Donnerstag, 29. September 2016

Fluchtursachen



Das ist ja ganz toll wie die internationale Zusammenarbeit im Nahen Osten läuft.
Der NATO-Staat Türkei greift mit deutschen Waffen die einzige nicht völlig abartige syrische Bürgerkriegspartei, nämlich die kurdischen Peschmerga an, die sich aber erbittert ebenfalls mit deutschen Waffen wehren.
Eigentlich geht es in Syrien darum den IS und die Al-Nusra-Front zu vertreiben. Der Westen will aber mindestens genauso dringend Assad vertreiben. Statt sich nun auf eine der Seiten zu schlagen, oder gegen eine dieser Seiten zu kämpfen, vermochte es „der Westen“ zwei weitere Player in Syrien auf den Plan zu rufen, die sich nun gegenseitig beschießen. Spitzenleistung.
Joschka Fischer orakelt schon davon, daß es den Westen bald nicht mehr geben könnte.
Der Syrische Präsident ist zwar fast so unbeliebt wie Fußpilz, aber steht nicht isoliert wie Kim Jong Un da. Er erhält Unterstützung von einem bizarren Trio aus Russland, dem Iran und der katholischen Kirche.

Dort ist die katholische Kirche eine der letzten und wichtigsten Stützen des Assad-Regimes. Daß Hunderttausende gekillt werden, teilweise sogar vergast wurden, stört nicht weiter.

Oberin Agnes-Mariam vom Kreuz erhebt ihre Stimme, sie will versöhnen in einem Krieg, 'der Syrien ausbluten lässt'. Und doch klingt sie nur wie der Lautsprecher des Regimes. Für die Rebellen ist die Ordensfrau denn auch 'Assads Nonne'. Sie behauptet etwa, die Opferzahlen beim Damaszener Giftgasangriff seien übertrieben gewesen - Russlands Außenminister Sergej Lawrow zitierte sie sogar als Kronzeugin. Sie erklärt, die Rebellen töteten Babys, um ihre Leichen als Kriegsopfer auf der Internetplattform YouTube zu zeigen: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nannte den Vorwurf 'bizarr'.
Die Gegner des Aufstands hingegen sehen in der 61-Jährigen eine Stimme der Wahrheit. [….]  Als Christin steht Agnes-Mariam Präsident Baschar al-Assad zwangsläufig näher als den Aufständischen. […]  Sie sagt, unter den Assads sei Syrien ein 'liberaler, säkularer Staat' gewesen, in dem die Frauen Rechte hatten.


Oberin Agnes-Mariams Glaubensbrüder und –Schwestern im fernen Berlin frönen unterdessen ihrer Nächstenliebe-Aversion.
Bloß keine Syrer mehr nach Deutschland – dieser Maxime wird jeder Anstand untergeordnet.

Also gemach, liebe Syrer. Nur weil in den mittlerweile vier Jahren des von der USA mitprovozierten Bürgerkriegs 250.000 von Euch massakriert wurden, das Land in die Steinzeit gebombt wurde, der IS das Land im industriellen Maßstab plündert und die Hälfte der Bevölkerung fliehen mußte, ist es ja noch lange kein Grund, daß man irgendwas unternehmen sollte. Außerdem könnte dann womöglich jemand verletzt werden und das will unsere liebe von der Leyen natürlich nicht. Gemach, gemach.
(…….)
11 Millionen Syrer auf der Flucht?
Egal, für die NATO muß erst mal Assad weg. Mit „Regimechange“ ohne irgendwelche Nachfolgepläne hat man ja im Nahen Osten, Nordafrika und Afghanistan bisher auch immer ganz wunderbare Erfahrungen gemacht.

(…..)  Und es ist ja auch nicht so, daß die deutsche Wehrm…, äh Bundeswehr gar nichts täte, nein, Flinten-Uschi ist schließlich auf dem Mittelmeer präsent und läßt alle Boote, die Flüchtlinge retten könnten, zu Klump schießen!

Die Bundesregierung hat Phase zwei des Marineeinsatzes im Mittelmeer beschlossen. Jetzt sollen bis zu 950 Soldaten Schleuser jagen und ihre Boote vernichten.

Grenzen zu, den Menschen die Tür vor der Nase zugeschlagen, Tränengas und Wasserwerfer gegen verzweifelte Heimatvertriebene, dann verschwindet das Problem von allein!

Dann werden die Menschen eben im wunderschönen Syrien bleiben; so die Logik der zu 100% christlichen Bundesregierung.
Der brillante neue Hamburger CDU-Chef Roland Heintze (CDU-Landtagswahlergebnis in HH: 15,9%) schlug unterdessen vor, die fliehende Syrer doch IN SYRIEN in Lager zu stecken.

