Donnerstag, 7. September 2017

Zum Glück bin ich nicht jung!



Da ich immer noch nur sehr eingeschränkt und langsames Internet habe, sehe ich verstärkt TV-Nachrichten. Das stürzt mich in Depression.
Offensichtlich ist es große Mode zum Thema Bundestagswahl Reporter in Fußgängerzonen zu jagen, damit sie dort Jung- und Erstwähler befragen.

Ich habe schon so viele blonde Teens und Twens gesehen, die sich grinsend vor der TV-Kamera produzieren, um dort völlig schambefreit zu erklären, daß sie Politik nicht interessiere.
Falls sie wählen gingen, dann vermutlich „Angie“, weil sie die anderen gar nicht kennen.
Was gefällt ihnen denn an Merkel, möchten die TV-Menschen dann wissen und ernten verständnisloses grinsen. Dazu fällt keinem etwas ein.
Aus Verzweiflung folgte schließlich die Frage an eine selbsterklärte nichtpolitische „Angie-Wählerin“, ob sie wenigstens eine typische Handhaltung der Kanzlerin machen könnten?
Typische Handhaltung? Nein, weiß ich nicht, aber ich weiß wie Angie beim Fußball applaudiert.


Was war nun zuerst da?
Die inhaltlosen Wahlplakate und substanzlosen Wahlprogramme, die solche desinteressierten, oberflächlichen Wähler generieren, oder sind die Wähler geistig so träge und verblödet, daß sich die politischen Werbebotschaften ihnen anpassen?

Auch bizarr eine ARD-Reportage „Die Wahl und das Netz“ (lief am Montag, den 04.09.2017).
Es ist schon ganz lustig anzusehen wie albern und hilflos die Parteien versuchen modern zu sein, um sich „netzaffin“ den Jungwählern zu präsentieren.
In einem Münchner Biergarten befragte Jungwähler sind nicht beeindruckt und halten den Onlinewahlkampf für wenig authentisch.
Das „erreicht“ sie nicht und daher wählen sie auch nicht.

[….] Junge Wähler und Erstwähler stellen nur etwa fünf Prozent der Wähler und nur rund 10 bis 15 Prozent gehen wählen. "Junge Wähler und Erstwähler befinden sich im politischen Lebenszyklus in einer ganz, ganz wichtigen Phase. Wann wird man denn Anhänger von einem Fußballverein oder Fan einer bestimmten Musikrichtung?", fragt Thomas Waldvogel, Fachreferent bei der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. [….]
"Häufig eben in jungen Jahren, in Phasen des Erstkontakts, und für viele ist das, politisch gedacht, eben mit der Erlangung des Wahlrechts der Fall."
[….]  "Häufig ist es einfach so, dass die Parteien die Lebenswelten der Jugendlichen nicht adäquat erfassen und die Parteien müssen also versuchen, in diese Lebenswelten vorzudringen, aber auch Schule und Bildung sind da wichtige Themen." [….]

Geht es noch?
Weil sie Politik nicht in lustigen ansprechenden kleinen Snapchat-Häppchen und spaßigen Tweets auf ihr Smartphone geliefert bekommen, wählen 85-90% gar nicht?
18-30-Jährige sind demnach außerstande zu erkennen, daß es in der Welt und in Deutschland einige echte Probleme gibt, weil man dafür auch mal fünf Minuten selber googeln müsste?

Um sich einen Eindruck über die zur Wahl stehenden Parteien und Programme zu verschaffen, muss man im Klugtelefon-Zeitalter keine übermenschlichen intellektuellen Anstrengungen mehr leisten.
Ich rede ja nicht davon, daß sich so ein Jungwähler eine ganze Stunde am Stück konzentrieren soll, oder mehrfach in der Woche 10 Minuten Tagesschau gucken oder, Darwin bewahre, eine Zeitungs-App installieren sollen.

Wenn die wüßten wie schwer es meine Generation in ihrem Alter hatte.
Damals konnte man bewegte Bilder nur zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten sehen. Und als Information dienten uns dickte Hefte und großflächig mit Druckerschwärze versehene Blätter mit furchtbar vielen kleinen Buchstaben. Jede Menge Text und keine Bilder.
Thematisch war das auch Mist. Nur langweilige Erwachsenen-Themen wie Atomkrieg, Tschernobyl, Wackersdorf, Pershing II und SS20.

Als Angehöriger einer Generation, die noch ohne Computer aufgewachsen ist, sollte ich mich wenigstens bei Themen wie Digitalisierung auf die Jugend verlassen; denn das geht sie doch tatsächlich etwas an.
Welcher Teen oder Twen klebt nicht rund um die Uhr am Smartphone?

