Daß Gläubige in Kirchen, auf Pilgerreisen oder Weihnachtsmärkten weggerafft werden, sind nur besonders augenfällige Varianten des altbekannten Theodizee-Beweises der Nicht-Existenz Gottes. Der geht stark vereinfacht so: Die beiden Definitionen des abrahamitischen Gottes; einerseits Güte und andererseits Allmacht; schließen sich angesichts des Leides auf der Welt aus.
Seit ein paar Tausend Jahren überlegen die schlausten Köpfe der Welt, wie sich die Existenz eines Gottes beweisen ließe. Eine Antwort fiel niemand ein.
Für uns Atheisten ist es viel einfacher; wir brauchen keine Jahrtausende, sondern nur eine Minute, um den Glauben an Gott in ein Paradoxon zu führen.
Gott kann keinen Stein erschaffen, der so schwer ist, daß er ihn nicht heben kann. Könnte er so einen Stein machen, könnte er ihn nicht anheben und wäre damit nicht allmächtig, also auch kein Gott. Könnte er nicht so einen Stein machen, wäre er nicht allmächtig und damit kein Gott.
Gott heilt keine Amputierten, sondern nur solche Krankheiten, bei denen einen Spontanremission möglich ist.
Aber auch diese Abwandlungen der Theodizee-Frage sind eine Jahrtausende bekannte Problematik, die nie ein Theologe oder Geistlicher beantworten konnte.
(….) Gerätselt darüber wurde aber schon vor 3.000 Jahren im alten China, bei den Sumerern, in Indien, im Iran, Babylonien und Ägypten. Eine Antwort fiel nie einem ein. Zu offensichtlich ist die Tatsache, daß ein Gott nicht gleichzeitig allmächtig und gut sein kann.
Fall A) Ein allmächtiger Gott existiert nicht.
Fall B) Ein allmächtiger Gott existiert. Dann zeigen aber Auschwitz und die weiteren bekannten Genozide, daß er ein Arschloch sein muß und das ist per Definition eben nicht göttlich. Also existiert eben doch kein (lieber) Gott.
Was ich hier wieder einmal skizziere, ist das alte Theodizee-Problem.
Der Begriff wurde durch
Gottfried Wilhelm Leibniz, dem letzten Universalgelehrten der Geschichte in
seiner Abhandlung „Essai de Théodicée“
(1710) geprägt. Damit griff er aber einen Jahrtausende alten Gedankengang auf.
Die große Theodizee-Frage („Rechtfertigung Gottes“) wird immer wieder gestellt
- seit Jahrtausenden, seit Epicur.
Sextus Empiricus, der Arzt und Philosoph des 2. Jahrhunderts, formulierte das
Dilemma folgendermaßen:
Entweder will Gott die Übel
beseitigen und kann es nicht:
Dann ist Gott schwach, was auf ihn nicht zutrifft,
Oder er kann es und will es nicht:
Dann ist Gott missgünstig, was ihm fremd ist,
Oder er will es nicht und kann es nicht:
ist er schwach und missgünstig zugleich, also nicht Gott,
Oder er will es und kann es, was allein für Gott ziemt:
Woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht hinweg?
Ich persönlich halte mich da an die Antwort des
Ausschwitzüberlebenden Yehuda Bauers- die ich logisch einfach bestechend finde.
„In letzter Zeit war die Leistungsbilanz Gottes, was die Juden anbelangt
nicht gerade überwältigend." Er könne nicht zugleich allmächtig und
gerecht sein - denn wäre er es, hätte er Ausschwitz nicht zugelassen. Doch
offensichtlich konnte er es nicht verhindern.
Und was ist wenn es einen Gott gibt, der Ausschwitz verhindern wollte, aber
nicht konnte?
Auch dazu hat Bauer eine einfache Antwort: „Ein armer Kerl, der Unterstützung
braucht, der sich seine Stärke von uns holen muß - einen solchen Gott brauche
ich nicht!“
Interessanter als die große Theodizee-Frage an sich finde ich die Tatsache, daß
professionelle Priester, Ordensleute und klerikaler Hochadel nach 2000 Jahren
Kopfzerbrechen immer noch keine Alibi-Antwort gefunden haben.
