Montag, 17. Juni 2019

Lagerdenken willkommen


Was ist eigentlich rechts? Darüber könnte man ganz Bibliotheken schreiben.
Die Bedeutung der Begriffe „links“ und „rechts“ verändert sich zudem im Laufe der Jahrzehnte und variiert von Land zu Land.

Chinas kommunistische Partei impliziert mit „Volksherrschaft“ nach deutschem Verständnis einen linksradikalen Ansatz, handelt aber ökonomisch gesehen rechter als alles was wir in Deutschland haben.

In Deutschland bedeutet „rechts“ üblicherweise:

1.   National statt international
2.   Arbeitergeber statt Arbeitnehmer-orientiert
3.   Intolerant statt tolerant
4.   Beharren statt verändern
5.   Rücksichtslos statt hilfsbereit

Gerd Schröder erkannte das Missverhältnis zwischen „gesellschaftlich rechts“ und „ökonomisch rechts“.

In den 1990ern war gab es eine klare „rechte Mehrheit“ für einen wirtschaftsliberaleren Kurs. Auswahl bei Telekommunikationsanbietern, Wettbewerb zwischen Stromversorgern, Lockerung der strengen Ladenöffnungszeiten, mehr Eigenverantwortung bei der sozialen Vorsorge.

Gleichzeitig existierte aber eine „linke Mehrheit“ bei den gesellschaftlichen Fragen. Mehr Toleranz für Homosexuelle, gleiche Rechte für Frauen, Verbot der Vergewaltigung in der Ehe, Liberalisierung des §218, Sexualaufklärung in Schulen und der gesamte Bereich „Klima, Kernkraft, Umwelt“ gehörte auch irgendwie dazu.

Die CDU/CSU konnte mit ihrer harten Ablehnung der Homoehe und ihrem vehementen Einsatz für das Recht eines Mannes straffrei seine Ehefrau zu vergewaltigen keinen Blumentopf mehr gewinnen.
Die Mehrheit sah es nicht mehr ein, daß Wehrmachtsdeserteure immer noch geächtet waren, während ehemalige SS-Mitglieder üppige Renten bekamen.

Üblicherweise gewannen aber die Rechten Wahlen, weil „das Hemd näher als die Hose“ war.
Ja, man fände es zwar ganz gut den §175 zu streichen, aber brummende Wirtschaft war einem wichtiger.

Ich glaube immer noch Gerd Schröder und Joschka Fischer verfolgten einen goldrichtigen Ansatz, indem sie sich von radikal keynesianischer Wirtschaftspolitik verabschiedeten, sich als wirtschaftskompetent gerierten und so die Mehrheiten errangen, um ihre zahlreichen gesellschaftlichen Liberalisierungen und ökologischen Verbesserungen umzusetzen.
Mal ehrlich, wer möchte denn heutzutage noch starre Ladenöffnungszeiten von Mo-Fr, 10.00 bis 18.00 Uhr, wie es linke Gewerkschafter über Dekaden erbittert verteidigten?

Es war machttaktisch schlau von Frau Merkel viele der konservativen CDU-Zöpfe abzuschneiden. Ja, die CDU-Basis murrte, aber eine Union, die im Jahr 2019 noch wie vor 20 Jahren Homosexualität bestrafen und Vergewaltigung in der Ehe erlauben wollte, hätte keine Chance mehr beim Wähler.

Könnten sich CDU und SPD mit ihren heutigen Programmen nach 1998 zurückbeamen, hätte Merkel sehr gute Karten.
Kramp-Karrenbauer steht hingegen im Jahr 2019 schlecht da, weil sie sich eben nicht in frühere Zeiten zurück beamen kann, sondern sich die Gesellschaft inzwischen weiterentwickelte.
Die Themen Umwelt und Klima galten einst noch als „Gedöns“. Da reichten ein paar warme und folgenlose Worte.
Heute haben sie sich aber von weichen zu harten Themen gemausert, während das einstige Kernministerium „Wirtschaft“ kaum noch interessiert.
Nicht nur die Einstellungen zu den einstigen Randthemen haben sich verändert; es sind auch ganz neue politische Aufgabenbereiche hinzugekommen.
Terrorismus, Migration, China, Glyphosat, CO2-Abgabe, Globalisierung, internationale Zollpolitik, Breitbandausbau, Urheberrechte im Internet – um nur einiges zu nennen.
Mag sich also die CDU in der Frauen- und Homopolitik schleppend angepasst habe, so hinkt sie nun bei vielen #Neuland-Themen hoffnungslos hinterher.
Wie vor 20 Jahren versucht sie diese Schwäche zu kompensieren, indem sie bei den vermeidlich harten Themen punktet, die dem Volk ihrer Ansicht nach doch wichtiger sind: Soli weg, Grenzen zu!

