Freitag, 7. Juli 2017

Jeder blamiert sich so gut er kann.



Ein bizarres Gefühl heute tatsächlich mal im Zentrum des Weltinteresses zu stehen. Ich wohne in der 38 km2 Transferzone, in der alle G20-Teilnehmer wohnen, in der alle Meetings stattfinden.
Putin, Trump, Erdoğan, Merkel, Xi, Trudeau, Macron – alle bei mir in the hood.
Am nächsten ist von mir aus gesehen das Gästehaus des Hamburger Senats, in dem die Trumps hocken und um das herum die Flotte aus sechs Sikorkys ausschwärmt; um das herum die endlosen BEAST-Kolonnen stehen.
Eigentlich wollte ich gar nicht rausgehen heute, war dann aber doch so neugierig, daß ich versuchte Trump näher zu kommen. Genau auf dem Weg liegt auch die russische Botschaft; vielleicht ist es ja die unmittelbare räumliche Nähe von Trumps Schlafplatz und den Russen, die heute für die gute Stimmung zwischen den beiden Präsidenten sorgte.
Unnötig zu erwähnen, daß ich natürlich scheiterte und die Trumps nicht mit eigenen Augen sehen konnte, da ein gewaltiges Polizeiaufgebot weiträumig alles absperrt und blockiert.

Bisher gibt es noch kaum Gipfelergebnisse. Nur eine Erwartung wurde sogar übertroffen. Durch die gestrige Auflösung der „welcome-to-hell“-Demo nach wenigen Metern, vermochte es die rabiat durchgreifende Polizei den „schwarzen Block“ wie ein Wespennest aufzuscheuchen, so daß nun schwarz Vermummte in der gesamten Innenstadt unterwegs sind und Autos anzünden.
Bisher waren hier „nur“ 20.000 Polizisten im Einsatz, aber der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer ließ bereits heute Morgen hektisch weitere Hundertschaften aus anderen Bundesländern kommen, da man offensichtlich immer noch stark unterbesetzt ist; zudem sind bereits 200 Beamte verletzt und nicht mehr einsatzfähig.

[…..] Die Organisatoren warfen der Polizei dagegen ein unverhältnismäßiges Vorgehen vor: Noch während man Teilnehmer aufgefordert habe, ihre Vermummung abzulegen, sei die Polizei bereits massiv gegen Protestierende vorgegangen. Mehrere NDR Reporter hatten vor Ort übereinstimmend berichtet, dass von den Demonstranten zunächst keine Gewalt ausgegangen sei. Die Polizei ihrerseits sprach von einer "hochaggressiven Stimmung" unter den Demonstranten und verteidigte den Einsatz. Das Verhalten sei "alternativlos" angesichts einer drohenden "unbeherrschbaren Situation" gewesen, sagte Pressesprecher Zill. Er selbst wurde am Rande der Demonstration angegriffen. "Wir haben gesehen, mit welchem Gewaltpotenzial wir es zu tun haben", so Zill.
Vertreter der eskalierten Demonstration forderten den Rücktritt von Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Andy Grote (beide SPD). Bei der gewaltsamen Auflösung des Protestzugs habe die Polizei Tote in Kauf genommen, sagte Christoph Kleine von der G20-Plattform am Freitag. "Natürlich müssten aus diesen Vorkommnissen personelle Konsequenzen gezogen werden." Kleine nannte dabei auch Polizeieinsatzleiter Hartmut Dudde. Was geschehen sei, sei ein Verbrechen. "Wer da war, hat gesehen, dass von diesem autonomen Block überhaupt nichts ausging", sagte Andreas Beuth, Anwalt des linksautonomen Kulturzentrums Rote Flora. Mit Blick auf die anschließenden Krawalle in mehreren Stadtteilen mit zerstörten Scheiben und brennenden Autos sagte Beuth: "Das musste der Polizei klar sein, dass marodierende Kleingruppen durch die Stadt ziehen und anfangen die Stadt zu zerlegen. Wie kann man so blöd sein, die Demonstration so zentral anzugreifen?" […..]

Und nein, Hamburg ist natürlich NICHT Aleppo. Die Häuser stehen alle noch und es gibt (noch) keine Toten.
Für einen durchschnittlichen nordeuropäischen Stadtbewohner ist es aber schon ein mulmiges Gefühl.

[….] Aus den anderen Bundesländern seien mehrere zusätzliche Hundertschaften als Verstärkung eingetroffen, sagte Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Freitag. Sie sollten helfen, die „völlig irre Gewalt“ marodierender linksextremer Gruppen in der Stadt unter Kontrolle zu bringen. [….]
(Handelsblatt, 07.07.17)

Da ich aber (noch) nichts Substantielles über den G20 in Hamburg sagen kann,
erwähne ich lieber kurz eine nette kleine Anekdote der Hamburger Evangeliban.

