Donnerstag, 29. November 2018

Segen und Fluch


Vielleicht liegt es an meinem fortgeschrittenen Alter, vielleicht auch zunehmender Benutzerunfreundlichkeit.
Aber ich verfahre bei meiner Haustechnik gern nach dem Motto „never change a winnig team“.
Ich tausche nicht gern alte Geräte aus, die zu meiner vollen Zufriedenheit funktionieren, nur weil es eine technische Neuerung gibt.
Schon bei meinem ersten eigenen Waschmaschinenkauf; Dekaden ist es her, lernte ich von dem Verkäufer, daß sich die Kunden fast immer für das Modell entscheiden, welches die meisten Funktionen hat. Der Preis spielt eine geringere Rolle. Also übertreffen sich die Hersteller mit immer neuen Finessen, weil der Kunde eben lieber das Gerät mit 80 Waschprogrammen, statt nur 75 kauft.
Dabei benutzt man ohnehin nur zwei bis maximal drei Waschprogramme.
Dieses Kundenverhalten ist nicht klug, da jedes elektronische Extra eine potentielle Fehlerquelle ist.
Deswegen heißt es heute auch „Mechatroniker“ statt „KfZ-Mechaniker“, weil das Auto voller überflüssiger elektrischer Spielzeuge steckt. Elektrische Fensterheber, Zentralverriegelung, Regensensoren, Sitzheizung. Alles kann kaputt gehen und dann wird ein neues Elektromotörchen fällig, das 1000 Euro kostet.
Als man noch mit einer Handkurbel die Fenster senkte, vermisste man nichts und nichts konnte kaputt gehen.
Man nenne mich Verschwörungstheoretiker, aber bei all den elektronischen Bauteilen, vermute ich Geplante Obsoleszenz. Irgendwann sind sie tot und man muss neu kaufen. In Sibirien fahren sie mit Traktoren und Schneepflügen aus den 1930er und 1940er Jahren herum. Wenn die mal stehenbleiben, handelt es sich immer um etwas, das sich mit einem Schraubenzieher und einem Bindfaden beheben lässt. Die Dinger sind unkaputtbar, weil sie sowieso über keinerlei Elektrik und Komfort verfügen.

(…..)  Besonders eindrücklich ist für mich immer noch welches Erstaunen bei den alteingesessenen Amis erzeugt wurde, wenn in Deutschland Aufgewachsene danach trachteten eine Waschmaschine oder einen Staubsauger zu reparieren.
Wozu denn das? Wie altmodisch, wie umständlich, wie ärmlich.
Throw it away and get a new one! war der Satz, den man auf solche Fragen als Antwort erhielt.
Ob es sich um ein T-Shirt oder ein Auto handelte; jeder war daran gewöhnt, daß solche Dinge binnen (für das deutsche Empfinden) kürzester Zeit in ihre Bestandteile zerfielen, auf dem Müll landeten und ersetzt wurden.
Das war kein Ärgernis, sondern im Gegenteil ein Symbol des allgemeinen „progress“.
Denn so hatte man stets das Neueste und Modernste.

Es gab sogar amerikanische Ökonomen, die im Rahmen der geplanten Obsoleszenz* eine generelle gesetzliche Maximal-Benutzungszeit für alle Produkte planten.
Man stellte sich ein auf ewig gesichertes Wirtschaftssystem vor, bei dem alle Arbeitsplätze garantiert wären, weil alle Hersteller genau wüßten welcher Absatz zu erwarten wäre.

Welch eine tolle Idee. Schon beim Verkauf einer Jeans, hätte Levi gewußt, wann der Kunde wiederkommt, weil die maximale Tragezeit von zwei Jahren nicht überschritten werden dürfte.