(Die Christen des Tages – Teil XIII und Teil XIV – 07.01.2010) (….)
Corona, Ukraine, Gaza haben es in jüngster Zeit besonders
eindrücklich gezeigt: Gott kann nicht existieren. Genau die Belege dafür listet
auch SZ-Chef-Religiot Heribert Prantl auf. In den letzten Monaten schien er
wieder zur Vernunft gekommen zu sein, schrieb einige sehr gute politische
Kolumnen.
Würde er angesichts der Schrecken der Welt und der offensichtlichen „Gottverlassenheit“
endlich die Kurve bekommen?
[….] Auf jedem Weihnachtsmarkt gibt es eine Menge von Engeln, auf dem in Magdeburg auch. Und es gibt den berühmten Vers aus dem Psalm 91, der der beliebteste aller Bibelsprüche ist: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen.“ Sie haben das nicht getan, als ein Attentäter am Freitag fünf Menschen totgefahren und über zweihundert verletzt hat. Sie haben das auch nicht getan, als ein Terrorist vor acht Jahren einen Lkw in den Weihnachtsmarkt auf dem Berliner Breitscheidplatz lenkte und 13 Menschen tötete. [….] Es war auch das Jahr, in dem sich ein junger, psychisch kranker Co-Pilot auf dem Rückflug von Spanien nach Deutschland im Cockpit seines Flugzeugs eingeschlossen hatte, um den Airbus A 320 zum Absturz zu bringen und sich auf diese Weise umzubringen. Er steuerte das Flugzeug gegen einen Berg, alle 150 Insassen kamen ums Leben – darunter eine Schulklasse des Joseph-König-Gymnasiums Haltern am See in Nordrhein-Westfalen. Mir war dazu der schon zitierte Satz aus dem Psalm 91 eingefallen, der angesichts so eines Wahnsinns wie ein Hohn klingt: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen.“ Über die böse Trostlosigkeit des Satzes habe ich deshalb meinem Freund, dem Pfarrer Franz, geklagt – und dann in meinem Weihnachtstext darüber geschrieben: Wo waren die Engel beim Germanwings-Flug 4 U 9525? Wo waren sie? Genau das habe ich dann am Dreikönigstag des jetzt ablaufenden Jahres 2024 wiederum ganz bitterlich gefragt, als mein Freund Franz bei einem furchtbaren Unglück ums Leben kam: Wo waren die Engel an seinem schrecklichen Todesabend? Warum lässt ein Gott, wenn er denn existiert, geschehen, dass ein Mensch auf grausamste Weise umkommt? [….] Die große Frage lautet: Warum lässt Gott, wenn er denn existiert, so unendlich viel Leid, warum lässt er Vernichtung und Ausrottung zu? Wo ist die göttliche Allmacht in den Folterkellern der Diktatoren? Wo ist sie in den Trümmerwüsten von Gaza? Wo ist sie, wenn Millionen von Menschen vor Hunger krepieren? Oder gibt es sie gar nicht, die göttliche Allmacht? Müsste man sich verabschieden von der Vorstellung eines allmächtigen Gottes? Braucht man eigentlich so einen Gott, mit dem man die Welt erklären und jedes Leid verklären kann? [….]
(Heribert Prantl, 22.12.2024)
Sehr schön herausgearbeitet, Prantl. Die einzig logische Konsequenz dieser Betrachtung ist die: Gott existiert nicht. Religion ist Bullshit.
Wird also auch Prantl vom Glauben abfallen? Oder glaubt er ernsthaft, nach 3.000 Jahren der vergebliche Suche, eine Antwort auf die WARUM DAS LEID-Frage gefunden zu haben? Weiß Prantl, wieso ein GUTER und ALLMÄCHTIGER Gott seelenruhig zusah, als sechs Millionen Juden in deutschen KZs massakriert wurden?
