Dienstag, 20. November 2018

Hartz-Populismus


Man kann den Einfluss guten Führungspersonals auf Parteien gar nicht unterschätzen.
Die SPD steckt vor allem deswegen in einem tiefen Sumpf, weil nach dem heillos überforderten Martin Schulz nun die unfassbar dämliche Andrea Nahles mit sicherem Griff ins Klo alles falsch macht, was man falsch machen kann.
Dieser These folgend müsste man sie also dringend austauschen und durch einen charismatischen Sympath ersetzen.

Leider geht das nicht, weil so ein Typ fehlt. Es gibt zwar sehr kluge und politisch fähige Typen wie Olaf Scholz, aber ihm fehlt leider des Frische und Mitreißende, das man nicht erlernen kann.

Die Linken haben auch keine solche Figur, die wie Macron oder Trudeau die Masse elektrisieren könnten.
Da gibt es nur die angebräunte Wagenknecht, die mit der AfD flirtet und damit beschäftigt ist ihre eigene Partei zu spalten.
Deswegen dümpelt die Linke auch trotz der Lyse der SPD bei indiskutablen knapp 10% durch die Umfragedaten.

Die Grünen haben aber mit Robert Habeck so einen Typen. Einen Typen, den ich schon vor Jahren, als sich die Mitglieder der Grünen per Urwahl für Özdemir und Göring-Kirchentag als Spitzenkandidaten entschieden, dringend als Parteichef empfahl. Aber auf mich hört ja keiner.

(….) Die ostdeutsche Merkel-Bewunderin Kathrin Göring-Kirchentag hatte die Grünen bei der letzten Bundestagswahl zielstrebig zur kleinsten Oppositionskraft hinter der LINKEn verzwergt.
Groko-Zeiten sind eigentlich fette Jahre für kleine Oppositionsparteien, weil sie sich abseits der übergroßen Kompromisse profilieren und vom Frust der Wähler über die riesige Regierung profitieren können.
Tatsächlich strahlt die Groko so gar nicht. Alle sie tragenden Parteien haben in den letzten dreieinhalb Jahren deutlich an Zuspruch verloren und Millionen Wähler heimatlos gemacht.
Die grüne Fraktionsspitze vollbrachte unter der Führung der Vorsitzenden, die zuvor schon als Spitzenkandidatin das Wahldesaster zu verantworten hatte, nun das Kunststück so zu langweilen, daß man 2017 wohl noch schwächer werden wird.
Mit konsequenter Umschiffung jeder inhaltlichen Politik brachten es Göring-Eckardt und Hofreiter fertig die Wähler eine volle Legislaturperiode so einzunebeln, daß niemand auch nur einen Schimmer von grünen Politikvorstellungen hat. Man kennt keine Konzepte, keine Pläne, noch nicht mal Meinungen zu den Bereichen Flüchtlinge oder Finanzpolitik.
Es ist noch nicht mal ansatzweise möglich auch nur die grobe politische Richtung der Grünen zu erahnen. Wollen sie auf direktem Weg in die Arme Merkels uns Seehofers, wie es sich die Süddeutschen wünschen? Oder gibt es noch Anhänger Jürgen Trittins, die sich schon vorstellen auch mal einen anderen Kanzler als Merkel zu haben?

Die einzig sichere Information aus der grünen Parteiführung ist die menschliche Zerrüttung der Führungskasper.

Peter, Özdemir, Hofreiter und Göring-Eckardt hassen sich alle gegenseitig.
 Es gibt nur die eine Gemeinsamkeit; nämlich den Wunsch, den einzig guten Spitzenkandidaten, Minister Habeck zu verhindern.
Das gelang bei der Urwahl – wenn auch denkbar knapp.

[……] Parteichef Cem Özdemir schnitt bei den Männern mit 35,96 Prozent extrem knapp am besten ab. Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein, holte nur 75 Stimmen weniger und kam auf 35,74 Prozent. Fraktionschef Anton Hofreiter vom linken Flügel der Partei bekam 26,19 Prozent. [….]
(dpa, 18.01.2017)

Urwahl ohne zweiten Durchgang. Das erinnert natürlich an die fatale Scharping-Urwahl von 1993, die direkt in die Opposition führte. (…..)
(Jeder kommt mal dran, 19.01.2017)

Die Doofheit der Grünen-Mitglieder führte also dazu, daß sie nun mit Habeck und Baerbock auf dem Weg sind stärkste Partei in bundesweiten Umfragen zu werden, während sie im Bundestag als bedeutungslose 8Komma-Partei herumdümpeln.
Die Grüne Bundestagsfraktionsführung ist umso erbärmlicher, wenn man bedenkt, daß sie im linken Lager mit einer bis auf’s Blut zerstrittenen Linken-Fraktionsspitze und der schlechtesten SPD-Fraktionsführung aller Zeiten (Nahles) zu tun haben.
Wie könnte man da glänzen!
Joschka Fischer zeigte das von 1994 bis 1998 und Robert Habeck zeigt, wie man das außerhalb des Bundestags macht.

