Guckt man sich die
Eröffnungsfeier einer Olympiade an, fragt man sich beim Einmarsch der Nationen
manchmal, ob zu den Gruppen überhaupt aktive Sportler gehören, weil in der
ersten Reihe stets pyknische Funktionärs-Geronten grinsen.
Sportfunktionär ist ein
schöner Beruf.
Man muß sich nicht selbst anstrengen,
wird fürstlich bezahlt und muß dafür nur im Hintergrund ein paar Strippen
ziehen. Das beschränkt sich in der Regel darauf einen Verteilungsschlüssel zu
ersinnen, wie die üppig fließenden Vermarktungs-Millionen auf die alten Anzugträger
verteilt werden.
Allein die ARD gibt 2013 mehr als 360 Millionen Euro für Sportrechte
aus. Und dieses ist ein billiges Jahr ohne Olympiade und Fußball-WM.
Die Herren von IOC, Fifa
und Co können also aus dem Vollen schöpfen. Vermutlich können sich überhaupt
nur noch sehr reiche, totalitäre Staaten wie Katar oder Russland die
Bestechungsgelder für den Zuschlag für eine Fußball-WM oder eine Olympiade
leisten.
Mega-Events wie Olympische
Spiele sind längst so aufwändig geworden, daß sie keineswegs einen garantierten
Geldsegen für das Veranstalterland bedeuten.
Auch der Image-Gewinn ist
schlecht planbar, da man „die Stimmung“ nicht künstlich generieren kann.
Einige Olympiaden der
letzten beiden Dekaden waren zweifellos tatsächlich in dem Sinne erfolgreich,
daß sie eine grandiose Werbung für die Gastgeberstadt und Nation waren.
Noch heute schwärmen
Sportler und Besucher von Barcelona 92, Sydney 2000, Vancouver 2010 oder
Lillehammer 1994.
Die Bevölkerung spielte
mit; die Veranstaltungen waren alle ausverkauft und auch noch der
Letztplatzierte eines Wettbewerbs aus einer Nation vom anderen Ende der Welt
wurde frenetisch bejubelt.
Atlanta 96, Athen 2004 und
Albertville 92 erreichten eher das Gegenteil. Eine unfreundliche, desinteressierte
Bevölkerung, die nur die eigenen Athleten beklatschte, machten die Spiele für
die Teilnehmer außerordentlich missvergnüglich.
Auch perfekte Organisation,
zu der wirklich nicht jede Nation in der Lage ist, garantiert keinen Erfolg.
Ja, Peking 2008 und Nagano
1998 funktionierten nach Drehbuch. Aber mehr auch nicht. Niemand ist deswegen
ein Fan der beiden Städte geworden.
Einige Olympiaden schaffen
es sogar überhaupt keinen Eindruck zu hinterlassen. Oder kann sich irgendwer
noch an Turin 2006 erinnern?
Der logistische und sicherheitstechnische
Aufwand verleidet jedem Planer die Laune.
Es erinnert an die
Weltwirtschaftstreffen, die einst von Helmut Schmidt erfunden in kleinster
Runde in einem Gasthaus stattfanden. Die Idee war, daß Regierungschefs die
Gelegenheit bekommen sollten in Ruhe zusammenzusitzen, um längerfristige Pläne
zu schmieden.
Heute sind G20-Treffen ein
logistischer Alptraum. Allein die amerikanische Delegation ist weit über 1000
Personen groß und zudem müssen Myriaden Protestler niedergeknüppelt werden.
Spaß ist anders.
Inzwischen wird überlegt
solche Treffen auf einem Flugzeugträger auf hoher See stattfinden zu lassen.
Dort wäre man für
Demonstranten nicht erreichbar und würde auch keine Stadt lahmlegen müssen. Die
Kosten würden drastisch sinken; die Sicherheit übernähme automatisch das
Marine.
Ich stelle mir vor, daß
man auf diese Weise auch Leichtathletik-WMs oder Olympiaden durchführen könnte.
Man müßte nur einmal ein richtig
großes Schiff bauen, das einem Flugzeugträger ähnlich über eine große Fläche an Deck verfügte, so daß dort Tartanbahnen oder
Weitwurfanlagen aufgebaut werden könnten.
Außer den Sportlern wären
nur die Dopinglieferanten (vulgo Ärzte) und ein paar Schiedsrichter notwendig.
Man wäre sogar
wetterunabhängig, weil sich das Schiff dorthin bewegen könnte, wo es gerade
sonnig und windstill ist.
Die Zuschauer würden
abgeschafft und könnten stattdessen alles aus dem heimischen TV-Sessel
verfolgen.
Die Sportrechtemillionen
würden kontinuierlich fließen, weil man auf dem Schiff ein Megasportevent nach
dem Nächsten abhalten könnte.
