Enttäuschungen
bereitet man sich nur selbst, indem man falsche Erwartungshaltung generiert.
Bei der
Ankündigung eines großen Lottojackpots Lotto zu spielen ist kein Problem.
Verwerflich
wird die Aktion nur, wenn man sich nicht darüber im Klaren ist, daß staatliche
Lotterien eine Dummensteuer sind, um die Länderhaushalte zu fluten und noch
dümmer ist es, wenn man tatsächlich erwartet derjenige unter zig Millionen
Mitspielern zu sein, der den Millionenjackpot gewinnt.
Es ist
fast unmöglich, daß mich Kirchen, die CDUCSU oder die US-Republikaner negativ
überraschen.
Von
ihnen erwarte ich ohnehin nur das Schlimmste.
Es ist
schon eher mal möglich, daß mich ein Unionspolitiker oder Pfaff mal positiv
überrascht, indem er etwas Vernünftiges von sich gibt.
Das erwarte
ich nämlich auch nicht und so ist die Schwelle für diese Leute mich angenehm zu
überraschen relativ niedrig.
Nun hat
es aber ausgerechnet die relativ liberale evangelische Nordkirche
fertiggebracht, daß ich mir ernsthaft an den Kopf fasse und sie sogar noch mehr
als gestern verachte.
Chapeau.
Rückblick;
es ging um die mögliche Akzeptanz von Juden und Atheisten bei der Diakonie.
Nach
nur 152 Jahren haben sich die Jungs und Mädels zu einem REVOLUTIONÄREN SCHRITT
durchgerungen!
Sie wollen in Zukunft das „Juden unerwünscht“-Prinzip bei den Arbeitsverträgen
fallen lassen.
Bisher
konnte man dort nur als Mitglied der Kirche einen Job bekommen.
Obwohl,
wie üblich in Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft, das Haus von Kranken-
und Pflegekassen, sowie den Patienten und eben NICHT von der Kirche finanziert
wird, galt bisher, daß Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co dort nicht
arbeiten dürfen.
Im
Zeitalter der extremen Personalnot in Gesundheitseinrichtungen und das auch
noch in einer Stadt, die mehrheitlich von Atheisten bevölkert wird, konnte sich
die Evangelische Stiftung Alsterdorf ihre Politik offensichtlich nicht mehr
länger leisten.
Was
für ein Treppenwitz der Geschichte.
Die
Kirchen schwimmen gerade im Geld und können doch nicht weiterhin ihre
Einrichtungen unter Ausschluss von Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co
führen, weil ihnen die Mitarbeiter einfach zu wenig werden.
Wer bei der
Evangelischen Stiftung Alsterdorf arbeiten möchte, muss in Zukunft nicht mehr
Mitglied einer christlichen Kirche sein. [….] Bisher
hätten Konfessionslose, Muslime oder Buddhisten allenfalls Chancen auf eine
befristete Anstellung gehabt.
Ausgenommen von der
Regelung sind der Vorstand und die erste Leitungsebene. Für sie bleibt die Kirchen-Mitgliedschaft
Pflicht. Man könne das Profil einer kirchlichen Einrichtung nicht mehr formal
an der kirchlichen Zugehörigkeit festmachen, sagte Vorstandschef Hanns-Stephan
Haas im Interview mit der Zeitung.
Stattdessen müsse die
Stiftung deutlich machen, wofür sie stehe. Zudem sei es schwierig, Fachpersonal
etwa für die Pflege etwa von Epilepsiepatienten zu finden. Die bisher verlangte
Kirchenzugehörigkeit habe die Suche zusätzlich erschwert.
Wenn
das nicht lieb ist. Nach gerade mal 152 Jahren überwinden sich die
evangelischen Christen großzügig dazu auch eine Jüdin bei ihnen putzen zu
lassen oder eine Muslimin die Bettpfannen leeren zu lassen!
Dabei
haben wir gerade erst das Jahr 2015.
Sie
könnten mit solch revolutionären Schritten doch noch etwas abwarten!
Zum
Glück sind die wichtigen Jobs in der oberen Ebene weiterhin nur für zahlende
Kirchenmitglieder.
Eine
jüdische Putzfrau? Ein konfessionsloser Ergotherapeut? Eine muslimische
Krankenschwester?
Diese
Sache war nun in der Welt und tatsächlich gibt es genügend Kirchenfunktionäre,
die so schambefreit sind, daß sie sofort ihre häßlichen Ansichten kundtun mußten.
Die 6000
Mitarbeiter in 180 Standorten der Diakonie Nord mögen doch bitte auch weiterhin
unter sich bleiben.
Die
Türen für Juden müßten auch zukünftig geschlossen bleiben.
So
stellte es der frühere niedersächsische Diakonievorstand Rolf-Jürgen Korte in einem
handschriftlichen Fax an die Diakonie fest. Er selbst ist so empört über die
Vorstellung, daß ein Jude oder Atheist auch nur ein Klo einer
Diakonieeinrichtung putzen dürfe, daß er auf der Stelle seinen Austritt aus dem
Förderkreis der Evangelischen Stiftung Alsterdorf verkündete.
Noch einmal zur Verdeutlichung: Es geht
um Unternehmen, die eben NICHT vom Geld der Kirche leben, sondern vom Staat
finanziert werden und zudem in einer Stadt wie Hamburg auch weit überwiegend
von nicht christlichen Menschen genutzt werden.
