Wochenend
und kein Sonnenschein, da nahm ich mir zum Glück allein die aktuelle ZEIT vor.
Es
ist nicht neu, daß in der einst so vorbildlichen Qualitätszeitung konservative
Leitartikel und schwer religiotische Kirchenhuldigungen stattfinden.
Das
Elend kam aber erst auf s. 58 so richtig dicke, als ich die Rubrik „Glauben und
Zweifel“ aufschlug.
Hauptartikel
ist ein Interview mit der Harvard- und Oxford- Professorin Monica Toft.
Monica Duffy Toft is Associate Professor of Public Policy and Director of the Initiative on Religion in International Affairs at Harvard’s Kennedy School of Government. She is the author of most recently Securing the Peace: The Durable Settlement of Civil Wars (Princeton, 2010) and God’s Century: Resurgent Religion and Global Politics, with Daniel Philpott and Timothy Shah (Norton, forthcoming, 2011).(HuffPo)
Miss
Toft ist für den ZEIT-Leser keine Unbekannte.
So
erschien 2006 eine Rezension ihres Artikels in der Juli/August-Ausgabe der
amerikanischen Foreign Policy unter dem schönen Titel Why God is winning.
In Indien wuchsen die religiös-basierten Hindu-Nationalisten zum wichtigsten Herausforderer der säkularen Kongress-Partei heran. In Amerika wurden die Evangelikalen zur wahlentscheidenden Kraft.Das seien keine Ausrutscher. Vielmehr: Gott ist in, Säkularismus out Die Demokratie gibt Menschen eine Stimme, und immer mehr wollen von Gott sprechen. Die mächtigen Schübe von Modernisierung und Globalisierung in den letzten drei Jahrzehnten fielen zusammen mit einer sprunghaften Zunahme an religiösem Erwachen. Gerade 50 Prozent der Menschheit gehörten vor hundert Jahren den großen Religionsgemeinschaften Christentum, Islam und Hinduismus an, heute seien es 64 Prozent, es könnten bald nahezu 70 Prozent sein.Ihre Anhänger seien nicht nur frömmer als früher, sondern darüber hinaus bereit, religiösen Führern mehr Mitwirkung an politischen Entscheidungen zuzubilligen.
Genau
an diesem Thema hat sich die Direktorin der "Initiative Religion in
International Affairs" inzwischen weiter breit gemacht und veröffentlichte
das oben schon genannte Buch
„Gottes Jahrhundert. Wiederkehr der Religion und globale Politik“
Darin
stellt die Dame die steile These auf, daß sich nun erst die Religion richtig entfalte
und damit Freiheit und Demokratie gefördert würden.
Eine
gute Diskussionsgrundlage, wie ich meine.
Für
die ZEIT interviewte Manuel Hartung, der Chefredakteur von „Zeit Campus“ und
künftige Geschäftsführer der ZEIT-Tochter „Tempus Corporate“.
Frau
Toft haut dabei Thesen und angebliche „diskriptive Aussagen“ raus, die bei mir
Schnappatmung und Durchfall auslösten.
Das
hätte ein gutes Streitgespräch werden können. Leider muß ich diesen Satz im
Konjunktiv schreiben, da der überzeugte und engagierte Katholik Hartung die
überzeugte Katholikin Toft ganz im Sinne seines katholischen Chefs di Lorenzo
einfach reden ließ und nicht ein einziges mal widersprach.
Hartung,
30, engagierte sich schon in der Schule in der „Schüler-Union“ und der
Katholischen Kirche.
Toft: Neue Studien zeigen, dass Agnostiker und Atheisten weniger werden, während die Zahl der Gläubigen wächst. Religion boomt in Afrika, Lateinamerika, Asien. In Staaten wie Nigeria und Indien finden Menschen, dass ein Politiker gläubig sein sollte. In den USA hieß es früher, dass ein Katholik niemals Präsident werden könne. Heute kann ein Atheist niemals Präsident werden.(Die ZEIT 31.05.12)
Das freut Frau Toft.
Daß aber auch in Amerika die
Atheisten eine stark anwachsende Gruppe sind, die je nach Umfrage schon die
30%-Marke knacken, weiß Hartung anscheinend nicht.
