Heute sind 30 Tage FB-Knast vorbei. Ich war ein böser Junge!
Ich habe ein Trump-kritisches Bild meiner Instagram-Story
auch auf FB geteilt.
Das geht natürlich nicht! Blasphemie und
Majestätsbeleidigung war das. Schande über mich und ER LEBE HOCH, der beste, am
wenigsten rassistische, schönste, schlauste, liebevollste, höflichste,
bescheidenste und stabilstgenialste Präsident der ganzen Welt und aller Zeiten!
Nur um das mal klarzustellen.
Natürlich konnte ich alle Online-Medien dennoch verfolgen
und die klugen Meinungsäußerungen dazu lesen.
Ein bißchen hatte ich aber ehrlich gesagt doch das
Aufschaukeln der Meinungen in den Gruppenblasen vermisst. Zum Glück konnte ich
gleich wieder eine dieser typisch inzestuös-autoaggressiven
Da hatte eine junge Frau doch in einer monothematischen
20.000-Mitgliederstarken Gruppe ein ungeheuerliches Bekenntnis über sich selbst
gepostet. Sie wäre a) Single, b) kinderlos und c) glücklich darüber.
Als Antinatalist faszinieren mich die darauf unweigerlich folgenden Empörungsspiralen.
Zunächst gab es als Kommentare ein paar traurige
Selbstbekenntnisse auch Single zu sein, allerdings ein Unglücklicher, der auf
der Suche nach einem Partner wäre. Hinzu kamen einige alleinerziehende
Depressive, die beklagten wie schwierig es sei ihr Kind ohne Hilfe zu umsorgen,
aber, so versicherten alle, wie das Amen in der Kirche; sie liebten ihre Brut
gar sehr.
Hinzu kamen sogar vereinzelte Stimmen von Müttern, die
enthusiastisch von ihrer/m/n Sohn/Söhnen/Tochter/Töchter schwärmten und damit
zufrieden wären, keinen Mann an ihrer Seite vermissten.
Schon da fiel mir der tautologische Touch auf. Niemand
schreibt in dem Zusammenhang sachlich von „Sohn“ oder „Tochter“, sondern
garniert das automatisch mit redundanten Informationen, wie „11 Wochen alte“
oder „wunderschöne“ bis hin zu „die ich sehr liebe“.
Das brachte nun die Väter auf den Plan, die mit mahnendem
Zeigefinger ausführten, diejenigen, die keine Kinder hätten, könnten gar nicht
beurteilen wie glücklich Kinder machten und wie wundervoll es wäre Eltern zu
sein.
So eine Äußerung soll natürlich als Todschlagargument
fungieren: Wer keine Kinder hat, darf demnach gar nicht mitreden, weil er den
Sachverhalt ohnehin nicht beurteilen kann.
Das hat schon eine religiöse Komponente. Der Gläubige
spricht dem Atheisten auch in der Regel ab überhaupt über Glauben sprechen zu
dürfen, weil er prinzipiell im Irrtum sei. Extra Ecclesiam Nulla Salus.
Ganz vereinzelt meldeten sich aber weitere Mitleserinnen zu
Wort, die ebenfalls bekannten keine Kinder zu wollen.
Inzwischen war ich so
getriggert, daß ich begann ebenfalls ein Statement zu schreiben. Allerdings
konnte ich es nicht mehr absetzen, da der Thread dermaßen in gegenseitige
Beschimpfungen eskalierte, daß er vom Moderator gelöscht wurde.
Der totale Stopp der Diskussion war gerechtfertigt, da auch
nach meiner Erfahrung bei dem Thema in großen Gruppen keine Sachlichkeit walten
kann.
Viele Menschen betrachten ihre eigenen Kinder letztendlich als
ihre Existenzberechtigung und flippen daher erwartungsgemäß aus, wenn jemand
ihnen indirekt diesen Boden entzieht, indem er behauptet ohne Kinder glücklich
zu sein.
Die Argumente werden dann augenblicklich irrational und
gipfeln mit Liebesbekenntnissen zu dem eigenem Nachwuchs. Nichts sei so stark
wie das Band zwischen Mutter und Kind, kein Kinderloser könne das Glück ein
Kind zu haben begreifen.
Jeder Widerspruch an diesem Punkt der Diskussion wird als Infragestellung
der Liebe zum Kind aufgefasst und führt zu wütenden Reaktionen.
Dabei ist es wahrscheinlich simple Genetik. Jeder liebt sein
Kind. (Jeder bis auf wenige Ausnahmen). Jede Mutter bewundert die ersten
Schritte und Worte ihres Babys wie ein Weltwunder, hält ihr Kind für das
Klügste und Schönste in der Schulklasse. Das ist normal und biologisch
notwendig. So gut wie niemand wir rational rankend antworten „nun ja, mein Kind
ist so mittelmäßig attraktiv, eher dumm und nicht besonders liebenswert“. Zum
Glück, denn es wäre eine brutale Bürde für ein Kind mit vollkommen rationalen
Eltern aufzuwachsen.
