Mittwoch, 4. Februar 2015

Christliche Grein-Union.


Nachdem Ilse Aigner eine so extrem erbärmliche Vorstellung als Bundesministerin für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz ablieferte, daß sie sogar das Unions-Blatt BILD als „UngeAIGNERt“ beschrieb, ließ sie sich eine Ebene hinab in die Landesregierung fallen.
Wenn es schon nicht zur Bundesministerin reichte, könnte sie ja vielleicht als Landesministern überleben.
Das war eine blöde Idee. Als Bayerische Staatsministerin für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie im Kabinett Seehofer II muß Aigner die „Energiewende“ gestalten. Es gilt also zu entscheiden wo die notwendigen Stromtrassen und Windkraftanlagen gebaut werden und dies gegen den üblichen Widerstand der Anwohner durchzudrücken.
Dabei gilt es außerdem den Launen und willkürlichen Meinungsänderungen ihres Vorgesetzten Crazy Horst zu trotzen.
Das Ergebnis war zu erwarten: Aigner traut sich nicht zu entscheiden, schwankt und wankt zwischen den verschiedenen Interessen hin und her bis Bayern bundesweit zur absoluten Lachnummer wurde.
Inzwischen ist sie nur noch eine bemitleidenswerte Gestalt, die sich nach Belieben von Seehofers Epigonen aus der Staatskanzlei dominieren läßt.

[…] Sieht man sich das Ergebnis an, dann bleibt nicht viel, worauf die Ministerin nun stolz sein könnte. Aigner nennt wieder keine Fakten, sondern verweist nur auf Möglichkeiten und Anforderungen. […]  Selbst die vier Seiten Zusammenfassung, die sie am Montag vorlegt, sind eine Mogelpackung. Denn das Papier ist nicht ihr ohnehin vages Energiekonzept. Es ist vielmehr das, was Ministerpräsident Horst Seehofer von ihr hören will. […] Nach einer Standpauke ihres Chefs bei der Klausurtagung in Wildbad Kreuth ist Aigner nicht mehr mutig genug, eine Trassenanzahl zu nennen. […]  Aigner ist gut darin, Grafiken über die Ist-Versorgung vorzulegen. Doch geschafft hat sie nichts. Keinen Ausbau der erneuerbaren Energien, weil Seehofer keine Windräder will. Keine Pumpspeicherkraftwerke, kein Ja zur notwendigen Stromtrasse, weil Seehofer das gegen den Widerstand der Bürger nicht will. Keinen Standort für ein neues Gaskraftwerk, weil die Investoren nicht wollen.
[…] An der Spitze des Hauses Aigner regiert längst nicht mehr die Ministerin, sondern der Amtschef Bernhard Schwab. […]
In Aigners Beraterstab hört man Klagen, Schwab empfange morgens seine Anweisungen aus der Staatskanzlei und gebe diese unnachgiebig nach unten weiter. […] Gegenwehr der Hausherrin? Hat niemand wahrgenommen. […]

Auf Bundesebene ist das Gejammer zur zweiten Natur der Unions-Politiker geworden.
Man murrt über das was aus dem Kanzleramt dringt, oder eben nicht dringt.
Bei Parteitagen, der Gelegenheit Merkel zu konfrontieren sitzen die Delegierten mit vollen Hosen da und haben nicht den Mut kalte Progression oder Europolitik zu diskutieren. Die Chefin könnte ja verärgert werden.

Hasenfüßigkeit ist der neue Markenkern der Union.
Dabei besteht gerade Kommunal- und Landespolitik zum großen Teil aus Entscheidungen.

