Das ist
eigentlich ziemlich dämlich.
Wann
immer eine leichte Flunkerei, eine Falschmeldung, eine gefakte Newsmeldung oder
eine bewußte Lüge zur Sprache kommt, sagt jeder einmal „postfaktisch“, man
freut sich über die eigene Kenntnis dieses Neologismus‘ und die Angelegenheit
ist erledigt.
„Postfaktisch“
im Trumpschen Sinne, ist aber das was ich seit sechs Jahren als „Post Truth Era“
in Bezug auf die US-Republikaner benenne.
Willkürliche
Lügen, um Wählerstimmen zu generieren, sind ein alter Hut. Mit Postfaktizität
ist aber gemeint, daß man keine Mühe mehr aufwendet, um die Lüge zu tarnen,
weil das Auditorium a) viel zu ungebildet ist die Lüge zu durchschauen und es
b) so stark ideologisch verzerrt denkt, daß es denjenigen, die Lügen enttarnen
ohnehin nicht glaubt.
Die
Teaparty agiert schon seit der Präsidentschaft Obamas auf diese Weise.
Trump
perfektionierte die Methode, indem er so massiv und kontinuierlich log, daß er
damit nicht nur in seinem ureigenen rechts-rassistischen Biotop reüssierte.
Da ihm
auf großer Bühne immer mit dem Vorwurf er sei ein Lügner begegnet wurde, wurden
diese Klagen langweilig. Die „Mainstreammedien“ wollten nicht mehr wie eine
Platte mit Sprung klingen. News-Sender
können schließlich nicht immer alte Hüte verkaufen.
Man
sendete fürderhin Trump im O-Ton und ohne Factchecks, da es in der Medienwelt
common sense war, es mit einem Lügner zu tun zu haben.
So
erlebten die mäßig an Politik Interessierten beim zufälligen Hineinzappen einen
unkommentierten Donald Münchhausen und hielten das für authentisch.
Und
selbst wenn die innerparteilichen und demokratischen Gegner ihn der Lüge
bezichtigten, so war das definitiv weniger unterhaltsam als die immer neuen
Absurditäten Trumps.
Post-Truth-Era/Postfaktizismus
heißt also, daß man mit Lügen politisch erfolgreich ist, sich aber keinerlei
Mühe mehr beim Lügen gibt.
Es ist
aber selbstverständlich ein großer Irrtum zu glauben, daß früher nicht in der
Politik gelogen wurde, daß man früher nicht irreale Stimmungen genutzt hätte.
[….]
Nichts an dem Wort
"postfaktisch" ist schlauer als das morgendliche Kopfschütteln und
"Alles Trottel"-Murmeln, wenn im Radio die Nachrichten kommen. Das
Wort des Jahres mag das Wortnachschubbedürfnis derer stillen, die gerne
"exorbitant" statt "doll" sagen, aber so viele sind das ja
auch wieder nicht. Für etwas anderes ist das Wort "postfaktisch"
nicht gut.
Es ist sogar schädlich,
weil sich in ihm die selbstmitleidige Hybris derer spiegelt, die glauben, es
gäbe eine tapfere Minderheit von Wahrheitskriegern, die mit nichts als der
ehrenvollen Waffe der nackten Wahrheit kämpfen. [….] Wer glaubt, wir befänden uns in einem postfaktischen Zeitalter,
ignoriert zumindest ganz postfaktisch die Tatsache, dass es in der Politik
immer schon um Dinge ging, die nicht einfach "wahr" oder
"falsch" sind, sondern sehr viel mit Emotionen zu tun haben.
Angst, Enttäuschung,
Hoffnung, Wut, Solidarität, Sehnsucht, Rache- und Sicherheitsbedürfnisse sind
alle ziemlich subjektive und doch wirksame Dinge. Sie alle haben seit jeher
Politik am Laufen gehalten, und zwar am Laufen in einem grundlegenden Sinne und
nicht in dem Sinne, dass ein paar rationale kühle Köpfe vor einer Horde
dämlicher Zombies weglaufen, die Fake News auf Facebook gelesen haben.
[….]
Wissen Sie noch, damals, als wir vor den
Wahlen noch die Parteiprogramme aller zur Wahl stehenden Parteien
durchgearbeitet haben? Als wir alle Zahlen und Begriffe, die uns in den
Nachrichten irgendwie verdächtig vorkamen, in dicken Enzyklopädien und
verzweigten Archiven nachschlugen, um zu verifizieren oder zu widerlegen, was
geht? Wissen Sie noch? Ich auch nicht.
[….]
