Samstag, 26. Dezember 2015

Eviva España



Wirklich, als ob Urban Priol die Begründung verfasst hätte.
 So klingt die Erklärung der TIMES bweswegen Angela Merkel „Person of the year“ wurde.

Was für eine Auszeichnung für die Kanzlerin: Das US-amerikanische Time Magazine hat Angela Merkel zur "Person of the Year" ernannt. [….]
Merkel stehe an der Spitze des Rankings, "weil sie mehr von ihrem Land verlangt, als andere Politiker wagen würden, weil sie sich der Tyrannei entgegenstellt […] und weil sie in einer Welt eine unerschütterliche moralische Führung gibt, in der es daran mangelt", so Gibbs weiter. "Man kann mit ihr übereinstimmen oder nicht, jedenfalls nimmt sie nicht den einfachen Weg." Merkel zeige mit Menschlichkeit, Großzügigkeit und Toleranz wie deutsche Stärke genutzt werden könne um zu retten, nicht um zu zerstören.
[….] Drei Mal hätte die Europäische Union im Jahr 2015 am Abgrund gestanden, sei es aufgrund der Konfrontation mit Russland in der Ukraine, der Flüchtlings- oder der Eurokrise - Merkel hätte alle Krisen gemanagt. Sie sei die "de facto Anführerin der Europäischen Union, der wohlhabendsten Arbeitsgemeinschaft des Planeten". Nicht nur eine Auszeichnung für die Kanzlerin, auch eine innerhalb ihrer eigenen Grenzen als heftig zerstritten wahrgenommene Europäische Union.
Merkel als "Kanzlerin der freien Welt" und "Mutter der Flüchtlinge" - trotz der großen Zuschreibungen hebt das Heft die Bescheidenheit der "mächtigsten Frau der Welt" hervor, die noch immer ihre Lebensmitteleinkäufe selbst erledige. [….]

Schon lustig.

 Während Merkel als personifiziertes Polit-Vakuum zusah wie ihr Finanzminister jeden Solidaritätsgedanken aus Europa rauspöbelte, ihr engster Vertrauter triumphierend erklärte „Jetzt wir in Brüssel deutsch gesprochen“  (Kauder), ihr Kommissar Oettinger mit geradezu kafkaesker Debilität die EU-Kommission talibanisierte (jene Kommission, die auch noch vom erratisch stammelnden Edmund Stoiber („ich warne vor einer durchmischten und durchrassten Gesellschaft“) genervt wird) und die jede Kritik am Dublin-Verfahren barsch abbügelte, kürt sie ein US-Magazin zur Mrs. Europe.
Königin einer Institution, die durch ihre tätige Mithilfe zu implodieren droht, in der Griechenland und Portugal vor unlösbaren ökonomischen Problemen stehen, in der Italien jederzeit kippen kann, in der Polen und Ungarn sich im Rapidtempo zu einer rechtspopulistischen Diktatur umwälzen und in der rechtsradikale und strikt antieuropäische Parteien Rekordwahlergebnisse einfahren.

Merkel löst natürlich nicht das Flüchtlingsproblem, sondern trägt immer noch aktiv dazu bei mehr Fluchtursachen zu schaffen.

Die paramilitärische Krise in der Ukraine und die ökonomische Krise in Griechenland sind natürlich kein bißchen besser geworden. Im Gegenteil.
Sie sind nur aus dem Fokus der deutschen Öffentlichkeit geraten.

Die Folgen der wesentlich von Merkel durchgedrückten Austeritätspolitik, die noch niemals in der Geschichte funktioniert hat, werden uns noch lange heimsuchen. Unter der Knute der Brüsseler Vorgaben kann Athen gar nicht rauf die Beine kommen.
Auch hier trägt Merkel eine Hauptschuld daran, daß sämtliche Hilfsgelder bei deutschen Banken landen und zudem auch noch Firmen, die teilweise in Bundesbesitz sind, sich an der griechischen Misere bereichern.

Merkel ist in vielen Ländern Südeuropas so beliebt wie Fußpilz.
Und eben dieses partiell berechtigte Unbehagen über deutsche EU-Dominanz, die aber nicht dem Allgemeinwohl, sondern nur den reichen Anlegern dient, ist eine der Ursachen für den Höhenflug rechtsextremer Parteien in so vielen Ländern der EU.
Polen und Ungarn vollziehen eben die Metamorphose zum Putin-Staat (ähnliches passiert übrigens in Israel – aber das ist ein anderes Thema). Pressefreiheit wird aufgegeben, die Gerichte ihrer Unabhängigkeit beraubt, demokratische Elemente abgeschafft.
Gut möglich, daß in diesem Merkel-Klima der EU bald weitere Staaten folgen.