Der CDU-Politiker Heintze sagte, es gehe darum, "in Syrien Auffanglager für Flüchtlinge zu schaffen, die militärisch gesichert sind". Über diesen Auffanglagern müssten Flugverbote durchgesetzt werden, sagte der Hamburger CDU-Landesvorsitzende.

Vielleicht sollte man auch einfach mehr kollektiv für Frieden beten.
Denn das Gebet ist die radikalste Form der Einmischung – da ist sich die omnipräsente TV-Bischöfin Käßmann sicher.

Während also die einen Christen für Assad und die anderen gegen ihn beten, wurde seine Armee von den Russen scheinbar so aufgepeppt, daß Aleppo komplett zerstört wurde. Das ist vermutlich der Zustand, von dem der fromme Christ Donald Trump immer träumt, wenn er „bomb the shit out oft hem!“ grölt.

"Aleppo wird ausgelöscht"
Nach heftigen Luftangriffen ist die Wasserversorgung in der syrischen Stadt zusammengebrochen. […] In der umkämpften syrischen Stadt Aleppo sind nach Angaben der UN knapp zwei Millionen Menschen von der Wasserversorgung abgeschnitten. […] Die Unicef-Vertreterin in Syrien, Hanaa Singer, sagte, durch die Luftangriffe sei zunächst das Wasserwerk Bab al-Nairab beschädigt worden. Dieses versorge rund 250.000 Menschen in den von den Rebellen gehaltenen östlichen Teilen der Stadt. Als Vergeltungsmaßnahme sei daraufhin die Pumpanlage Suleiman al-Halabi abgeschaltet worden, sagte Singer. Diese Anlage versorgt den Westteil der Stadt, befinde sich aber in den von Rebellen kontrollierten östlichen Bezirken. Damit seien rund 1,5 Millionen Menschen in den von den Regierungstruppen gehaltenen Teilen der Stadt von der Wasserversorgung abgeschnitten.
[…] Einwohner berichteten, dass die jüngsten Luftschläge die schlimmsten seit der Eroberung von Teilen der Stadt durch die Rebellen im Jahr 2012 gewesen seien. "Aleppo wird ausgelöscht", sagte ein rechtsmedizinischer Experte in der Stadt, Mohammed Abu Dschaafar. Viele Gebäude seien vollständig dem Erdboden gleichgemacht worden. […] Aleppo war in den vergangenen Monaten ein Zentrum der Gefechte. Es ist das letzte größere städtische Gebiet, das von der Opposition kontrolliert wird. Eine Niederlage der Rebellen würde einen Wendepunkt im Konflikt markieren. Bislang wurden in dem Bürgerkrieg mehr als 300.000 Menschen getötet. Die Hälfte der syrischen Bevölkerung wurde aus ihren Häusern vertrieben. […]

Um diesen Horror einzudämmen, müßte man jetzt gute Beziehungen zum Iran und insbesondere zu Russland haben.
Aber in den letzten Jahren gaben sich Merkel und Co alle Mühe Moskau kräftig vor den Kopf zu stoßen.
NATO-Manöver unter deutscher Führung direkt auf Hitlers Spuren vor der russischen Grenze, NATO-Raketenstellungen in Polen und Tschechien, Lahmlegen des NATO-Russland-Rates, deftige Wirtschaftssanktionen, Anbinden der Ukraine an den Westen und schließlich auch noch der Ausschluss Putins von den G8-Gipfeln.

(Und nein, ich meine nicht, daß im Kreml lauter Friedenstauben und Unschuldsengel sitzen. Aber Russland ist mächtig und wichtig. Den Gesprächsfaden nach Moskau zu kappen ist das dümmste, das der Westen tun konnte!)

Insbesondere Frau Merkel, die mächtigste Politikerin der Welt, hat aber noch einiges im Köcher, um die Situation der Menschen in Syrien zu verschlimmern.

Man könnte natürlich theoretisch auch versuchen den Menschen zu helfen, bevor sie entweder tot, oder derart verzweifelt sind, daß sie fliehen müssen.
Ein verwegener Gedanke, der offensichtlich im Bundeskanzleramt unbekannt ist.

Merkel sorgt mit dafür, daß Fluchtursachen verstärkt werden.

Drei Beispiele dafür:

1.) In Syrien bewaffnet die Bundesregierung sowohl die Kurden, als auch die Türken, die gegen die Kurden kämpfen. Mit dem Waffennachschub für beide Kriegsparteien wird dafür gesorgt, daß der entsetzliche Krieg in Syrien weiter geführt werden kann.

