Freitag, 30. März 2012

Im Chor….



Was sich meine Lieblingspartei gestern zum Thema Schlecker geleistet hat, wird heute von tausenden Artikel thematisiert und überwiegend scharf kritisiert.

Aber nur weil alle in dasselbe Horn tuten, muß es nicht falsch sein, wie die einmütige Verdammung des verlogenen Schnorrers Christian Wulff bewies.

Auch wenn ich Vizekanzler Fipsi für nicht besonders intelligent halte, wird er nicht so doof sein von diesem shitstorm überrascht zu sein.
 Das macht aber nichts. 
Seine Kalkulation dürfte lauten: 90% gegen uns und umso mehr wird ein neoliberaler Kern aus reichen Geizkragen von unserer Standhaftigkeit beeindruckt sein.
Der germanische Held Guttenberg wurde damals auch berühmt mit seinem Pseudowiderstand gegen die Opelrettung!
Nur: Das Beispiel hinkt gewaltig. 
Guttenberg hatte zwar tatsächlich in der Kabinettssitzung der großen K.O.alition zu Opel eine staatliche Rettung für falsch gehalten und erklärt er würde als Wirtschaftsminister zurücktreten müssen, wenn es doch so käme. 
Als aber Merkel und Steinbrück nicht auf ihn hörten, fiel er allerdings sofort um und entlarvte sich als hohle Nuss, die doch mehr an Amt denn Überzeugung hin.

Die „reine Lehre“ sollte damals wie heute die „reine Leere“ in den Köpfen übertünchen.

 Als CSU-Mann unterstützte Guttenberg natürlich doch die Kredite der Landeregierung an Quelle; da ging es schließlich um bayerische Wähler. 

So janusköpfig agiert auch der Bayerische FDP-Minister Zeil - er „rettet“ den bayerischen Skandal-Großbäcker Müller (der mit der Mäusescheiße und den Kakerlaken im Brot) und erklärt quasi gleichzeitig, daß so etwas unverantwortlich sei - bei Schlecker (BW, grün-rot, bähbäh).

Natürlich hinken diese Vergleiche, weil niemand Schlecker mit Steuergeldern sanieren will, wie es die FDP-Leute bewußt falsch darstellen.

Genau das stößt auch den Kommentatoren auf.
Die groteske Verlogenheit der Rösler-Bande entlarvt u.a. Jens Berger mit dem Artikel „Polittaliban außer Kontrolle“. Sein Fazit:

Die Finanzierung der Transfergesellschaft würde – anders als es die FDP suggeriert – nicht vom Staat, sondern vom Insolvenzverwalter gestemmt [….] Festzuhalten ist hier vor allem, dass durch die Transfergesellschaft Gelder aus der Insolvenzmasse an die ehemaligen Beschäftigten geflossen wären. Nun muss der Staat diese Gelder direkt über seine Sozialsysteme tragen. Die Bundesanstalt für Arbeit kann diese Gelder zwar beim Insolvenzverwalter einklagen, muss sich dabei jedoch ebenfalls in die lange Reihe der Gläubiger einreihen und wird im Falle eines Konkurses wohl nur einen sehr kleinen Teil der Forderungen zurückerhalten.   Durch die Blockade der FDP ist die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses gestiegen. Für die öffentlichen Kassen ist dies ein sehr schlechtes Geschäft. Wenn man nun das Risiko hinzuaddiert, dass durch die Blockade auch noch der bislang intakte Teil der Schlecker-Gruppe mit seinen 13.250 Mitarbeiter die Pforten schließen muss, ist bereits klar, dass die Starrköpfigkeit der FDP die Sozialsysteme sehr teuer zu stehen kommt. Freuen können sich darüber vor allem die übrigen Gläubiger, vor allem Banken, deren Anteil an der Insolvenzmasse durch die FDP-Blockade merklich gestiegen ist. Die FDP bleibt also auch hier ihrem Motto treu, die Interessen der Finanzwirtschaft über die Interessen der Bevölkerung und auch über die Interessen des Staatshaushaltes zu stellen.
Mit vernünftiger Ordnungspolitik hat diese Blockade überhaupt nichts zu tun. Ordnungspolitisch sinnvoll wäre es vielmehr, einen harten Konkurs im Sinne aller Beteiligten abzufedern. Ohne Transfergesellschaft wird dies jedoch eine Herkules-Aufgabe. Die Argumente der FDP sind dabei sogar bei wohlwollender Betrachtung grotesk.