Es gibt allerdings eine Ausnahme und das ist Spanien.
Das große Spanien mit der unfassbaren Jugendarbeitslosenquoten von 50%, welches zeitweise zum größten ökonomischen Problem der EU avancierte.
Spanien ist übrigens ein sehr gutes Beispiel, um das Merkel-Schäuble-Mantra von den Staatsschulden als Krisenursache (weswegen also nur sparen hülfe) zu widerlegen.

Wer versteht schon so genau, was in Brüssel zum Thema Euro diskutiert wird?
Schäuble begreift vermutlich auch nicht was er tut - sonst würde er nicht in so krasser Weise das Volk belügen, wie er es tagtäglich tut.
Es merken allerdings nur wenige, obwohl man sich informieren könnte.
Aber die Materie schreckt scheinbar zu sehr ab. Besonders chuzpuös ist Schäubles Mantra-artiges Gejammer über die Schuldenmacherei der Südeuropäer, die die Krise verursacht habe.

Das klingt gut, ist aber unwahr.
Tatsächlich ist die Zinslast entscheidend für den Schuldendienst.
Beispiel: Irland zahlt 6% Zinsen, Deutschland nur 2,7%.

Das vermeidliche Problemland Spanien hatte sich unter der Regierung Zapatero bis zur Finanzmarkkrise 2008 vorbildlich entwickelt.

Spanien konnte seine Staatsschuldenquote seit der Einführung des Euros von fast 50% auf 30% im Jahre 2007 reduzieren. Am Vorabend der Krise konnte Spanien in nahezu allen finanzpolitischen Kennzahlen bessere Werte vorweisen, als Deutschland, Frankreich oder Großbritannien – das Wirtschaftswachstum und der Haushaltsüberschuss waren höher, die Staatsverschuldung niedriger. Die Finanz- und Wirtschaftskrise traf Spanien jedoch hart. Auch wenn die Wirtschaft in den zwei Folgejahren mit vier Prozent weniger schrumpfte als in Deutschland, so lief mit der steigenden Arbeitslosigkeit und durch die Kosten der Bankenrettungen der Staatshaushalt aus dem Ruder.
[…] In keinem Staat der Eurozone sind vor der Krise die „öffentlichen Haushalte ausgeufert“, wie es Finanzminister Schäuble wider besseren Wissens behauptet. Mit Behauptungen wie diesen, zündelt Schäuble jedoch am Fundament der Währungsunion. Anstatt den Herdentrieb Einhalt zu gebieten, indem man Spekulanten in die Schranken weist, heizt die deutsche Regierung Spekulationen gegen Euroländer durch ihre ideologische Borniertheit immer wieder an.
(Jens Berger 01.09.2011)

Die Staatsschuldenquote lag in Ländern wie Japan (195% BIP) oder England (86% BIP) viel höher als in den sogenannten Problemländern Irland (61%) oder Spanien (51%).
Auch der Anstieg der Schuldenquote (2008-2010) ist in GB (+43%) und Japan (30%) gewaltiger als in den vermeidlich unseriösen Südländern Europas, wie Italien (+13%) oder Portugal (+21%)

(Alles OECD-Zahlen)

England und Japan sind aber im Unterschied zu Griechenland und Portugal und Italien fiskalisch souverän und können ihre Zentralbanken benutzen, um Geld zu drucken. Beide Länder wären als finanzpolitisch souveräne Staaten wohl auch über die Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise hinweggekommen – Staaten wie Israel oder Ungarn weisen ganz ähnliche Schuldenquoten wie Portugal auf, ohne in Turbulenzen geraten zu sein. Dies hätte jedoch für Griechenland und Portugal eine höhere Inflation und eine Abwertung der Landeswährung bedeutet. Dieser Weg ist jedoch durch die Währungsunion versperrt, was durch die Spekulation an den „Finanzmärkten“ quittiert wurde. Zu den – angesichts der realen Gefahr einer Umschuldung keinesfalls unrealistisch hohen – Zinsraten, die von den Spekulanten für griechische und portugiesische Anleihen gefordert werden, kann sich kein Staat der Welt über längere Zeit refinanzieren.
(Jens Berger 01.09.2011)

Die Bankrotteure sind finanzpolitisch ahnungslose Gestalten wie Schäuble und Merkel, die mit Blick auf die verblödeten Wähler zu Hause lieber Vorurteile („die faulen Griechen…“) bedienen, statt zu erklären, was vor sich geht, oder gar etwas gegen die Krise zu unternehmen.

