Donnerstag, 23. Oktober 2025

Verschlimmbessern

Die Arroganz, mit der öffentliche Personen versuchen, ihre Skandale zu verschleiern ist immer wieder enorm. Statt gleich alles zuzugeben und um Entschuldigung zu bitten, streiten sie ab, setzen auf Salami-Taktik und halten so die negative Berichterstattung kontinuierlich aufrecht.

Politiker stürzen selten über den Skandal selbst, sondern fast immer über ihre eigene Doofheit, beim Umgang mit dem Skandal.

Der Rassist Merz wird wegen seiner relativen Alternativlosigkeit nicht so schnell stürzen, aber sein Stadtbild-Goebbels-Stunt zeigt mustergültig, wie sich jemand unnötig immer weiter in den Abgrund bohrt.

Der Fritzekanzler schrumpfte seine eigene Wahlsieger-Partei in Rekordzeit auf Platz Zwei hinter den Nazis, ist persönlich unbeliebter, als jeder Kanzler im ersten Regierungsjahr und sollte gewarnt sein: Er verfügt schließlich über jede Menge Erfahrung damit, wie er durch unbedachte Dummschwätzerei die AfD boostet und selbst blamiert dasteht.

Er konnte lange genug beobachten, bekam es lange genug immer wieder von Wissenschaftlern vorgetragen, wie seine AfD-Imitation nur der AfD hilft und die CDU schrumpft. Allein, er ist schlicht intellektuell zu minderbemittelt, um das zu begreifen. Dieser Kanzler ist ganz offensichtlich nicht die hellste Kerze auf der Torte.

Und so greift der Sauerländer Sitzenbleiber immer wieder zum Benzinkanister, wenn er das Feuer löschen will. Er ist zu dämlich dazu, um auch nur in einem Statement seinen Rassismus abzulegen.

[…..] Merz' neue Stadtbild-Erklärungen: Nicht minder rassistisch […..]

Merz kam nicht etwa auf die Idee, sich bei all den Menschen, die sich von seiner Aussage ausgegrenzt fühlen, zu entschuldigen. Stattdessen formulierte er seinen rassistischen Blick auf Migrant*innen weiter aus: „Heute sind Menschen mit Migrationshintergrund ja ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Arbeitsmarktes“, las Merz vom Sprechzettel ab – „wir können auf sie eben gar nicht mehr verzichten.“ Probleme bereiteten vor allem diejenigen, „die keinen dauerhaften Aufenthaltsstatus haben und nicht arbeiten“.

Es gibt also die „guten“ Ausländer*innen, nämlich all jene, ohne die Deutschland leider gar nicht im globalen Wirtschaftswettbewerb bestehen kann. Daneben gibt es aber auch die „schlechten“ Ausländer*innen, also alle, auf die der deutsche Wirtschaftsstandort verzichten kann, weil sie nicht genug wirtschaftlichen Nutzen bringen.

Sie dienen dann als Sündenbock, um rechte Wähler*innen zu gewinnen. Die Gleichung, die Merz hier aufmacht, wonach die Daseinsberechtigung von Migrant*innen an ihrem Nutzen gemessen wird, ist nicht minder rassistisch als die ursprüngliche Aussage. […..]

(Pauline Jäckels, 23.10.2025)


Man warf dem hochbelesenen und hochintelligenten Kanzler Scholz stets vor, seine Worte zu sehr abzuwägen. Und so freut sich der rechte Schmierenjournalismus – bis hin zur völlig abgedrifteten ZEIT – über den vermeidlich Klartext-dampfplaudernden Fritzekanzler.


Sie drücken sich um eine simple Erkenntnis: Das Sauerländer Kanzler-Leichtgewicht ist ein rhetorischer Totalausfall. Es ist sein Signature Move, irgendeinen Quatsch pathetisch in die Welt zu blasen und die nächsten Tage damit beschäftigt zu sein, alles wieder einzufangen.

[….] Der Bundeskanzler wollte was mit Migration sagen. Nur was? [….]Mit seiner „Stadtbild“-Aussage versagt Friedrich Merz auf dem zentralen Feld der Politik: der Sprache. Das ist beunruhigend. [….]Vielleicht aber auch nicht, vielleicht meinte er Shisha-Bars und Dönerläden, junge Frauen mit Kopftuch oder Familien, die im Park grillen. [….]Für welches der komplexen Probleme wären Abschiebungen die Lösung? Oder ging es ihm um andere Migrationsaspekte? Unter dem Begriff wohnen viele Themen, nicht zuletzt der Schutz zugewanderter Personen vor rechtsextremer Gewalt und Deportationsfantasien. Aber Merz hält sich nicht mit Detailfragen auf, sondern begnügt sich mit Geraune. Bekanntlich schlug auch der Versuch, ihn zu mehr Genauigkeit zu bitten, fehl. Da verwies er auf unsere Töchter, die wüssten schon, was er meint. Allerdings bekleidet derzeit keine Tochter das Amt des Bundeskanzlers, sondern ein Mann, dessen wichtigstes Instrument qua Amt die deutsche Sprache ist.

Seine Äußerung ist nicht deswegen irritierend, weil er etwas Neues ausgesprochen hätte, sondern weil er die Republik bei einem wichtigen Thema lange, lange rätseln und deuten lässt. Alle werden unfreiwillig Teilnehmer eines Heidegger-Seminars, in dem der Dozent auf den Tisch klopft und fragt: „Wo ist hier das ist?“ [….]Möchte er alle Männer abschieben? Das Fazit in der Jugendsprache unserer Töchter: kP. Keinen Plan.