Die Ausgangslage ist klar:
Weil sich die Häuserreihen so schlecht auseinander schieben lassen und auf den Straßen zwischen ihnen immer mehr Radfahrer, immer mehr Paketlieferanten, immer mehr Privatautos rumfahren, kommt es zu Stau, Stillstand und Stupor.
Damit es wieder läuft, müssen die Interessen einer Gruppe zurück stehen. Entweder müssen die Parkplätze weg (ärgert die Anwohner und Ladenbesitzer), oder die Radfahrwege (ärgert die Umweltverbände und ADFC) usw.
Es ist nicht möglich alle zufrieden zu stellen. Also muß die Politik entscheiden.
Sobald sie das getan hat was ihre ureigene Aufgabe ist, wird eine Gruppe anfangen zu nörgeln. Dieser Gruppe wird sich dann vorzugsweise eine ekelhaft lobbyhafte Kleinstpartei wie die FDP annehmen; in der Hoffnung diesen Frust bei den nächsten Wahlen in Stimmen umzusetzen.
Ihr Greinen und Schreien müssen die Regierenden eben aushalten.
So ist das in der Demokratie.

Eine neue Form der Nicht-Entscheidungsfähigkeit mit anschließender Jammerphase bietet die Bundes-CDU.
Sie beklagt jetzt mit Krokodiltränen in den Augen sogar schon selbst getroffene Beschlüsse.
Wenige Tage nach der Einführung des Mindestlohns, wollen sie ihn nicht mehr.

Die böse, böse 20%-SPD habe die doppelt so starke CDU/CSU-Fraktion zu etwas gezwungen, weinen die Lobbyhuren vom Wirtschaftsflügel.
Dabei hatte schon die rückgratlose fromme Nahles in vorauseilenden Gehorsam die Wünsche der Arbeitgeberlobby berücksichtigt und den unterbezahlten  Angestellten kräftig in den Hintern getreten.

[…] Es sollte wohl so etwas wie ein verfrühtes Weihnachtsgeschenk sein, das Arbeitsministerin Andrea Nahles der Wirtschaft Mitte Dezember machte. Kurz vor Start des gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro lockerte die SPD-Politikerin die Bürokratievorschriften für Betriebe massiv: Arbeitgeber müssen seit dem 1. Januar die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten nur noch bei denen mit einem Monatseinkommen von knapp unter 3000 Euro dokumentieren. Ursprünglich sollte die Einkommensgrenze bei 4500 Euro liegen.
Doch jetzt wird klar: Das Geschenk war den Empfängern zu klein. "Die durch die Verordnung vorgesehenen Erleichterungen bei der Dokumentationspflicht des Mindestlohns sind nicht ausreichend", heißt es in einem Bundestagsantrag des Wirtschaftsflügels der Unionsfraktion, der SPIEGEL ONLINE vorliegt.
[…] Schon früh hatten Unternehmen vor einem "Bürokratiemonster" Zeiterfassung gewarnt und Nachbesserungen gefordert - das auch erfolgreich, wie die Nahles-Verordnung vom Dezember zeigt. Die großen Wirtschaftsverbände plädierten zuletzt dennoch dafür, die Dokumentationspflicht auf Beschäftigte mit einem Gehalt von maximal 2200 bis 2400 Euro zu beschränken.
Der Wirtschaftsflügel der Union geht nun deutlich weiter, der entsprechende Antrag des Parlamentskreises Mittelstand (PKM) wurde am Mittwoch einstimmig beschlossen. […]

Nach zwei Wochen heulen die Unionisten schon über eine Regelung, die es in 22 von 27 Euroländern ganz selbstverständlich gibt.
Die nicht eben als kommunistische Planwirtschaften bekannten Länder USA und Großbritannien haben schon lange ein Mindestlohn.
Aber in Deutschland hat man schon a priori die Hosen voll; es könnte ja irgendein Arbeitgeber nicht begeistert sein.