Für heute sehr schwache Parteien wie die SPD ist die neue Themenvielfalt eine Chance.
Sie wird nicht wieder auf die Beine kommen, indem sie durchaus löblich im Stile früherer Jahrzehnte eine Respektrente ohne Bedarfsprüfung durchsetzt.
Sie sollte lieber das thematische Vakuum der Union nutzen, um mit ganz anderen Dingen durchzudringen.
Kostenloses WLAN für alle, Sterbehilfe legalisieren, radikal veränderte Verkehrs- und Energiepolitik, Drogenfreigabe, Abschaffung der Staatsdotationen an die Kirchen, Rückkauf der kommunalen Versorger, Aufhebung von Friedhofszwang, Waffenexportstopp, Mehrwegsverpackungszwang, völlig andere Standards in der Landwirtschaft, Verbot von Tierversuchen, Legalisierung von Leihmutterschaften und Eizellenspenden, etc pp.
Dann wären die Wähler gezwungen ganz neu über die Begriffe „rechts“ und „links“ nachzudenken. Sie müssten entscheiden, was ihnen wichtig ist.
Die Parteien wären gezwungen sich Koalitionspartner mit den größtmöglichen Schnittmengen zu suchen.

Es wäre nur konsequent, wenn das passierte, was Joachim Gauck schon mal im aktuellen SPIEGEL tut: Heftig mit der AfD flirten.

[….] Just zum Wahltag von Görlitz setzten Joachim Gauck, Bundespräsident bis 2017, und Hans-Georg Maaßen, früherer Chef des Verfassungsschutzes, ihre Zitate ab. Gauck warb im Spiegel für eine "erweiterte Toleranz nach rechts". Maaßen sagte zur Frage, ob Bündnisse zwischen seiner CDU und der AfD denkbar seien: "Ich glaube, in der derzeitigen Situation werden wir es ausschließen, dass es zu einer derartigen Koalition kommt." Auf die eine Relativierung ("derzeitigen") fügte er gleich die nächste an: "Aber man weiß nie."
Das Vornehmste, was sich über Gedankenspiele zu CDU und AfD sagen lässt, ist: Sie sind nicht durchdacht. Bei der AfD handelt es sich um keine konservative, sondern allenfalls um eine reaktionäre Partei. Sie ist durchsetzt von Rechtsradikalen und Rechtsextremisten. Dass ein langjähriger Chef des Verfassungsschutzes so etwas entweder nicht erkennt oder übergeht - das eine wie das andere ist im Grunde nur schwer zu kapieren. Maaßen versucht, diese Partei zu nobilitieren. Bundesinnenminister Horst Seehofer wird über sich selbst staunen, dass er im Herbst 2018 zunächst so lange an ihm festhielt.
Joachim Gauck hingegen hat wohl einfach seine Worte nicht gewogen. Sein Plädoyer für eine "erweiterte Toleranz nach rechts" wollte er als Unterscheidung zwischen rechts, rechtsradikal und rechtsextremistisch verstanden wissen. Aber eine solche Unterscheidung wird auch ein Bundespräsident a.D. nicht mehr durchsetzen; stattdessen setzt er nur sich selber Missverständnissen aus. [….]

Ich sage Ja! zu Gauck und Maaßen. Ich sage Ja! zu CDU-AfD-Koalitionen.
Es ist eine Chance für das alte Parteiensystem sich neu zu sortieren.
Mögen die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fragen Koalitionen aller Art zulassen, so kann sich das grün-rot-rote Lager doch leicht darauf verständigen anders als Gauck eben nicht die Intoleranz zu tolerieren.
Die AfD agiert rassistisch, revanchistisch, xenophob und zudem auch noch im hohen Maße verschwörungstheoretisch.
Die Topfiguren Storch und Weidel äußern sich vermehrt regelrecht durchgeknallt, indem sie den menschengemachten Klimawandel leugnen und Klimaschutz ablehnen mit Hinweis auf vermehrte Sonnenaktivität, die man eh nicht beeinflussen könne.
Eine CDU, die in verzweifelter Panik vor den Umfragewerten Habecks mit so einer AfD ins Bett will, ist aus Sicht eines SPD-Wahlkämpfers ein Geschenk.

[…..] Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck wirbt auch mit Blick auf die Ausrichtung der CDU für eine "erweiterte Toleranz in Richtung rechts".
Toleranz fordere, "nicht jeden, der schwer konservativ ist, für eine Gefahr für die Demokratie zu halten und aus dem demokratischen Spiel am liebsten hinauszudrängen", sagte Gauck dem "Spiegel". "Wir müssen zwischen rechts - im Sinne von konservativ - und rechtsextremistisch oder rechtsradikal unterscheiden." Damit sprach Gauck ein Thema an, das auch die Unionsparteien aktuell umtreibt.
[…..]
Gauck vertrat die Ansicht, die CDU müsse für einen bestimmten Typus des Konservativen wieder zur politischen Heimat werden. Das gelte für Menschen, für die Sicherheit und gesellschaftliche Konformität wichtiger seien als Freiheit, Offenheit und Pluralität. [….]

Hier gibt es klare Unterscheidungen zwischen den gegenwärtigen Groko-Parteien.
Sozis treten nicht für Menschen ein, die Konformität verlangen, Verschwörungstheorien verbreiten und Intoleranz predigen.