den „größten Handelsdeal der Geschichte“, den Trump der EU, um es offen zu sagen, brutal aufgezwungen hat und den die Europäer im Raum natürlich eher als peinlichen Kniefall in Erinnerung haben. [….] Rutte entbietet Trump untertänigsten Dank [….]

(SZ, 19.08.2025)

Es ist unerträglich. Nur mit Magenkrämpfen kann ich der europäischen Selbstverzwergung zusehen. Ertragen, wie wir devot vor Sauron kriechen, um zu retten, was zu retten ist.

[….] Nach dem Besuch der europäischen Spitzenpolitiker in Washington stellt sich die Frage: Wie konnte sich die Welt so schnell an dieses Niveau gewöhnen? Das Treffen war ein neuer Höhepunkt geopolitischer Infantilisierung.

Eine »Meisterklasse der Diplomatie« nennt die »New York Times« das , was die europäischen Staatschefs Montag im Weißen Haus abgeliefert haben. Das stimmt vielleicht. Auf viele Zuschauer dürfte es trotzdem so gewirkt haben, als schauten sie gerade einer Liveübertragung von einem Spielplatz zu, auf dem ein Haufen Erwachsener versucht, ein besonders tumbes und jähzorniges Kind zu überreden, seine Sandschaufel zu teilen. Nur dass das Kind der mächtigste Mann der Welt ist. Und es bei dem Spiel um das Leben Tausender und die Zukunft der Weltordnung geht. [….] Das Niveau stieg nicht viel höher, als kurz darauf die europäischen Staatschefs dazustießen. Stattdessen musste man immer neue Wellen von Fremdscham aushalten, während ein europäischer Staatschef nach dem anderen dem amerikanischen Präsidenten bescheinigte, wie toll er das alles mache, wie wichtig das hier sei, wie einzigartig, wie bedeutend – und könne er bitte, vielleicht, daran denken, dass die Ukraine ein paar Sicherheitsgarantien brauche? Nur, wenn das nicht zu viel verlangt ist! [….] Die Schleimerei konnte ungestört weitergehen. Auch Emmanuel Macron, Keir Starmer und Alexander Stubb aus Finnland durften dem Präsidenten noch Honig ums Maul schmieren.

Das Ziel der unwürdigen Darbietung ist geradezu schmerzhaft klar: Trump wieder für sich einzunehmen, nachdem die ganze Welt am Sonntag beobachten konnte, wie aufregend dieser die Begegnung mit Wladimir Putin fand. [….] Diese Unterwerfungskunst mag derzeit realpolitisch der einzige Weg sein. Es ist nur besonders entmutigend, das alles so geballt erleben zu müssen. Wie schnell die Welt sich an dieses Niveau gewöhnt hat! [….] [….]

(Matern von Boeselager, 19.08.2025)

In diese extrem demütigende Lage haben wir Europäer uns ganz allein durch eigene Doofheit gebracht. Selbstverständlich ist Putin klug genug, um die selbstgewählte EU-Paralyse und die intellektuelle Unzulänglichkeit in Washington zu analysieren. Selbstverständlich ist er skrupellos genug, um unsere Misere auszunutzen. Wir klammern uns wie hilflose Babys an Trump, der a) viel zu verblödet ist, um Geopolitik zu verstehen und b) charakterlich so verdorben ist, Putin zu bewundern.

Die EU hat seit dem 24.02.2022 noch nicht einmal eine Strategie entwickelt. Keiner kann sagen, was Brüssel eigentlich will, wie wir uns die Zukunft der Ukraine vorstellen. Wie könnte der Krieg enden? Aus Europa gibt es dazu nur sehr große Fragezeichen.

[….] Warum sich Putin so bald nicht mit Selenskyj treffen wird

Der US-Präsident kündigt einen raschen Gipfel von Putin und Selenskyj an. Doch Trump durchschaut den Konflikt schlicht nicht richtig: Der Kremlchef hat andere Pläne – und schafft in der Ukraine weiter brutal Fakten. [….] Putin werde Selenskyj erst dann treffen, wenn eine Einigung zu seinen Bedingungen vorliegen würde, schreibt die im Exil lebende russische Politanalystin Tatiana Stanovaya auf X .

