Ihr Tonfall hätte nicht weniger schockiert sein können, wenn Lothar Matthäus, Desiree Nick oder Evelyn Burdecki Spitzenkandidat/in für die Grünen geworden wären. Habeck! Was der sich einbilde!
Bekanntlich bin ich seit mehr als drei Dekaden SPD-Parteigenosse, aber in so einem Fall verteidige ich natürlich den Grünen und entgegnete ohne zu zögern, „finde ich gut! Ich hoffe, er wird Kanzler!“ Daraufhin musste sie sich erst mal setzen.
Zur Erläuterung: Sie hatte als Ladenbesitzerin bei der Bundestagswahl 2021 FDP gewählt, weil sie fand, es müsse endlich auch mal jemand an die Wirtschaft denken!
Vor drei Jahren war ich damit gescheitert, ihr den Unsinn auszureden, konnte mir aber seither nicht verkneifen, immer mal wieder darauf hinzuweisen, daß meine Prophezeiungen über die korrupte Chaos-FDP voll eingetroffen sind, während ihre damaligen Erwartungen an die gelbe Pest alle enttäuscht wurden.
Sie weiß, daß ich neuerdings einen deutschen Pass habe und 2025 erstmals an der Bundestagswahl teilnehmen werde. Und SPD wählen werde. In dem Punkt werden wir uns sowieso nicht einig, weil ich aus ihrer Sicht reiner Theoretiker bin und sie als Unternehmerin – also in der Praxis des Lebens stehend – nicht SPD wählen könne.
Das versuchte ich auch gar nicht erst, sondern hämmerte „wen willst Du denn bitte sonst wählen? Wen findest Du denn so viel besser als Habeck?“
Mir war schon klar; als Einwanderin und emanzipierte Frau, käme Merz oder noch weiter rechts nicht in Frage für sie. Die FDP verbrannt. Die Grünen sind an allem Schuld. Und die SPD will sie sowieso nicht, weil die mit dem doofen Lauterbach bei Corona fast ihr Geschäft kaputt gemacht hätten und Scholz könne sie schon dreimal nicht leiden. Dieser Autist. Wie überheblich der schon immer grinse!
Ich wollte sie aber nicht vom Haken lassen und presste hart: Also WEN denn nun? Irgendeinen musst du ja wählen!
Derart in die Ecke getrieben, wiederholte sie zunehmend verzweifelt „ich weiß es nicht! Ich weiß es echt nicht!“
An dieser Stelle folgt üblicherweise eine Litanei über das miese Personal in der heutigen politischen Szene. Wie viel besser es früher gewesen wäre, als wir noch echte Typen hatten. Charakterköpfe. Strauß, Scheel, Schiller, Brandt, Bahr, Schmidt, Wehner. Solche Typen gäbe es gar nicht mehr.
Ich verstehe was gemeint ist. Aber diese Jammerei ist ungerecht. Denn es treten durchaus mal „Typen mit Charakter“ an, die den allgemein geforderten „Klartext“ reden. Michael Naumann, Peer Steinbrück. Die werden aber nicht gewählt, weil der Urnenpöbel lieber weichgespülte wolkig labernde Bräsig-Typen als Regenten will. Hauptsache, nicht verschreckt werden.
Außerdem lebten Strauß, Brandt und Co in einer völlig anderen Medienwelt, konnten sich tagelang ohne Journalisten bewegen, sagten in Interviews und Pressekonferenzen, was das Volk wissen musste. Oder im Bundestag.
Brandt, der Vielgeliebte, die Ikone, der Friedensnobelpreisträger, war aber ein Alkoholiker, ein Schürzenjäger und litt zudem auch noch an schweren depressiven Episoden, so daß er sich immer wieder tagelang einschloss und für niemanden zu sprechen war.
Man konnte das damals vor der breiten Öffentlichkeit geheim halten.
