Und tatsächlich; auf Landesebene entstandene Gruppen wie die Hamburger „Schill-Partei“ und „Statt-Partei“ oder die „Bürger für Bremen“ gerieten schnell wieder in Vergessenheit.
Haben sich aber Parteien einmal auf Bundesebene festgesetzt und sind in das Bewußtsein Gesamtdeutschlands eingedrungen, lösen sie sich nicht so schnell wieder auf.
1990 erreichten bei der Bundestagswahl die Grünen in Westdeutschland katastrophale 3,85 % und erhielten keinen einzigen Sitz. Bis 1994 vertraten nur acht Ost-Abgeordnete von Bündnis 90 die Grünen im Bundestag, da durch eine Sonderregelung im „Beitrittsgebiet“ die 5%-Hürde deaktiviert war.
Viele Konservative frohlockten, der Grüne Spuk sei bald erledigt.
Bei der Bundestagswahl 2002, mittlerweile galt die gesamtdeutsche 5%-Hürde für alle, rutschte die PDS auf 4,3% weg und konnte lediglich zwei Direktkandidaten in den Bundestag schicken. Drei wären notwendig gewesen, um auch den Rest der Liste ins Parlament zu hieven.
Petra Pau (Berlin-Marzahn-Hellersdorf) und Gesine Lötzsch (Berlin-Lichtenberg-Hohenschönhausen) galten als die letzten demokratischen Sozialisten, die der Bundestag sehen würde.
Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt.
Im derzeitigen Bundestag sind beide Parteien zweistellig. 68 Grüne und 76 Linke bilden jetzt wieder stabile arbeitsfähige Fraktionen.
Für die 93 Freidemokraten hingegen könnte das Totenglöcklein, welches eher als Killer-Gong zu bezeichnen ist, tatsächlich geschlagen haben.
Die „Liberalen“ sind personell verwaist, thematisch ausgeblutet und taktisch überflüssig.
Als der letzte Vorsitzenden Westerwelle seine Spaßparteiphase hatte und im quietschegelben „Guidomobil“ umherfuhr, bei BigBrother auftrat und mit der aufgemalten „18“ unter den Schuhsohlen bei Sabine Christiansen saß, war man noch einigermaßen schockiert über den Umgang mit einer eben noch als seriös geltenden Partei.
Westerwelle regte auf, drängte die letzte echte Liberale, Hildegard Hamm-Brücher, aus der Partei und sein Strategie-Intimus Möllemann griff zum letzten Fallschirm.
Man war ehrlich beunruhigt über die Richtung, die die FDP einschlug.
Erst nachdem Möllemann aufschlug ließ Guido den gröbsten Unfug, bevor seine ganze Partei hinschlug.
Beim gegenwärtigen Parteichef Fipsi Rösler hat sich die öffentliche Wahrnehmung fundamental verändert. Die FDP wurde zunächst mit Ärger betrachtet, der dann in Häme und alsbald in Mitleid überging.
Diese Emotionen sind aber inzwischen vorbei; die FDP interessiert ganz einfach niemanden mehr, ihr wird niemand hinterher trauern.
Meldet sich ein FDP-Politiker zu Wort, weiß man ohnehin, daß nun großer Unsinn folgen wird, der keiner Replik würdig ist, weil der liberale Diskutant im Sterben liegt.
Die FDP taugt nur noch für die Satireseiten.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Joachim Günther ruft seine Fraktionskollegen zum Medienboykott auf und glaubt offenbar ernsthaft, daß es seiner Partei hülfe, wenn er wie ein kleines Kind vor der Realität die Augen verschlösse.
Die Medien wären „Hetzer“ und betrieben nur noch „linksgrüne Hysterie“, man solle sie bestrafen, indem man Zeitungen abbestelle und den TV auslasse.
Die Medien mit linksgrüner Hysterie-Berichterstattung werden immer mehr zur 1. Gewalt im Staat. Sie konnten uns vorübergehend suggerieren, dass man in Deutschland nicht einmal mehr einen neuen, modernen Bahnhof bauen darf.