Der neue Ministerpräsident Rajoy tat dann vier Jahre das was Deutschland wollte. Sparen bis es quietscht.
Das Ergebnis am Ende seiner Legislatur im Dezember 2015 war ein ausgeblutetes Land ohne Jobs.
Mit dem Merkel-Epigonen Rajoy wollten die Spanier nichts mehr zu tun haben.

[…] Bei den Parlamentswahlen in Spanien ist die Partei von (Noch)-Ministerpräsident Mariano Rajoy mit gerade einmal 28,7 Prozent der Stimmen zwar stärkste Kraft geworden. Die Konservativen haben aber auch dramatisch verloren: Bei der letzten Wahl 2011 kamen sie noch auf fast 45 Prozent.
Nun ist es nicht mehr abzustreiten, wie sehr die Spanier ihren viel verspotteten Regierungschef und die von Korruptionsfällen gebeutelte Partei satt haben. […] Gerade noch so auf Platz zwei landeten die Sozialisten der Arbeiterpartei PSOE, die schon einmal 14 Jahre in Folge Spanien regierten, nun aber mit 22 Prozent der Wählerstimmen ebenfalls ein klägliches Ergebnis einfuhren. […] Tatsächlich ist die linke Formation um Pablo Iglesias trotz Platz drei der große Wahlsieger. Das war auch dessen strahlendem Gesicht anzusehen. […]  Podemos, erst 2014 gegründet, kam aus dem Stand auf 20,6 Prozent der Stimmen.
Die neuen Liberalen Ciudadanos um den katalanischen Anwalt Albert Rivera, die sich in Abgrenzung zu Podemos für einen "sanften politischen Wandel" in Spanien einsetzen, landeten zur Überraschung vieler mit rund 14 Prozent nur auf Platz vier. […]

Offenbar können Spanier auch, was dem deutschen Urnenpöbel ganz unmöglich ist: Eine Regierung abwählen.
Interessant ist aber das was die Spanier im Gegensatz zu so vielen anderen Europäern nicht tun:
Sie jammern nicht, sie schieben nicht den Schwächeren die Schuld zu, sie integrierten Millionen Flüchtlinge und helfen sich im Alltag selbst – ohne das es rechtsextreme Gewalt oder nennenswerte rechte Wahlerfolge gibt.
Sie stützen sich auf Eigeninitiative und Solidarität untereinander. Sie helfen sich und anderen und suchen keine Sündenböcke.

[…] Nein, der neue spanische Optimismus speist sich weniger aus Zahlen. Er erwächst aus dem Gefühl, dass die sozialen und humanitären Mechanismen wirken. Viele sind stolz auf Feuerwehrleute und Schlosser, die sich weigerten, bei den Zwangsräumungen mitzumachen. Stolz auf Leute wie Ada Colau, die landesweite Sprecherin der PAH, die im Frühjahr zur Bürgermeisterin von Barcelona gewählt worden ist. Man ist auch stolz darauf, in den vergangenen zehn Jahren Millionen Immigranten integriert zu haben - ohne staatlichen Integrationsmaßnahmen, und mehr oder weniger ausschließlich kraft der berühmten hiesigen Gastfreundschaft, die ja auch von den jährlich 60 Millionen Touristen so geschätzt wird. Offene Ausländerfeindlichkeit oder rechtspopulistische Parteien gibt es nicht in Spanien, was auch mit dem Trauma der faschistischen Franco-Diktatur zu tun hat. […]

Dafür, daß es in Spanien nicht solche wirklich ätzenden rechten Gewaltfreunde wie in Deutschland, Österreich, Ungarn, Polen, Holland oder Frankreich gibt, kann man viele Gründe finde.
Tatsächlich sind Spanier vor allem aber weniger raffgierig und kapitalistisch eingestellt, als die vielen Geldgierigen, die in der deutschen Neidkultur gedeihen.

[…] Ein intaktes Familienleben ist in Spanien stets wichtiger als berufliche Ziele. So wichtig, dass die sozialistische Regierung Zapatero vor zehn Jahren schon die Homo-Ehe einführte. Das war einerseits ein Zugeständnis an den Wandel, andererseits aber auch eine Maßnahme, die die familiäre Schutzfunktion auf einen Teil der Bevölkerung ausweitete, der bis dato auf Familie verzichten musste.
In einem solchen Umfeld gedeiht der Individualismus angloamerikanischer Prägung schlecht. Spanien war nie ein ökonomisch ambitioniertes Land, der Konsumismus und Größenwahn der Boomjahre war den meisten Spaniern im Grunde wesensfremd. […]

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