Sonntag, 31. Dezember 2017

Rituale



Mich verblüfft es immer wieder auf’s Neue wie sehr Menschen in starren Gerüsten und Ritualen denken.
Eine ganze Glückwunschindustrie produziert Champagner, Kostüme, Feuerwerk, Böller, Karten, Unterhaltungsprogramme, um in einer völlig kontinuierlich und linear verstreichenden Zeit eine künstliche Zäsur einzufügen.
Was soll der Mist?
Die Erde dreht sich heute, morgen, in zehn Jahren genauso weiter wie bisher auch.
Heute ist Sonntag und morgen ist Montag. Wie es immer war. Nach 23.59 Uhr wird es 00.00 Uhr.
Überraschung.
Die Fingernägel wachsen kontinuierlich ebenso weiter, wie das Haupthaar oder der Bart. Es regnet in Hamburg mutmaßlich um 23.50 Uhr genau wie um 00.10 Uhr. Die Herzen der Menschen schlagen ununterbrochen weiter, ihre Zellen altern gleichförmig.
Die Triebe bestimmen Homo Sapiens heute wie morgen.
Es gibt keinen Unterschied. So wie wir heute essen, trinken, atmen, kopulieren, koten, stoffwechseln, verdauen, schlafen, urinieren wollen/müssen, werden wir es auch morgen tun.
Welche ungeheuerliche Naivität gehört dazu eine erst jüngst willkürlich gesetzte Skala würde den Zeitablauf verändern?
Etwa 4,6 Milliarden mal raste die Erde mit einer mittleren Bahngeschwindigkeit von 29,78 km/s ~ 107.208 km/h seit ihrer Entstehung um die Sonne.
Die eben gerade erst aufgetauchten Menschen haben darauf nicht den geringsten Einfluss; sie sind völlig irrelevant.
Die Geschwindigkeit war vorgestern um 17.28 Uhr und gestern um 23.12 Uhr gleich; wird auch heute um 23.59 Uhr und übermorgen den ganzen Tag gleich bleiben.
Wie kann man nur so blöd sein, zu glauben heute oder morgen mache irgendeinen Unterschied?
Wir sind kosmisch irrelevante lächerliche Witze ohne Bedeutung.

Die Wahrscheinlichkeit, daß sich unsere kleinen Leben innerhalb unserer beschränkten Perspektive morgen ändern ist genauso groß wie die zwischen dem 23. Und 24. Juli.
Man könnte auch am 06. Mai so viele Böller verkaufen, daß am 07.Mai die Notaufnahmen voller heulender Jugendlicher sind, die sich Finger und andere Gliedmaßen abgesprengt haben.

Unsere Leben ändern sich nicht mit einem willkürlichen Datumswechsel.
Nichts schließt ab, nichts beginnt.

Innerhalb unserer eingeschränkten menschlichen Perspektive gibt es tatsächlich Zäsuren. Der 20. Januar 2017 war so ein Tag, weil die verblödeten Amerikaner einem absoluten Vollidioten, der zudem bösartig und impulsiv ist, die alleinige Verfügungsmacht über die weltgrößte Atomwaffenstreitmacht übergaben.
Es könnte sich auch leichte Änderungen einstellen, wenn Frau Merkel in Rente geht und eine rotrotgrüne Bundesregierung vereidigt wird.
Ich würde auch einen Tag feiern, an dem die RKK ihre Selbstauflösung bekannt gibt oder an dem Saudi Arabien eine säkulare Verfassung einführt.

Auf meinem Datumsstempel die „7“ auf „8“ zu drehen interessiert mich hingegen gar nicht.