Ja, man wußte, daß FJS abends öfter mal betrunken ist, aber erst nach seinem Tod erfuhr man, daß seine Generalsekretäre Tandler und Stoiber auch dafür zuständig waren, ihm abends stets zwei Prostituierte zuzuführen, weil er sich regelmäßig hackedicht von vollbusigen blutjungen Damen sandwichen ließ.
In der heutigen Medienwelt, mit ihrer 24/7-Aufmerksamkeit, in der jeder Mensch ein Klugtelefon mit sich trägt und damit nicht nur alles, was er sieht und hört dokumentieren, sondern auch noch in Sekunden in den Umlauf bringen kann, würden Brandt und Strauß auch nicht gewählt werden, weil jede Verfehlung bekannt wäre. Weil ein Heer missgünstiger Hobbyjournalisten alles auf X und Facebook breitträte. In den 1950ern, 60ern und 70ern trugen auch alle Politiker riesige häßliche Hornbrillen, rauchten wie die Schlote, fuhren CO2-Schleudern ohne Katalysator, aßen ungesunde Sachen, klapsten Sekretärinnen auf den Po. Niemanden störte das.
Logischerweise sind alle erfolgreichen Politiker heute viel vorsichtiger, achten darauf, nichts zu sagen, das ihnen später auf die Füße fallen könnte. Da sie zudem 100 mal so viel zur Öffentlichkeit sprechen müssen, wie ein Minister der 1950er oder 1960er Jahre, sind sie natürlich meisterhaft darin geschult, endlose sehr wichtig klingende Worthülsen von sich zu geben, die in Wahrheit gar nichts aussagen.
Dazu gibt es kaum Alternativen, wenn man eine Wahl im Social Media-Zeitalter gewinnen will, in dem jeder Gesichtsausdruck zum vernichtenden Meme werden kann. Das wolkige Politiker-Sprech kann man nur vermeiden, wenn man so genial, wie Helmut Schmidt oder Egon Bahr oder Gräfin Dönhoff ist. Solche Typen kommen aber nur zwei oder dreimal in einem Jahrhundert vor. Friedrich Merz versucht zackig zu klingen und wolkige Umschreibungen zu vermeiden. Er kann aber einem Helmut Schmidt bei weitem intellektuell nicht das Wasser reichen.
Dabei verstolpert er sich beinahe täglich. Ob Gedenktag gegen Femizide, Paragraf 218 oder Schuldenbremse – Fritze ist nicht in der Lage, ein Statement unfallfrei zu Ende bringen und muss anschließend seinen Homunculus Linnemann losschicken, um zu erklären, was der CDU-Vorsitzende nicht, oder ganz anders gemeint hat.
Das ist das eigentliche Elend: Friedrich Merz, unser mutmaßlich nächster Bundeskanzler, pöbelt nicht nur xenophoben, misogynen, transphoben, homophoben, ökonomiefeindlichen Unsinn in die Mikrofone. Er ist ein Sprachrohr schwurbeliger FakeNews.
Er ist zudem auch noch schlicht dumm und unfähig.
Deswegen mögen ihn die Leute auch nicht.
Merz ist lediglich eine arrogante Lobbyhure ohne die geringste Regierungserfahrung.
[….] Mit Friedrich Merz drängt ein Politiker in das Kanzleramt, der jahrelang als Lobbyist tätig war und bis heute mächtigen Wirtschaftsinteressen zu nahe steht. [….] In der Vergangenheit ist Merz immer wieder unangemessen mit Interessenkonflikten und Lobbytätigkeiten umgegangen. Während seiner ersten Jahre als Bundestagsabgeordneter verdiente er nebenher kräftig in der Wirtschaft hinzu. Im Jahr 2006 beliefen sich seine Nebenverdienste laut Schätzungen des Manager Magazins auf rund eine Viertelmillion Euro.
[….] Ein Problem sah er darin nicht. Ganz im Gegenteil: Er stemmte sich sogar dagegen, seine Nebenverdienste veröffentlichen zu müssen. 2006 klagte er gegen die Vorschriften zur Offenlegung von Nebentätigkeiten – ohne Erfolg. Das spricht für ein höchst fragwürdiges Verständnis von Transparenz und Integrität. Die entsprechenden Regelungen für Abgeordnete wurden angesichts mehrerer Lobbyaffären inzwischen deutlich verschärft.