Selbst rationale Eltern sind in diesem Punkt irrational und
gegen augenzwinkernd zu „ich weiß, jede Mutter hält IHR Kind für das Schönste,
aber meins ist wirklich das schönste“.
Als Antinatalist wäre ich sicher auch nicht frei von diesen Gefühlen.
Bekäme ich durch irrwitzige Umstände doch ein Kind, würde
ich es selbstverständlich auch verhätscheln, für das großartigstes Wesen der
Welt halten und im Vatersein aufgehen.
Aber das sind zwei verschiedene Ebenen. Wenn man sich a
priori dagegen entscheidet, dann geht es eben nicht um die Frage des Vaterseins
und der väterlichen Gefühle.
Das ist ähnlich wie mit der Diskussion mit einer
Schwangeren, die fragt, ob sie abtreiben soll.
Man kann da nur verlieren, weil man von außen objektiver
guckt. Wenn die Umstände so katastrophal sind, daß man zu einem
Schwangerschaftsabbruch rät, die Betroffene aber dennoch das Kind bekommt, wird
sie einem anschließend empört vorhalten, man habe gegen ihr geliebtes Kind
argumentiert.
Dabei hat man in Wahrheit weder ihre Liebe zum Kind, noch
das Kind selbst in Frage gestellt, sondern über eine eben nicht eingetretene
Realität ohne Kind gesprochen. Diese Fantasie-Realität ist aber obsolet, wenn
das Kind da ist.
Kinder absorbieren einen enormen Teil der emotionalen
Zuwendung ihrer Eltern. Das ist sicherlich für beide Parteien ein Vorteil.
Nicht betrachtet werden dabei aber dritte Parteien.
Es gibt viele Witze über den Freundeskreis der Kinderlosen,
den man als junge Eltern verlässt. Darin ist viel Wahrheit enthalten. Die
geistige Welt von Kinderlosen und jungen Eltern driftet automatisch stark
auseinander.
Wenn die Kinder erwachsener werden, lockert sich die soziale
Spaltung zwischen Kinderlosen und Eltern. Kinder können sich auch ihren Eltern
entfremden.
Damit komme ich zu der Kehrseite der Mutter/Vater-Kind-Bindung.
Kinderlose haben in der Regel natürlich auf diese Bindung zu
ihren eigenen Eltern und genau die bleibt intensiver bestehen, wenn die
erwachsenen Kinder selbst kinderlos werden.
Nicht umsonst wird Kinderkriegen allgemein als „Familie
gründen“ bezeichnet.
Das ist aber sachlich falsch, schließlich war man schon
vorher eine Familie, hatte Eltern, Geschwister, Onkel, Tanten, Cousinen.
Wird ein Paar schwanger, gründet es streng genommen also
keine Familie, sondern kapselt sich mit der Neugründung einer Familie von der
Bisherigen ab.
Natürlich spreche ich von modernen Großstadtfamilien und
nicht von früheren Verhältnissen als selbstverständlich alle Generationen in
einem Kral, einer Höhle, einem Schuppen wohnten.
Meine eigenen familiären Bindungen richteten sich immer an
die vorherigen und nicht die nachfolgenden Generationen.
Schon als Grundschüler begann ich damit regelmäßig Alters-
und Pflegeheime zu besuchen. Das habe ich bis heute beibehalten, weil ich sehr
genau weiß wie sehr die in Heimen weggesperrten unter ihrer Einsamkeit leiden
und wie dankbar sie sind, wenn sie Zuwendung bekommen.
Dabei habe ich über vier Dekaden ganz klar beobachtet, daß
sich die Kinderlosen viel leichter tun, weil sie einen intakteren Freundeskreis
haben. Das betrifft auch Heimbewohner mit kinderlosen Kindern, die sich in der
Regel sehr viel um ihre kranken und/oder pflegebedürftigen Eltern kümmern.
Die Heimbewohner, die
sich besonders allein fühlen, sind die Großeltern.
Deren Kinder haben nämlich ihren Fokus auf die eigenen Kinder
gerichtet, haben eine eigene/andere Familie gegründet, die sie automatisch von
der vorherigen Generation entfernt.
Das so hochgelobte emotionale Band zwischen Mutter und Kind hat
eine böse Kehrseite: Das Band zur Mutter der Mutter wird schwächer, wer nicht
mehr nur Kind, sondern auch Eltern ist, kann sich nicht mehr auf die eigenen
Eltern konzentrieren.
Das ist biologisch gesehen sicher auch sinnvoll, funktionierte aber besser in den letzten zwei Millionen Jahren, als Homo Sapiens ohnehin kaum je älter als 35 wurde.
Heute bleiben nach dem Klimakterium aber noch viele Dekaden
übrig.
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