Während es die SPD zerreißt, weil sie sich nicht klar ausdrücken kann, wenn es um HartzIV geht und die Parteichefin erst bei einer Schrumpfung auf 14% in den Umfragen einen neuen untauglich Politsprech-Kunstbegriff – „Bürgergeld“ – herauskreißt (davor war es „Fahrplan“), zeigt Habeck wie es geht.

Im Morgenmagazin prägt er den Begriff „90% Steuern“.
DAS versteht der deutsche Michel. Ein sichtlich total übernächtigter und müder Habeck ist offensichtlich immer noch um Klassen besser als eine ausgeschlafene Wagenknecht.


[….] Wörtlich sagte Habeck: "Man kriegt einen Hartz-IV-Bezug. Und dann gibt es darüber hinaus Leistungsprämien. Entweder sachlicher Art oder auch finanzieller Art, wenn man sich weiterbildet oder sich fortbildet. Und das ist das attraktivere System, dass Menschen in Arbeit gehen. Wir haben ja jetzt 15 Jahre Erfahrung. Und Menschen, die im Hartz-IV-System sind, behalten von ihrem Einkommen nur zehn Prozent. Also man arbeitet, und erhält nur zehn Prozent. Das macht ökonomisch gar keinen Sinn, als Aufstocker zu arbeiten." Habeck betonte, dass die „Menschen nicht faul sein“ wollten. Es gehe darum, die Menschen zu ertüchtigen. Es könne nicht richtig sein, Hartz-IV-Bezieher mit 90 Prozent auf ihr Zusatzeinkommen zu besteuern. [….]

Ich halte das für eine geniale Formulierung. Das ist zwar sachlich nicht ganz richtig, ist aber absolut eindringlich. Das merkt sich jeder und außerdem versteht es jeder als besonders ungerecht, wenn ausgerechnet die Ärmsten 90% Steuern zahlen, während sich globale Billionen-schwere Finanztrickser mit Friedrich Merz im Aufsichtsrat Milliarden Euro durch Cum-Cum-Cum-Ex bei eben diese Geringstverdienern abzocken.

Politik ist Verpackung. Und von Verpackung versteht Andrea Nahles leider rein gar nichts.

Faszinierend ist die Unterschied zwischen Realität und Show.
Die Grünen gelten derzeit als ehrlichste Partei, die voller Rückgrat ihre Werte gegen AfD und Konservative vertritt. Das beeindruckt Wähler der SPD und der Linken, die nun alle aufgrund dieser Show zu Habeck und Co abwandern.

In Wahrheit sind die Grünen aber längst eine CDU-affine Lobbypartei geworden, die Rundgelutscht bis zur Unkenntlichkeit jede auch noch so große Öko-Sauerei schluckt, um an die Macht zu kommen.
Sie haben in Hamburg die größte Braunkohledrecksschleuder der Welt genehmigt, für die Rodung des Hambacher Forsts votiert, forcieren Abschiebungen in Hessen, überholen die AfD von rechts in BW und genehmigten die Frankfurter vierte Startbahn.


Die Grünen waren die vehementesten Befürworter der Agenda 2010 und haben sich dann feige aus dem Staub gemacht, als die Reformen begannen unpopulär zu werden. Da hatten sie schon längst als prinzipienloser Mehrheitsbeschaffer zur CDU rübergemacht.
Die SPD tat unterdessen das was sie am besten kann: Mit sich selbst hadern, sich quälen, Gewissensbisse kultivieren.
Seit 2009 wird bei den Sozis über eine Rücknahme oder Entschärfung von HartzIV diskutiert.
Zerrieben zwischen den Grünen, die zur Agenda 2010 standen und der Linken, die das radikal ablehnte.

Gutes Öko-Führungspersonal hat nun das Unglaubliche vermocht:

 Die RRG-Partei, die HartzIV am stärksten befürwortete, weil sie die reichsten und urbansten Wähler der drei vertritt, hat sich nun mit einer atemberaubenden 180°-Wende so sehr als Anti-Agenda-Partei profiliert, daß sie locker über 20% in bundesweiten Umfragen liegt.

Die Partei, die als einzige wirklich soziale Verbesserungen für HartzIV-Empfänger erreichte, indem sie den Mindestlohn einführte, den HartzIV-Satz erhöhte und Schlechterstellung von Leiharbeitern verbot, ist die SPD. Sie wird aber weiter abgestraft von den Wählern, weil das Willy-Brandt-Haus so eine erbärmliche Performance liefert.