Im Jahr 2009 wechselte Merz vollständig die Seiten und nutzte seine politischen Kontakte für zahlreiche Anschlussjobs in Unternehmen und als Wirtschaftsanwalt. Seine Ämterhäufung von Aufsichtsrats- und Beiratsposten machte ihn zum Millionär. Bei der Kanzlei Mayer Brown war Merz von 2005 bis 2021 als Anwalt tätig – und nahm dort auch Mandate an, bei denen ihm seine politischen Kontakte zugute kamen.
So trat er 2006 als Anwalt auf einer Sitzung der CDU-Landesgruppe NRW im Bundestag auf, um das Kohleunternehmen RAG bei dem anstehenden Börsengang zu vertreten. Doch er war zu der Zeit selbst noch Mitglied eben dieser Landesgruppe. Das ist ein klarer Interessenkonflikt, den unter anderem der Verfassungsrechtler Hans Herbert von Armin scharf kritisierte.
In der Kritik stand Merz auch wegen seines Aufsichtsratsmandats bei der Bank HSBC Trinkaus und Burkhardt von 2010-2019 – und zwar gleich doppelt: Zum einen beriet er gleichzeitig den Bankenrettungsfonds Soffin, was zur Frage nach einem weiteren Interessenkonflikt führte. Außerdem war HSBC in die Cum-Ex-Geschäfte verwickelt, durch die dem Staat Milliardeneinnahmen durch Steuertricks verloren gingen. Merz wird vorgeworfen, er müsse als Aufsichtsrat von den Geschäften gewusst haben, ohne sie zu verhindern – er selbst streitet dies ab. [….] Merz war in gleich mehreren Lobbynetzwerken aktiv: Er war 2005 Gründungsmitglied des Fördervereins der arbeitgeberfinanzierten PR- und Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die INSM fällt immer wieder durch fragwürdige Kampagnen auf. [….] Für einiges Aufsehen und Kritik sorgte Merz’ Lobbytätigkeit für den Finanzkonzern Blackrock, die er 2016 annahm. [….] Ähnlich wie der Wirtschaftsrat wettert Merz u.a. gegen verstärkten Klimaschutz: Höhere Klimaziele würden zu einer Zerstörung der „freiheitlichen Lebensweise“ und der „marktwirtschaftlichen Ordnung“ führen. Teile des Wirtschaftsrats fungieren dabei als Türöffner für Kreise, die die Rolle der fossilen Industrie an der Klimakrise herunterspielen oder sogar ganz infrage stellen. So lud der Landesverband Rheinland-Pfalz Stefan Homburg als Redner ein, obwohl [….] Ähnlich problematisch ist auch Merz’ fehlende Abgrenzung zur rechtskonservativen Kampagnenagentur The Republic. Diese hatte vor den US-Wahlen eine Konferenz organisiert, zu der auch die US-amerikanische Heritage Foundation eingeladen war. [….]
Bundeskanzler wird er aber wohl dennoch, weil die Majorität des Urnenpöbels sich von Bauchgefühlen – die Grünen sind Schuld – Olaf ist Autist – leiten lassen. Sie brauchen Schuldige.
Liebe Wähler, ich habe Neuigkeiten: Am 23.02.2025 sind wir nicht gefragt, wie unser Traum-Bundeskanzler aussähe, wenn wird Gott spielen könnten.
Sondern wir müssen aus den Parteien auswählen, deren Personal WIR Wähler durch unser Verhalten mitbestimmt haben.
Der Mann, der regiert – eine Frau steht diesmal nicht zur Auswahl – soll einigermaßen fähig sein und zudem intellektuell in der Lage sein, die an ihn gestellten Anforderungen zu erfassen.
