Heribert
Prantl verfasste für die heutige SZ einen wichtigen Artikel, in dem er aufzeigt
welchen enormen Nutzen mächtige Parteichefs der SPD haben, wenn sie ein
konservatives Projekt gegen den Willen der Basis durchprügeln.
1992, Björn Engholm schwört die SPD
auf eine dramatische Verschärfung des Asylrechts ein:
Auch damals verbürgte
sich der Parteichef für diese Bedingungen; er tat es mit dem seltsam verqueren
Satz, er werfe "seine Schädeldecke in den Ring" für die sorgfältige
Verwirklichung des Parteitagsbeschlusses. Nach diesen SPD-Vorstellungen lief es
dann doch nicht, und das Zuwanderungsgesetz, ein Regelwerk zur Einwanderung,
das sich die SPD mit ihrer Zustimmung zur Abschaffung des alten Asylgrundrechts
von der CDU erkaufen wollte, kam nicht. [….]
Björn Engholm, der die
Grundgesetzänderung in der SPD durchgesetzt hatte, war da schon lang in der
Versenkung verschwunden. [….]
1993, Rudolf Scharping drückt den
Großen Lauschangriff durch:
[….]
Es ging um alles, es ging auch um ihn.
Der SPD-Vorsitzende zeigte keine Regung. Sein Bundesgeschäftsführer reichte
ihm, es war nachts um eins, nach einer dramatischen Debatte und einer quälend
verwirrenden Abstimmungsschlacht, den erlösenden Zettel: Antrag des
Parteivorstands knapp genehmigt, Sieg für den Parteichef. [….] Es ging um das Abhören von Gesprächen ohne
Wissen der Beteiligten durch heimlich in Wohnungen angebrachte Wanzen. [….]
Das Ganze endete dann, nach vielen
Stunden, sehr knapp und gemäß Scharpings Willen für den großen Lauschangriff -
unter allerlei Bedingungen und Vorbehalten. Die Bedingungen des SPD-Parteitags
aber wurden in den Verhandlungen mit der CDU / CSU nur sehr partiell
durchgesetzt. [….] Die Europawahl
1994 wurde trotzdem oder gerade deswegen zum Debakel für die Scharping-SPD, und
auch bei der Bundestagswahl gelang es ihm nicht, Helmut Kohl zu stürzen. Der
Lauschangriff wurde dann 2004 vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen
für verfassungswidrig erklärt. [….]
2003, Schröders Agenda 2010:
Machtverlust
zwei Jahre später
2015, Sigmar Gabriels bizarrer
180°-Schwenk für die Vorratsdatenspeicherung:
In der
Folge sackt die SPD auf die 20%-Marke ab und Heiko Maas, der einzige
SPD-Hoffnungsträger im Kabinett ist durch seine übertriebene Loyalität schwer
beschädigt. Und alles für ein sinnloses Vorhaben, welches eine Gefahr für Journalisten und Whistleblower
darstellt.
Viele
halten das Gesetz für grundgesetzwidrig und klagen dagegen.
[….] SPD-Chef Gabriel hat sich durchgesetzt - aber ein klares Votum war es nicht: Weniger als 60 Prozent stimmten beim Parteikonvent für die Vorratsdatenspeicherung. [….] Dann endlich kommt Gabriel zur VDS-Debatte: "Es gibt keine Sicherheit ohne Freiheit und keine Freiheit ohne Sicherheit", sagt er - und lobt die Entscheidung der Delegierten.
[….]
Dann erwähnt Gabriel, dass der Konvent
sich ja auch noch für eine Änderung ausgesprochen habe, die innerhalb des
bestehenden Gesetzesvorschlags umzusetzen sei: den Plan, das Gesetz 2018
evaluieren zu lassen. Das bedeutet keine Befristung, für die man den
bestehenden Vorschlag komplett hätte neu aufsetzen müssen. Noch während des
Konvents gab es deshalb Kontakt mit dem neben Justizminister Maas zuständigen
Innenminister Thomas de Maizière (CDU), der offenbar keine Einwände hatte.
Und genau nach dieser
Absprache wird SPD-Mann Maas nun auf der Pressekonferenz gefragt. Doch da
drängelt sich Gabriel ans Mikrofon und sagt in Richtung des irritierten
Fragestellers: "Sie wollen doch eine Antwort haben." Das lässt Maas
wie einen Lakai dastehen. [….]
19.09.2016, einen Tag nach dem grandiosen Wahlsieg der SPD in Berlin,
drückt nun Sigmar Gabriel auch noch ein SPD-Ja zum CETA-Abkommen durch.
Es
scheint wieder einmal nach dem alten Hildebrandtschen Motto zu laufen:
„Die SPD scheißt in
jede Hose, die man ihr hinhält“
Aus
lauter Panik von der überwiegend neoliberalen Presse als nicht regierungsfähig
oder weniger wirtschaftskompetent als Union und FDP eingeschätzt zu werden,
stimmt die SPD-Basis einer Angelegenheit zu, von der sie überhaupt nicht überzeugt ist.
