Montag, 16. Februar 2015

Der schöne Mann – Teil II



Als ich vor zwei Wochen schrieb, Yanis Varoufakis sei ein gutaussehender Mann, der womöglich mit seinem sich von seinen Kollegen abhebenden Kleidungsstil auch eine andere Politik ausdrücken will, nahm ich mich selbst gar nicht so ernst.


Ich dachte, das fiele vielen gar nicht auf und wollte darauf hinaus wie das deutsche politische System den Typus „graue Maus“ hervorbringt.


Nun bin ich aber doch überrascht wie manisch in der deutschen Presse über Äußerlichkeiten wie die Kleidung Varoufakis‘ hergezogen wird.
Ja, der griechische Finanzminister trägt nicht das gleiche Einheitsgrau wie Schäuble.
Aber ich halte doch etwas anderes für wichtiger:
Während Schäuble gelernter Anwalt ist, über keinerlei ökonomische Ausbildung verfügt, seine diversen Posten als Kanzleramtsminister, Innenminister oder Finanzminister ausschließlich seiner parteipolitischen Stellung verdankt, ist Varoufakis ist weltweit anerkannter Ökonom, der Lehrstühle auf drei Kontinenten innehatte und dessen Studenten allesamt in den höchsten Tönen von seinen Seminaren und Vorlesungen schwärmen.

Sollte nicht FACHWISSEN auch eine Rolle bei der Beurteilung eines Ministers spielen?

Schäuble drückt seine Austeritätspolitik durch, ohne daß es irgendwelche Belege dafür gäbe, daß es jemals in der Geschichte der Menschheit funktioniert hätte eine bankrotte Wirtschaft durch radikales Sparen und Abwürgen jedes Konjunkturimpulses mitten in der Krise wieder in Gang zu bringen.

Ich wiederhole es immer wieder:
Auch Deutschland steht heute so gut da, weil die Bundesregierung im Krisenjahr 2008 durch den SPD-Finanzminister Steinbrück genau das diametrale Gegenteil dessen tat, was man heute von Athen verlangt:
Es wurden massive Konjunkturprogramme aufgelegt, zig Milliarden Euro geliehen, um die stotternde Nachfrage wieder anzukurbeln. Merkel und Steinbrück fluteten die heimische Wirtschaft geradezu mit Geld – Beispiel Abwrackprämie.
Das was damals offensichtlich funktionierte, will man nun gerade NICHT für Griechenland, sondern setzt auf ein Rezept, das noch nie funktionierte, das Millionen in Armut treibt, Tausende Kinder hungern läßt.

Ausgerechnet Merkel, die Frau mit dem vollen Hosenanzug, die ihren Wählern nicht die allergeringste Änderung zumuten mag, verlangt von den Griechen noch viel radikaler zu kürzen. Man stelle sich vor, was in Deutschland los wäre, wenn hier die Renten um 50% gekürzt würden und die Wähler daraufhin Obdach und Krankenversicherung verlören.
Ich wage sehr zu bezweifeln, daß sie bei der nächsten Wahl wieder CDU wählen würden, damit die noch grausamer spart.

Und nun, Potzblitz, Überraschung, haben die griechischen Wähler gesagt: ES REICHT. Sie wollen endlich eine andere Politik. Eine Politik, die nicht fremdbestimmt ist und offensichtlich seit Jahren die Lage immer nur verschlimmert.
Hätte Merkel etwas mehr Weitblick gehabt, müßte sie sich heute nicht in Brüssel mit Tsipras und Varoufakis abärgern.
Auch wenn die CDU das nicht verstehen will; aber so ist das nun mal in der Demokratie: Man kann nicht ewig Dinge als „alternativlos“ oktroyieren. Letztendlich entscheidet das Volk und wenn es sich für einen ganz anderen Weg ausspricht, ist das zunächst einmal zu respektieren.
Was denken die Brüsseler?
Daß Varoufakis zu ihnen kommt und alle seine Überzeugungen und Wahlkampfversprechen einfach über Bord wirft, um sofort das Gegenteil dessen zu tun; also willfährig weiter den Anweisungen Brüsseler Bürokraten folgt?
Ist es nicht verständlich, daß Griechenland nach fünf Jahren Überwachung und Gängelung genug von Ultimaten hat?