*(Die geplante Obsoleszenz ist Teil einer Produktstrategie. Beim Herstellprozess werden in das Produkt bewusst Schwachstellen eingebaut, Lösungen mit absehbarer Haltbarkeit oder Rohstoffe von schlechter Qualität eingesetzt. Das Produkt wird schnell schad- oder fehlerhaft, kann nicht mehr in vollem Umfang genutzt werden. Der Kunde will oder muss es ersetzen. - Wiki)

Aus europäischer Perspektive ist die geplante Obsoleszenz eine hochperverse ausbeuterische Strategie, die ich gar nicht genug verdammen kann.
Umso ärgerlicher, daß die geplante Obsoleszenz weitgehend durchgesetzt ist. Jeder weiß, daß die normalsten Gebrauchsgegenstände wie Telefone oder Kaffeemaschinen eine sehr kurze Lebensdauer haben.
Die Obsoleszenz-Chips sind dabei noch nicht mal getarnt. Das erlebt man bei seinem Drucker/Fax-Kombi-Gerät, das zwar noch einwandfrei funktioniert, bei dem aber nach ein, zwei Jahren Warnungen wie „Foto-Modul ersetzen“ oder „Speicherplatz in kritischem Zustand“ aufblinken.

Wir sind Sklaven des amerikanischen Prinzips “Throw it away and get a new one!” geworden. (….)
(Ab auf den Müll – 13.11.11)                 

Computer werden immer wieder zu veritablen Alpträumen, wenn neue Betriebssystem erforderlich werden, obwohl das Alte noch perfekt funktionierte, weil der Hersteller einen mit perfiden Methoden zwingt umzusteigen.
Dann wird es teuer, kostet viel Zeit und man stellt fest, daß es für die erst vor zwei Jahren angeschafften Drucker/Scanner/etc keine Treiber mehr gibt, die mit Windows 10 laufen. Also muss man den alten Laserdrucker, der so schön geräuschlos und einwandfrei lief auch gleich in die Tonne treten und einen Neuen und Teureren kaufen, zu dem selbstverständlich Toner gehören, die gerade eben so viel verändert wurden, daß die Alten nicht in den neuen Drucker passen.

Ich hätte gar nichts dagegen mir ab und zu etwas Neues zu kaufen, wenn das freiwillig geschähe oder ich durch den Tod des Vorgängers einsehe, daß eine Neuanschaffung notwendig ist.

Bei vielen Dingen des alltäglichen Lebens kann man diesen immer schnelleren Müllproduktionszyklus durchbrechen, indem man Qualität kauft.
Manufactum-Qualität beispielsweise. Die inzwischen zum Otto-Konzern gehörenden Häuser bieten (zu gepfefferten Preisen) Spülbürsten, Handtücher, Töpfe, Scheren, Werkzeuge oder Reisetaschen, die Jahrzehnte halten und ökologisch hergestellt wurden.

Schon meine Mutter hatte mir als Kind erklärt „nur sehr Reiche können sich leisten billige Schuhe zu kaufen“.
Mit anderen Worten: Gib lieber etwas mehr Geld für einen guten Schuh aus, den Du zehn Jahre tragen kannst, als billige Dinger zu nehmen, die nach zwei Monaten auseinanderfallen.
Deswegen mag ich auch mechanische Armbanduhren: Wertbeständig, unkaputtbar, kein Abfall, umweltfreundlich.
Ich behalte gern die Dinge, die funktionieren und lasse mich nicht im Geringsten davon verunsichern, wenn ich als altmodischer Kauz ausgelacht werde.