Aber selbst diesbezüglich sind Jungwähler ein Totalausfall und sägen sich mit ihrer Wahl-Apathie den Ast ab, auf dem sie surfen.
Jungwähler, egal ob ihr Angie gleich selbst wählt oder indirekt durch Nichtwählen die gerontophile CDU an die Macht bringt; ihr habt Schuld an Merkel-Dobrindt, die IT-Deutschland auf dem Abstellgleis parken.

[….] Sehr geehrte Wählerin, sehr geehrter Wähler!
[….] Für Sie ist das Internet ein Instrument, für Jüngere ist es eine Heimat. Dass die jüngere Generation das selten so formuliert, liegt an der Selbstverständlichkeit. Fragt man Sie, was in Ihrem Leben wichtig ist, sagen Sie kaum "Elektrizität". Und doch ist ein Leben ohne Strom für Sie unvorstellbar.
Sie haben versagt!
[….] Jetzt vergessen Sie, warum Sie diesen Wohlstand erarbeiten konnten - auf Grundlage einer nahezu perfekten Infrastruktur. Deutschland ist ein Infrastrukturland, oder besser: Deutschland war ein Infrastrukturland. Inzwischen scheint Ihnen das Wahl-egal. Es beginnt mit verfallenden Schulen, dreht eine Runde um Großbauprojekte und findet seinen Höhepunkt in der Tatsache, dass Deutschland eine beschämende, katastrophale, unwürdige Digital-Infrastruktur hat. Sie möchten Fakten, Daten, Zahlen?
Bei der Glasfaservernetzung der Haushalte ist Deutschland mit 1,6 Prozent Durchdringung von 28 erfassten Ländern in Europa auf Platz 27 und 2016 erstmals über die Messbarkeitsgrenze gelangt. Der EU-Durchschnitt liegt bei 9,4 Prozent. Von den größeren Ländern liegen Schweden und Russland, nicht gerade Stadtstaaten, mit deutlich über einem Drittel Glasfaserhaushalte vorn. Rumänien liegt bei 31,7 Prozent, Bulgarien bei 26,5 Prozent. Viele andere Länder, auf die Sie heimlich herabschauen, haben ein zehnfach, zwanzigfach und sogar dreißigfach höheren Anteil an Glasfaseranschlüssen als Deutschland. [….] Nicht nur die Glasfasersituation, auch der Handyempfang ist in diesem Land erbärmlich. Schlecht ist noch geprahlt. [….] Wolfgang Schäuble, die personifizierte schwarze Null, dessen fiskalische Härte Sie als Durchschnittswähler so ein bisschen unsittlich erregt - ist ein Feind der Investition. Genau der Investition, die schon so lange so dringend notwendig wäre, vor allem im Digitalen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, Geld zu Glasfaser zu machen, zerstört Finanzminister Schäuble die Zukunftschancen der Jüngeren.
Doch nicht nur Schäubles schändliche Spargier ist ein Problem, sondern auch, dass Sie ihn dafür schätzen. Er ist Ihr Lieblingspolitiker. [….] Wäre Ihnen die Digitalisierung nur ein Zehntel so wichtig wie Ihre Rente, Deutschland hätte längst, was die Politik immer wieder versprochen hat: schnelles Internet. Stattdessen lassen Sie sich abspeisen mit Versprechungen von 50 MBit/s, die dann nicht einmal erreicht werden. Keine zufällige Zahl, sondern die Geschwindigkeit, die sich gut mit Kupferkabeln erreichen lässt. Dafür muss man weniger in Glasfaser investieren, damit die Telekom mehr Gewinn ausschütten kann. Denn davon profitiert vor allem der Staat.
[….]  Es ist ja kein Zufall, dass die beiden wichtigsten Themen der Zukunft - Bildung und Digitalisierung - null Minuten Sendezeit beim Kanzlerduell bekommen haben. Null von 97 Minuten, das ergibt null Prozent. […..]

Wäre irgendwie natürlich auch ganz nett auf eine SPD zu verweisen, die statt stolz auf die neuen Exportüberschuss-Rekorde zu sein, diese massive handelspolitische Ungleichheit als dramatische Importschwäche erkennt.
Eine SPD, die sich traut Schäubles Politik massiv zu kritisieren.
Die eine richtig große Summe, 50 Milliarden beispielsweise in ein IT-Infrastruktur-Konjunkturprogramm stecken will.
Glasfasernetz für alle.
Das brächte nicht nur einen Wirtschaftsboom und Arbeitsplätze, sondern würde die Umwelt entlasten (durch die Abkehr von der Papierwirtschaft) und würde nachhaltig Deutschlands Chancen in der Welt verbessern.