Donnerstag, 2. Juli 2015

Homo homini lupus



OK; es ist müßig über das Wetter zu reden und noch müßiger sich darüber zu beklagen.
Ich nehme auch für mich in Anspruch das üblicherweise nicht zu tun.
Im Gegenteil; mit schöner Regelmäßigkeit weise ich in irgendwelchen Geschäften meine sich über Kälte, Regen oder Schnee beklagenden Mitmenschen drauf hin, wie froh sie sein sollten, daß wir hier so verschiedenen Jahreszeiten haben.
Wie öde es wäre, wenn die Natur immer gleich aussähe.
Im Übrigens liege es doch nur an uns sich entsprechend anzuziehen.
Was soll das Gefriere in diesen Breitengraden, wo so gut wie jeder finanziell in der Lage wäre sich dem Zwiebelprinzip frönend den Außentemperaturen anzupassen.
Ich zum Beispiel kann Kälte sehr gut vertragen und friere fast nie, aber wenn es draußen unter Null °C anzeigt, laufe ich auch nicht im T-Shirt umher.

Grundsätzlich halte ich aber den Sommer für problematischer als den Winter, da man sich nun einmal nur bis auf die nackte Haut ausziehen kann.
Wer dann immer noch schwitzt, ist hilflos.
Das ist so ähnlich wie mit Pollen.
Davor kann man sich so gut wie gar nicht schützen und muß es ertragen.

Hitze ist tatsächlich sehr gefährlich – aber eben in erster Linie für die Alten und Kranken unserer Gesellschaft.
Der Aspekt des Wetters ist wirklich zum Kotzen – er offenbart wie sehr das öffentliche Leben nur auf die Schönen, Jungen und Gesunden fixiert ist.
Seitenweise zeigen Zeitungen und TV-Nachrichten hübsche, schlanke Menschen zwischen 15 und 25, die eigenartigerweise auch alle tagsüber gar keine Verpflichtungen haben, sondern sich in Freibädern, an Stränden und Beach Clubs im Bikini räkeln.
Jedes Jahr dasselbe.

Myriaden Menschen in Deutschland liegen in Heimen und verdursten während die Mopo den „Supersommer“ bejubelt.
Das Problem der Exsikkose in Altenheimen wurde durch das Hoch „Michaela“ im Jahr 2003 europaweit diskutiert.
Hilflose und pflegebedürftige Menschen trinken fast nie von allein genug Wasser und es reicht nicht ihnen einfach irgendwo ein Glas hinzustellen; es braucht eine pflegende Person, die ihnen das Wasser auch einflößt.
Auf dieses Weise starben 2003 mindestens 40.000 Menschen über 75 Jahren in Westeuropa.

Der 11. und der 12. August waren aufgrund der Windstille besonders belastend. Die Wirkung der Hitzewelle wurde durch die sehr erhöhten Nachttemperaturen verstärkt, die fehlende Luftbewegung verursachte einen steilen Anstieg der Stickoxide, die sich bei der Entstehung des Ozons ansammelten. Die Leichenhallen waren sehr schnell voll belegt, da man die Leichen wegen der beträchtlichen Hitze nicht in ungekühlten Räumen lagern konnte. Ein gekühlter Hangar der Halles des Pariser Vororts Rungis, das Logistikzentrum der Transporte für den Handel mit Lebensmitteln, wurde zur Verfügung gestellt, damit dort die Leichen vorläufig abgelegt werden konnten. Am 24. August gab es immer noch 300 Leichen in Paris, für die sich keine Angehörigen gemeldet hatten und die in Rungis und in Kühllastern in Ivry-sur-Seine ihrer Beisetzung harrten.