Eine Fußball-WM oder
Sommerolympiade in einer normalen Stadt wie zuletzt London durchzuführen,
dürfte schwieriger werden, weil sich die Gegner dieses Wahnsinns zunehmend
Gehör verschaffen.
Im Frühjahr sagten die
Schweizer Nein Danke.
Das Projekt zur Durchführung der XXIV.
Olympischen Winterspiele 2022 im Kanton Graubünden muss zurückgezogen werden.
Mit 52,7 Prozent Ja-Stimmen und einer Beteiligung von über 59 Prozent haben die
Stimmenden des Bergkantons eine Kandidatur bachab geschickt.
Die Bayern gaben den
Funktionären letzten Sonntag ein vierfaches NEIN.
Bevor jemand schon sein
Scheckbuch zückt, weil er aus Sorge um die darbenden IOC-Funktionäre eine
Spende nach Lausanne schicken möchte, sollte ich darauf hinweisen, daß die
IOC-Mitglieder noch einen winzig kleinen Notgroschen von 1,1 Milliarden Euro gebunkert
haben.
Nervös werden die
Inkarnationen der Korruption um die Herren Blatter und Bach aber dennoch.
Nun plötzlich merken sie,
daß ihre offensichtliche Geldgier und Bestechlichkeit, die sich unter anderem
in den Entscheidungen für Katar (dort sterben derzeit versklavte Arbeiter auf
den Baustellen) und Sotchi (dort macht man jetzt schon mal Jagd auf die Schwulen) zeigte, ihr Image
gründlich ruiniert haben.
Schon in China 2008
reagierte das IOC mit einem Maulkorberlass für die Sportler, die es wagen
würden Zensur und Menschenrechtsverletzungen in Peking anzusprechen.
Die Quittung kommt 2013
aus Deutschland und der Schweiz: Mit solchen Funktionären will man sich nicht mehr
ins Bett legen.
Diese Sorte „unangenehmer
Mensch“ findet sich offenbar auf allen Sportfunktionärsebenen. Franz
Beckenbauer trat nach, indem er nach der erlittenen Abstimmungsniederlage "Das
wird ihnen irgendwann leid tun!" giftete.
Gerd Heinze, der Präsident der Deutschen
Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG, hat mit drastischen Worten seinen Unmut über
das klare Nein der Bürger zu Olympia 2022 zum Ausdruck gebracht. „Auf Deutsch
gesagt: Die Bayern haben keinen Arsch in der Lederhose“, sagte Heinze am Montag
der Nachrichtenagentur dpa. „Sie sind nicht bereit, das geringste Risiko
einzugehen, um Dinge nach vorn zu bringen, die für ganz Deutschland so wichtig
wären“, beklagte Heinze.
Heinze weiß wie man sich
beim Volk beliebt macht. Die Bayern als Feiglinge zu beschimpfen und darin die
Ursache der Ablehnung zu diagnostizieren, ist schon eine bemerkenswerte Tatsachenblindheit.
Die Herren Multimillionäre*
sind pissed.
Die Absage der Bürger an eine Bewerbung
Münchens war ja weniger gegen das Konzept selbst gerichtet. Sie sollte vor
allem ans IOC gehen, für Intransparenz, "Knebelverträge", wie es die
Gegner nannten, und Kosten, auf denen die Ausrichter sitzenbleiben. Vor allem
zeige die Entscheidung das "Misstrauen" gegenüber dem IOC, sagte denn
auch der Schweizer Gian-Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes
und IOC-Vizepräsident.
Noch deutlicher wurde Manfred von
Richthofen, DOSB-Ehrenpräsident und als ehemaliger Präsident des Deutschen
Sportbundes Vorgänger von Bach: "Das IOC hat keinen guten Ruf. Olympische
Spiele haben einen unangenehmen Beigeschmack bekommen. Bach hat einen riesigen
Sack von Problemen in Bezug auf Sauberkeit, Doping, Bestechlichkeit,
Transparenz. Lösungen sind notwendig."
Politiker quer durch alle
Parteien stehen nun verstört da und können nicht begreifen, daß ihr bisheriges
Verhalten nicht mehr funktioniert; nämlich dem Volk Brot und Spiele zu bieten,
so daß sie sich selbst hervorragend inszenieren können, ohne ihre eigentliche
Arbeit zu tun – nämlich die soziale, ökologische und ökonomische Zukunftssicherung.
Hier erlebt man die
geistige Entkoppelung von Politfunktionären und Volk.
[…]
Die Politik, der treueste Bündnispartner
der Sportverbände, ist schlicht schockiert darüber, dass ihr jetzt ein
wesentliches Instrument für landesweites Entertainment und nationale
Identitätsstiftung wegzubrechen droht. Die Verstörung über ein eindeutiges
Bürgervotum ist bezeichnend - im Sport selbst herrscht nun anhaltendes
Entsetzen.