Hamburg ist zum Leidwesen der Bischöfe Heße und Fehrs so gar keine christliche Stadt.

(….) Die Kirche in Hamburg ist so gut wie tot – und das ist auch gut so.

In Hamburg ist die Kirche marginalisiert.
Katholiken finden traditionell ohnehin kaum statt.
Gut so, denn abgesehen davon, daß niemand mehr die Predigten der hanseatischen Pfaffen hören will, sind sie auch noch unangenehm. (….)
So viel Geld und so viel Werbung für die Kirchen und dennoch laufen die Mitglieder zu Hunderttausenden davon.

Zwei Kardinalfehler der evangelischen Kirche werden nie erwähnt; auch in Peter Wenigs endlosen Artikel kein Wort davon:

Der protestantische Held Martin Luther war ein besonders widerliches antisemitisches, frauenfeindliches, obrigkeitshöriges Arschloch.
Dieser mittelalterliche Hassprediger wird nun ausgerechnet von Typen wie Käßmann und Bedford-Strohm verteidigt, die selbst den kirchenfreundlichsten Journalisten auf die Nerven gehen mit ihrer grenzenlosen Naivität, ihrer stupiden Selbstbeweihräucherung und eklatanten Umgehung der Wahrheit. (…..)

Es gibt zwar kaum noch praktizierende Christen in Hamburg, aber die Kirchentürme dominieren optisch das Stadtbild.
Jeder kennt die gewaltigen Bauten der fünf evangelisch-lutherischen Hamburger Hauptkirchen.
 
    St. Petri
    St. Katharinen
    St. Michaelis, bekannt als „Michel“
    St. Jacobi
    St. Nikolai


Die Hauptpfarrer des Michels fungiert dabei als so eine Art Stadtpapst.
Er ist bekannt wie ein bunter Hund und taucht auf jedem großen Event auf.

(…..) Ein Hamburger, der schon in der wohlverdienten Vergessenheit versunken zu sein schien, streckt heute im Hamburger Abendblatt noch einmal seinen Wirrkopf hervor: Ex Michel-Chef Adolphsen!

Kaum ein Thema, zu dem nicht der über alle Maßen selbstverliebte Promi-Pfarrer Helge Adolphsen oder Medienjunkie Bischof Jaschke ihre Deutungen via Abla verbreiteten.

Dazu muß man wissen, daß der „Michel-Pastor“ in der Hamburger Society so etwas wie der heimliche Bischof des Nordens ist.
Einen prächtigeren Job gibt es nicht für Evangelen in Hamburg.
Es gab in den letzten hundert Jahren nur sieben Hauptpastoren von St. Michaelis.

August Wilhelm Hunzinger 1912–1920
Simon Schöffel 1922–1954
Hans-Heinrich Harms 1960–1967
Hans-Jürgen Quest 1967–1987
Helge Adolphsen 1987–2005
Alexander Röder seit 2005

Dagegen sind selbst Pontifikate kurzlebig. Niemand gibt den Job freiwillig ab.
Insbesondere Helge Adolphsen war in einem Maße promigeil, daß er öfter in den Boulevardblättern auftauchte als heutzutage Judith Rakers – und die drängelt sich bekanntlich vor jede Kamera und geht zu jeder noch so abstrusen Veranstaltung, wenn für sie in Bild in Abla, Mopo oder BILD rausspringt.
Adolphsen war diesbezüglich extrem unhanseatisch. Man sagte ihm nach, daß er sogar an roten Ampeln sofort anfing zu grinsen, weil er das Rotlicht für eine Fernsehkamera hielt. Es ist kaum möglich ein Bild von ihm zu ergooglen, auf dem er nicht manisch breit grinst und sich in die Bildmitte gedrängelt hat.

Selbst in einem 50-Sekunden-Clip ist Adolphsen unfähig sein Dauergrinsen auszulassen und nicht ständig die Kamera zu suchen.


(....)
Adolphsen ist sowas wie Udo Waltz, Thomas Gottschalck und Paris Hilton in einer Person: Ohne die geringste Eigenleistung stets im Rampenlicht.

Das ist schon tragisch-komisch, wenn ausgerechnet die Haupt-Gläubigen-Vertreiber die Massenflucht der Gläubigen aus der evangelischen Kirche beklagen.

2% der evangelischen Kirchenmitglieder gehen in Hamburg sonntags in die Kirche.
Wenn also 99,5% der Menschen in einer 1,8-Millionen-Stadt keine Lust haben die Predigten von Adolphsen und Co zu hören, ist es zu spät sich über die Hamburger zu beklagen.
Eine Ablehnungs-Quote von 99,5% sagt alles.

