Montag, 26. Dezember 2016

CDU-Lügerei



Das ist eigentlich ziemlich dämlich.
Wann immer eine leichte Flunkerei, eine Falschmeldung, eine gefakte Newsmeldung oder eine bewußte Lüge zur Sprache kommt, sagt jeder einmal „postfaktisch“, man freut sich über die eigene Kenntnis dieses Neologismus‘ und die Angelegenheit ist erledigt.

„Postfaktisch“ im Trumpschen Sinne, ist aber das was ich seit sechs Jahren als „Post Truth Era“ in Bezug auf die US-Republikaner benenne.
Willkürliche Lügen, um Wählerstimmen zu generieren, sind ein alter Hut. Mit Postfaktizität ist aber gemeint, daß man keine Mühe mehr aufwendet, um die Lüge zu tarnen, weil das Auditorium a) viel zu ungebildet ist die Lüge zu durchschauen und es b) so stark ideologisch verzerrt denkt, daß es denjenigen, die Lügen enttarnen ohnehin nicht glaubt.

Die Teaparty agiert schon seit der Präsidentschaft Obamas auf diese Weise.
Trump perfektionierte die Methode, indem er so massiv und kontinuierlich log, daß er damit nicht nur in seinem ureigenen rechts-rassistischen Biotop reüssierte.
Da ihm auf großer Bühne immer mit dem Vorwurf er sei ein Lügner begegnet wurde, wurden diese Klagen langweilig. Die „Mainstreammedien“ wollten nicht mehr wie eine Platte mit Sprung klingen. News-Sender können schließlich nicht immer alte Hüte verkaufen.
Man sendete fürderhin Trump im O-Ton und ohne Factchecks, da es in der Medienwelt common sense war, es mit einem Lügner zu tun zu haben.
So erlebten die mäßig an Politik Interessierten beim zufälligen Hineinzappen einen unkommentierten Donald Münchhausen und hielten das für authentisch.
Und selbst wenn die innerparteilichen und demokratischen Gegner ihn der Lüge bezichtigten, so war das definitiv weniger unterhaltsam als die immer neuen Absurditäten Trumps.

Post-Truth-Era/Postfaktizismus heißt also, daß man mit Lügen politisch erfolgreich ist, sich aber keinerlei Mühe mehr beim Lügen gibt.

Es ist aber selbstverständlich ein großer Irrtum zu glauben, daß früher nicht in der Politik gelogen wurde, daß man früher nicht irreale Stimmungen genutzt hätte.

[….] Nichts an dem Wort "postfaktisch" ist schlauer als das morgendliche Kopfschütteln und "Alles Trottel"-Murmeln, wenn im Radio die Nachrichten kommen. Das Wort des Jahres mag das Wortnachschubbedürfnis derer stillen, die gerne "exorbitant" statt "doll" sagen, aber so viele sind das ja auch wieder nicht. Für etwas anderes ist das Wort "postfaktisch" nicht gut.
Es ist sogar schädlich, weil sich in ihm die selbstmitleidige Hybris derer spiegelt, die glauben, es gäbe eine tapfere Minderheit von Wahrheitskriegern, die mit nichts als der ehrenvollen Waffe der nackten Wahrheit kämpfen. [….] Wer glaubt, wir befänden uns in einem postfaktischen Zeitalter, ignoriert zumindest ganz postfaktisch die Tatsache, dass es in der Politik immer schon um Dinge ging, die nicht einfach "wahr" oder "falsch" sind, sondern sehr viel mit Emotionen zu tun haben.
Angst, Enttäuschung, Hoffnung, Wut, Solidarität, Sehnsucht, Rache- und Sicherheitsbedürfnisse sind alle ziemlich subjektive und doch wirksame Dinge. Sie alle haben seit jeher Politik am Laufen gehalten, und zwar am Laufen in einem grundlegenden Sinne und nicht in dem Sinne, dass ein paar rationale kühle Köpfe vor einer Horde dämlicher Zombies weglaufen, die Fake News auf Facebook gelesen haben.
[….] Wissen Sie noch, damals, als wir vor den Wahlen noch die Parteiprogramme aller zur Wahl stehenden Parteien durchgearbeitet haben? Als wir alle Zahlen und Begriffe, die uns in den Nachrichten irgendwie verdächtig vorkamen, in dicken Enzyklopädien und verzweigten Archiven nachschlugen, um zu verifizieren oder zu widerlegen, was geht? Wissen Sie noch? Ich auch nicht.
[….] Wenn man sich durch die politische Ideengeschichte liest, verbringt man viel Zeit damit, Leuten dabei zuzusehen, wie sie sich Dinge entweder schönreden oder wie sie an der Dummheit oder Verlogenheit der anderen verzweifeln. Rationalität und wasserdichte Faktenkenntnis waren nie die primären Merkmale von Politik oder der allgemeinen Mentalität. Die Vertreter des Positivismus haben versucht, eine solche Weltsicht zu etablieren - und entsprechend bekannt ist diese Denkrichtung heute: Keine Sau kennt sie. [….]

