Donnerstag, 11. Dezember 2014

Dreck in Dresden – Teil II


Gerade fand ein Block-CDU-Parteitag in Köln statt.
Ganz im Stile der großen Vorsitzenden fanden keine Diskussionen statt. Alle strittigen oder gar heiklen Themen wurden schon vorher von der Parteiführung abgeräumt.
Bei den Vorstands- und Präsidiumswahlen gab es keinerlei Überraschungen; alle wurden so wie von der großen Vorsitzenden gewünscht in ihre Ämter gesetzt. Die große Vorsitzende hatte selbstverständlich keinen Gegenkandidaten und kam auf ein Ergebnis, das auch Honecker gefallen hätte: 97%.
Angela Merkel findet innerparteiliche Demokratie gut! Aber eben eher für andere Parteien. Nicht in ihrer CDU. Da läßt man lieber die Hände von so einem anarchischen Teufelszeug.
Die große Vorsitzende sicherte sich ihre zehn Minuten Standing Ovations mit einer Attacke auf den sozialdemokratischen Koalitionspartner:
Wie klein wolle sich die SPD eigentlich noch machen?
Das saß. Der Saal tobte.

R2G in Thüringen ist ein großes Geschenk an die CDU; nämlich das perfekte Ablenkungsmanöver für eine vollkommen inhaltsleere Beliebigkeitspartei, die dem Machterhalt alles unterordnet.

Es stimmt schon; weite Teile der Bevölkerung haben einen massiven Merkel-Fetischismus entwickelt und hängen ihr entzückt an den Lippen, wenn sie gar nichts sagt und gar nichts tut.
Sie sind verliebt ins Phlegma, huldigen dem Stillstand.

Fals Merkel allerdings irgendwann keine Lust mehr haben sollte, kann die CDU gleich zu machen.
Ihre Basis ist bereits völlig erodiert.
Sie stellt nur noch vier von 16 Ministerpräsidenten und regiert in weniger Bundesländern als die Grünen!
Die SPD hingegen sitzt in allen Landesregierungen – außer Hessen und Bayern. 14 von 16.
Von den 20 größten Städten Deutschland regiert die CDU gerade noch eine! Damit kommt die Kanzlerinnenpartei auf dieselbe Stadtregierungsquote wie die Grünen: 1 von 20.
Zum Vergleich: Die SPD stellt 18 der 20 größten Stadtregierungen.

Jenseits der Kölner Rhetorik, die sich als bloßes Gehabe entpuppt, blickt die CDU in eine ganz düstere Zukunft.
Nur so ist ihre geradezu hysterische Reaktion auf den Machtwechsel in Thüringen zu verstehen.
Nach 24 Jahren Dauerregierung dachte die Erfurter CDU offenbar, sie würde für immer regieren und konnte es nicht fassen, daß auf einmal keine Mehrheit mehr da war.
Aber so ist das mit der Demokratie. Die Parteifarbe des Regierungschefs mag einem nicht gefallen, aber wenn er eine Stimmenmehrheit hat, muß man sich bis zu den nächsten Wahlen damit abfinden.
Ramelow hat seine absolute Mehrheit im Landtag bekommen; Lieberknecht nicht. Simple as that. Deal with it, CDU!

Für demokratische Fairness ist die CDU aber nicht zu haben.
Sie spielt immer mit gezinkten Karten. Normale demokratische Abläufe sind ihr zuwider.
Als Helmut Schmidt um 1981 dämmerte, daß seine Regierung vielleicht in finale Schwierigkeiten geraten könne, verfügte er einen totalen Beförderungs- und Verbeamtungsstopp.
Es sollte noch nicht einmal einen Hauch des Eindrucks erweckt werden, man würde auf den letzten Drücker noch Parteifreunde mit Posten versorgen.
Als Kohl Kanzler wurde, traf sich Schmidt mit ihm, übergab seine geheimen Aufzeichnungen und unterrichtete ihn über alle wesentlichen Vorgänge.
Das diametrale Gegenteil bei der Abwahl Kohl im Jahr 1998. Diesmal ordnete der noch amtierende Kanzler die sogenannten „Bundeslöschtage“ an. Über eine Woche lang waren alle Mitarbeiter nur mit Schreddern beschäftigt. Nichts, aber auch gar nichts sollten grüne oder Sozen-Minister erfahren. Natürlich wurden alle Kohl-Getreuen mit fetten Beamtenjobs versorgt und noch nicht mal den Kanzlerbungalow überließ Kohl seinem gewählten Nachfolger Schröder.
Er blieb einfach drin wohnen.

Diese dem Wesen der Demokratie diametral widersprechende Auffassung, nämlich den politischen Wechseln mit allen Mitteln zu verhindern, legte erst recht die Thüringer CDU an den Tag.