Besonders bitter sieht es für die Linke aus, die als einzige tatsächlich von Anfang an konsequent gegen Hartz IV wetterte und von den Ärmsten gewählt wird. Statt nun im allgemeinen „Hartz-abschaffen-Rausch“ die Lorbeeren einzustreichen, geht sie unter, schafft es nicht mehr auf zweistellige Werte in den Umfragen.

Ginge es den Wählern wirklich um Gerechtigkeit und um mehr soziale Sicherung, ja darum Hartz IV loszuwerden, müsste es genau umgekehrt sein:
Die Linken ganz groß, die Grünen ganz klein und die SPD irgendwo dazwischen.

Es sich wirklich schwermachen, das können die Sozis:

[….  Die SPD steckt mittendrin in der Debatte um den Umgang mit den einst von ihr eingeführten Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt und den Sozialstaat. [….] Mit höherem Mindestlohn, Zuschüssen zu Sozialabgaben und Steuergutschriften wolle sie dafür sorgen, dass weniger Bürger als heute auf Grundsicherung angewiesen seien. Es sei immer günstiger, Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren. Nahles blieb bei der Alternative zu Hartz IV zwar immer noch sehr vage. Ein neues System solle die Menschen aber nicht mehr so gängeln.
[….] Matthias Miersch, Chef der Parteilinken im Bundestag, sagte der SZ: "In den vergangenen Wochen ist sehr deutlich geworden, dass wir uns in der SPD in einigen Fragen schon grundsätzlich einig sind." Aus seiner Sicht spreche daher auch nichts dagegen, schon "Anfang des nächsten Jahres im Parteivorstand einige Vorfestlegungen" zu treffen. "Ich denke dabei an die Einführung einer eigenständigen Kindergrundsicherung, aber auch an die Abschaffung von Sanktionen für Arbeitssuchende." [….] Die Parteispitze will das Eingeständnis vermeiden, früher viel falsch gemacht zu haben. […..]

Bei den Grünen hingegen flutscht das handstreichartig, ohne sich mit der lästigen Realität, Finanzierungsfragen und der eigenen Glaubwürdigkeit herumzuplagen. Habeck sei Dank.

[….]  Ein überfälliger Schritt, ein völlig wirrer Vorstoß - Robert Habecks Vorschlag einer bedingungslosen staatlichen Garantiesicherung hat eine Kontroverse über die Grundsicherung angestoßen. In einem Debattenbeitrag zum neuen grünen Grundsatzprogramm hatte der Parteivorsitzende eine neue "Garantiesicherung" vorgeschlagen. Einen Zwang zur Arbeitsaufnahme soll es demnach nicht mehr geben, auch Sanktionen für Arbeitslose, die beispielsweise Termine im Jobcenter versäumen, will Habeck abschaffen. Gleichzeitig soll für Empfänger staatlicher Transferleistungen der Anreiz gesteigert werden, Geld hinzuzuverdienen. [….] Hartz IV reiche nicht zum Leben. Der Grünen-Chef fordert eine Garantiesicherung, die nur bekommen soll, wer bedürftig ist - sie wäre also kein bedingungsloses Grundeinkommen für alle. Die Zahl der Empfänger aber würde schon durch höhere Sätze steigen: Wer heute mit seinem Einkommen knapp über der Hartz-IV-Schwelle liegt, läge künftig darunter und hätte dann Ansprüche. Habeck will zudem, dass Menschen, die zusätzlich zum Leistungsbezug arbeiten, mehr von ihrem Einkommen behalten dürfen. Stand jetzt werden 80 bis 90 Prozent mit den Sozialleistungen verrechnet. Das sei "ungerecht und demotivierend". Stattdessen sollten die Betroffenen "mindestens 30 Prozent" ihres Zuverdiensts behalten dürfen. [….]

Es geht dem deutschen Urnenpöbel in Wahrheit aber um die Performance und nicht um durchdachte Konzepte, die er eh nicht versteht.
So konnten sich 90% Deutschlands vom verlogenen Blender Guttenberg einlullen lassen und so sehen die Wähler nun in Habeck und den Ökos ihre Erlöser.

Das mag ungerecht sein, aber Politikerbewertungen sind nicht gerecht.
Außerdem stünde es SPD und Linken frei statt charismafreien Kanaillen wie Riexinger, Bartsch, TSG oder Nahles ebenfalls TV-taugliche Sprachkünstler wie Habeck oder schlagfertige Engagierte wie Annalena Baerbock aufzustellen.