[….] Wer stoppt diesen Kampagnen-Wahnsinn? Solange wir als Zeitungsleser, Radiohörer und Fernsehzuschauer uns weiter so an der Nase herumführen lassen, wird sich nichts ändern. […] Nun kann man unmoralische und unfähige Journalisten nicht einfach zum Rücktritt auffordern. Wohl aber kann man Zeitungen abbestellen, Radio- und Fernsehsender nicht mehr einschalten. Ich bin sicher, dann würde sich einiges ändern im medialen Bereich.
(Offener Brief von Joachim Günther 11.01.12)
Ich bin mir sicher, daß Spiegel und BILD schon schlottern vor Angst bei der Vorstellung die verbliebenen dreieinhalb FDP-Fans würden ihre Blätter nicht mehr lesen.
FDP-Stimmen zum Medien-Boykott.
Der Kategorie Günther gehört auch der Bayerische Ex-FDP-Landtagsabgeordnete Dietrich von Gumppenberg an, der seine Bestimmung darin sieht RTL wegen des Dschungelcamps zu verklagen. Moderator Dirk Bach ist wenig beeindruckt.
SPIEGEL ONLINE: Anlässlich der Dschungelcamp-Premiere protestierte nur noch der "Bund gegen Missbrauch der Tiere" wegen der Behandlung der Kakerlaken und Mehlwürmer, und ein FDP-Politiker zeigte RTL wegen "dringenden Tatverdachts der vollendeten Körperverletzung" an.
Bach: Die FDP hat sich inzwischen ja fast selbst erledigt. Und wenn jemand die Menschenrechte verteidigen will, soll er Mitglied bei Amnesty International werden.
(Spon 22.01.2012)
Auf mehr Interesse dürfte da schon die Klage der SPD gegen den FDP-Entwicklungshilfeminister stoßen.
Der SPD-Abgeordnete Sascha Raabe hat den Liberalen wegen des Verdachts der Untreue angezeigt. Hintergrund ist eine umstrittene Stellenbesetzung. Die FDP spricht von einer Hetzkampagne.
[….] Niebel eckt vor allem mit Personalbesetzungen und dem Neuzuschnitt seines einst von einer sozialdemokratischen Ministerin geführten Ressorts an. [….]
Nun gewinnt der Streit zwischen Niebel und seinem Hauptgegner Raabe an Schärfe. Der SPD-Politiker griff zu einem ungewöhnlichen Mittel, am Donnerstag stellte Raabe bei der Berliner Staatsanwaltschaft Strafanzeige gegen den Bundesminister. Per Einschreiben ging ein vierseitiges Schreiben an die Behörde heraus. Der Vorwurf an die Adresse Niebels: "Verdacht auf Untreue."
Konkret geht es um die jüngst erfolgte Besetzung der Servicestelle "Engagement Global" im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
(Severin Weiland 26.01.12)
„Hetzkampagne“ gegen die FDP? Niebel geht d’Accord mit Joachim Günther.
Immerhin hat Günther überhaupt mal wieder für eine Schlagzeile gesorgt.
Wenn es sein Parteichef versucht - womöglich sogar mit politischen Themen - wird es einfach nur albern.
Röslers Anti-Solarenergie-Attacke nennt die gediegene „ZEIT“ euphemistisch „nicht intelligent“
Rösler macht Krawall.
Der Wirtschaftsminister kämpft gegen Solar-Subventionen. Wirklich intelligent ist das nicht.
[….] Für Schlagzeilen hat der Chef der ums Überleben kämpfenden FDP damit gesorgt, gesagt hat er allerdings wenig – weniger jedenfalls, als er vor rund zwei Monaten schon einmal zu diesem Thema sagte. Damals machte sich Rösler dafür stark, Solaranlagen nur noch bis zu einer jährlichen Gesamtleistung von 1.000 Megawatt zu fördern; im vergangenen Jahr sind mehr als 7.000 Megawatt gefördert worden. Doch inzwischen antwortet Rösler auf die konkrete Frage, ob er einen Deckel für die Förderung wolle, mit einem klaren »Nein«. Abenteuerlicher könnte die Wende kaum sein. Abstrakt mosern, aber konkret den Streit scheuen, das ist offenbar die Devise des Ministers.