Der Kreml schindet deshalb Zeit. [….] Putin weiß, dass er mit dem Gipfel in Alaska, bei dem Trump ihm schöne Bilder auf dem roten Teppich und seiner Limousine schenkte , noch lange nicht am Ziel seines Plans ist. [….] Immerhin schaffte Putin es, Trump auf seine Linie zu bringen: Erst sollen Moskau und Kyjiw ein Friedensabkommen aushandeln, dann einen Waffenstillstand abschließen, fordert jetzt auch der US-Präsident. Und das trotz des Widerstands Selenskyjs und der Europäer. [….]  

Die westliche Militärunterstützung der Ukraine führt Putin als eine der »tieferen Ursachen« für den Konflikt an.

Und genau diese seien Trumps Problem, glaubt die Politologin Stanovaya. Der US-Präsident verstehe bei seinem Versuch, Russland und die Ukraine zu »versöhnen«, den größeren Zusammenhang nicht. Für Putin handele es sich um einen »Stellvertreterkrieg zwischen Russland und dem Westen«, schreibt sie auf X . Putin sehe diesen nicht als Krieg gegen die Ukraine an sich, sondern als Kampf gegen ein »umfassenderes langfristiges westliches Projekt zur Zerschlagung Russlands«. Für den Kremlchef sei dies die zentrale strategische Frage.  Trump sei jedoch bereit, nur über den Krieg zu verhandeln. Damit seien seine Bemühungen zum Scheitern verurteilt, selbst wenn beide Seiten ein Abkommen unterzeichnen würden, so Stanovayas Prognose. Der Konflikt in der Ukraine werde weitergehen.  […..]

(Christina Hebel, SPON; Moskau, 20.08.2025)

Neuerdings wird immerhin theoretisch überlegt, wie Sicherheitsgarantien für die Ukraine aussehen könnten. Dafür wären theoretisch eine halbe Million EU-Soldaten in Osteuropa notwendig. In der Praxis ist das aber de facto nicht umsetzbar, weil wir a) nicht mal ansatzweise so viele Soldaten haben, weil b) Russland das kategorisch ausschließt und aus Kriegsgrund wertet und c) sogar die CDUCSU sofort in Hühnerhaufenmodus verfällt. Außenminister Wadephul sagt heute dies, morgen das Gegenteil, Röttgen kann sich das irgendwie vorstellen, Kretschmer ist strikt dagegen, Merz planlos, CDU-Verteidigungsexperte Thomas Röwekamp rechnet mit einem Bundeswehreinsatz in der Ukraine. Spahn will die Diskussion über die Frage verbieten. Dafür kauft die EU aber wieder mehr russisches Gas, um Putins Kriegskasse zu füllen.

[…]  EU gibt mehr für russisches Flüssigerdgas aus

Die Europäische Union hat im ersten Halbjahr Flüssigerdgas aus Russland im Wert von rund 4,48 Milliarden Euro importiert. Das übersteigt die Ausgaben im gleichen Zeitraum des Vorjahres um knapp ein Drittel.  […..]

(Tagesschau, 19.08.2025)

Was sind Leyens Luschen nur für Loser?! Putin hat gut Lachen.

Alle unsere Vorstellungen von Sicherheitsgarantien sind nicht umsetzbar, also rutschen die Euler bettelnd auf Knien zu Trump, um sich auf den Mann zu verlassen, der maximal unverlässlich ist. Wir leben in einer Simulation. Es muss sich um einen gigantischen kosmischen Witz handeln.

[…..] Es war ein bisschen wie im Zirkus. Die Welt hat aufs Weiße Haus und die Parade der Staats- und Regierungschefs aus Europa gestarrt wie ein Zuschauer auf die Manege. Einen Unterschied gab es allerdings. Alle achteten nicht nur darauf, ob die aufmarschierte Riege ihre Kunststücke auch brav aufführt, sondern auch, ob der Dompteur in der Mitte seine Aufgabe beherrscht oder mal wieder zum Clown wird.