Stattdessen wirft er
Stöckchen und meint der Säkularismus verlöre an Bedeutung.
ZEIT: Der große amerikanische Theologe Harvey Cox hat die Säkularisierungstheorie vor einigen Jahren schon als »den Mythos des 20. Jahrhunderts « bezeichnet.Toft: Cox hat recht. Die Menschen wenden sich nicht von der Religion ab, bloß weil ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind. Im Gegenteil. Wer ein bestimmtes Level von sozialer Sicherheit erreicht hat, kann sich für das interessieren, was größer ist als er selbst.(Die ZEIT 31.05.12)
Man staunt.
Ausgerechnet die monotheistischen
Großideologien, die mit ihrer manichäischen Weltsicht den Grundstein für
Intoleranz, Vorurteile und Diskriminierung legen, jubelt die US-Professorin zu
Vorkämpfern des Pluralismus hoch:
Toft: In unserem Buch God’s Century stellen meine beiden Co-Autoren und ich drei Faktoren dar, die zur selben Zeit zusammenkommen und für den Aufstieg der Religion verantwortlich sind: Modernisierung, Demokratisierung und Globalisierung.ZEIT: Das müssen Sie erklären.Toft: Früher war das eigene Schicksal sehr stark vorherbestimmt durch den Ort, an dem man aufwuchs, und die Familie, aus der man stammte. Heute hat jeder Mensch die Wahl, wie er lebt. Es gibt einen Wettbewerb um den richtigen Glauben. Religiöse Gruppen konkurrieren untereinander und mit dem Staat. […] Wenn Sie sich anschauen, welche Länder sich seit den 1970er Jahren demokratisiert haben, haben religiöse Akteure in 63 Prozent der Fälle die Demokratisierung vorangetrieben. Eine politische Theologie, die das Individuum in den Mittelpunkt stellt, hat automatisch einen engen Bezug zur Demokratie; sie lebt vom Grundsatz »eine Person, eine Stimme«.(Die ZEIT 31.05.12)
Genau.
Wir wissen ja alle, daß
der Vatikan die Keimzelle der Demokratie ist und dort immer streng
basisdemokratisch via „liquid democracy“ abgestimmt wird.
Auch das Talibanistische
Afghanistan, das Wahabitische Saudi-Arabien und die Islamische Theokratie Iran
mit ihren konzentriert religiösen Führungen sind als Hort der Toleranz und Demokratie bekannt.
ZEIT: Warum sind Sie so sicher, dass dieses junge Jahrhundert wirklich »Gottes Jahrhundert« wird?Toft: Es werden immer mehr Menschen in einen Glauben hineingeboren. Immer mehr entscheiden sich für eine Religion oder konvertieren. Ja, Religion kann Staaten auseinanderreißen. Und Bürgerkriege, in denen sie eine Rolle spielt, sind blutiger, dauern länger und brechen immer wieder auf. Auf der anderen Seite hat Religion positiven Einfluss: Sie übt Druck auf autoritäre Regime aus, und sie stiftet Frieden. Religiöse Gruppen zählen zu den wichtigsten Mediatoren in Konflikten.(Die ZEIT 31.05.12)
Ja, das stimmt. In Reinkultur konnte man dies beispielsweise in Ruanda 1994 erleben, als
insbesondere Christliche Geistliche das Abschlachten von fast eienr Million
Menschen anstachelten.
Das
erst 1962 aus belgischer Kolonialherrschaft entlassene Land hat eine fast rein christliche Bevölkerung.
Unsere christlichen Mitbrüder!
Knapp 60% Katholiken, knapp 40% Protestanten.
Das am dichtesten bevölkerte Land Afrikas wurde gründlich missioniert.
Es handelte sich 1994 also um einen Genozid an Christen - verübt durch Christen.
Ein Christengenozid, der keineswegs beendet ist - aus Furcht vor Rache flohen mindestens zwei Millionen Hutu in die Nachbarstaaten; insbesondere in den Kongo, in dem jetzt fröhlich weiter gemordet wird.
Der katholische Klerus spielte eine besonders aktive Rolle im „Bürgerkrieg“ - nicht etwa als Friedensstifter, sondern als Todesengel.