Nicht nur Dr. Korte maßt sich im Jahr
2015 an dort auch in Zukunft eine judenreine, atheistenfreie und
muslimbereinigte Belegschaft einzufordern.
Der Landesbischof springt ihm bei.
[…]
Auf
Abendblatt-Anfrage bekräftigte der Landesbischof der Nordkirche, Gerhard
Ulrich: "Die Kirchenmitgliedschaft der Beschäftigten in Einrichtungen von
Kirche und Diakonie wird der Regelfall bleiben. […] Bis
heute bringt die Kirchenmitgliedschaft auch die Zustimmung zu den inneren
Zielen der Gemeinschaft der Getauften zum Ausdruck. Für kirchliche und
diakonische Einrichtungen bedeutet das auch, die christlich-diakonische
Identität weiterzuentwickeln und so die Identifikation der Mitarbeitenden mit den
Zielen und Werten ihrer Einrichtung zu stärken", betont der Landesbischof
und fügt hinzu: "Eine solche innere Bindung wird in der Evangelischen
Stiftung Alsterdorf weiterhin erwartet."
[…]
Auch
die EKD bekräftigte ihre Position von der verbindlichen Kraft des christlichen
Profils. EKD-Rechtsexperte Detlev Fey sagte dem Abendblatt: "Unsere
Einrichtungen haben immer schon auch andersgläubige Menschen zur beruflichen
Mitarbeit eingeladen. Diese Einladung gilt auch künftig. Dennoch setzen wir –
auch nach unseren rechtlichen Grundlagen – für die kirchlich-diakonische Prägung
der Einrichtungen darauf, dass in ihnen überwiegend Christinnen und Christen
tätig sind." […]
Vielleicht
ist das dem ein oder anderen schon mal aufgefallen; ich hatte in den letzten
zehn Jahren sehr sehr viel in Hamburger Krankenhäusern zu tun.
Einige
kenne ich wie meine Westentasche.
So Gott
will, ist das erst mal vorbei; ich werde es nicht vermissen.
Ein
kleiner Nebeneffekt davon ist, daß ich im privaten Umfeld immer mal wieder gefragt
werde welches Krankenhaus ich für welche Art Krankheit empfehlen würde.
Schwieriger
ist es mit Pflegeeinrichtungen und geriatrischen Abteilungen. Im gigantischen
UKE gibt es das gar nicht und auch sonst habe ich da keinerlei positive
Erfahrungen gemacht.
Ich
kenne keine geriatrische Klinik, die ich empfehlen würde.
Alle,
die ich bisher erlebt habe, waren bestenfalls ausreichend.
Natürlich
ist da das Angebot der kleinen privaten Häuser gewaltig.
Bei mir
in der Nähe gibt es beispielsweise ein Pflegeheim, das von zwei Schwestern
geführt wird und nur acht Plätze hat. Man wirbt da mit dem familiären Konzept
und der persönlichen Anbindung an die Pflegekräfte.
Klingt
theoretisch sehr gut. Klappt aber in der Praxis nicht.
Solche
Mini-Einrichtungen zu vergleichen traue ich mir nicht zu.
Allerdings
habe ich die Erfahrung gemacht, daß die Empfehlungen der an sich sehr guten „Pflegestützpunkte“
der Hamburger Bezirke da auch nicht viel weiterhelfen, da die Bedürfnisse individuell
einfach zu unterschiedlich sind.
Grundsätzlich
gilt aber, daß man mit viel Geld besser dran ist, als derjenige, der nur mit
dem Geld der Pflegeversicherung hantieren kann.
Es gibt
eine Hamburger Firma, die hervorragende 1:1-Pflege zu Hause anbietet. Inklusive
Bettwache.
Das
klappt sehr gut und die Mitarbeiter sind immer zu erreichen und immer
hilfsbereit.
Abrechnung
erfolgt pro Stunde mit Aufschlägen für Nacht, Wochenende und Feiertage. Eine
24-Stunden-Pflege kostet dann im Monat knapp € 17.000 Euro.
Ohne
jemanden zu nahe zu treten, nehme ich doch mal an, daß es für die meisten Leute
etwas zu teuer ist für eine Dauerlösung.
Für die
armen Kassenpatienten, die von CDU- und CSU- und FDP-Politikern stets als
Menschen zweiter Klasse einsortiert werden, gibt es so eine individuelle Pflege
natürlich nicht.
Aber sie
haben ja auch selbst Schuld – SPD, Grüne und Linke haben das Konzept der
Bürgerversicherung für alle schon seit 20 Jahren im Programm – das hat nie eine
Mehrheit bekommen.
Als
Kanzler Schröder im Herbst 1998 eine rotgrüne Mehrheit in beiden Parlamentskammern
hatte, blieb keine Zeit das einzuführen, weil der Bundesrat schon im Januar
1999 wieder auf schwarzgelb kippte, nachdem die Hessen meinten, es sei nun
genug mit Rot-Grün, sie wollten lieber Roland Koch.
Über
gute Krankenhäuser und positive Erfahrungen mit Ärzten und Pflegern spreche ich
gern, aber das ist meistens mit einem „ja, aber…“ verbunden.
Einfacher
ist es Kliniken und Pflegeeinrichtungen zu nennen, die ich wirklich gar nicht mag.
Da wären
an erster Stelle die Asklepios-Häuser, und von denen insbesondere das Asklepios
St. Georg zu nennen. Lieber einen Bogen drum herum machen.
