Montag, 17. Juli 2017

Deutschland, armes Diskussionsland.



Das kann doch wirklich nicht wahr sein.
CDU-Rechtsaußen Wolfgang Bosbach, eitelster TV-Politiker und notorischer Lügner, beherrscht weiterhin die Schlagzeilen damit, daß er in einem absolut kalkulierten Eklat zeternd aus einer Talkshow über den G20-Gipfel lief.

Immer noch erscheinen in gedruckten Zeitungen Leserbriefe, die in Frage stellen, ob man ihrem geliebten Bosbach überhaupt widersprechen dürfe.


Man könnte sich mit den politischen und diplomatischen Ergebnissen des Gipfels befassen, diskutieren wie weit sich Aufwand und Resultat noch in Einklang bringen lassen. Man sollte sich über Lehren für die künftigen Gipfel verständigen, analysieren wie Polizei und Politik in Zukunft besser auf solche Großveranstaltungen vorbereitet werden können. Es ist weiterhin unbedingt erforderlich mit Soziologen, Jugendarbeitern und Psychologen zu klären, wie es zu dieser offenbar enormen Wut auf die Institutionen kommt.
Sollte man nicht abgesehen von den allseits hochgejubelten „harten Strafen“ a posteriori durch Bildung und Sozialarbeit dafür sorgen, daß tausende junge Erwachsene gar nicht erst den Drang entwickeln auf den Straßen zu randalieren?

All das tut man aber kaum, sondern schiebt sich parteipolitisch den Schwarzen Peter zu und bietet dem ewigen Bosbach jeden Tag wieder ein Forum.

Dabei war es doch offensichtlich, daß der Talkshowkönig seinen TV-Marktwert erhöhen wollte.

[…..]  Dass aus­ge­rech­net Wolf­gang Bos­bach frei­wil­lig eine Talk­show ver­las­sen wür­de, da­mit hat­te nun wirk­lich nie­mand ge­rech­net. Der Talk­kö­nig der Uni­on gilt be­stimmt nicht als je­mand, der ohne Not auf zu­sätz­li­che Zeit auf dem Bild­schirm ver­zich­tet. Es muss also tie­fe­re Grün­de ha­ben, dass Bos­bach am ver­gan­ge­nen Mitt­woch de­mons­tra­tiv aus San­dra Maisch­ber­gers Run­de stürm­te. […..] Im ver­gan­ge­nen Jahr hat­te Bos­bach sei­nen Ti­tel als häu­figs­ter Talk­show­gast des Jah­res an Sah­ra Wa­genk­necht ver­lo­ren. Zu­dem ent­schied er sich, nicht noch ein­mal für den Bun­des­tag zu kan­di­die­ren. […..] Es stand also schlimm. Bos­bach wuss­te, wie hart der Ent­zug von der Po­li­tik für ihn wer­den wür­de. Nur ver­ständ­lich, dass er sich auch Sor­gen um sei­ne Zu­kunft als Talk­gast mach­te. Ihm muss klar ge­we­sen sein, dass ein ein­fa­cher Auf­tritt, bei dem er sei­ne kan­ti­gen, aber er­wart­ba­ren The­sen ver­tritt, nicht mehr aus­rei­chen wür­de, um im Auf­merk­sam­keits­busi­ness wirk­lich zu punk­ten. Da muss­te er schon noch ei­nen drauf­le­gen. Er hat es ge­schafft. […..]
(DER SPIEGEL, 29/17, Christiane Hoffmann)

Bosbachs Ausflippereien sind so durchsichtig, daß ihn auch Polizisten, die er doch vordergründig lobpreist und gegen die böse, böse Jutta Ditfurth verteidigt, sich erstaunt abwenden.
Der Berliner Polizist Oliver von Dobrowolski, der als Beamter des Anti-Konflikt-Teams (AKT) beim Hamburger G20-Einsatz dabei war, schreibt:

[…..] Welche öffentlichen Aussagen waren an Schrägheit kaum zu überbieten?
Da gab es einiges zu vermelden:
Ein Gewerkschafts-Zombie entsteigt den Sümpfen und wagt sich erneut ins Rampenlicht. Ob Print, Online oder TV, plötzlich gerierte sich wieder ein Rainer Wendt von der DPolG als "Experte" und tat u.a. kund, wie sehr er mangelnde Fehlerkultur bei den (seines Erachtens) Verantwortlichen vermisst und forderte Rücktritte.
Angesichts der bigotten Vita dieses Herrn wirkt das alles wie knallharte Satire. Ist sie aber nicht, sagt mein Hirn und will daraufhin angesichts dieses paradoxen Bullshits implodieren.
Ganz oben auf der Liste verorte ich auch Wolfgang Bosbach, langjähriger Ausschussvorsitzender Inneres im Bundestag. Dass er sich unmittelbar nach den Krawallen in Hamburg auf n-tv derart in Rage redet, nur weil er von der Interviewerin nach einer möglichen falschen Polizeitaktik gefragt wird, spricht nicht eben für eine realitätsbezogene Wahrnehmung der Dinge. Vielmehr mag man hier dem eigenen Lager entsprechen und um Himmels willen nur nicht am Gewaltmonopolisten Polizei Zweifel anbringen. Aber hieße das dann statt „Auch Mensch“ nicht eher „unfehlbarer Polizeiroboter“?
Viele andere Politiker standen dem aber nicht viel nach. Wer Vergleiche der kriminellen Krawallmacher mit Terroristen anstellt, kann nicht bei Sinnen sein und verhöhnt gleichzeitig die Opfer und Hinterbliebenen tatsächlicher terroristischer Gewalt.  [….]