Donald Trump hatte völlig recht, als er diese surreale Szene in Washington als historisch einmalig bezeichnete. Die Anführer der mächtigsten Nationen Westeuropas, dazu die Chefs der wichtigsten Organisationen Europas und des transatlantischen Westens ad hoc an einem Tisch im Weißen Haus versammelt – das gab es noch nie jenseits der üblichen Jahrestreffen von G 7 oder Nato. Und Trump hat es persönlich genommen. Als Ausdruck der Macht, die Amerika in der Welt besitzt. Und die er, als Chef dieser Ordnungsmacht, ausübt.  […..]

(Reymer Klüver, SZ, 19.08.2025)

Dienstag, 19. August 2025

Handyverbot für Eltern

Neulich ließ ich mich einmal hinreißen. Tat etwas, das man als kinderloser Ü50-Mann niemals tun sollte. Ich kommentierte auf Bluesky einen Thread, in dem mehrere sächsische Jungmütter die Preise von Kita-Mahlzeiten und Schulkantinen beklagten. Es sei viel zu teuer, während sich „die Politiker“ in der Landtagskantine besseres Essen leisteten. Als Mütter fühlten sie sich nicht gewürdigt und „die Politiker“ dürften sich dann auch nicht über niedrige Geburtenraten wundern. Zahlreiche weitere Kindererzeuger posteten empört, die Summen, die ihre Brut in den Schulen für das Essen zahle. Ossi-Anspruchsdenken par excellence.

Mütter und Kinder sind ein heikles Thema in der Politik. Jede Partei inszeniert sich als besonders kinderfreundlich; es gibt hunderte verschiedene, sich teilweise widersprechende Familienleistungen in den Etats von Kommunen, Ländern und Bund. Aktuell bereitet die CSU-Mütterrente von 19 Euro dem Finanzminister Kopfzerbrechen.

Es dürfte unstrittig sein, daß es sich für den Staat lohnt, in die Jugend zu investieren, daß Bildung nicht vom Portemonnaie der Eltern abhängen darf, daß Kinder allein zu erziehen, ein enormes Armutsrisiko darstellt.

Ebenfalls unstrittig ist allerdings, daß die wenigsten der finanziellen Maßnahmen zielgerichtet sind; wie Kindergeld und Mütterrente nach dem Gießkannenprinzip auch an die ausgeschüttet werden, die es überhaupt nicht nötig haben. Von dem Ehegattensplitting profitiert man sogar, umso mehr, je reicher man ist, während bedürftige Mütter gar nichts davon haben.

Also, ja, liebe Mütter, die Ihr Euch über Kita-Kantinenpreise echauffiert: Ihr habt da einen validen Punkt; es geht sehr ungerecht zu. Außerdem ist es teurer, sich nicht um Kinder zu kümmern und sie bildungsfern in Prekariatsstrukturen aufwachsen zu lassen. So produziert man die Kriminellen und Transferleistungs-Abhängigen von morgen und nicht etwa, in die Rentenkasse einzahlende Gutverdiener.

Fast alle CDUCSUFDP-Politiker beklagen, es würde zu wenig gearbeitet in Deutschland. Die Bürger sind also faule Säcke, die es sich im Bürgergeld gemütlich machen?
Damit fehlinterpretieren Linnemannmerzspahn bewußt die Zahlen. Denn bei der durchschnittlichen Wochenarbeitszeit, werden die Teilzeitler mit eingerechnet. Oft Frauen, die durchaus mehr arbeiten möchten, das aber nicht können, weil es insbesondere in Westdeutschland, Bayern!, viel zu wenig Kinderbetreuung gibt.

Also ist mindestens ein Elternteil gezwungen, maximal eine halbe Stelle anzunehmen.

