Freitag, 2. Oktober 2015

Der Minusmann – Teil IX



Ist der Ruf erst ruiniert, hetzt es sich ganz ungeniert.
Nach dem Motto rockert sich Minister de Maizière inzwischen durch die politische Landschaft.

Daß in seiner politischen Heimat, des failed states Sachsen die Asylbewerberheime brennen und durch die tätige Mithilfe de Maizières Partei CDU der Rechtextremismus immer stärker wird, scheint dem Bundesinnenminister nicht mehr genug zu sein.

Deutschland wird international gerade als vorbildlich hilfsbereit und großzügig wahrgenommen. Das kann der Bundesinnenminister offenbar nicht ertragen und gibt sich alle Mühe auch bundesweit Ressentiments und Xenophobie zu schüren.

Daß einige Syrer sich „frei bewegen“ und nicht starr und demütig in ihren zugewiesenen Lagern hocken, regt de Maizière ganz fürchterlich auf. Er sieht offenbar alle Ausländer prinzipiell als kriminell an und verlangt, sie sollten sich schon a priori devot wie Gefängnisinsassen benehmen.
Würde und Menschenrechte? Wo kämen wir denn dahin, wenn das jeder in Anspruch nähme!

Im ZDF-"heute journal" sagte der CDU-Politiker: "Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar bei uns zu sein. Sie haben gefragt, wo ist die Polizei, wo ist das Bundesamt. Wo verteilt Ihr uns hin."
Das habe sich seither geändert. "Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen", führte der Minister aus.

    "Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen."

Dies sei zwar noch eine Minderheit, räumte de Maizière ein. "Aber da müssen wir klar sagen, wer hier nach Deutschland kommt (...) der muss sich dahin verteilen lassen, wohin wir ihn bringen, sich einem fairen Verfahren unterstellen und unsere Rechtsordnung anerkennen."

Absolut unverschämt, diese Asylanten!
Erst erdreisten sie sich die Überfahrt im Mittelmeer zu überleben und nicht zu ersaufen, wie es de Maizière gefordert hatte, als er die Mission Mare Nostrum abschaffte.
Und nun kommt es noch toller: Einige hier Angekommene benehmen sich wie freie Menschen! Unerhört. Dafür bezichtigt sie der Minus-Mann generell als undankbar. Pack, dieses. Irgendwie muß man die doofen Deutschen, die sich FREIWILLIG melden den Flüchtlingen zu helfen ja wieder eintrichtern, daß alle Ausländer doof sind, daß man denen nicht hilft, sondern GEGEN sie demonstriert.
Der überzeugte Christ de Maizière weiß eben was Nächstenliebe ist.

[….] Wenn ein Innenminister sich auf die eine Seite der Wippe setzt, dorthin, wo die Ablehnung von Flüchtlingen sitzt, dann ist es klar, dass die Stimmung kippt.
Es gibt Interviews, die man zweimal liest, weil man nicht glauben mag, dass ein gestandener christdemokratischer Politiker so daher redet: "Es kann nicht sein, dass ein Teil der Ausländer bettelnd, betrügend, ja auch messerstechend durch die Straßen zieht, festgenommen wird, und nur, weil sie das Wort Asyl rufen, dem Steuerzahler auf der Tasche liegen." [….] Der Satz stammt vom damaligen Berliner CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky. [….]
Das Interview, das Bundesinnenminister Thomas de Maiziere im "Heute Journal" des ZDF gegeben hat, ist von der obszönen Brutalität des Klaus Landowsky noch einigermaßen weit entfernt. Aber der sonst oft so bedächtige Minister pauschalisiert auf gefährliche Weise: "Sie", so sagt er, und meint "viele Flüchtlinge", "gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. [….] Der Minister macht daraus Regelfälle; er verallgemeinert; er wirft Rabauken, die es unter Flüchtlingen auch schon vor dem Sommer 2015 gegeben hat, in einen Topf mit so vielen Flüchtlingen, die nichts anderes wollen als Ruhe, Schutz, Hilfe und Integration.
[….] Der Minister verhöhnte mit seinen Sätzen auch die Leute, die in der Enge des Erstaufnahmelagers durchdrehen - und in denen es die Flüchtlinge nach dem neuesten Asylrecht nicht nur bis zu drei, sondern sechs Monate aushalten sollen. Das ist nicht gut. Das schürt Vorurteile. So, wie der Minister redet, führt man das "Kippen" der öffentlichen Stimmung, die man dann bedauert, selbst mit herbei. [….]

Ich suche schon wieder.
Fahnde nach Vokabeln, die dem Minus-Minister gerecht werden. Abschaum? Widerling? Aber: Don’t insult Abschaum und Widerling.
Mal gucken, was andere schreiben….