 [….] Das Treffen der Finanzminister zur Zukunft Griechenlands in der Euro-Zone ist am Montagabend in Brüssel überraschend schnell und ohne Einigung zu Ende gegangen. Griechenland und die 18 Partner der Euro-Zone konnten sich trotz tagelanger intensiver Vorgespräche nicht auf eine Vereinbarung zur weiteren finanziellen Zusammenarbeit einigen. Nach etwas mehr als einer Stunde brachen sie das Treffen ab. "Es ist jetzt Sache der griechischen Regierung, die Initiative zu ergreifen und einen Antrag auf neue Gespräche zu stellen", sagte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem nach dem Treffen.
[….] Dijsselbloem stellte der griechischen Regierung am Montagabend ein Ultimatum. "Wir haben noch diese Woche, um ein Ergebnis zu erreichen", sagte er. "Ich würde mich sehr freuen, eine schriftliche Anfrage aus Athen zur Verlängerung zu erhalten." Die Eurogruppe hatte Griechenland am Montag einen schriftlichen Vorschlag unterbreitet. Dieser sah vor, dass die griechische Regierung die mit der Vorgängerregierung vereinbarten Reformen teilweise verändert und ersetzt. "Es gibt den festen Willen, mehr Flexibilität zu nutzen", sagte Dijsselbloem. Voraussetzung dafür sei, dass Athen zusichere, Reformen nicht einseitig abzusagen und eng mit der Eurogruppe und den Institutionen der Kreditgeber zu kooperieren. [….] 

Und was ist eigentlich mit den christlichen Sinnsprüchen von der Nächstenliebe?
Kann man nicht mal einem kleinen Land helfen?
Einem Land, dessen Misere auch dazu führt, daß Deutschland erst einen Reibach mit hochverzinsten griechischen Anleihen machte, dann gewaltig den deutschen Export ankurbelte und schließlich zu einem Milliardenüberschuss in deutschen öffentlichen Kassen führte, weil der deutsche Zinsdienst so billig ist, daß man vermutlich 60 Milliarden Euro weniger für deutsche Schulden bezahlen muß.
Ja, Schäuble mag Varoufakis nicht. Na und?

 [….] Die letzten Äußerungen vor dem Euro-Finanzministertreffen in Brüssel klangen düster: "Ich bin sehr skeptisch", bewertete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Aussichten, sich mit Griechenland über weitere Hilfen zu einigen, bevor das Land in eine Staatspleite rutscht. [….] Doch wenn Tsipras und sein Finanzminister Giannis Varoufakis einem neuen Hilfsprogramm und damit weiteren Auflagen zustimmen sollen, so müssen sie zu Hause zumindest einige Verhandlungserfolge vorweisen. Einen Mini-Punktsieg konnten sie bereits verbuchen: Die verhasste Troika aus EU, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds wird künftig nicht mehr so genannt.
Das Beispiel zeigt, dass es Syriza nicht nur um Geld, sondern auch um Symbole geht. Gerade aus deutscher Sicht sind drei weitere Zugeständnisse dieser Art denkbar. Sie würden Forderungen der griechischen Regierung aufgreifen, ohne dabei die bisherigen Abmachungen grundsätzlich in Frage zu stellen - und ohne deutsche Interessen grundlegend zu gefährden.
1. Kopplung der Kredittilgung ans Wachstum
Finanzminister Varoufakis hat vorgeschlagen, einen Teil der griechischen Staatsschulden in neue Anleihen umzutauschen, die ans Wirtschaftswachstum gekoppelt werden. Diese Schulden müssten künftig also nur in Zeiten zurückgezahlt werden, in denen es mit der griechischen Wirtschaft aufwärts geht. Aus Sicht der Bundesregierung wäre das ein ziemlich risikoloses Zugeständnis - die Tilgung der meisten Kredite ist ohnehin bis 2020 ausgesetzt. [….]
2. Entschädigung für NS-Verbrechen [….]
3. Mehr Investitionen in Deutschland
[….] Griechenland wurde auch zum Opfer von Ungleichgewichten in der Währungsunion. Gegen die Exportstärke von Deutschland kommen kleinere Euro-Länder kaum an - auch, weil sie in der Gemeinschaftswährung ihre Exporte nicht mehr per Abwertungen billiger machen können.
Mittlerweile hat Deutschland neuen EU-Regeln zugestimmt, laut denen Staaten auch gegen allzu starke Exportüberschüsse vorgehen müssen. Etwa indem Staaten wie Deutschland im Inland mehr investieren und dadurch verstärkt Waren aus anderen Ländern einführen. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist aber noch immer größer, als es die neuen EU-Regeln erlauben. Außer einem harmlosen Rüffel aus Brüssel hat dies aber bislang keinerlei Folgen gehabt.
Als Zugeständnis an Syriza und die Euro-Partner könnte sich die Bundesregierung endlich ernsthaft zum Abbau der Ungleichgewichte bekennen. [….]