Rentenpolitiker, die sich über den demographischen Wandel grämen und überlegen, wie man mehr Beitragszahler generiert, sprechen schon von der Frauen-Reserve. Es gäbe natürlich eine höhere Durchschnittswochenarbeitszeit, wenn es überall genügend Kita-Plätze gäbe. Außerordentlich perfide, wenn ausgerechnet die konservativen Herdprämien-Politiker, die Mütter zu Hausfrauen machen möchten, gleichzeitig über die ihrer Ansicht nach zu geringe Arbeitsleistung in Deutschland klagen.

Die Bluesky-Damen regte ich aber auf, indem ich auf die seit des Pillenknicks konstant niedrigere Geburtenrate verwies. Kita-Essen-Preise haben offenbar keinen Einfluss auf das Gebärverhalten.

Ich wurde nach der Erfindung der Antibabypille geboren und kann über Preise der Schulverpflegung gar nicht mitreden, weil es das zu meiner Schulzeit in den 1970ern und 1980ern selbst im reichen Hamburg schlicht gar nicht gab.

Ich war in keiner Kita und habe weder in der Grundschule, noch im Gymnasium jemals etwas zu essen bekommen. Viele meiner Mitschüler bekamen das typische „Pausenbrot“ mit in den Ranzen gestopft, das sie in den großen Pausen vertilgten. Ich allerdings nicht, weil ich schon damals vormittags ohnehin nie aß. Ab ca der 8. Klasse schlichen wir heimlich in den Pausen vom Schulgelände und liefen zu einem kleinen Supermarkt, der fünf Minuten entfernt war. Man musste schon sportlich sein bei 20 Minuten Pause: 5 Minuten hin, Schlange stehen an der Kasse, 5 Minuten zurück.

Aber der VS, der 11. Klasse, verlagerte sich das Problem. Der Lehrermangel war so enorm, daß die Oberstufe stets Nullte Stunde (Beginn 07.05 Uhr) gefolgt von vielen Freistunden und dann wieder Unterricht oft erst in der 7., 8. Stunde. Gern unterbrochen von einer einzelnen Stunde mittendrin, so daß es sich nicht lohnte, nach Hause zu fahren. Aber in den Freistunden blieb genügend Zeit mit dem Bus ins nächste Einkaufzentrum zu fahren und da sinnlos rumzulungern. Wir kannten natürlich ganz genau die Preise der Kaffeeautomaten in der schäbigen Horten- oder Kaufhofkantine, hockten uns dahin, wo es am billigsten war. Scheußlicher Kaffee, nebenbei bemerkt – kein Vergleich zu dem was die Jugendlichen heute alles bei ihren obligatorischen „Coffee to go“ geboten bekommen.

Mein Mutter arbeitete in meiner Oberstufenzeit nicht, die meisten Mütter meiner Freunde aber schon. Normale Jobs. Allein drei waren Verkäuferinnen in dem EKZ, in dem wir uns vormittags rumtrieben.

Wie kann es also sein, daß ich geboren wurde? Und nicht verhungerte?
Daß die Mütter meiner Elterngeneration arbeiteten, Kinder bekamen ganz ohne Kitas und nachmittägliche Betreuung, daß sie uns Pausenbrot einpackten und wir ganz ohne irgendwelche Zusatzleistung der Schulen den Tag durchhielten?
Es liegt an der mangelnden Zeit, die den Jungmüttern durch ihr ewiges Messen mit anderen Müttern in ihren Whatsappgruppen verloren geht. Mütter und Väter hängen unablässig am Handy. Deswegen lassen sie auch ihre Kinder in Freibädern ersaufen.

So berichtet es Marcus Gross, Bademeister im Hamburger Holthusenbad.

[…] »Ich arbeite seit 2009 für Bäderland. Leider hat sich seitdem an der Unachtsamkeit vieler Eltern nichts geändert. Sie kommen ins Bad, setzen ihre Kinder ab und beschäftigen sich ab da mit ihrem Handy, lesen Zeitung oder trinken Kaffee. Ich erkläre ihnen dann, dass sie bei ihren Kindern sein müssen. Wenn die nicht schwimmen können, haben die Eltern auch im Wasser zu sein, ganz einfach. […] Viele Eltern unterschätzen die Gefahren. Sie glauben, Ertrinken sei laut und auffällig, wie im Fernsehen. Dabei ist es oft ein leiser Tod – gerade bei Kindern. Es ist erschreckend, wie schnell das passieren kann. Deshalb sage ich immer: Behalten Sie Ihr Kind im Blick und in Griffnähe, wenn es noch nicht schwimmen kann.