Man glaubt es kaum, aber selbst dem Mann mit dem Gesicht, das nur eine Mutter lieben kann und der hochgradigen Wahrheitsallergie, Markus Söder, rutschte aus Versehen eine richtiger Satz über seinen FDP-Koalitionspartner heraus:

"Das sind wohl mehr politische statt fachlich nachprüfbare Motive", sagte Söder am Donnerstag in München. Denn aus finanzpolitischer Sicht wäre die von Bayern geforderte Bürgschaft seiner Ansicht nach vertretbar gewesen. Der bayerische Anteil wäre - obwohl nicht alle Länder mitziehen wollten - nicht erhöht worden, die Zahlungen wären abgesichert gewesen, und die bayerischen Steuerzahler hätten das Geld sicher zurückbekommen.
"Ich bedaure, dass Bayern an der Stelle nicht helfen kann", sagte Söder mit Blick auf den Widerstand der FDP. "Ich bedaure, dass die Schlecker-Mitarbeiterinnen jetzt eine schlechte Nachricht bekommen."
Söder betonte, das bayerische Finanzministerium habe das zuletzt von Baden-Württemberg vorgeschlagene Modell auf Herz und Nieren und nach bestem Wissen und Gewissen geprüft. Und ökonomisch wäre das Ganze für den Freistaat gut vertretbar gewesen, sagte der Minister.

Selbst anbiedernder Populismus ist nun schon zu viel verlangt von der FDP - bei Rösler geht einfach gar nichts mehr.

Ja zum Kampf gegen die Mineralölkonzerne, Nein zu einer Schlecker-Transfergesellschaft: Die FDP kann nicht mal mehr konsequenten Populismus. […]
Schlecker fallen zu lassen, um gleichzeitig bei den Spritpreisen nach den eben noch ungeliebten Staat zu rufen, ist nicht einmal konsequenter Populismus. Es ist schlicht konfuser Quatsch.
[…]  Doch die Liberalen können auch anders: Zu Beginn seiner Amtszeit kündigte Parteichef Rösler das Zeitalter des "mitfühlenden Liberalismus" an. Zumindest ein halbes Herz zeigt er nun für die rund 40 Millionen Autobesitzer, die zu Recht über die nur noch steigenden Benzinpreise stöhnen - ein Thema, wie geschaffen für bundesweiten Applaus. Vor allem vor den reise-intensiven Osterferien, wenn die Spritpreise traditionell hoch sind. Beschlüsse sind zwar noch nicht gefasst, aber Rösler fordert neben der Einschaltung des Kartellamts: "Wir brauchen eine Stärkung der freien Tankstellen für die Stärkung des Wettbewerbes, um den Preis an den Tankstellen selber stabil halten zu können." Zynisch betrachtet könnte man den Liberalen auch dieses Kalkül unterstellen: Was sind schon 11.000 Arbeitslose mehr oder weniger, wenn man an die Geldbeutel von Millionen appelliert?

Die Frage ist nun, ob es tatsächlich noch einen Kern von hardcore-neoliberalen Staatsverächtern gibt, die nach den letzten beiden Desasterjahren aufgrund Fipsis Eskapaden nun denken „Tolle Partei mit Grundsätzen! Die wähle ich jetzt!

Der SPIEGEL hat sich auf die Suche gemacht und in der Hamburger Hafencity (Quadratmeterpreise für Luxuswohnungen bis 40.000 Euro, FDP-Wähler 2009: 27,5%.) herumgefragt. 
Hier hat die Partei der Besserverdienenden noch Freunde. Freunde, die es mögen, wenn gegen geknechtete Schlecker-Mitarbeiterinnen gepöbelt wird! Sie stehen zur FDP - allerdings nur anonym!

Ein paar hundert Meter weiter, direkt gegenüber der Elbphilharmonie, ist gerade Lunchtime in einem der nobelsten Restaurants des Viertels. Die Tische sind gut besetzt, es duftet nach französischer Ziegenkäsetarte. Eine Gruppe von Männern mit angegrautem Schläfenhaar und Einstecktüchern in den dunklen Sakkos ist gerade fertig mit dem Mittagessen. Der Kaffee steht auf dem Tisch, ein Grappa ist dabei. "Das können Sie sich wohl denken", sagt einer von ihnen auf die Frage, welche Partei sie unterstützen. Er bietet einen Espresso an. "Wir können uns gern über Wahlprogramme unterhalten", sagt ein anderer, "aber über Schlecker sprechen wir heute nicht."
Ähnliche Antworten erhält man auch von anderen FDP-nahen Unternehmern. Zu heikel sei es im Moment, sich öffentlich über den politischen Kurs der Partei zu äußern.