Die schlechtesten
(größeren) Pflegeeinrichtungen sind nach meiner Erfahrung zwei streng
Christliche.
Das
Albertinenhaus - Zentrum für Geriatrie und Gerontologie in Hamburg-Schnelsen.
Es gehört zu einem größeren Konglomerat, das dem Albertinen-Diakoniewerk gehört.
Schirmherrin ist die ehemalige CDU-Bürgermeisterin
aus der Schill-Zeit Birgit Schnieber-Jastram.
Da gibt
es viele Pfarrer, sehr viele christliche Andachten und noch viel mehr
Bibelsprüche. Was es weniger gibt, sind Hygiene, Pflegekräfte und gute
Ernährung.
(Kriege
ich jetzt Ärger, weil ich das so deutlich sage?)
Noch
weniger mag ich das Evangelische Krankenhaus Alsterdorf, das EKA, das als
Lehrkrankenhaus mit dem UKE verbandelt ist, so daß man das Pech haben kann vom
UKE als Pflegefall ganz schnell rüber ins EKA gefahren zu werden.
Träger
ist seit über 150 Jahren die Evangelischen Stiftung Alsterdorf.
Es ist
immer schlecht ein ganzes Krankenhaus schlecht zu machen. Dort sitzt
beispielswiese eine hervorragende Handchirurgin, zu der ich leider nicht gehen
kann, weil ich nicht noch mal dieses Haus betreten möchte.
Aber wer
weiß, vielleicht wird es ja demnächst besser im EKA.
Nach nur
152 Jahren haben sich die Jungs und Mädels zu einem REVOLUTIONÄREN SCHRITT
durchgerungen!
Sie wollen in Zukunft das „Juden unerwünscht“-Prinzip bei den Arbeitsverträgen
fallen lassen.
Bisher
konnte man dort nur als Mitglied der Kirche einen Job bekommen.
Obwohl,
wie üblich in Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft, das Haus von Kranken-
und Pflegekassen, sowie den Patienten und eben NICHT von der Kirche finanziert
wird, galt bisher, daß Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co dort nicht
arbeiten dürfen.
Im
Zeitalter der extremen Personalnot in Gesundheitseinrichtungen und das auch
noch in einer Stadt, die mehrheitlich von Atheisten bevölkert wird, konnte sich
die Evangelische Stiftung Alsterdorf ihre Politik offensichtlich nicht mehr
länger leisten.
Was für
ein Treppenwitz der Geschichte.
Die
Kirchen schwimmen gerade im Geld und können doch nicht weiterhin ihre
Einrichtungen unter Ausschluss von Juden, Moslems, Atheisten, Buddhisten und Co
führen, weil ihnen die Mitarbeiter einfach zu wenig werden.
Wer bei der
Evangelischen Stiftung Alsterdorf arbeiten möchte, muss in Zukunft nicht mehr
Mitglied einer christlichen Kirche sein. [….] Bisher
hätten Konfessionslose, Muslime oder Buddhisten allenfalls Chancen auf eine
befristete Anstellung gehabt.
Ausgenommen von der
Regelung sind der Vorstand und die erste Leitungsebene. Für sie bleibt die
Kirchen-Mitgliedschaft Pflicht. Man könne das Profil einer kirchlichen
Einrichtung nicht mehr formal an der kirchlichen Zugehörigkeit festmachen,
sagte Vorstandschef Hanns-Stephan Haas im Interview mit der Zeitung.
Stattdessen müsse die
Stiftung deutlich machen, wofür sie stehe. Zudem sei es schwierig, Fachpersonal
etwa für die Pflege etwa von Epilepsiepatienten zu finden. Die bisher verlangte
Kirchenzugehörigkeit habe die Suche zusätzlich erschwert.
Wenn das
nicht lieb ist. Nach gerade mal 152 Jahren überwinden sich die evangelischen Christen
großzügig dazu auch eine Jüdin bei ihnen putzen zu lassen oder eine Muslimin die
Bettpfannen leeren zu lassen!
Dabei
haben wir gerade erst das Jahr 2015.
Sie
könnten mit solch revolutionären Schritten doch noch etwas abwarten!
Zum
Glück sind die wichtigen Jobs in der oberen Ebene weiterhin nur für zahlende
Kirchenmitglieder.
Fiat Lux
oder die Scientologen würden sich an mir die Zähne ausbeißen.
Besuche
von Mormonen oder Zeugen Jehovas betrachte ich als reine Comedy.
So wie
mir die religiöse Musikalität fehlt,
so geht mir auch der Sinn für Verschwörungstheorien ab.
Besonders
absurd erscheinen mir die Pegida-artigen Typen, die gegen die angebliche Mainstreampresse hetzen, SPIEGEL, SZ und
ZEIT pauschal als Propaganda-Instrumente abtun.
So reden
immer diejenigen, die SPIEGEL, SZ und ZEIT gar nicht lesen. Sie wissen aber am
besten was drin steht.
Hier
wird fröhlich über etwas geurteilt, von dem man sich rühmt es gar nicht zu
kennen.
Bei
einigen Themen ist es aber durchaus erstaunlich wie eintönig gleich Politiker
der Regierungsparteien und insbesondere TV-Journalisten klingen.
Es gibt
eine sehr weitgehende grundsätzlich russlandfeindliche Berichterstattung und
eine furchtbar einseitig antigriechische Stimmung in den meisten Medien.