Völlig klar, daß Bosbach selbst weiter auf seiner Erfolgswelle surft und medial alles aus seinem Ditfurth-Eklat rausholen will. Kein Tag, an dem er nicht mehrfach nachlegt – natürlich immer eifrig von der Presse verbreitet.

„Maischberger”-Eklat Bosbach legt nach: „Ich hätte noch früher gehen sollen”

Kein anderer Teilnehmer der betroffenen Maischberger-Sendung wird dazu befragt, dabei waren bis auf Herrn Lenders alle Diskutanten weitaus seriöser und konstruktiver als Bosbach. Insbesondere Jan van Aken und Katharina Barley sind zu lobende Politiker.
Aber Differenziertheit und Kritik wird in der Medienwelt nicht belohnt.

Bosbach, der ganz offensichtlich nicht die allergeringste Ahnung von den Hamburger Gegebenheiten hat, die „Schanze“ nicht kennt und auch bei den G20-Demos nicht dabei war, verbreitet sich aber munter weiter.
Immer mit einer aggressiven konservativen Grundhaltung.

[…..] Die Rote Flora in Hamburg gehört einer Stiftung der Stadt. Hier existiert kein Mietvertrag und es wird keine Miete gezahlt. Die Rote Flora ist formal ein Kulturzentrum, tatsächlich auch Organisationszentrum und Rückzugsraum für radikale Linke. Wenn Hamburg ernsthaft den Willen hätte, den Linksautonomen die Rote Flora zu entziehen, wäre das möglich. Aber ich rechne nicht damit, weil die Stadt Angst vor den Reaktionen der Nutzer hat. [….]

Wer kann es da Jutta Ditfurth verdenken, daß sie stichelt und ebenfalls verbal ein wenig überzieht. Immerhin wird sie so – im Gegensatz zu van Aken und Barley – überhaupt noch wahrgenommen von den Bosbach-affinen Medien.
Selbstredend wird dabei die gebotene Neutralität der Presse ignoriert und klar gestellt, auf wessen Seite man steht.
Dithfurth ätze, verhöhne und trete nach.

[…..] Der verbale Schlagabtausch zwischen Wolfgang Bosbach und Jutta Ditfurth geht in die nächste Runde. Drei Tage nach dem Eklat in der Talk-Sendung von Sandra Maischberger tritt die Linksaktivistin gegen den CDU-Politiker nach.
Bei Twitter wird Bosbach von Ditfurth verhöhnt. "Mimose macht Mimimi bei Medien, seit Tagen", ätzt die frühere Grünen-Politikerin. "Armer Mann, kein Leben." […]

Nein, das Wort „Lügenpresse“ ist hier nicht angebracht, weil tatsächlich nicht gelogen wird bei der Berichterstattung.
Man verliert sich aber auf Nebenschauplätzen, stellt die „Ökosozialistin“ Ditfurth grundsätzlich als unverschämt und unseriös dar, während Bosbach, der ein vielfach überführter öffentlicher Lügner ist, mit deutlich spürbarer Sympathie der Autoren befragt wird.

Springer-Frau Franzisca Barth lässt Bosbach nicht nur den Rote-Flora-Unsinn verbreiten, sondern bemenschelt ihn derart liebesdienerisch wie es Ditfurth niemals widerfahren würde.

[….] Barth, BZ:
Sie hören diesen Herbst nach 23 Jahren mit der Politik auf. Was kommt danach?

Biosbach:
Ich werde weiter anwaltlich tätig sein. Außerdem hat Armin Laschet mich gebeten, eine Expertenkommission für innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen zu leiten. Und ich freue mich auch auf mehr Freizeit und Freiheit. Wir fahren diesen Sommer mit der „MS Europa“ über die Ostsee nach St. Petersburg. Anfang nächsten Jahres geht es in den Oman und im nächsten Sommer nach Griechenland. Zum ersten Mal in meinem Leben.

Bartz, BZ:
Und der Krebs, haben Sie den überwunden?

Bosbach:
Im Westen nichts Neues. Ich mache seit Jahren eine Hormonentzugstherapie. Das ist zwar kein Vergnügen, aber es gibt Schlimmeres. Ich habe keine Schmerzen oder Beschwerden, die mich daran hindern, das Leben zu genießen. [….]

Und wieder werden Bosbachs Beliebtheit und Marktwert steigen.

Inhaltlich und politisch kommen wir hingegen nicht voran.
Keine Konstruktivität, nirgends.