Mich persönlich amüsiert das politische Mäandern des erratischen FDP-Chefs eher.

Natürlich ist die Schlecker-Angelegenheit eine Vorlage für Populisten aller Art. Man versucht sich auf dem Rücken der Angestellten beliebt zu machen.

Hervorzuheben ist aber, daß die FDP-Minister nicht die geringsten Arbeitsgrundregeln einhalten.
 Abgesehen von ihren politischen Meinungen: Sie verstehen das ministerielle Handwerk nicht.

So kündigte Außenminister Guido Westerwelle in Ramallah an die diplomatische Vertretung der Palästinenser in Berlin aufzuwerten.
 Merkel wußte allerdings von nichts und hatte Bibi Netanjahu bereits das Gegenteil zugesichert.
Von dem Dilettantismus der liberalen Minister kann auch Nils Schmid ein Lied singen.

Seit bekannt ist, dass die Drogeriekette Schlecker pleite ist, arbeitet der SPD-Wirtschaftsminister aus Baden-Württemberg an vorderster Front der Rettung. Was daran liegt, dass sich die Konzernzentrale im schwäbischen Ehingen befindet; dort wo auch der alte Eigner Anton Schlecker wohnt.
[…] Schmid hatte den Bundeswirtschaftsminister um Unterstützung gebeten. Dessen Antwort kam nicht per Telefon, Mail oder Fax. Sondern per Pressesprecher, der auf Zeitungsanfragen hin erklärte, dass Rösler nicht gedenke zu helfen. 'Ungewöhnlich' nannte Schmid das Kommunikationsverhalten und kündigte an, dass er dem FDP-Mann 'hinterhertelefonieren' werde. Schmids Entgegnung war ihrerseits ungewöhnlich sanft. Immerhin ist der Mann Wirtschafts- und Finanzminister und stellvertretender Ministerpräsident in dem nicht ganz unwesentlichen Land Baden-Württemberg.    Diese Art der Reaktion war nicht unbedingt Ausdruck von Naivität, sondern das ehrliche Erstaunen eines fleißigen und korrekten Politikers über die ungezogenen Verhaltensformen des FDP-Politikers. Denn auch wenn ihn einige im Südwesten noch 'Männle' nennen, weil er so brav wirkt wie ein Eins-Nuller-Abiturient (was er übrigens ist) - es ist wohl nicht falsch, was Schmid über sich selbst sagt: 'Was Seriöseres als mich gibt es nicht.' So ein Satz von ihm hat gefühlt noch nicht mal ein Ausrufezeichen, so ruhig ist Schmid.
(Max Hägler, Süddeutsche Zeitung, 29. März 2012)

Schmid ist somit das charakterliche Gegenbild zur Polit-Pest Philip im Bundeswirtschaftsministerium.

Dieser hatte seine Verachtung für Niedrigverdiener ganz unverblümt ausgedrückt. 
Nicht nur, daß er und seine fabelhafte Partei den fast 12.000 Schlecker-Frauen nicht helfen wollen, nein, er zieht ihnen auch noch verbal eins über, indem er ihnen zu verstehen gibt, daß sie menschlich kaum einen Wert haben. 
Er sieht sie offenbar als Gegenstände an.

„Jetzt gilt es für die Beschäftigten - mehr als 10.000 vornehmlich Frauen, einzelne Mütter und ältere Frauen - schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden“, riet Bundeswirtschaftsminister Rösler den nun von Arbeitslosigkeit betroffenen Frauen der Drogeriekette Schlecker. Kein Wort des Mitgefühls, kein Signal der Unterstützung: Der Markt wird's schon richten, so sein Credo.

So spricht ein wahrer Christ. Philip Rösler ist Mitglied des Zentralrats der Katholiken in Deutschland.

Aber was beschweren sich die Schlecker-Elsen? 
Von nichts kommt nichts - man muß schon wie Hotel-Besitzer Finck einen siebenstelligen Betrag an die FDP spenden bevor die Liberalen sich mit Milliarden erkenntlich zeigen.



 Nachtrag:
Anders als bei der Gauck-Konfrontation gibt es diesmal keinen Dissens zwischen Kanzlerin und Vizekanzler: Merkel ist voll auf FDP-Linie - auch die Pastorentochter und Deutschlands beliebteste Politikerin sagt nein zu den Schlecker-Angestellten.

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