Während
man aber beim ersten Thema tatsächlich schwer Fakten über das genaue Geschehen
in der Ostukraine beschaffen kann, ist es bei der Ökonomie Griechenlands so
klar auf der Hand liegend, daß die „Rezepte“ der „Troika“ kontraproduktiv sind,
daß ich es inzwischen wirklich nicht mehr begreife, wieso auch SPD-Politiker - wie
zuletzt Gabriel, Steinmeier und Oppermann – hartnäckig auf etwas beharren, das
schlicht und ergreifend unmöglich ist.
Dabei
hat sich eine verheerende Sprachregelung eingeschlichen.
Ein „entsetzter“
Wirtschaftsminister“, ein „fassungsloser“ Außenminister und ein Fraktionschef
der Union, der in Griechenland nur noch „Chaoten“ am Werk sieht. Scheint fast
so, als hätte die deutsche Spitzenpolitik jede Zurückhaltung abgelegt. Feuer
frei auf die griechischen Dilettanten, die sich nicht beugen lassen wollen.
Dabei hat sich die
Debatte um Griechenlands Zukunft von der eigentlichen Kernfrage längst
entfernt: Welchen politischen Spielraum sollen demokratisch gewählte
Regierungen überhaupt noch haben? Die Streich- und Ergänzungsliste der
Gläubiger zu den Vorschlägen der griechischen Regierung lässt jedenfalls nur
noch einen Schluss zu: So gut wie keinen. Die technokratische
Detailversessenheit der „Institutionen“ regelt auch noch die dritte Stelle
hinter dem Komma, ob es um Dieselsprit für griechische Bauern oder
Steuererleichterungen für verarmte Inselbewohner geht. Die Regelungswut der
EU-Technokraten hat in ihrem rechthaberischen Gestus dabei jedes Gespür für
demokratische Zurückhaltung verloren. Keine Spur mehr von Respekt für eine
Regierung, die den Willen ihrer Bevölkerung repräsentiert.
Wer die Aktionen der
griechischen Regierung als wahlweise "unvernünftig", "irre"
oder "unbelehrbar" diffamiert, ignoriert die Borniertheit der anderen
Seite, die sich allein ihrem neoliberalen Gedankenmodell verpflichtet sieht.
Interessant in diesem Zusammenhang: Ausgerechnet bei den Unternehmenssteuern
gingen den Institutionen die Sparziele der griechischen Regierung zu weit.
Ob Luxussteuern,
Flexibilisierung des Arbeitsmarktes oder Privatisierung von Staatseigentum: In
vielen Punkten ist die griechische Regierung ihren Gläubigern weit
entgegengekommen. Dass sie sich dort zur Wehr setzt, wo europäische (deutsche)
Austeritätspolitik dem Land die Luft zum Atmen nimmt, ist allerdings nicht nur
nachvollziehbar. Es ist und bleibt ihr gutes Recht!
(Georg
Restle, Monitor, 28.06.15)
Hartnäckig
verkaufen K.O.alitionspolitiker ihrem Volk die absurde Legende von den
deutschen Zahlmeistern für die faulen Griechen, die ihre Kredite nicht zurückzahlen
wollen.
Merkels
Milliarden kommen eben nicht „den Griechen“ zu Gute, sondern deutschen Anlegern
und Banken, die gewaltige Gewinne mit den hohen Zinsen machen, die sie
Griechenland abknöpfen. Deutschland profitiert durch das Zinsniveau sogar enorm
von der Krise in Griechenland. Allein Schäuble muß dadurch 60 Milliarden Euro
weniger Zinsen für deutsche Schulden zahlen.
Und
außerdem war es Deutschland, das seine Schulden nie zurückzahlte.
[….]
Mein Buch erzählt von der Geschichte der
Einkommen und Vermögen, inklusive der öffentlichen. Was mir beim Schreiben
auffiel: Deutschland ist wirklich das Vorzeigebeispiel für ein Land, das in der
Geschichte nie seine öffentlichen Schulden zurückgezahlt hat. Weder nach dem
Ersten noch nach dem Zweiten Weltkrieg. Dafür ließ es andere zahlen, etwa nach
dem deutsch-französischen Krieg von 1870, als es eine hohe Zahlung von
Frankreich forderte und sie auch bekam. Dafür litt der französische Staat
anschließend jahrzehntelang unter den Schulden. [….] Wenn ich die Deutschen heute sagen höre, dass sie einen sehr
moralischen Umgang mit Schulden pflegen und fest daran glauben, dass Schulden
zurückgezahlt werden müssen, dann denke ich: Das ist doch ein großer Witz!
Deutschland ist das Land, das nie seine Schulden bezahlt hat. Es kann darin anderen
Ländern keine Lektionen erteilen. [….] Der deutsche Staat war nach Ende des Krieges
1945 mit über 200 Prozent seines Sozialproduktes verschuldet. Zehn Jahre später
war davon wenig übrig, die Staatsverschuldung lag unter 20 Prozent des
Sozialprodukts. Frankreich gelang in dieser Zeit ein ähnliches Kunststück.
Diese ungeheuer schnelle Schuldenreduzierung aber hätten wir nie mit den
haushaltspolitischen Mitteln erreicht, die wir heute Griechenland empfehlen.