Die drei Gemeindeältesten der Hamburger Hauptkirchen bilden ein 15-köpfiges Kollegium der Oberalten.
(Ja, Ihr lest richtig. Und ja, es ist 2017)

 Gutes Personal für die fünf Hauptpastorstellen zu finden ist also schwer. Umso glücklicher war man in der berühmten Petri-Kirche, als im Dezember 2015 eine ideale Frau für den Job gefunden wurde.
Allein, der liebe Gott hatte andere Pläne und berief sie nach nur einem halben Jahr in den Himmel ab.

[…..] Seit Dezember 2015 war Martina Severin-Kaiser die Hauptpastorin und damit das neue Gesicht der Hauptkirche St. Petri in der Innenstadt. Am vergangenen Freitag wurde sie, gerade 57 Jahre alt, aus dem Leben gerissen. Aus heiterem Himmel, ohne erkennbaren Grund oder Befund. Das trifft die Citykirchengemeinde hart, die gerade begonnen hatte, mit ihr die nächsten knapp zehn Jahre zu gestalten. [….]

Seit einem vollen Jahr gibt es nun keinen Hauptpastor mehr in St. Petri. Die steinreiche Kirchengemeinde mußte ihre Fühler weit ausstrecken, bis sie nun, endlich, einen Neuen fand.
Sophie Hanzig, Gerd Meißner und Bernd Struß, die Petri-Gemeinde-Ältesten aus dem Kollegium der Oberalten waren sehr erleichtert.

Jens-Martin Kruse, 47, Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde von Rom (sic!) schien perfekt zu sein. Relativ jung, polyglott und dazu entstammt er uraltem Kirchenadel. Sein Vater Wilfried Kruse war von 1998 bis 2002 Hauptpastor von St. Petri.

[….] Jens-Martin Kruse ist seit 2008 Pastor der deutschen Gemeinde in Rom, wo er bereits einige Jahre zuvor als Auslandsvikar tätig war. Zwischen den beiden Aufenthalten in Italien war er fünf Jahre Gemeindepastor in Quickborn-Hasloh. Der 48-jährige wuchs in Norddeutschland auf und studierte Theologie in Hamburg und Wien. Im Jahr 2000 promovierte er über Martin Luther und die Wittenberger Bewegung.
Am 5. Juli kommt dann die Synode des Kirchenkreises Hamburg-Ost zusammen, um den neuen Hauptpastor für die City-Kirche zu wählen. [….]

Andere Kandidaten fanden sich nicht und so wurde Kruse diese Woche eingeflogen, um als einziger Kandidat der 154-köpfigen Synode des Kirchenkreises Hamburg Ost gewählt zu werden.

Geklappt hat es aber nicht. Aus einem einfachen Grund. Die Hamburger evangelische Kirche ist so unfassbar öde, daß selbst die engagiertesten Mitglieder überhaupt, die Synodalen sich nicht aufraffen konnten in ausreichender Anzahl in die Sankt Petri-Kirche zu kommen.
Deutlich über 100 von 154 Personen hätten erscheinen müssen.
Sie kamen aber nicht wegen akuter Bocklosigkeit. Kirchenkreissprecher Remmer Koch ist ratlos und konsterniert: „Der Vorgang ist wirklich traurig. Es gibt schließlich persönliche Vertreter, die aktiviert werden können, wenn jemand verhindert ist. Aber es hat sich kaum einer abgemeldet.“

Die Synodalen hätten also noch nicht mal selbst erscheinen müssen, um einen neuen Hauptpastor zu wählen.

 […..] St. Petri weiter ohne Hauptpastor
Mangels Anwesenheit von 58 Synodalen - 25 davon unentschuldigt - ist es am Mittwoch, 5. Juli, nicht zur Hauptpastoren-Wahl an St. Petri gekommen. Pastor Reinhard Dircks, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, ist nicht nur enttäuscht, sondern auch verärgert: "Die Synode entwertet sich selbst, missachtet die Bewerbung von Pfarrer Dr. Jens-Martin Kruse und schadet der Gemeinde. So kann man mit einem Bewerber nicht umgehen."
Noch ist unentschieden, ob es zu einer Wiederholung der Wahl oder einer Neuausschreibung der vakanten Stelle kommt. [….]

So kann es gehen. Geld wie Heu, einen Kandidaten aus Rom und die tranigen Hamburger Religioten verschlafen ihre Wahl, weil schönes Wetter war.
Kruse ist inzwischen wieder abgereist.