Ich glaube
durchaus, daß die Basis irren kann und halte die Agenda 2010 immer noch für
richtig – wenn auch selbstverständlich viele daraus resultierende
Einzelfallungerechtigkeiten längst hätten behoben werden sollen. Das mahnt
übrigens heute auch Gerhard Schröder an.
Derzeit
fühle ich mich nicht informiert genug, um kompetent die Unterschiede von TTIP
und CETA beurteilen zu können. Möglicherweise ist Gabriels Linie „Nein zu TTIP,
aber ja zu CETA“ sachlich nachvollziehbar, auch wenn weite Teile der
Bevölkerung das nicht können.
Von mir
gibt es also ein Ja, eine Enthaltung, aber auch drei klare Neins (VDS,
Asylrechtsverschärfung, Lauschangriff) für die order di mufti-Entscheidungen in
der SPD.
(1981 und 1982 war ich selbst auf vielen
großen Demos gegen den NATO-Doppelbeschluß und sehr gegen die
Pershing-II-Nachrüstung engagiert.
Das Vorhaben Helmut Schmidts hielt ich für
dramatisch falsch – und das über Jahrzehnte. Inzwischen rücke ich aber von dem
Urteil ab. Es gibt offensichtlich eine Menge Hinweise, insbesondere von Gorbatschow,
daß Schmidts NATO-Doppelbschluß tatsächlich letztendlich zur Abrüstung führte
und daß die Angriffspläne des Warschauer Paktes ausgefeilter waren als man
damals dachte.)
Abgesehen
von der Frage, ob Gabriels Entscheidungen falsch oder richtig sind, kann man
aber sicher sagen, daß seine Begründungen offensichtlich von einer großen
Mehrheit der Deutschen nicht nachvollzogen werden können.
Angesichts
der Underperformance von CDU und CSU immer noch bei nahe 20% rumzukrebsen, ist
schon eine Leistung, liebe SPD.
Zum
Glück wurden die Schuldigen für die Wahlniederlagen in Berlin recht schnell
gefunden.
In
keinem Fall sind es natürlich die Taten der eigenen Partei.
Man hat
selbst bekanntlich immer alles richtig gemacht.
Der „Linksruck“
wurde von Blitzbirne Chris Lindner, aka FDP-Chef, der AfD in die Schuhe
geschoben.
"Der AfD-Wähler
ist der beste Wahlhelfer für einen zunehmenden Linksruck in Deutschland. Esist
leider im wahrsten Sinne des Wortes ein Abfallprodukt der Wahl der AfD, dass
man nicht nur Rechte in die Parlamente bringt, sondern gleichzeitig Linke in
die Regierung."
(FDP-Chef
Christian Lindner, 19.09.16)
CDU-General
Peter Tauber fand unterdessen heraus wer für das schlechteste CDU-Ergebnis
aller Zeiten in Berlin verantwortlich ist: Der SPD-Bürgermeister Michael
Müller.
CDU-Generalsekretär
Peter Tauber fand das Ergebnis ebenfalls nicht erfreulich. Der Wahlkampf sei
sehr stark von der großen Unzufriedenheit mit dem rot-schwarzen Senat unter
Führung von Michael Müller (SPD) geprägt gewesen: „Der Fisch stinkt bekanntlich
vom Kopf her.” Die CDU habe sich von dieser Stimmung nicht absetzen können,
obwohl sei eine erfolgreiche Politik gemacht habe”, sagte Tauber.
(BZ,
19.09.16)
Auch für
das miese Abschneiden der SPD gibt es selbstverständlich einen Schuldigen: Die CDU!
Wer ist für das
historisch schlechte Abschneiden der SPD in der deutschen Hauptstadt verantwortlich? […]
SPD-Bundesfraktionschef
Thomas Oppermann hat die Union nun für das Wahldebakel seiner Partei
mitverantwortlich gemacht. Wenn CDU und CSU permanent über die
Flüchtlingspolitik stritten, sende auch die schwarz-rote Bundesregierung das
Signal, "dass sie nicht weiß, wo es langgeht", sagte Oppermann im
Deutschlandfunk. Leider werde auch die SPD durch diese Dauerdebatte zwischen
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer
heruntergezogen.
Ich habe
auch noch einen; diesmal sogar ernst gemeint:
Schuld am guten Abschneiden der AfD sind Horst Seehofers und Andreas Scheuers CSU:
Schuld am guten Abschneiden der AfD sind Horst Seehofers und Andreas Scheuers CSU:
"Das Schlimmste
ist ein Fußball spielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da
ist", sagte Scheuer im Regensburger Presseclub. "Weil den wirst du
nie wieder abschieben." Für den sei das Asylrecht nicht gemacht, ergänzte
er, das sei ein Wirtschaftsflüchtling. Das sollte wohl seine Wortwahl
rechtfertigen. Doch Kritik kommt von überall.
Schockiert zeigt sich
am Montag Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. "So redet man nicht über
Menschen", sagt er. "Solche Sätze sind Futter für
Rechtspopulisten."
[…]
(Daß ich
mal Bedford-Strohm zustimme….)
Also
liebe Parteien; das mit der Übernahme von Verantwortung üben wir dann noch mal,
oder?
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