Heute sind rund 50 Kirchen in Knochenmuseen umfunktioniert - in ihnen lagern die Gebeine der Opfer.
Unsere christlichen Mitbrüder!
Knapp 60% Katholiken, knapp 40% Protestanten.
Das am dichtesten bevölkerte Land Afrikas wurde gründlich missioniert.
Es handelte sich 1994 also um einen Genozid an Christen - verübt durch Christen.
Ein Christengenozid, der keineswegs beendet ist - aus Furcht vor Rache flohen mindestens zwei Millionen Hutu in die Nachbarstaaten; insbesondere in den Kongo, in dem jetzt fröhlich weiter gemordet wird.
Der katholische Klerus spielte eine besonders aktive Rolle im „Bürgerkrieg“ - nicht etwa als Friedensstifter, sondern als Todesengel.
Heute sind rund 50 Kirchen in Knochenmuseen umfunktioniert - in ihnen lagern die Gebeine der Opfer.
There are the bones of adults and, heartbreakingly, also of babies and toddlers who were hacked to death. Visitors come not to see how life was lived but to remember how people were killed.
These bone museums are a silent indictment against many clergymen who were involved in the genocide, in which some 800,000 ethnic Tutsis and moderate Hutus were put to death in just one hundred days - a faster killing rate than that achieved by the Nazis in Germany.
Die Katholiken haben das einst geradezu paradiesisch schöne Ruanda in einen Friedhof verwandelt.
Obwohl die Aufklärung des Völkermordes alles andere als gründlich voran geht, kann man schon jetzt sagen, daß der katholische Klerus nach den Berufssoldaten diejenige Berufsgruppe ist, die am stärksten in den Völkermord verwickelt war.
Internationale Gerichtshöfe verurteilten wenigstens einige der Mord-Priester und Terror-Nonnen.
So wurde die katholische Nonne, Schwester Theopister Mukakibibi, im Jahr 2006 zu 30 Jahren Haft wegen Völkermordes verurteilt.
Im Februar 2009 wurde Pater Emmanuel Rukundo zu 25 Jahren Gefängnishaft verurteilt.
Rukundo habe bekannt, mit seinen Morden die ethnische Minderheit der Tutsi „vollkommen oder zumindest in Teilen“ habe ausrotten wollen. ….. Nach Angabe des Gerichtes war der Geistliche zusammen mit Soldaten des Hutu-Volkes an der Tötung von Tutsi-Zivilisten beteiligt, die sich in der Stadt Gitarama in ein Seminar geflüchtet hatten.
Aber auch in Nordirland haben die Protestanten
und Katholiken durch gezielte Attentate und Steinwürfe auf kleine Kinder
bewiesen, wie man Konflikte entschärft.
Geborene
Mediatoren scheinen mir auch die Ultraultraorthodoxen Juden in Jerusalem und
den Siedlungsgebieten zu sein! Dort ist es bekanntlich auch die Religion, die
als einzige für Frieden sorgt!
Meinen
Dank an die ZEIT!
Man lernt so viel….
Man lernt so viel….
Ein
Wermutstropfen bleibt allerdings für Frau Prof Toft: Die Hochschullehrer
widersetzen sich noch der Religion - „Ganz
Academia ist stark säkularisiert“
Aber auch in Harvard erkennt sie
Zeichen der Hoffnung.
Toft: Würde man ein Ranking der am stärksten säkularen Gesellschaftsbereiche machen, Academia würde einen der vordersten Plätze belegen. Immerhin gibt es mittlerweile eine gewisse Offenheit: Ich habe mein Buch den Professoren der Kennedy School of Government an einem Aschermittwoch vorgestellt. Ich begann mit der Beobachtung, dass an jenem Tag auch in Harvard viele Studenten mit Aschekreuzen in die Uni kamen. Das wäre vor ein paar Jahren unmöglich gewesen. Von den Professoren trug niemand ein Aschekreuz. Ich auch nicht. Aber Abends ging ich in die Kirche.(Die ZEIT 31.05.12)
Und mit dem Satz endete das
sogenannte „Gespräch“ über Glauben und Zweifel in der aktuellen ZEIT.
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