Springen wir einmal rund 15 Jahre zu den großen CDU-Spendenskandalen zurück.


CDU, CSU und FDP verhielten sich kriminell und die erwischten Politiker logen, daß sich die Balken bogen.
Soweit war es damals schon so wie heute.



Kohl, Schäuble, Merz, Koch, Bouffier, Kanther, Kiep oder Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein wurden auch durchaus beim Lügen ertappt.

Der Unterschied zu heute war aber, daß die Aufdeckung der CDU-Lügen skandalös war. Zeitungen machten voller Empörung mit der Nachricht auf.
Es war peinlich für die Ertappten und fortan verwendeten sie sehr viel Zeit und Mühe darauf sich herauszureden, Dinge zu verdrehen und Nebelkerzen zu werfen.


Richtig schlimme Lügen konnten auch politische Konsequenzen haben.
1987 wurde CDU-MP Barschel wegen seiner heftigen Lügereien abgewählt und der Lügner Wolfgang Schäuble verlor deswegen den Parteivorsitz.

Das bedeutet aber keineswegs, daß vor der Erfindung des Begriffs „postfaktisch“ enttarnte Lügen immer das Karriereende waren.

Den meisten Unions-Lügnern gelang es politisch zu überleben. Der Großlügner Roland Koch amtierte von 1999 bis 2010 als Ministerpräsident und wurde auch dann nicht wegen seiner langen Nase abgewählt, sondern hatte einfach keine Lust mehr von Merkel im Bund blockiert zu werden.


Wolfgang Schäuble war da schon längst wieder allseits beliebter Bundesminister.

Im Jahr 2016 hat man sich einfach an die immer dreisteren Lügen gewöhnt.
Typen wie de Maiziere, Schäuble und insbesondere Frau von der Leyen, die regelrecht allergisch gegen Fakten ist, lügen fröhlich vor sich hin und werden trotzdem kontinuierlich von den meisten Journalisten als hochseriöse und kompetente Politiker verkauft.

Die Neologismen „Fakenews“ und „postfaktisch“ beziehen sich im bundesrepublikanischen Diskurs des Jahres 2016 eher auf die AfD, obwohl CSU-Politiker kaum weniger dreist Lügen über Flüchtlinge verbreiten.

Die Abstumpfung ist enorm. Maischberger, Will und Co laden ständig die AfD- und CSU-Lügenkönige ein und überlassen ihnen devot kostenlose Werbezeit.
Es ist höchst unglaubwürdig, Postfaktizität zu beklagen und „von der Politik“ Maßnahmen gegen Fakenews zu verlangen, wenn die Presse selbst nicht endlich zum Angriff übergeht.
Wann immer ein Gauland, ein de Maizière, eine Petry oder ein Söder öffentlich lügt, muß das Schlagzeilen geben. Es muß dem phlegmatischen Urnenpöbel eingehämmert werden. De Maizière lügt. In Versalien bitte.


Die Worte „Unwahrheit, Lügner, faktenwidrig“ müssen in jedem Artikel mit dem Namen des Delinquenten so konsequent verknüpft werden, daß etwas hängenbleibt.


Konservative Wähler haben generell eine sehr viel höhere Toleranzschwelle gegenüber Lügen.
Außerdem ist die Kanzlerin und CDU-Parteivorsitzende außerordentlich Lügen-tolerant. Sie stand öffentlich von der Leyen, de Maizière und selbst dem Megalügner von und zu Guttenberg bei.
Sozis würde eine Postfaktizität-Konzentration wie de Maizière oder von der Leyen niemals verziehen werden.



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