2.)   Die EU intensiviert ihre Bemühungen Afrikas Landwirtschaft zu zerstören und ruiniert die Lebensgrundlagen dort so sehr, daß für Millionen Menschen nur Flucht bleibt.

[…] Die Ausbeutung eines an Rohstoffen so reichen Kontinents ist da nur ein Aspekt. Das geplante "Freihandelsabkommen" zwischen der EU und afrikanischen Staaten ist ein anderer, noch wesentlich empörender Aspekt.  Angesichts dieses "Irrsinns" gab sogar Frank Plasberg seine Äquidistanz auf, und ARD-Korrespondentin Shafagh Laghai erklärte, was die ungleiche "Partnerschaft" schon heute bedeute. Dass nämlich die EU künftig sogar zollfrei tiefgefrorene Schlachtabfälle nach Ghana exportieren könne und damit den dortigen Bauern unterbiete, der in seiner Heimat nur noch einen Markanteil von zehn Prozent halte - am Markt für Hühnerhälse, Hühnerflügel oder Hühnerfüße, wohlgemerkt. Bei Coltan oder Diamanten dürfte es nicht viel fairer zugehen.  Auch der Klimawandel, führte Bierdel aus, ist nicht eben auf afrikanische Schwerindustrie zurückzuführen - die blutigen Umwälzungen rund um den Tschad-See aber sind eine sehr konkrete Folge dieses Wandelns. [….]


Merkel ist nicht irgendeine minderwichtige Regierungsperson, die nichts ausrichten könnte.
Sie amtiert viel länger als die meisten anderen und kontrolliert die viertgrößte Wirtschaftsmacht der Erde, das mit Abstand größte Land der EU und den gegenwärtigen Exportweltmeister. (……)

Unglaublich, aber wahr, die Groko, die zu 100% aus überzeugten Christen besteht, schafft es sogar nochmals amoralischer zu werden.

[…] Zur heutigen Beratung über die Freigabe der für wichtige Entwicklungprojekte der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) im Haushaltsausschuss, erklärt Anja Hajduk, Mitglied im Haushaltsausschuss:
Die Große Koalition hat die überfällige Freigabe von 481 Millionen Euro für Entwicklungsprojekte der KfW erneut vertagt. Wichtige Projekte wie der Bau von Trinkwasserversorgung für syrische Flüchtlinge in Jordanien werden gestoppt. […] Es gibt keinen Grund, die Auszahlung weiter zu verzögern, außer man macht Entwicklungsprojekte zum Spielball von koalitionsinternem Streit. Mittlerweile ist dieses Problem beim Kanzleramt gelandet, das anscheinend zwischen dem Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Auswärtigen Amt moderieren soll.
Die KfW kann seit Mitte Juni keine neuen Projekte bewilligen und verschiebt Auszahlungen für fast 650 Projekte in Ländern wie Mali, Äthiopien, Sudan, und in den Anrainerstaaten Syriens. Durch die Koalitionsblockade wird die Auszahlung der Mittel um einen weiteren Monat verzögert. Dabei ist klar: Bei einer überplanmäßigen Ausgabe handelt es sich immer um ein zeitlich unaufschiebbares, unabweisbares und unvorhergesehenes Ereignis.
Grund für die Finanzierungsschwierigkeiten ist unter anderem, dass die Koalition die KfW Mittel in den letzten Haushaltsberatungen um mehr als 250 Millionen Euro gekürzt hat. […]

„Durch die aggressive EU-Handelspolitik werden eine eigenständige und nachhaltige Entwicklung der afrikanischen Partnerländer verhindert und die Menschen weiter in Armut getrieben“, erklärt Niema Movassat, Obmann für die Fraktion DIE LINKE im Ausschuss für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, anlässlich der heutigen Abstimmung im Europaparlament über das EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) mit Südafrika, Botswana, Lesotho, Mosambik, Namibia und Swasiland. Movassat weiter:
„Wer über die Gründe von Flucht spricht, muss Handelspolitik in den Fokus nehmen. Das Gerede der EU, Fluchtursachen bekämpfen zu wollen, verkommt angesichts solcher Abkommen zur puren Heuchelei. Sollte das EPA zustande kommen, werden wir in vielen Bereichen massive Verschlechterungen für Kleinproduzenten im Agrar- und Industriebereich sehen. Diese könnten fortan nicht mehr durch Importbeschränkungen vor der übermächtigen europäischen Konkurrenz geschützt werden. Durch EPA verlören die afrikanischen Regierungen wichtige entwicklungspolitische Steuerungsinstrumente, wie zum Beispiel Exportsteuern, die für ihre Entwicklung notwendig sind. Somit würde dieses Abkommen Menschen weiter in Krisen, Hunger und Armut treiben und auch zum Verlassen ihrer Heimat zwingen.
Die EPAs müssen abgelehnt und durch eine gerechte Handelspolitik ersetzt werden. Es geht um eine Politik, die Menschenrechte und die Entwicklungsinteressen der afrikanischen Partnerländer höher stellt als die Interessen der EU-Unternehmen am Zugang zu Märkten und Investitionsfeldern. Wenn das nicht passiert, brauchen wir uns über zunehmende Migrationsströme und Fluchtbewegungen auch nicht zu wundern.“