Stattdessen wandten unsere beiden Länder die zweite Methode an, mit den drei
erwähnten Komponenten, inklusive Schuldenschnitt. Denken Sie an die Londoner
Schuldenkonferenz von 1953, auf der 60 Prozent der deutschen Auslandsschulden
annulliert und zudem die Inlandsschulden der jungen Bundesrepublik
restrukturiert wurden. [….] Großzügig? Deutschland verdient bisher an
Griechenland, indem es zu vergleichsweise hohen Zinsen Kredite an das Land
vergibt. [….]
Immerhin,
diese Stimmen werden auch veröffentlicht,
so daß man sich eine Meinung bilden kann, wenn man liest und bereit ist auch
etwas mehr Zeit zu investieren.
Wie
sehr gerade Deutschland von Schuldenschnitten profitierte wird inzwischen sogar
recht breit berichtet – allein, es kommt nicht bei Volk und Regierung an.
[….] In den vergangenen Monaten hat die Bundesregierung - und allen voran:
ihr Finanzminister - immer wieder deutlich gemacht, dass sie die finanziellen
Forderungen der griechischen Regierung für völlig unangemessen hält, ja für
geradezu weltfremd. Einen Schuldenschnitt, wie Athen ihn fordert? Werde es mit
Deutschland nicht geben, sagt der Finanzminister. Sei kein Thema, sagt die
Kanzlerin.
Und
Reparationen für die Verbrechen, die die Wehrmacht und die Waffen-SS in
griechischen Dörfern verübt haben? Werde es auch nicht geben. Diese Frage sei
rechtlich und politisch abgeschlossen, sagt der Bundesaußenminister.
Merkel,
Schäuble und Steinmeier haben es sich hier furchtbar leicht gemacht. Sie taten
so, als gehe es in den Verhandlungen mit Griechenland allein ums Geld, allein
um die Gegenwart, allein um die Frage, wie hoch die Mehrwertsteuer für
griechische Hoteliers ist und wann die Menschen auf Kreta oder Korfu in Rente
gehen. In Wahrheit aber schwebt - und da hat die Regierung von Alexis Tsipras
den richtigen Nerv getroffen - im Hintergrund ein anderes, sehr viel größeres
Thema: Es geht im Ringen um Griechenland, wie so oft bei europäischen Fragen,
auch um die historische Verantwortung Deutschlands in Europa.
Diese
Verantwortung erwächst aus dem Holocaust und den Verbrechen der Nazis; sie
erwächst im Fall von Griechenland aber auch daraus, dass Amerikaner und
Europäer der jungen Bundesrepublik nach Kriegsende weit, sehr weit
entgegengekommen sind. Und zwar 1953, als das Londoner Schuldenabkommen
geschlossen wurde.
Nicht so
gut geeignet zur Meinungsbildung sind Mittel wie der heute nach der
20.00-Uhr-Tagesschau eingeschobene ARD-Brennpunkt, bei dem
(wieder einmal) ausschließlich rechte Meinungen reflektiert wurden.
Es
moderierte der glühende Seehofer-Fan Siegmund Gottlieb, der selbst CSU-Mitglied
nur zwei Gäste als Interviewpartner hatte: Zunächst einmal Susanna Vogt von der
Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU) und dann als angeblicher Fachmann zugeschaltet
Prof Clemens Fuest – radikal ordoliberales Mitglied des CDU-Wirtschaftsrates,
Autor der stramm konservativen „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ und Ernst
and Young-Berater. So läuft das in Merkels Propagandamaschine.
[….]
Jeder Artikel, der von der "Rettung"
Griechenlands spricht, richtet moralisch. An solcher Berichterstattung zeigt
sich, wie manipulativ ein Journalismus agiert, der vor allem von deutschen
Interessen handelt.
[….]
Seit Jahren ist "Rettung" das
Wort, das viele Journalisten benutzen, um die Geschichte dieser Krise zu
erzählen: Mit einem Wort wird etabliert, wer etwas tut und wer nichts tut, wer
aktiv ist und wer passiv, wer am Abgrund steht und wer mit der helfenden Hand
herbeieilt.
Mit einem Wort werden
Schuld und Abhängigkeit hergestellt, mit einem Wort werden Dankbarkeit und
Versagen festgelegt, mit einem Wort wird moralisch gerichtet - die Analyse
kommt nicht mehr hinterher, wenn erst mal die emotionale Ebene erreicht ist.
Der Retter ist ja im
Recht, das suggeriert dieses Wort, er ist im Besitz der Wahrheit, er hat das
Gute auf seiner Seite, er handelt aus höheren Motiven - "Rettung" ist
deshalb ein Wort, das im Politischen an sich oder im politischen Journalismus
als solchem nichts verloren hat, denn es verschleiert die Motive und Interessen,
aus denen Politik besteht.
Ich habe zum Beispiel
noch keine Schlagzeile gelesen, die lautete: "Merkel rettet die
Banken" - dabei wäre auch das eine sehr plausible Verkürzung dessen, was
in Europa spätestens seit 2010 passiert ist.
Und auch diese
Schlagzeile fehlt noch: "EU und IWF planen Staatsstreich in
Griechenland". Dabei kann man die Eurokrise durchaus so zusammenfassen:
Wenn es darum geht, Griechenland in die Knie zu zwingen, und so wird das immer
intoniert, nimmt man ein mögliches Scheitern der griechischen Regierung gern in
Kauf.