Einmal ging ein Vater kurz auf die Toilette und ließ sein Kind ohne Schwimmflügel allein. Es lief ins Wasser und trieb kurz darauf mit dem Gesicht nach unten, bis mein Kollege es rettete. Zum Glück ging alles gut, aber solche Fälle beschäftigen uns. In der Regel erfahren wir nachher auch nicht, wie es den Kindern geht. Selten kommt ein Dankeschön. […]

(SPIEGEL, 19.08.2025)

Das Thema spielte in meiner Kindheit eine große Rolle, weil es neben unserem Garten Teiche gab, in dem angeblich mal ein Nachbarskind ertrank. Schon meine Oma achtete daher stets mir Argusaugen auf ihre Kinder und predigte, sie müssten als erstes schwimmen lernen.

Auch ich wurde schon mit drei Jahren in eine Schwimmschule geschleppt. Ich erinnere mich immer noch an den Abschlusstag, als ich dachte, ich könne wirklich ganz gut schwimmen und dann von dem Schwimmlehrer mit allen meinen Klamotten ins Becken geworfen wurde. Erstaunlich, wie enorm die Kleidung unter Wasser nach unten zieht.

Wie im Holthusenbad, beobachte ich es auf dem betreuten Abenteuerspielplatz gegenüber meiner Wohnung. Muttern und/oder Vatern rücken mit ihren SUVs an, geben ihren Blagen einen Tritt in den Hintern und hängen in ihr Klugtelefon vertieft abseits auf den Bänken. Interessieren sich nicht die Bohne für ihre Leibesfrüchte.

Montag, 18. August 2025

Konkrete Verschwörungstheorie

Alle Augen sind natürlich gerade auf das Weiße Haus gerichtet, in dem Trump den Ukrainischen Präsidenten und seine Europäischen Freunde empfängt.

Die Lobhudeleien an Trump sind für mich schwer erträglich, aber da der orange getünchte Trampel sich nicht briefen lässt, über keinerlei Hintergrundwissen verfügt und sein Chefverhandler Witkoff genauso ahnungslos und unqualifiziert ist, war es eine gute Idee der Europäer, einfach mitzukommen. Denn wenn sie alle physisch bei ihm sitzen und sich gut einschmeicheln, begreift Trump womöglich, daß es eben nicht nur um irgendein einzelnes Land in Osteuropa geht, sondern auch alle anderen Staaten ein enormes Interesse daran haben, Putin zu stoppen.

[….]  An der Gesprächsrunde im Weißen Haus, die zunächst öffentlich übertragen wurde, nahmen neben Trump der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj, NATO-Generalsekretär Mark Rutte, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie mehrere europäischen Staats- und Regierungschefs teil: Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer, Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sowie der finnische Präsident Alexander Stubb.

Nachdem Trump die Teilnehmenden begrüßte und vorstellte, wurden erste Themenbereiche angesprochen. Bundeskanzler Friedrich Merz, den Trump als "sehr großen Anführer" lobte, machte erneut eine Waffenruhe in der Ukraine zur Voraussetzung für Friedensgespräche.

Laut Merz müsse es "mindestens eine Waffenruhe" geben, um die Glaubwürdigkeit solcher Verhandlungen zu garantieren. Die USA und Europa müssten deshalb "Druck auf Russland ausüben", betonte der Kanzler. Trump schloss eine Waffenruhe zwar nicht aus. Er sagte allerdings in Merz' Richtung, es gebe "viele Punkte" zu beachten.  [….]