Weit über 30 Jahre, bis genau gestern Nacht, war ich begeisterter und zufriedener täglicher Nutzer meiner VHS-Videorekorder.
Drei Stück stehen in meinem Arbeitszimmer und alle funktionieren perfekt. Logischerweise, denn die Technik ist total überholt, seit Jahren werden keine Videorekorder mehr hergestellt.
Ich mag sie, weil ich sie gewöhnt bin, weil ich sie im Schlaf bedienen kann. Ich zeichne überhaupt alles, das ich im Fernsehen sehen möchte, vorher auf eine VHS-Cassette auf und gucke mir dann erst die Aufnahme an. Da bin unabhängig von den Anfangszeiten, muß mich nicht mit Decodern und Streaming-Abos plagen und kann sehr ökonomisch Sendungen konsumieren, indem ich bei Werbeblöcken schnell vorspule und bei langweiligen, irrelevanten Szenen das Band schneller laufen lassen.
Der größte Vorteil gegenüber Festplatten und DVD ist aber meines Erachtens, daß Videocassetten logischerweise stehenbleiben, wenn man sie rausnimmt oder das Gerät ausmacht. Ich kann jederzeit unterbrechen, die Cassette weglegen, etwas anderes gucken und wenn ich drei Stunden, zwei Wochen, sieben Monate später weitergucken möchte brauche ich nicht zu rätseln wo ich stehen geblieben war, sondern lege die Cassette wieder ein und bin genau an der Stelle an der ich aufhörte.
Schon bei DVD-Boxen wird das nervig, wenn man beim Bingewatching gestört wird und Tage später versucht festzustellen wie weit man eigentlich bei den Sopranos gekommen war.

Nun ist es aber passiert; mein Kabelanbieter hat das analoge Signal abgestellt.
Die Blödmänner machen das in Hamburg peu à peu, damit ihre Beschwerdehotlines nicht zusammenbrechen. Nach den garstigen stündlichen Warneinblendungen hatte ich natürlich auf der Homepage meine Straße eingegeben und erfahren, daß ich am 19.01.2019 endgültig zwangsdigitalisiert werde.
Aber leider machte es am 27.11. FUMP und alles war aus. Sogar mein kleiner Fernseher über dem Schreibtisch. Der ist doch noch ganz neu, dachte ich schockiert. Gerade erst vor zwei, drei Jahren gekauft das japanische Teil, Flachbild-TVs können doch digital. Dachte ich.
Aber OK, so neu ist es eben doch nicht mehr. 2009 steht hinten auf dem Schild. Und Funai ist gar nicht aus Japan, sondern aus Polen.

Ein Mist, jetzt musste ich also doch im beginnenden Vorweihnachtswahn so ein Elektronikhaus entern, um einen neuen TV und neue Aufzeichnungsgeräte zu kaufen.
Die Fernsehabteilung verstehe ich nicht; was bedeuten die ganzen Abkürzungen auf den Anpreisungsschildchen? Zum Glück war das Regal mit den Apparaten in Funai-Größe (24‘‘) völlig ohne Kunden und übersichtlich, während sich die Volksmassen an den Endlosreihen von gewaltigen Riesenbildschirmen in der Preislage Vier-bis Fünfstellig drängelten.
Auch das verstehe ich alles nicht. Wieso haben die alle offensichtlich Geld wie Heu und dazu Wohnungen, in denen man einen kleinen Fußmarsch entfernt von einer Wand sitzen kann, an der diese vier, sechs sieben Quadratmeter-Flachbildschirme hängen?
Besser lief es bei den DVD/Bluray-Geräten. Die sind schön klein und leicht, gehen preislich bei 50 Euro los. Ich war schon ganz entzückt bis ich allerdings deprimiert feststellte, daß die alle nur abspielen können. Die zweieinhalb Maschinen, die auch auf Festplatte aufzeichnen, vielleicht sogar zwei, drei Sendungen gleichzeitig, spielen in einer ganz andere Preisdimension und sind – natürlich – sowieso alle ausverkauft.
Es gibt offensichtlich eben doch noch mehr VHS-affine Technikverweigerer wie mich, die jetzt alle bei Saturn und Mediamarkt rumlungern und Festplattenrekorder kaufen wollen.

Am Ende habe ich alles bezahlt, konnte aber nur den kleinen neuen TV mitnehmen, weil alles andere ausverkauft war und erst bestellt werden muss.
Meine alten Geräte kann ich nun alle zum Recyclinghof bringen. Voll funktionsfähige Rekorder und Fernseher, mit denen ich sehr zufrieden war.
Nur weil es keine analogen Kabelsignale mehr gibt.
Und alle meine Lieblingssendungen kann ich nicht mehr sehen, weil ich die jetzt nicht aufzeichnen kann.
Byebye, meine geliebten VHS-Recorder!

Früher war alles besser…..