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen übt zum wiederholten Male scharfe Kritik an der Flüchtlingsabwehr der EU. Mit Blick auf die desaströsen Bedingungen, unter denen Flüchtlinge auf den griechischen Inseln leben müssten, sei es dringend notwendig, zumindest eine größere Zahl von ihnen auf das griechische Festland zu holen und ihre Umverteilung in andere EU-Staaten endlich im zugesagten Umfang vorzunehmen, fordert ein UNHCR-Vertreter in Athen. Berlin lehnt dies ab; die Bundesregierung verlangt im Gegenteil den Rücktransport der Flüchtlinge von den griechischen Inseln in die Türkei und die Wiederaufnahme von "Dublin III"-Abschiebungen aus Deutschland nach Griechenland. Rechtliche Bedenken der Athener Asylbehörde, die darauf verweist, dass die Türkei keineswegs ein "sicherer Drittstaat" ist, führen in der deutschen Hauptstadt ebenso wenig zu einem Kurswechsel wie aktuelle Berichte von Menschenrechtsorganisationen, laut denen in Griechenland hunderte unbegleitete minderjährige Flüchtlinge entgegen international gültigen Normen in Haft gehalten werden, teils in Polizeizellen und oft unter desaströsen hygienischen Bedingungen.
Während Berlin den Abschiebedruck in jede Richtung erhöht, erreicht die Zahl der Flüchtlinge, die beim Einreiseversuch übers Mittelmeer zu Tode kommen, neue Negativrekorde.

[…] "Der Wiener Flüchtlingsgipfel war in meinen Augen ein Gipfel der Schande. Während die EU-Staaten von den im letzen Jahr vereinbarten 160.000 Geflüchteten gerade einmal 4.000 Menschen verteilt haben, üben sich die Staats- und Regierungschefs in Abschottungsaktionismus: Die Militarisierung der Außengrenzen soll massiv voran getrieben werden, Abschiebeabkommen mit Staaten wie Afghanistan, Niger oder Mali abgeschlossen werden. So schreitet die Orbanisierung der EU voran", kommentiert der europapolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE den Flüchtlingsgipfel in Wien. Hunko weiter:
"Dieser Abschottungsaktionismus wird keine Probleme lösen. Er ist nicht nur zutiefst inhuman, sondern auch illusorisch und produziert Verzweiflung, derer sich Terrorgruppen bedienen werden. Es führt kein Weg daran vorbei: Eine Lösung der Geflüchtetenkrise muss an den Fluchtursachen ansetzen, zu allererst an den Kriegen, den Waffenexporten und den die Lebensgrundlagen zerstörenden, neoliberalen Handelsabkommen. Das muss sofort auf die Tagesordnung, alles andere ist Illusion." […]

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) will Fluchtbewegungen mit militärischen Interventionen begegnen. Bei einer heute beginnenden hochrangig besetzten Konferenz des militärpolitischen Think-Tanks der deutschen Regierung soll diskutiert werden, wie der vermeintlich weltweite "Exodus" aus den Ländern des globalen Südens durch das Zusammenwirken von Kriegsoperationen und staatlicher "Entwicklungshilfe" gestoppt werden kann. Bereits in der Vergangenheit hat die BAKS Flucht und Migration wiederholt als "Bedrohung" für westliche Gesellschaften betrachtet. So befasste sich ein Mitte dieses Jahres von der Denkfabrik organisierter "Bürgerdialog" mit "aktiven und präventiven Maßnahmen" zur "Sicherung der EU-Außengrenzen". Auch bei den von der BAKS und dem Reservistenverband der Bundeswehr im April veranstalteten "Königsbronner Gesprächen" war die Abwehr illegalisierter Migranten das beherrschende Thema. Passend dazu verknüpfte ein kurz zuvor von der Bundesakademie speziell für ausgewählte Journalisten anberaumter "Medientag" Fragen der "Grenzsicherung im Mittelmeer" mit "Maßnahmen zur inneren Sicherheit in Deutschland".