"Es ist ein
erstaunliches Spektakel", schreibt etwa Ambrose Evans-Pritchard, ein
"Burke-Konservativer", wie er sich selbst nennt, kein Linker - die
Europäische Zentralbank und der IWF, meint er, würden "wie rasend auf eine
gewählte Regierung einprügeln, die nicht das tut, was sie wollen".
[….]
Und gleichzeitig wird im
"Tagesspiegel" über Schäubles blaue Augen geschrieben, die nicht
lügen können, und in der "Welt" über die Ehefrau, die Tsipras erst zu
dem Sturkopf gemacht hat, der er aus deutscher Sicht sein muss - es ist eine
Politikberichterstattung im Geist der Seifenoper, die letztlich nur dazu dient,
die zugrunde liegenden ökonomischen Probleme zu verhüllen.
[….]
Aber ist nicht die
Griechenland-Berichterstattung genauso ein Beispiel dafür, wie manipulativ und
einseitig ein Journalismus agiert, der vor allem von deutschen Interessen
handelt und eine deutsche Sicht der Dinge verbreitet, die weit entfernt ist von
dem, was in anderen europäischen Ländern geschrieben und gedacht wird? [….]
Die
Majorität der Deutschen will es genauso wenig wahrhaben wie die Majorität der
Presse:
In Wahrheit ist es Merkel, die gerade grandios scheitert und Europa den
schwersten Schaden seit 70 Jahren zufügt.
Es
könnte sein, daß wir gerade das Ende der EU erleben, weil insbesondere Berlin in
nationalen Egoismen gefangen ist.
[….]
Angela Merkels Euro-Strategie führt zu
Frust und Zynismus.
[….]
Europa droht zu scheitern, und
Deutschland, der "zögernde Hegemon" ("Economist"), lässt es
geschehen.
Einfach in Merkelscher
Manier darauf zu warten, bis der Kontinent sich über lange dürre Jahre hinweg
wettbewerbsfähig gespart hat, greift als Strategie zu kurz. Es gibt eine
gesellschaftliche und politische Dimension der Krise, die sich verfestigt, je
länger sie andauert.
Irgendwann sorgt die
unendliche Abfolge von Treffen und Gipfeln, aus denen sich doch keine
tragfähige Lösung entwickelt, für Zynismus und Frustration. Irgendwann können
die Bürger die wiederkehrenden Kriseneruptionen nicht mehr ertragen. Irgendwann
soll nur noch irgendeine Lösung her. Hauptsache, das unwürdige Schauspiel geht
endlich zu Ende.
So sieht es aus: Die
EU nähert sich dem Punkt eines Ermüdungsbruchs. Die Geduld schwindet, auf allen
Seiten.
Die Gipfel-Serie der
zurückliegenden Woche hat ein heillos überfordertes und zerstrittenes Europa
präsentiert. Die Herausforderungen: enorm - die Flüchtlingswelle,
islamistischer Terror, das beginnende Wettrüsten mit Russland, die
Griechen-Pleite, das dräuende Briten-Referendum. Die Antworten: ungenügend -
Ratlosigkeit, Kleinmut, Egoismus. Auch die seit Jahren angekündigte
institutionelle Fortentwicklung der Eurozone kommt nicht voran.
[….]
Was der Kanzlerin als Weg des geringsten
politischen Risikos erschienen sein mag, hat auf Dauer eine unmögliche
Situation geschaffen. [….]
Es wird
Zeit, daß wir auch mit dem Finger auf Ideologen wie Wolfgang Schäuble zeigen,
die a) geschichtsvergessen, b) unsolidarisch, c) antieuropäisch, d) bösartig
und e) linksallergisch agieren.
Man ist ja Syriza von
Anfang an mit kritischer Verve, um nicht zu sagen mit Aversion begegnet.
Finanzminister Wolfgang Schäuble hat von Anfang an die Absicht gehabt, Syriza
an die Wand fahren zu lassen, damit es keine Ansteckungsgefahr in Spanien oder
Portugal gibt. Aber ich glaube bei dem Misstrauen gegenüber der griechischen
Regierung haben auch enorme kulturelle Unterschiede eine Rolle gespielt.
Allein, wenn ich mir überlege, welche Ressentiments es ausgelöst hat, dass
Varoufakis mit dem Motorrad zum Dienst fährt. Es gab tiefe Unterschiede des
Stils. Doch im Kern wollten die Institutionen und auch die Sozialdemokraten in
ihnen nicht zugestehen, dass die Austeritätspolitik der letzten Jahre gescheitert
ist. Dass die griechische Regierungzum
Schluss noch mal bei Rentnern und Kranken kürzen sollte, beweist, wie absolut
unerbittlich sich die Institutionen gezeigt haben.
Da große
Teile meiner Parteispitze derzeit von ideologischen Merkel-Virus verfallen
sind, muß ich notgedrungen auf eine Oppositionspolitikerin verweisen. Es ist ja
nicht nur allein inhaltlich falsch was Gabriel, Steinmeier und Oppermann zu
Griechenland sagen, sondern es ist parteipolitisch-taktisch auch so ungeheuer
dumm! Wieso benutzen sie das Thema nicht, um genau den Wert zu zeigen, an dem
es der SPD so sehr in der öffentlichen Wahrnehmung mangelt: SOLIDARITÄT. Sie
könnten sich endlich mal gegen die CDU profilieren.
Leider
versagt Gabriel jetzt auf ganzer Linie. Vor zwei Tagen wünschte er sich sogar
öffentlich mehr Patriotismus in der SPD, versucht also
massiv weiter nach rechts zu rücken. Was will er da nur gewinnen? Da sitzen
schon CDU, FDP und AfD.