Denn das Nein zu München richtete sich
ausdrücklich nicht gegen den Sport oder Olympia generell, wie die Gegner vor
und nach der Abstimmung darlegten. Sondern im Kern gegen das IOC und die Art,
wie der globale Spitzensport heute geführt und vermarktet wird. Ein
Spitzensport, der just vor zwei Monaten einen neuen Präsidenten gekürt hat. Der
kommt aus Deutschland, heißt Thomas Bach und hat den nationalen Sport über die
letzten 15 Jahre dominiert, von 2006 an war er Chef des Deutschen Olympischen
Sportbunds (DOSB). Wenig Vorzeigbares oder Sinnstiftendes ist aus diesen Jahren
überliefert. [….] Das Glaubwürdigkeitsdefizit reicht tief in die nationale Sportpolitik
hinein. Das dürfte zur größten Hypothek für den organisierten Sport aus dem
München-Desaster werden. Unter dem Wirtschaftsberater Bach war die DOSB-Politik
stark auf Lobbyismus ausgerichtet; in Michael Vesper gelangte ein
Generaldirektor an die Verbandsspitze, dem wenig Fachkenntnis, aber rustikales
Durchsetzungsvermögen auf der politischen Bühne nachgesagt wurde. Wie in der
großen Sportpolitik üblich, wurden wichtige Prozesse auch hierzulande gern im
Hinterzimmer verhandelt.
[….]
Der
groteske Höhepunkt dieser Führungskultur war im August 2012 zu erleben, als
während der Londoner Sommerspiele das Innenministerium von Journalisten per
Gerichtsurteil gezwungen wurde, die Medaillen-Zielvereinbarungen mit dem DOSB
offenzulegen.
Wie ich der Hamburger
Lokalpresse von heute entnehme, rotten sich die hiesigen Sportfunktionäre nun
wieder zusammen, um eine erneute Olympiakandidatur der Hansestadt
vorzubereiten.
Wäre München nämlich zum
Zug gekommen, hätten Sommerspiele im selben
Land kurz darauf keine Chance gehabt.
2024 ist laut IOC zwar
erst einmal wieder Amerika gesetzt, aber 2028 stünde nach Südamerika (Rio
2016), Asien (Tokio 2020) und Nordamerika (2024) im Funktionärsgeklüngel wieder
einmal Europa auf dem Plan.
Wie blamabel die Hamburger
Kandidatur für 2012 unter dem passionierten Missorganisator Ole von Beust
(debakulierte auch bei Elbphilharmonie, Hafencity, Domplatzbebauung,
Europapassage, Schulreform, etc..) gescheitert war, ist schon wieder vergessen.
Ich freue mich schon auf
den Volksentscheid im gnadenlos durcheventisierten Hamburg über ein
zusätzliches Milliardenschweres Megaevent.
Unterdessen ist es aber
auch amüsant zu beobachten, wie sie die Olympia-Bewegten nach den Bayerischen
Entscheiden zerlegen.
Das vierfache Nein zu Olympia hat in den
Kreisen der Befürworter zu Dissonanzen und gegenseitigen Schuldzuweisungen
geführt. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) lehnte eine Übernahme der
politischen Alleinschuld für das Scheitern der Bewerbung ab und nahm explizit
die bayerische Staatsregierung mit ins Boot - was sich die Staatskanzlei
umgehend verbat. Es habe sich um kommunale Bürgerentscheide gehandelt, hieß es.
Als ungünstig wurde auch die Wahl des
Termins im November bezeichnet - eine Kritik, die am Montag auch aus der
Opposition im Münchner Rathaus kam. CSU und FDP warfen Ude vor, durch eine
ungünstige Terminwahl sowohl eine ausführliche Olympia-Debatte als auch eine
hohe Wahlbeteiligung verhindert zu haben. Sämtliche Olympia-Befürworter gehen
nach wie vor davon aus, dass es in der Bevölkerung eigentlich eine Mehrheit für
Winterspiele gibt.
[…]
"Ich
nehme zur Kenntnis, dass ich plötzlich der einzige Olympia-Befürworter
bin", sagte Ude ironisch auf Vorwürfe, er habe den Kontakt zum Bürger
verloren. Tatsächlich hätten Stadt, Freistaat, Sportverbände und die Partner im
Oberland die Bewerbung gemeinsam vorangetrieben. Kritik am Termin des
Bürgerentscheids bezeichnete der SPD-Politiker als "schlichtweg
lächerlich". Das Datum sei von allen Beteiligten beschlossen worden.
*Von Karl-Heinz Rummenigge
erfuhr man dieser Tage, daß sein Grundgehalt als Sportdirektor beim FC Bayern
56.000 Euro IM MONAT beträgt. Und das sind Peanuts gegen die sonstigen
Einnahmen durch Werbung.
Beckenbauer dürfte noch
deutlich mehr verdienen.
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