Keine Zornesblitze fuhren auf Bodo Ramelow nieder, den „verirrten Christen“, wie er noch am Donnerstagabend auf der Angstdemo gegen Rot-Rot-Grün genannt wurde. Der Dom und die Severikirche thronen auch nach seiner Wahl zum ersten linken Ministerpräsidenten weiterhin auf ihrem Hügel über Erfurt, und das Abendland ist nicht untergegangen.
So hätte es eigentlich kommen müssen, hätte man dem Zweckpessimismus von Alt-Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) oder Teilen der Wirtschaft geglaubt. Es half auch nicht, dass mit Schmähanrufen, Drohmails oder Anschlägen auf Abgeordnetenbüros jeder demokratische Boden verlassen wurde. Und die Thüringer Allgemeine suchte vergeblich nach jedem Haar in der rot-rot-grünen Suppe, räumte zuletzt noch einem wahrnehmungsgestörten Rentner namens Wolf Biermann enormen Platz ein.
(Michael Bartsch, taz, 05.12.14)

 Zum Schaden des ganzen Landes taten CDU-Minister alles, um die Nachfolgeregierung möglichst zu sabotieren und die Arbeitsabläufe unmöglich zu machen. Lieberknechts Leute betrachten die Regierung und das Land offenbar als Parteieigentum, auf das niemand anders Zugriff haben darf.

Die rot-rot-grünen Minister fühlen sich ein wenig von den früheren CDU-Kabinettsmitgliedern sabotiert.
[…] Im Umweltministerium. Der bisherige Amtsinhaber Jürgen Reinholz war nicht erschienen, um seine Nachfolgerin Anja Siegesmund (Grüne) zu begrüßen. Der Christdemokrat sah sich offenbar nicht zu dieser Höflichkeit in der Lage, nachdem ihn Siegesmund aus der Opposition hart attackiert hatte.   Im Ministerbüro fand die Neue nichts vor. Der Kalender leer, der Computer auch. Selbst die anstehenden Termine musste sie sich erst einmal aus den Abteilungen besorgen.
Wolfgang Voß (CDU) machte es anders. […] Voß hatte ja auch seine kleinen Gemeinheiten längst erledigt. Die Rücklagen in Höhe von 200 Millionen Euro steckte er einfach in die Schuldentilgung, was Taubert in die peinliche Lage versetzt, womöglich neue Kredite aufzunehmen und dies im sogenannten Haushaltsvollzug zu tarnen. Zudem wurde der komplette Ministerstab in die Fachreferate versetzt - weshalb in den Büros im Führungstrakt kaum jemand saß.  Dies sei, sagte Taubert, "schon ein unfreundlicher Akt", […] Dies gilt auch für Ministerpräsident Bodo Ramelow und seinen Staatskanzleiminister Benjamin Hoff: Zwar sind aufgrund der vielen Kabalen der Vergangenheit in der Staatskanzlei fast alle Abteilungsleiterposten unbesetzt. Doch in ihrem näheren Umfeld existiert kaum personeller Handlungsspielraum. […]

Das ist aber alles noch harmlos gegen die dreckigen Tiefschläge, zu denen die verkommene und Xenophobie-fördernde Sachsen-CDU griff.
Um ihre Kumpel im Nachbarbundesland zu rächen, setzten sie nun die im Freistaat offenbar alles andere als unabhängige Justiz in Gang.
Im prädemokratischen Sachsen ist das durchaus üblich. Auch Journalisten, die kritische Fragen stellen oder Friedensaktivisten werden von der „Sachsensumpf“-Justiz zur Raison gebracht. In Dresden ist die CDU-Regierung sakrosankt.
In Dresden gibt es nicht nur myriadenfachen Humandreck auf den Straßen bei Pediga-Demonstrationen, sondern auch in der regierenden CDU.
In der letzten Legislatur hatten CDU und FDP immer wieder auch für Anträge der NPD gestimmt und stattdessen die gegen Nazis engagierten Linken verfolgt.
Daß nun aber sogar versucht wird mit aus erkennbar parteitaktischen Überlegungen mittels der hörigen Sumpf-Justiz eine andere Regierung zu stürzen, ist neu.

Anfang 2010, also vor fast fünf Jahren, hatte Ramelow in Dresden bei Protesten gegen einen Aufmarsch der rechtradikalen "Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland" teilgenommen und wurde wegen einer angeblichen Sitzblockade gegen einen Neonazi-Aufmarsch angezeigt.
Man stellte das Verfahren wegen Geringfügigkeit ein. Aber unmittelbar vor seiner Wahl zum MP „erinnert“ sich die Sachsenjustiz an den Fall und will Ramelows Immunität aufheben lassen, um ihn erneut anzuklagen.
Engagement gegen Nazis wurde in Sachsen schon lange scharf verfolgt.