Da müsste schon eine Knaller-Erklärung kommen, wenn Prantl weiterhin an einen gütigen Gott glaubt. Aber es kommt nur das:
[….] Wo waren die Engel bei der Katastrophe, die in Bethlehem immerhin da waren? Die Frage schmerzt, sie kann einen verrückt machen. Klar, wir kennen die Antwort, mein Freund Franz kannte sie natürlich auch: Die Engel sind keine himmlische Eingreiftruppe. Das Neue Testament lehrt es so: erst Krippe, dann Kreuz. Und unsere Lebenserfahrung lehrt das auch: erst Krippe, dann Kreuz. Wir alle spüren, dass die Lebensrisiken größer werden, und wollen sie abwenden. Statt gegen die Ursachen zu rebellieren, hoffen wir, ob wir gläubig oder ungläubig sind, auf Engel oder sonstige Heilbringer, die es wieder richten. Das tun sie nicht. Wir verlernen dabei, wer die wahren Engel sind: Die wahren Engel sind Leute, die fest daran glauben, dass Menschlichkeit und Gewaltlosigkeit möglich sind, und die danach handeln. [….]
(Heribert Prantl, 22.12.2024)
Und da ist sie wieder, die Inselverarmung der klugen Religösen!
(….) Es gibt eindeutig Korrelationen zwischen Bildung und IQ einerseits und Spiritualität und Religiotie andererseits.
Unzählige Umfragen zeigen, daß die Religiosität mit höherer Bildung abnimmt. Typischerweise sind die amerikanischen Eliteunis Hochburgen des Atheismus, während die Highschool-Dropouts im Biblebelt, die auch glauben in Brasilien spreche man brasilianisch und der Kanzler von Deutschland hieße Hitler, jedes Wort der Bibel ernst nehmen.
Unter Intellektuellen gibt es die höchste Atheistenquote. Aber genauso wie einige Atheisten dennoch Idioten sein können, gibt es auch Hochgebildete, die trotzdem sehr überzeugte Christen/Juden/Moslems sind. Warum bloß?
Die einzige Erklärung, die ich bisher für dieses scheinbare paradox habe ist die gewissermaßen neurologische Argumentation Michael Schmidt-Salomons. Stichwort „Inselverarmung“
Solange nämlich Religioten
das Sagen auf unserem Planeten haben - und das haben sie leider, Mensch sei’s
geklagt, in vielen Teilen der Welt -, sind alle Versuche, das Zusammenleben der
Menschen vernünftiger, freier, gerechter zu gestalten, notwendigerweise zum
Scheitern verurteilt. (Denken Sie nur an die muslimischen Extremisten in
Somalia, die 2011 dringend benötigte internationale Hilfe für die hungernde
Bevölkerung nicht zuließen.) Versuchen wir also angesichts der Bedeutung dieses
Phänomens eine kurze Definition des religiotischen Syndroms:
Religiotie ist eine selten diagnostizierte (wenn auch häufig auftretende) Form
der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination
vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird. Sie führt zu deutlich
unterdurchschnittlichen kognitiven Leistungen sowie zu unangemessenen
emotionalen Reaktionen, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht.
Bemerkenswert ist, dass sich Religiotie nicht notwendigerweise in einem generell reduzierten IQ niederschlägt: Religioten sind zwar weltanschaulich zu stark behindert, um die offensichtlichen Absurditäten ihres Glaubens zu erkennen, auf technischem oder strategischem Gebiet können sie jedoch (siehe Osama bin Laden) hochintelligent sein. Wie es „Inselbegabungen“ gibt (geistig behinderte oder autistische Menschen mit überwältigenden mathematischen oder künstlerischen Fähigkeiten), so gibt es offensichtlich auch „Inselverarmungen“ (normal oder gar hochintelligente Menschen, die in weltanschaulicher Hinsicht völlig debil sind).
Religiotie sollte daher als „partielle Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe Franz Buggle schon vor Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu erfassen.
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