„Es ist eine richtige
Entscheidung von Tsipras, das griechische Volk über das erneute Kürzungsdiktat
der Troika entscheiden zu lassen. Die griechische Regierung rettet die
Demokratie in Europa, indem sie sich dem technokratischen Troika-Gemerkel und
der Erpressung von weiterem Sozialkahlschlag widersetzt. Merkel und Schäuble
haben den Bogen überspannt und tragen die Verantwortung für den absehbaren
Zerfall der Eurozone und die Vernichtung von zig Milliarden an
Steuergeldern", kommentiert Sahra Wagenknecht die Ankündigung von Alexis
Tsipras, die griechische Bevölkerung am 5. Juli in einem Referendum über das
„Angebot" der Gläubiger entscheiden zu lassen. Die Erste Stellvertretende
Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE weiter:
„Die griechische
Regierung war zu sehr weitreichenden Kompromissen bereit, aber die Gläubiger
fordern nichts weniger als die komplette Unterwerfung. Gegen jede ökonomische
Vernunft halten IWF, EZB und Euroländer an einem Kürzungsprogramm fest, das in
jeder Hinsicht gescheitert ist und eine humanitäre Katastrophe herbeigeführt
hat. Eine Fortsetzung dieses Kurses würde kein Problem lösen, sondern die
griechische Wirtschaft weiter einbrechen lassen, den Schuldenberg noch größer
machen und der griechischen Bevölkerung noch mehr Armut und Arbeitslosigkeit
bescheren. Wenn die griechische Bevölkerung selbstbewusst mit "Nein"
stimmt, wird nicht nur verhindert, dass die Tragödie der letzten Jahre eine
erneute Fortsetzung erfährt. Auch die deutschen Steuerzahler könnten ihr dann
dankbar sein, denn ein Nein würde Merkel und Co. daran hindern, erneut
europäische Steuermilliarden für eine komplett verfehlte Politik zu
verschleudern."
1)
Typen wie Lügen-Schäuble sind am Ruder, wenn es um Europas Zukunft geht, lassen
vermutlich Millionen Griechen ins Elend abgleiten,
weil Merkel die Anleger wichtiger sind.
2)
Und in Berlin findet heute der CSD statt, ohne daß es derzeit die geringste
Hoffnung gibt Schwule und Lesben rechtlich gleichzustellen.
Da sind
nun Arizona, Texas und Mississippi bei der gleichgeschlechtlichen Ehe weiter
als Berlin.
Wer hätte
DAS vor zehn oder 15 Jahren gedacht?
3)
Religiotische Irre bomben mal wieder auf drei Kontinenten rum und „unsere
Politiker“ überbieten sich mal wieder mit Dummsprech.
„Ausgerechnet
friedliche Urlauber“ – als ob es ethisch vertretbarer gewesen wäre nur
Einheimische zu killen.
Nach drei Tagen
weitgehender Medienabstinenz kaufe ich mir doch mal eine Zeitung. Susan Sontag
kritisiert neben manch anderem, dass sämtliche Kommentatoren die Anschläge als
„feige“ bezeichnen. Da hat sie natürlich Recht. Schon Ladendiebstahl erfordert
Mut. Wie viel Mut braucht es da erst, ein Flugzeug zu entführen und es gegen
ein Gebäude zu steuern. Man kann froh sein, dass die meisten Menschen zu feige
sind, um so etwas zu tun. Sicherlich gibt es für die Attentate bessere
Dekorationsadjektive, wie zum Beispiel ruchlos oder schändlich, sogar anmaßend
wäre treffender als feige.
Es geht den
Kommentatoren aber nicht um passende Adjektive, sondern um die Souveränität und
Flüssigkeit ihres Vortrags. Um diese zu erlangen, sind in der Mediensprache
viele Haupt- und Zeitwörter untrennbar an bestimmte Eigenschafts- und
Umstandswörter gekettet. So wie Anschläge immer feige sind, werden Unfälle
grundsätzlich als tragisch bezeichnet, obwohl es mit Tragik, also einer
Verwicklung ins Schicksal oder in gegensätzliche Wertesysteme, überhaupt nichts
zu tun hat, wenn jemand gegen einen Baum fährt. Ein solcher Vorgang ist banal –
mithin ganz und gar untragisch. Vielleicht werden die Unfälle deshalb als
tragisch bezeichnet, weil das Wort so ähnlich wie traurig klingt, und traurig
ist ein Unfall immerhin für die Freunde und Angehörigen des zu Schaden
Gekommenen. „Traurig“ ist den Medienleuten aber zu lasch, für sie ist Tragik
wohl eine zackigere und grellere Form von Traurigkeit.