(Fritz Vorholz 22.01.2012)
Röslers neue Obst-Werbekampagne verstehen die Medien allgemein als Beleg dafür, daß sich der Wirtschaftsminister endgültig aus der Realität verabschiedet hat.
Der Parteichef klärt umgehend auf. Die "Stimmung an der Basis ist hervorragend", teilt er freudig mit. "Absolut optimistisch", schiebt er noch hinterher. Was die Frage aufwirft, in welcher heilen Welt der Vizekanzler am Morgen aufgewacht ist. Oder ist das Galgenhumor?
[…] Am Morgen hat der neue Generalsekretär Patrick Döring das erste Wachstums-Plakat vorgestellt. Es zeigt ebenjene junge Frau, verkleidet als Obstverkäuferin. Zerzauste schwarze Haare, beide Hände in die Hüften gestemmt, grüne Schürze, drunter weißes T-Shirt, das Ganze vor einer Kulisse aus Äpfeln, Birnen, Orangen und Limetten. Und natürlich dieses breite Zahnarzttochterlächeln, das Rösler nachzuahmen sucht.
[…] Rösler gefällt das Wachstums-Plakat. Die Sache mit dem Wachstum ist auf seinem Mist gewachsen. "Das Wachstumsthema habe ich gesetzt", verkündet er stolz wie Tom Hanks in dem Film Cast Away, kurz nachdem es diesem gelungen ist, ein Feuer zu entfachen. Da haut er sich mit beiden Fäusten auf die nackte Brust und brüllt: "Jaaa! Seht, was ich getan habe! Ich habe Feuer gemacht!"
(Thorsten Denkler 23.01.12)
Ein Problem mathematischer Art haben die Demoskopen mit Röslers Partei.
Die Situation für die FDP wird immer dramatischer. Die Liberalen sind im aktuellen Politbarometer, das von ZDF und Tagesspiegel erhoben wird, auf ein historisches Tief gefallen. In der politischen Stimmung liegt die Partei demnach nur noch bei einem Prozent. Seit gut anderthalb Jahren rangiert der Koalitionspartner von CDU und CSU nun schon unterhalb der Fünf-Prozent-Marke - so weit drunter war sie bisher aber noch nicht.
(Christian Tretbar 27.01.12)
Das Problem an einer Ein-Prozentpartei ist, daß sie statistisch nicht mehr auswertbar ist in herkömmlichen Umfragen.
Bei durchschnittlich 1000 telefonisch Befragten bedeuten 1% FDP, daß gerade mal zehn Personen für die Partei sprachen.
Fragt man diese dann beispielsweise weiter nach ihrer Meinung Pro oder Contra Rettungsschirm, hat man zu wenige Informationen für ein seriöses Stimmungsbild.
Die wenigen Antworten sind statistisch schlicht nicht mehr sinnvoll interpretierbar.
[…] Jetzt finden sich bei Umfragen nicht einmal mehr genügend FDP-Anhänger, um zu einzelnen Themen ein verlässliches Meinungsbild zu erstellen. "Parteianhänger der FDP wegen zu geringer Fallzahl nicht ausgewiesen", heißt es auf den Schaubildern der Institute.
[….] Teilgruppen, die auf weniger als 30 Interviews basieren, gelten als statistisch nicht mehr sinnvoll interpretierbar, sagt Oliver Sartorius von TNS-Infratest.
(Peter Blechschmidt 27.01.12)
Die Demoskopie hat bei der FDP schon ausgedient.
Will man ein Meinungsbild der Partei erstellen, ruft man am besten jedes Parteimitglied einzeln an.
Das ist ja schnell erledigt.
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