Er hat es kapiert. Glückwunsch, Herr de Maizière, zu der Einsicht, dass ein paar Stammtischparolen gegen Flüchtlinge einen wieder beliebt macht bei den Wählern. CSU-Chef Horst Seehofer hat es mit seinem Anti-Merkel-Kurs vorgemacht. [….] Wenn Seehofer mal die Klappe hält, seehofert jetzt offenbar der Innenminister. Im ZDF zieht er, Überraschung, gegen Flüchtlinge vom Leder [….]
Ist ja auch unglaublich, dass jemand, der in seiner Heimat verfolgt wird, noch so viel Geld hat, dass er sich in Deutschland sogar ein Taxi leisten kann! Wird das denn nicht ordnungsgemäß beschlagnahmt? Und verdammt, wer hier schon eine Zuflucht bekommt, soll sich doch nicht noch darüber beschweren, dass er sein Zuhause mit ein paar hundert Menschen teilen muss.
[….] Warum dann dieser Ton? Die Erklärung liegt auf der Hand: Es war für de Maizière einfach zu verlockend, für eine Weile auf der Anti-Merkel-Welle mitzureiten. [….] Es ist traurig, in diesen Tagen zu erleben, wie manche Unionspolitiker in alter „Kinder statt Inder“-Tradition die Menschen verängstigen, indem sie Einwanderung als Gefahr definieren und nicht als Chance – obwohl sie vermutlich das Gegenteil begriffen haben, aber ein paar Umfragepunkte für wichtiger halten als das Wohl des Landes. [….] Es sind oft die Feuerwehrleute, die gerne mal selbst einen Brand legen.

[….]  In einer kaskadenhaften Aufzählung von Beispielen beschwerte er sich über vermeintlich undankbare Flüchtlinge, die sich nicht anständig benehmen würden. [….]
1. "Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein."
Mir ist schleierhaft, wie de Maizière auf diese Aussage kommt. [….]
2. "Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen."
Das ist nicht neu. Im Gegenteil: Immer wieder verlassen registrierte Flüchtlinge die ihnen zugewiesenen Unterkünfte. Das war auch in der Vergangenheit so. [….]
3. "Sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren."
Ich weiß, dass das gegen die Intuition ist, aber de Maizière sollte es besser wissen: Nicht alle Flüchtlinge sind arm. Viele haben alles verkauft, was sie besessen haben – ein Haus, vielleicht eine Firma. Das Geld reicht für die Flucht und die Schleuser und vielleicht auch noch eine Weile, nachdem sie hier angekommen sind. [….] Also, Herr de Maizière, finden Sie doch bitte wieder zur Ihrer nüchternen Redeweise zurück. [….]
 [….] Klären wir erst einmal das Wesentliche: Was Thomas de Maizière am Donnerstag zum Thema „Dankbarkeit“ und Benehmen geflüchteter Menschen von sich gegeben hat, ist widerlich, niederträchtig, verlogen, arrogant, menschenfeindlich, ressentimentgeladen und so dumm, dass man sich damit eigentlich nicht weiter beschäftigen möchte.
Geht aber nicht. Denn de Maizière ist ja nicht irgendein Pegida-Vollpfosten oder anonymer PI-News-Kommentator. Er ist noch nicht einmal CSU-Chef. Wie auch immer es dazu kommen konnte, der Mann ist amtierender Bundesinnenminister, zuständig für die Sicherheit aller in Deutschland lebenden Menschen.
Schon qua Amt sollte ihm also aufgefallen sein, dass nahezu jeden Tag in Deutschland Flüchtlinge angegriffen werden. Und zwar nicht, weil sie durch ihr Verhalten provozieren. Sondern weil die Angreifer genau den Mist im Kopf haben, dem de Maizière am Donnerstag das Wort redete.
„Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen“, empört sich der Minister. Na sowas, sie kümmern sich um ihr eigenes Schicksal! Wo kommen wir da nur hin! [….] Und wie kommen diese Leute überhaupt dazu, nicht dankbar die Massenunterkunft für 1.000 Geflüchtete, ohne Privatsphäre, mit 30 Duschen und schlechtem Essen zu akzeptieren, sondern sich einfach selbstständig etwas besseres zu suchen?
[….] Eigentlich müsste ein deutscher Innenminister den Rechtsstaat gegen den Mob verteidigen und nicht andersherum. De Maizière aber zündelt. Die Kanzlerin müsste ihn eher heute als morgen hinauswerfen. Macht sie aber nicht. Da ist zu viel Angst vor den rechten Dumpfköppen – auf der Straße und in der eigenen Koalition. [….]