Er muss nicht sexy, eloquent, gutaussehend, humorvoll, schlagfertig, unterhaltsam sein. Wir sollen ihn nicht heiraten und nicht mit ihm ins Bett gehen. Ob wir ihn sympathisch oder dröge finden, ist irrelevant.
Der Bundeskanzler mag kein flammender Entertainer und begnadeter Kommunikator sein, aber er versteht seinen Job und gibt richtige Antworten.
[….] Es war nicht die SPD, die für die vielen Streitigkeiten die Verantwortung trug. Im Gegenteil - wir sind es, die das Land durch die vergangenen Krisenjahre geführt haben. Wir haben Deutschlands Energieversorgung gesichert, als Russland das Gas abgedreht hat. Wir haben wuchtige Hilfspakete geschnürt und dadurch Energiepreise und Inflation wieder unter Kontrolle gebracht. Wir haben auf Russlands Angriffskrieg, diese Zeitenwende, entschlossen reagiert und das gemacht, was konservative Verteidigungsminister über viele Jahre hinweg versäumt hatten: nämlich in unsere Sicherheit investiert. Und zugleich waren wir standhaft und haben nichts getan, was unser Land zur Kriegspartei macht. Wie brandgefährlich der Krieg in der Ukraine auch für Europa ist, das haben die vergangenen Tage erneut gezeigt. Entschlossenheit und Standfestigkeit - das bietet in Deutschland nur die SPD!
Über all diese Krisen verlieren wir eines nicht aus dem Auge: dem Mehltau den Kampf anzusagen, der sich über unser Land gelegt hatte. Wir haben nicht mehr viel Zeit, um unser Land als Industrieland wirtschaftlich stark und klimaneutral zu machen. Zu lange sind Dinge liegen geblieben im vergangenen Jahrzehnt. Wir haben angefangen damit aufzuräumen. Mehr Tempo beim Ausbau von Windkraft und Solarenergie, eine Aufholjagd bei wichtigen Zukunftstechnologien wie den Batterien oder Computer-Chips, höhere Investitionen in die Bahn, Straßen und Brücken, schnellere Genehmigungsverfahren, wieder mehr Mittel für den sozialen Wohnungsbau – das haben wir vorangebracht und das muss weitergehen. Während Konservative nur Sprüche klopfen, haben wir das Recht auf Asyl verteidigt und zugleich die irreguläre Migration nach Deutschland deutlich verringert. Das heißt Menschlichkeit und Ordnung für uns. Wir haben das Staatsangehörigkeitsrecht modernisiert. Fachkräfte aus dem Ausland können nun leichter hier bei uns arbeiten - denn der Fachkräftemangel ist inzwischen überall spürbar.
Und eines werden wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nie vergessen:
Stark ist unser Land nur dann, wenn wir Zusammenhalten. Wenn Respekt herrscht, jedem und jeder gegenüber. Leistungsträger-das sind für uns diejenigen, die jeden Tag früh aufstehen und für normale Löhne arbeiten. Sie haben Respekt verdient. Auch wenn die Inflation die Lohnerhöhungen gedämpft hat, war unsere Politik erfolgreich:
Wo vor einigen Jahren noch jeder Vierte für Niedriglöhne arbeiten musste, ist es heute nur noch jeder Siebte. Auch diese Errungenschaften gilt es bei der Bundestagswahl zu verteidigen. […..]
(Olaf Scholz, 25.11.2024)
Wir haben nicht die freie Auswahl unter 84 Millionen, sondern nur drei Typen, von denen wir das kleinste Übel aussuchen müssen.
Merz ist aber eindeutig das größte Übel.
Es bleiben also Habeck oder Scholz. Grün oder Rot.
Ich plädiere für Rot, weil die Chance etwas größer ist, als bei Grün. Und weil es in der Grünen Habeckblase immer noch sehr viel Vorlieben für Schwarzgrün gibt. Ich habe Angst, so etwas wie in BW zu erleben, daß die Grünen sich für eine Koalition mit der CDU entscheiden, wenn es linkere Mehrheiten gäbe.
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