Wenn in Deutschland ein alter Mensch in einem Heim zu vertrocknen droht, muß man 112 rufen und ihn schnellstens in Krankenhaus bringen lassen. Dort bekommt er dann zwei bis drei Tage lang intravenös Ringerlösung oder NaCl-Lösung. Das kostet ungefähr 2000 Euro inklusive der Krankenwageneinsätze und ist absolut alltäglich in den Kliniken bei einem Wetter wie heute.
Natürlich könnte man auch stattdessen für einen Bruchteil des Geldes etwas mehr Pflegepersonal in den Heimen einstellen, so daß die alten Menschen a priori genug zu trinken bekommen und gar nicht erst in Lebensgefahr geraten.
Die Absurdität ist bekannt* und wurde in vielen Büchern (Stichwort Claus Fussek) beschrieben. Aber die 2000 Euro für den Krankenhausaufenthalt kommen aus einem anderen Topf, dem der Krankenkasse und nicht dem der Pflegekasse. Merkel und Co kümmern sich aber nicht darum, weil es auch keinerlei Druck auf sie in dieser Angelegenheit gibt. Die Presse versagt hier vollkommen bei ihrer einseitigen Sommerbejubelung. Sie verweigert ihren Job auch auf die Missstände hinzuweisen.
Es ist ein bißchen ähnlich bei der leidigen Diskussion Auto versus Fahrrad, die vermutlich in allen deutschen Großstädten läuft. Die Straßen sind ursprünglich für Autos geplant worden, da aber heute glücklicherweise mehr Menschen Rad fahren verlangen sie überall Fahrradwege, die auf Kosten der Auto-Straßen abgezwackt werden.
Zumindest die Hamburger Lokalpresse steht ausnahmslos auf der Seite der Radfahrer und brandmarkt genau wie fast alle Parteien die sturen Autofahrer, die weiter auch in der Innenstadt fahren wollen. Dadurch haben die Radfahrer so starkes Oberwasser, daß sie zunehmend aggressiv werden. Tatsächlich muß man sein (Auto-)Fahrverhalten ändern. Beim Rechtsabbiegen genügt kein kurzer Schulterblick mehr; nein man muß sich einmal komplett umdrehen, weil auf Fußwegen, Fahrradwegen und Straßen bei grün UND rot jederzeit irgendein Irrer auf seinem 4000-Euro-Mountainbike einem vor die Kühlerhaube rasen kann.
Natürlich ist es aus ökologischen Erwägungen unstrittig, daß der Umstieg möglichst vieler PKW-Nutzer auf das Rad zu wünschen ist.
Aber die Presse hätte verdammt noch mal auch die Pflicht an diejenigen zu denken, für die das nicht möglich ist.
 Ist gibt jede Menge Alte, Pflegefälle, Herzkranke, Behinderte, oder einfach junge Leute mit Mitralklappeninsuffizienz, die nicht die Puste zum Strampeln haben, also die schlicht und ergreifend nicht in der Lage sind Rad zu fahren.
Es wäre ganz nett zu berücksichtigen, daß auch diese Menschen Zugang zu Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben müssen.

Verblüffenderweise gibt es immerhin gelegentlich für die nichthumane Natur Mitleid, obwohl jeder immer nur den Sommer bejubelt.

Die Natur leidet. Dazu muß ich nur aus dem Fenster sehen – alle Büsche und Gräser sind braun und vertrocknet. Natürlich trifft es auch die Fauna.

Hitzewelle löst Fischsterben in der Elbe aus
Fischer sprechen von einer Katastrophe. Bisher schon 100 Tonnen Kadaver. Einer der Gründe: die verstärkte Algenblüte.

Die Hamburger Umweltbehörde warnt vor dem Kontakt mit giftigen Blaualgen in der Binnen-und Außenalster. Vor allem in Höhe Lombards- und Kennedy-Brücke haben sich dort in den vergangenen Tagen ganze Algenteppiche gebildet.

Ein anderes echtes Wärmeproblem sind für mich die optischen Qualen, die mir täglich bereitet werden.
Ich bin ohnehin Misanthrop und möchte mich gar nicht gern mit der biologischen Konstitution meiner Mitmenschen beschäftigen.
Menschen sind eigentlich ziemlich ekelhafte Getriebene ihrer warmblütigen Natur und des erhöhten Energiebedarfs durch das große Hirn.
Ich fände es viel netter, wenn man wie ein Weißer Hai nur einmal im Monat essen müßte. Komodowarane und dicke Boas brauchen sogar nur drei, viermal im Jahr eine üppige Mahlzeit.
Menschen denken aber unablässig ans Fressen, sie verdauen kontinuierlich und produzieren dabei Kubikmeter weise Abgase, literweise harnstoffstinkendes Giftwasser und von anderen Produkten anderer Körperöffnungen will ich erst gar nicht reden.
Menschen stinken auch. Manchmal von Natur aus, manchmal auch künstlich generiert durch allerlei Duftwasser.