 [….] Ramelow störte sich vor allem daran, dass der Antrag kurz vor seiner Wahl zum Ministerpräsidenten gestellt wurde. "Ein Schalk, wer Böses dabei denkt", sagte der Linken-Politiker der "Welt". [….] Linken-Fraktionschef Gysi kritisierte das Vorgehen des Gerichts scharf. Der Antrag des Richters, die Immunität Ramelows aufzuheben und das Strafverfahren fortzusetzen, zeige "eine politische Motivation", sagte Gysi der "Welt". Der Richter hätte dies monatelang tun können, sei aber erst zur Wahl der Ministerpräsidenten tätig geworden.
Die Linken-Bundesvorsitzende Katja Kipping warf der sächsischen Justiz vor, sie führe "einmal mehr eine Posse auf". Es sei "ehrenwert und Beispiel gebend", dass Ramelow gemeinsam mit Tausenden in Dresden Zivilcourage gezeigt habe, sagte Kipping dem "Tagesspiegel" vom Mittwoch. Zivilcourage sei kein Verbrechen. "Die Kriminalisierung friedlicher Anti-Nazi-Proteste ist empörend", kritisierte die Linken-Chefin.
[….] (AFP 10.11.14)

Glückwunsch Sachsen-CDU! Als im Zuge der Pediga-Proteste CDU-Innenminister Markus Ulbig eine Anti-Ausländer Taskforce einrichten ließ, um den Rechtsextremen Zucker zu geben, obwohl er selbst zugeben mußte, daß diese gar nicht kriminell wären, dachte ich schon, tiefer könne Merkels Partei nicht mehr sinken.
Aber weit gefehlt.

Die Welt steht kurz vor dem Untergang, besonders akut ist die Gefahr im Osten Deutschlands. Wer das noch nicht wusste, muss nur nach Sachsen schauen und nach Thüringen. In Dresden gehen die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße, die Pegida-Bewegung, wie sie sich selbst nennt.
Neben dem vorbestraften Hauptorganisator Lutz Bachmann laufen bekannte Rechtsextreme auf, […]  Weltuntergangsstimmung auch in Thüringen. Die Tatsache, dass mit Bodo Ramelow ein Politiker der Linkspartei, wenn auch ein ziemlich pragmatischer Wessi, zum thüringischen Ministerpräsidenten gewählt wurde, ließ Hunderte Menschen mit Fackeln durch die Straßen Erfurts ziehen.
Und jetzt  […]  kommt die Dresdner Justiz ins Spiel. Sie will Ramelow den Prozess machen, wegen „Sprengung einer Versammlung“. Die sächsischen Verhältnisse sind wieder da.
Das Amtsgericht Dresden, so wurde nun bekannt, hat am 3. Dezember, also ausgerechnet kurz vor Ramelows Wahl, um die Aufhebung seiner Immunität gebeten. Es geht um einen Fall, der eigentlich schon abgehakt war. Er begann am 13. Februar 2010 in Dresden. Damals marschierten Neonazis der „Jungen Landsmannschaft Ostpreußen“ in der sächsischen Landeshauptstadt auf.  Rund 12.000 Gegendemonstranten stellten sich ihnen entgegen, auch Ramelow, damals noch Linken-Fraktionsvorsitzender. Er soll, so die Staatsanwaltschaft, die friedliche Blockade der Neonazi-Demo mitorganisiert haben. Schon einmal war deshalb seine Immunität aufgehoben worden. Auch andere Linken-Politiker wurden angeklagt.
[…]  Die sächsische Einschüchterung hat Methode. Mehrere Antifaschisten wurden schon vor Gericht gezerrt, weil sie angeblich Nazi-Kundgebungen blockierten oder zu Gewalt aufriefen. Der prominenteste Angeklagte: der evangelische Jugendpfarrer Lothar König aus Jena. […]  Die Anklageschrift gegen König war auf Lügen aufgebaut. Als seine Verteidiger vor Gericht Videos präsentierten, die die Aussagen von Polizisten ins Absurde verkehrten, platzte der Prozess im Juli 2013 – zunächst. Aber die sächsische Justiz gab nicht auf. Das Amtsgericht Dresden setzte die Hauptverhandlung neu an – um dann doch das Verfahren in diesem November gegen eine Geldauflage einzustellen.[…]

Rechtspflege ist ein schönes Wort für das, was die Justiz tun soll. Sehr unschön ist, was die Justiz in Dresden daraus macht. Sie nutzt die Paragrafen des Strafrechts, um den einst von der Bundesregierung geforderten „Aufstand der Anständigen“ einzuschüchtern. Die Sicherheitsbehörden sekkieren couragierte Leute, die sich Aufmärschen der Neonazis in den Weg stellen. […]  Das ist nicht nur Posse, das ist Bosheit. Die Justiz setzt sich dem Verdacht aus, politische Spielchen zu treiben. Solche Spielchen lassen sich unter dem Begriff Rechtspflege nicht subsumieren.
Den Pfarrer Lothar König, der auch gegen die Neonazis demonstrierte, hat die Dresdner Justiz lange wegen Landfriedensbruchs verfolgt, bis endlich das Verfahren eingestellt wurde. Man fragt sich, wer da eigentlich den Landfrieden stört.