Wenn man sich durch die politische
Ideengeschichte liest, verbringt man viel Zeit damit, Leuten dabei zuzusehen,
wie sie sich Dinge entweder schönreden oder wie sie an der Dummheit oder
Verlogenheit der anderen verzweifeln. Rationalität und wasserdichte
Faktenkenntnis waren nie die primären Merkmale von Politik oder der allgemeinen
Mentalität. Die Vertreter des Positivismus haben versucht, eine solche
Weltsicht zu etablieren - und entsprechend bekannt ist diese Denkrichtung
heute: Keine Sau kennt sie. [….]
Springen
wir einmal rund 15 Jahre zu den großen CDU-Spendenskandalen zurück.
CDU, CSU
und FDP verhielten sich kriminell und die erwischten Politiker logen, daß sich
die Balken bogen.
Soweit
war es damals schon so wie heute.
Kohl,
Schäuble, Merz, Koch, Bouffier, Kanther, Kiep oder Casimir Prinz zu
Sayn-Wittgenstein wurden auch durchaus beim Lügen ertappt.
Der
Unterschied zu heute war aber, daß die Aufdeckung der CDU-Lügen skandalös war.
Zeitungen machten voller Empörung mit der Nachricht auf.
Es war
peinlich für die Ertappten und fortan verwendeten sie sehr viel Zeit und Mühe
darauf sich herauszureden, Dinge zu verdrehen und Nebelkerzen zu werfen.
Richtig schlimme Lügen konnten auch politische Konsequenzen haben.
1987
wurde CDU-MP Barschel wegen seiner heftigen Lügereien abgewählt und der Lügner
Wolfgang Schäuble verlor deswegen den Parteivorsitz.
Das bedeutet
aber keineswegs, daß vor der Erfindung des Begriffs „postfaktisch“ enttarnte
Lügen immer das Karriereende waren.
Den
meisten Unions-Lügnern gelang es politisch zu überleben. Der Großlügner Roland
Koch amtierte von 1999 bis 2010 als Ministerpräsident und wurde auch dann nicht
wegen seiner langen Nase abgewählt, sondern hatte einfach keine Lust mehr von
Merkel im Bund blockiert zu werden.
Wolfgang
Schäuble war da schon längst wieder allseits beliebter Bundesminister.
Im Jahr
2016 hat man sich einfach an die immer dreisteren Lügen gewöhnt.
Typen
wie de Maiziere, Schäuble und insbesondere Frau von der Leyen, die regelrecht
allergisch gegen Fakten ist, lügen fröhlich vor sich hin und werden trotzdem
kontinuierlich von den meisten Journalisten als hochseriöse und kompetente
Politiker verkauft.
Die
Neologismen „Fakenews“ und „postfaktisch“ beziehen sich im bundesrepublikanischen
Diskurs des Jahres 2016 eher auf die AfD, obwohl CSU-Politiker kaum weniger
dreist Lügen über Flüchtlinge verbreiten.
Die
Abstumpfung ist enorm. Maischberger, Will und Co laden ständig die AfD- und
CSU-Lügenkönige ein und überlassen ihnen devot kostenlose Werbezeit.
Es ist
höchst unglaubwürdig, Postfaktizität
zu beklagen und „von der Politik“ Maßnahmen gegen Fakenews zu verlangen, wenn
die Presse selbst nicht endlich zum Angriff übergeht.
Wann
immer ein Gauland, ein de Maizière, eine Petry oder ein Söder öffentlich lügt,
muß das Schlagzeilen geben. Es muß dem phlegmatischen Urnenpöbel eingehämmert
werden. De Maizière lügt. In
Versalien bitte.
Die
Worte „Unwahrheit, Lügner, faktenwidrig“ müssen in jedem Artikel mit dem Namen des
Delinquenten so konsequent verknüpft werden, daß etwas hängenbleibt.
Konservative
Wähler haben generell eine sehr viel höhere Toleranzschwelle gegenüber Lügen.
Außerdem ist die Kanzlerin und CDU-Parteivorsitzende außerordentlich Lügen-tolerant. Sie stand öffentlich von der Leyen, de Maizière und selbst dem Megalügner von und zu Guttenberg bei.
Außerdem ist die Kanzlerin und CDU-Parteivorsitzende außerordentlich Lügen-tolerant. Sie stand öffentlich von der Leyen, de Maizière und selbst dem Megalügner von und zu Guttenberg bei.
Sozis würde eine Postfaktizität-Konzentration wie de Maizière oder von der
Leyen niemals verziehen werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Feedback an Tammox