Nebenbei bemerkt, von Saddam Hussein hieß es immer, er habe derart empfindlich auf Körpergerüche reagiert, daß seine Leibwächter ständig duschen mußten und wenn dennoch einer in seiner Gegenwart die Duftnote Mief-Achsel verbreitete, ließ er ihn hinrichten. Eine verständliche Reaktion, die ich mir für meine Karriere als Diktator oder Weltherrscher auch noch vorbehalte.

Aber das ist nur die olfaktorische Problematik der sozialen Zwangskontakte.
Akustisch und optisch wir es auch immer schlimmer, je wärmer es ist.

Heute war ich Lebensmittel einkaufen und in der Kühlregalabteilung machte es immer schmatz-schmatz-schmatz, weil dort eine Frau undefinierbaren Alters feuchtfüßig in ihren Plastik-Flipflops umherwatschelte. Schmatz-schmatz-schmatz. Wer kann da noch Joghurt und Quark aussuchen, ohne mit Würgereiz zu kämpfen?

Und meine armen Augen!
Ich habe heute mehrfach nackte Männerfüße gesehen. Ist das nicht ein Fall für den UN-Menschenrechtsrat? Muß ich das ertragen?
Dabei bin ich weder paraphil noch Podologe!
Das ist nicht in Ordnung.

Niemand kann behaupten er wüßte es nicht besser. Wie jedes Jahr wird in Zeitungen ausdrücklich erklärt welche Kleidung Männer auch an heißen Tagen nicht tragen dürfen.

[….]  Insbesondere fürs Büro gilt, den lässigen Kleidungsstil zu Hause zu lassen. [….]  
Dont Nr. 1: Kurze Hose im Büro „Meine absolute Horrorvorstellung bei Männern sind 7/8 Hosen”, sagt Stiltrainer Jan Schaumann. Ob im Büro oder in der Freizeit: Diese Beinbekleidung zeugt für ihn von geringem modischem Bewusstsein. Während hochwertige Bermuda-Short in der Freizeit erlaubt sind, gehören kurze Hosen aller Art nicht ins Büro.
[….]  Dont Nr. 2: Sandalen An den Füßen scheinen die Regeln der Stilexperten streng. „Männer und Sandalen, da schüttelt es nicht nur mich”, so Schaumann. Zum geschlossenen Schuh gibt es für Schaumann keine Alternative. „Im Büro werden Lederschuhe getragen, mit einer hochwertigen Leder- statt Plastiksohle, in der man weniger schwitzt.” [….]  Dont Nr. 3: T-Shirts und kurze Hemden Kurzärmlige Hemden gibt es an jeder Ecke zu kaufen und sind genauso oft zu sehen. Im Büro sind sie aber ein schwieriger Fall. „An der Arbeit die Unterarme zu zeigen, ist verpönt”, sagt Roetzel. Hochgekrempelt werden dürfe nur, wenn man allein am Schreibtisch sitzt. [….]  
Dont Nr. 5: Hauptsache bequem „Wer in einer Jogginghose das Haus verlässt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren.” Mit dieser Aussage sorgte Karl Lagerfeld für Aufsehen. Auf die Arbeitskleidung bezogen liegt der Modeschöpfer aber nicht ganz verkehrt. Der Schlabberlook hat es zwar in die Modeläden geschafft. „Doch im Beruf hat er nichts verloren”, warnt Oexle. [….]  
Dont Nr. 7: Körperbehaarung Um zu klären, wie viel Körperbehaarung erlaubt ist, stellt Roetzel eine einfache Fragen: „Will ich die Brust-, Achsel-, oder Ohrenhaare eines Fremden sehen? Nein.” In der Öffentlichkeit gilt es also, Behaartes zu bedecken. [….]  
 (Hamburger Morgenpost, 01.07.2015, s. 23)

Also bitte meine lieben Geschlechtsgenossen: Haltet Euch daran!

So und jetzt fliege ich nach Nowosibirsk.