(Tagesschau, 18.08.2025)

Wie genau diese Runde zusammengestellt wurde, weiß ich nicht.  Merz, Macron und Starmer repräsentieren die größten Länder. Meloni ist offenkundig dabei, weil sie am besten mit den Rechtsradikalen im Weißen Haus kann. Das gilt auch für Rutte, der sich schon als Meister der schleimspurziehenden Kriecherei an Trumps Hintern erwies.

Es stellt sich natürlich die Frage, wieso Stubb und nicht Ministerpräsidentin

Mette Frederiksen, welche die EU-Ratspräsidentschaft innehat und sich als besonders klar auftretende versierte Außenpolitikerin erwiesen hat.

Vermutlich, weil Trump sie nicht leiden kann. Er findet sie „nasty“, weil sie sich weigert, ihm Grönland zu überlassen. Unter dem Gesichtspunkt wäre es auch besser gewesen, Ursula von der Leyen in Brüssel zu lassen; sie kann auch so gar nicht mit Trump. Aber mutmaßlich war es wieder einmal Foto-Uschis berühmte Eitelkeit, die sie in die erste Reihe zwang.

Generell scheinen mir die großen Hoffnungen auf Verhandlungserfolge aber absurd zu sein. Denn die Frage ist doch, wie man bei einem Waffenstillstand, oder gar einem Friedensabkommen verhindern soll, daß Russland in zwei, vier oder zehn Jahren, wenn es seine Waffenvorräte aufgestockt hat, nicht wieder angreift und sich das nächste Stück aus der Ukraine oder aus Litauen reißt.

Eins wissen wir sicher: Putins Zusagen, Unterschriften, Versprechen sind vollkommen wertlos. Er hält sich ohnehin nicht dran. Das gleiche gilt auch für Trump. Was auch immer er im best case Szenario heute der Ukraine versprechen mag, ist morgen womöglich schon wieder vom Tisch.

Putin könnte durch eine NATO-Mitgliedschaft und eine Sicherheitsgarantie der NATO für die Ukraine wirkungsvoll abgeschreckt werden. Einige ventilieren die Idee, den berühmten NATO-Beistands-Artikel 5 auf das Nicht-NATO-Land Ukraine auszuweiten.

Aber das hat nicht nur Washington ausgeschlossen, sondern wird auch in anderen NATO-Staaten blockiert. Die baltischen Staaten sind NATO-Mitglieder und zweifeln schon sehr stark, ob Trump wegen irgendwelche Mini-Länder, die er nicht vom Balkan unterscheiden kann, einen Weltkrieg mit Putin riskieren würde. Umso weniger wahrscheinlich ist ein ALL IN für die Ukraine.

Ein ernsthaftes Hindernis für Putins Armee würde nur eine massive Truppenpräsenz von NATO-Soldaten bieten. 150.000 NATO-Soldaten im Baltikum, 50.000 in Polen und 300.000 in der Ostukraine.

Eine halbe Million aktive europäische Soldaten, die voll ausgerüstet in modernen Stützpunkten sitzen, über Drohen, Raketenabwehr und fähige Cybermethoden verfügen. Die in der Lage sind, unabhängig von Trumps Launen Aufklärung und Logistik zu betreiben.

Zum Vergleich: Die Bundeswehr verfügte in den 1970ern und 1980ern über knapp 500.000 Soldaten; heute sind es in Gesamtdeutschland ~180.000.
In Westdeutschland stationiert waren vor 1989 außerdem 246.000 Mann aus den USA,  44.000 Soldaten aus Frankreich, 60.000 Briten 26.500 Belgier, 7.500 Holländer und 8.000 kanadische Soldaten.  Insgesamt also rund 900.000 Soldaten in Westdeutschland.

In der DDR standen 380.000 sowjetische Soldaten plus 120.000 Familienangehörige. Die NVA hatte 170.000 aktive Soldaten.

Angesichts dieser Dimensionen wird klar, daß 500.000 NATO-Soldaten für Osteuropa eher bescheiden gerechnet sind.