Genauso unpassend ist
das Adjektiv, welches unvermeidbar auftaucht, wenn nach einem Erdbeben oder
einem ähnlichen Unglück nach Überlebenden gesucht wird. Wie geht die Suche vor
sich? Natürlich „fieberhaft“. Dabei will man doch stark hoffen, dass es
Fachleute und besonnene Helfer sind, die einigermaßen kühlen Kopfes und in
Kenntnis der bergungslogistischen Notwendigkeiten die Menschen suchen, und
nicht, dass da irgendwelche emotional aufgeweichten Gestalten wie im Fieberwahn
in den Trümmern herumwühlen. Verzichten können die Medienleute auf Adjektive
nicht, denn sie sind zur Erzielung eines vollmundigen Verlautbarungssingsangs
notwendig. Könnte man aber nicht mal einen angemessenen Ausdruck benutzen? Ich
glaube nicht. Wir werden niemals folgenden Satz im Radio hören: „Nach
Überlebenden wird fleißig gesucht.“ Dabei wäre „fleißig“ inhaltlich wie
stilistisch ideal. Es ist weder abgedroschen floskelhaft noch zu auserlesen und
hat daher nicht den geringsten ironischen Beiklang. Schriebe jedoch ein
Journalist diesen Satz, so wäre es vollkommen sicher, dass sein Redakteur das
passende Wort „fleißig“ streichen und durch das vollkommen unpassende
„fieberhaft“ ersetzen würde.
(Max
Goldt, Wenn man einen weißen Anzug anhat, 15.09.2001)
4)
Brechkotzwürg
ist auch das einzige, das einem noch einfällt, wenn man liest wie sich in dem
Bundesland mit dem niedrigsten Ausländeranteil überhaupt – Sachsen – die Leute
benehmen, wenn Flüchtlinge bei ihnen Schutz suchen.
Im Bündnis
"Freital wehrt sich" wenden sich hunderte Freitaler gegen das, was
sie für "Asylmissbrauch" halten. In Facebook-Gruppen wird täglich zur
Gewalt aufgerufen. Mit Folgen. Steine zerschlugen Fenster. Böller detonierten.
Ein Marokkaner verließ Deutschland, nachdem er von Freitalern bewusstlos
geschlagen wurde. Am nahe gelegenen Bahnhof prügelte Ende Mai rund ein Dutzend
Neonazis auf einen Flüchtling ein.
Einer der
Freital-Flüchtlinge ist Mohammad aus Damaskus. Er floh vor der Gewalt in
Syrien. Nun steht er mit einem seiner Kinder am Bolzplatz hinter dem ehemaligen
Hotel. "Wir finden es schön hier. Aber die Leute, die etwas gegen uns
haben, sollen verstehen, dass wir vor dem Krieg geflohen sind und nicht um den
Menschen etwas wegzunehmen."
Können Sie das? In
einer Stadt, in der selbst der Oberbürgermeister die Argumente der rechten
Demonstranten aufgreift. "Sanktionen gegen pöbelnde und gewalttätige
Asylbewerber" hat der im Juni zum Oberbürgermeister gewählte Uwe Rumberg
im Wahlkampf gefordert. Auch Noch-Amtsinhaber Klaus Mättig (beide CDU) hat sich
lange gegen die Flüchtlingsunterkunft eingesetzt.
[….]
"Ayayayo
Hurensö-öhne", grölt eine Gruppe aus rund 50 Hooligans jenseits der
Polizeiabsperrungen und mischt sich unter Applaus der "normalen Freitaler
Bürger" in die Anti-Asyl-Kundgebung. Gegen Frauen und Kinder habe er
nichts, "aber es kommen nur junge Männer", erklärt ein junger Mann in
schwarzer Jacke und Basecap seinen Grund, heute hier zu sein. Nein, er sei noch
nicht im Heim gewesen, um nachzusehen.
"Aber ein Kumpel
wurde mal von denen bedroht", sagt er und stimmt ein in "Wer
Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" und "Kriminelle
Ausländer raus, raus, raus". Linksfaschist. Lügenpresse. "Deine Alte
haben wir letzte Nacht durchgefickt". Wer nach echten Sorgen der
"besorgten Bürger" sucht, bekommt kaum andere Antworten. Nein,
Freital hat kein besonderes Problem mit Nazis, da sind sich selbst lokale
Unterstützer der Flüchtlinge sicher. Es ist das übliche Nazi-Problem Sachsen.
Mindestens drei Männer zeigen an diesem Abend den Hitlergruß, zwei rufen
"Sieg Heil".
5.)
Es gäbe so viele Möglichkeiten für die SPD sich durch kluge Politik zu
profilieren; aber unglücklicherweise haben sie an der Spitze gerade ihre Gehirn-freien Tage genommen.
Fahimi,
die zunächst zwar unauffällig war, dann aber wenigstens auf der richtigen Seite
stand, indem sie sich klar gegen die xenophoben Töne aus der CDU und CSU
stellte, fiel schon letztes Wochenende peinlich auf, als sie die ganz grobe
Keule „Regierungsfähigkeit der SPD“ rausholte, um für die
Vorratsdatenspeicherung zu werben.
Nun ist
sie noch eine Stufe tiefer gesunken und blamiert sich mit einer Anzeige gegen
Greenpeace.
Peinlich,
peinlicher, SPD.
SPD stellt
Strafanzeige gegen Greenpeace
[….]
Die SPD hat mit einer Strafanzeige auf eine
Protestaktion von Greenpeace vor ihrer Berliner Parteizentrale reagiert. »Die
Aktivisten haben mit ihrer Harakiri-Aktion auch sich und andere gefährdet«,
begründete SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi in der »Berliner Zeitung« vom
Freitag das juristische Vorgehen ihrer Partei. »Solche reißerischen Aktionen
haben wenig mit dem sachlichen politischen Meinungsstreit in einer Demokratie
zu tun.«
Die Greenpeace-Aktion
hatte sich gegen das geplante transatlantische Freihandelsabkommen TTIP
gerichtet. [….]