Der großen Koalition droht offenbar neuer Streit um den Mindestlohn. Die Union wolle die erst zu Jahresbeginn eingeführten Regelungen so schnell wie möglich auf den Prüfstand stellen, meldet die Zeitung "Die Welt".
Unionsfraktionsvize Michael Fuchs habe Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) aufgefordert, die Evaluierung des Gesetzes zu beschleunigen. In einem Antrag fordere der Parlamentskreis Mittelstand der Unionsfraktion, bereits zum 30. Juni einen ersten Evaluationsbericht vorzulegen. Laut Gesetz steht diese erste Überprüfung erst nach fünf Jahren, also im Jahr 2020, an.
Die SPD lehnt solche Forderungen ab. „Langsam sollten sich auch die üblichen Dumpinglohn-Lobbyisten damit abfinden und ihren Widerstand gegen eine faire Bezahlung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgeben“, sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi der „Welt“. Das Gesetz sei "ausgesprochen unbürokratisch" und die Kritik "ebenso durchsichtig wie interessensgesteuert wie unzutreffend.“

Während Fahimi sich noch zu Recht wehrt, ist ihre Vorgängerin Nahles in ihrem neuen Job schon wieder eingeknickt und verspricht der CDU eine schnelle Evaluation vor dem Sommer 2015.

Ernsthaft werden nun die Verstöße gegen die Einhaltung des Mindestlohns als Argument für die Abschaffung des Mindestlohns als Argument benutzt.
Daß Deutschland ein Rechtsstaat ist, scheint bei der Christlichen Grein-Union vergessen worden zu sein.

Das jüngste Störfeuer kommt aus dem Bundesfinanzministerium und vom Wirtschaftsflügel der Union. In einem Interview hatte Wolfgang Schäuble (CDU) den Kontrollaufwand zur Einhaltung des Mindestlohns infrage gestellt: „Wenn wir in Deutschland mehr Personal im Sicherheitsbereich brauchen, würde ich zum Beispiel darüber diskutieren, ob wir wirklich so viel Personal bei der Kontrolle eines im internationalen Vergleich sehr komplizierten Mindestlohns brauchen oder ob wir nicht sagen, andere Prioritäten, wie die Polizei, sind jetzt wichtiger“. Im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium zeigte man sich gestern verärgert: „Die Kontrolleure sind fest vereinbart und stehen in der Haushaltsplanung drin. Ein Mindestlohn, der nicht kontrolliert wird, ist kein Mindestlohn“, sagte eine Sprecherin.
Zur Überwachung des Mindestlohns sollte die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll um 1600 Mitarbeiter aufgestockt werden. Dass Schäuble an dieser Vereinbarung rütteln will, stößt auch SPD-Fraktionsvize Carola Reimann sauer auf: Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, denn die Polizei liege in der Befugnis der Länder, während der Zoll Sache des Bundes sei. Daher könne man hier kein Personal verschieben. DGB-Chef Reiner Hoffmann reagierte ebenfalls empört: „Es ist unverantwortlich, dass der Bundesinnenminister die innere Sicherheit gegen die Kontrolle der Sozialgesetzgebung ausspielen will.“ Den Arbeitgebern müsse klar sein, „dass der Staat über die Einhaltung seiner Gesetze auch wacht“.

Sollen wir zukünftig auch das Strafrecht sukzessive abschaffen, wenn gegen einzelne Paragrafens verstoßen wird?
Nach der Methode müßten wir den Diebstahlparagrafen abschaffen, wenn es vermehrt zu Ladendiebstahl kommt. Dann wären die Ladendiebe glücklich und die Kriminalitätsstatistik sehe auch viel besser aus.

In einer SPD, die vielleicht auch mal wieder über 20% bei Bundestagswahlen kommen möchte, würde die Schwergewichte jetzt ihrer Generalin beistehen und den Mindestlohn als großen sozialen Fortschritt offensiv verteidigen. Was für eine gute Gelegenheit sich gegen die CDU zu profilieren und dem übermächtigen  GroKo-Partner zu zeigen was eine Harke ist.
Der Wähler wüßte auch weswegen es eine SPD in der Bundesregierung braucht.

Aber wie schon bei den Opfern der Peginesen-Aufmärsche, als es hohe Zeit war sich an die Seite der Schwachen zu stellen, schweigen die frommen Christen Gabriel und Nahles, lassen die CDU gewähren und kümmern sich nicht um ihr ureigenes Klientel.
Erbärmlich.
Bei xenophoben Ausfällen der CDU hatte Fahimi wenigstens noch den brillierenden Justizminister auf ihrer Seite.




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