Es ist aber 2025 eine völlig utopische Anzahl. Kein Westeuropäisches Land verfügt auch nur ansatzweise über genügend Truppen. Außenminister Wadephul schloss gestern aus, daß überhaupt deutsche Soldaten in der Ukraine stationiert werden könnten. Das ist das europäische Dilemma. Europa ist viel zu schwach, hängt an Trumps Rockzipfel und schaffte es in den vergangenen dreieinhalb Kriegsjahren nicht ansatzweise auch nur genügend Munition für die Ukraine zu produzieren.

 Putin sieht das und lacht.

Der gestrige Presseclub mit Susann Link zum Thema war wieder einmal erhellend. Ich empfehle dringend, sich die Sendung anzusehen.


Eine Frage schien aus dem Reich der Verschwörungstheorie zu kommen, wurde aber von allen vier unterschiedlich tickenden Gästen aufgeworfen.

Was hat Putin gegen Trump in der Hand? Was geschah im Beast? Gibt es das berüchtigte „Pee-Tape“ aus Moskau, das Putin ihm wieder zeigte?

Zu auffällig war der Stimmungswandel Trumps: Vor dem Treffen aufgekratzt und fröhlich, anschließend devot von fahrig. Er überließ Putin völlig das Heft des Handelns. Genau wie bei seinem berüchtigten Treffen 2018 in Helsinki.

 

Es waren Wirtschaftsdelegationen mit angereist, deren Treffen abgesagt wurden. Statt sechs Stunden, ging man nach nur drei Stunden auseinander, sagte das Dinner ab. Trump nahm alle Drohungen gegen Russland vom Tisch.

Was hat Putin also in dem geheimnisvollen Treffen zu sechst, oder unter vier Augen im Beast, zu Trump gesagt, das ihn so in sich zusammen sacken ließ?

[….] Drei Tage nach der Farce von Anchorage, die mit dem hochnotpeinlichen Applaus eines amerikanischen Präsidenten für den „Schlächter von Butscha“ auf dem Rollfeld einer US-Militärbasis ihren Anfang nahm und mit dessen kindlich-erregter Reaktion auf eine Einladung nach Moskau endete, fällt etwas auf. [….]  Amerika redet über Russland, die Ukraine und, sofern links der politischen Mitte verortet, darüber, wie Donald Trump zum x-ten Mal nach selbst gesetzten hohen Erwartungen und großen Drohungen in Richtung Russland beigedreht hat und als Bettvorleger gelandet ist. [….]  Nach der Liebedienerei von Anchorage drängt sich wieder die Frage auf: Was hat Putin gegen Trump in der Hand, auf dass der amerikanische Präsident dem Russen ohne rot zu werden permanent aus der selbigen frisst? Mit Strategie, politischer Güterabwägung oder der notorischen Sprunghaftigkeit Trumps ist die bizarre Vorstellung in Alaska jedenfalls nicht zu erklären. 

Weil sich beide Seiten den Fragen der düpierten Weltpresse verweigert haben, sind Mutmaßungen geradezu Pflicht. Dabei kommt man an dem innenpolitisch für Trump nach wie vor viel gefährlicheren Skandal um den Sexualstraftäter Jeffrey Epstein nicht vorbei, mit dem Trump jahrelang erschreckend dicke war. [….] Es mag verschwörungstheoretisch klingen: Trump und Putin fuhren in Anchorage, absolut ungewöhnlich, ohne jeden Zuhörer zusammen in der Präsidenten-Limousine „The Beast“. Diese wenigen Minuten, sie könnten die eigentlich entscheidenden des bizarrsten amerikanisch-russischen Gipfels seit Ewigkeiten gewesen sein. [….]

(Dirk Hautkapp, Abendblatt, 17.08.2025)

Ich kann selbstverständlich auch nur rätseln und will nicht verschwörungstheoretisieren. Aber offensichtlich ist auf Trumpmerica kein Verlass. Putin übt irgendeinen Einfluss auf den US-Präsidenten aus.

Europa muss sich selbst helfen und im Zweifelsfall autark gegen Russland und die USA aufstehen.

Unglücklicherweise sind wir dazu aber zu schwach und kein Politiker traut sich, dem Volk reinen Wein einzuschenken.