[….]Damit diskreditiert sich der Kanzler auf dem zentralen Feld der Politik – der Sprache. Gerade die jungen Menschen hören da genau hin, ohne auf eine respektvolle und präzise Sprache zu achten, kommt man bei Menschen unter 30 nicht weit. Schon ist das „Stadtbild“ zum ironischen Zitat avanciert, zum Meme, und statt dem Bundeskanzler aufmerksam zu folgen, lachen sie ihn aus. Ohne Zustimmung der nachfolgenden Generationen hat seine Politik aber keine Zukunft. Auch das klassische Unionspublikum im Mittelstand und in den Familienbetrieben oder im Handwerk wird ratlos zurückgelassen. Man möchte planen, investieren, sich vergrößern – wie soll das gehen, wenn jede Ansage morgen wieder revidiert wird?

Ein wichtiger Faktor der Kommunikation gerade in konservativen Kreisen ist die Verlässlichkeit des Wortes, einem strengen, aber gütigen Vater nachempfunden. Der amerikanische Linguist George Lakoff spricht vom strict father model in der konservativen Kommunikation. Was ist von einem Daddy zu halten, dessen Machtwort für Fragezeichen sorgt? Wohin führt Friedrich Merz das Land? Nutzt er sein politisches Kapital für einen Umbau von Industrie und der Infrastruktur? Oder schwebt ihm ein Freilichtmuseum vor, indem man die Versprechen der Siebzigerjahre, Autobahn und Atomkraftwerke, bestaunen kann? [….]Im direkten Vergleich mit den hohen kommunikativen Standards schneidet ausgerechnet der Mann schlecht ab, der die Richtlinien der Politik vorgibt – und das tut er, so ist es vorgesehen und ein anderes Medium gibt es dafür nicht, mit Worten. Dass Friedrich Merz nicht sagen kann, was er will, hinterlässt ein allemal beunruhigendes Gefühl.  [……]

(Nils Minkmar, 22.10.2025)

Der Fritzekanzler fungiert als klassische Witzfigur und akademisches Anschauungsmaterial. Das Negativbeispiel für Politologen, Germanisten und Ökonomen. Die können noch für Generationen am Beispiel Merz ihren Studenten zeigen, wie man es nicht macht.

Inzwischen musste sich die Sauerländer Sudelzunge gar dem SPD-Vizekanzler beugen. Klingbeil mochte nicht mehr ansehen, wie Merz dauernd die gemeinsame Hütte anzündet und drängte seinen Chef zur Klarstellung. Fast unnötig zu erwähnen, daß Merz erneut versagte.

[….] Eine Woche lässt Bundeskanzler Friedrich Merz die Debatte um seine „Stadtbild“-Äußerungen laufen – dann erklärt er sie doch noch. Offenbar auch auf Drängen des Vizekanzlers. [….]Merz war nach seiner Äußerung, dass es ungeachtet von Fortschritten in der Migrationspolitik „natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“ gebe, in die Kritik geraten – zum Teil aus der eigenen Partei. Der frühere Unionskanzlerkandidat Armin Laschet (CDU) nannte die Formulierung „zu nebulös“. Andere gingen weiter und warfen Merz vor, ausländerfeindliche Ressentiments zu bedienen. Nach einer CDU-Klausur, von der eigentlich ein Kampfsignal in Richtung AfD ausgehen sollte, beharrte Merz am Montag eher trotzig auf dem Begriff und verwies vielsagend auf die „Töchter“, die man nur fragen müsse. Ungeachtet aller Rückendeckung gaben Merz danach die eigenen Leute zu verstehen, dass er die Debatte endlich befrieden müsse. [….]Man könne auf zugewanderte Arbeitskräfte nicht verzichten, erklärte er, „ganz gleich, woher sie kommen, welcher Hautfarbe sie sind und ob sie erst in erster oder schon in zweiter, dritter oder vierter Generation in Deutschland leben und arbeiten“. [….]

 „Ich möchte in einem Land leben, in dem Politik Brücken baut und Gesellschaft zusammenführt, statt mit Sprache zu spalten“, sagte Klingbeil am Mittwoch auf einem Kongress der Gewerkschaft für Bergbau, Chemie und Energie in Hannover. Er selbst wolle in einem Land leben, „bei dem nicht das Aussehen darüber entscheidet, ob man ins Stadtbild passt oder nicht“, sagte Klingbeil weiter. Er ging damit rhetorisch auf Distanz zu Merz, wobei man den Rüffel im Umfeld des Kanzlers als eher gemäßigt wertete. [….]

(SZ, 23.10.2025)

Völlig erkenntnisresistent. Merz ist durch und durch Rassist. Man kann es ihm 100 mal erklären, was er anrichtet, wie er sich, seiner Partei und seinem Land schadet. Er begreift es einfach nicht. Der Kerl ist dumm, wie Bohnenstroh. Das geht schon in Richtung Trump.

[….] Thema verfehlt, Herr Bundeskanzler [….] Tatsächlich gibt es – nicht in allen, aber in manchen – Innenstädten ein Problem. Dabei geht es nicht, wie Merz sagt, um die Folgen von Migration, sondern um Armut.

Armut macht Menschen obdachlos. Armut kann physische und psychische Krankheiten auslösen oder verschärfen. Armut sorgt dafür, dass Menschen süchtig werden. Armut ist der Grund, warum Menschen betteln. Armut ist einer der Hauptgründe, warum Menschen kriminell werden.

Arme Menschen haben auch kein Geld für den Sportverein, für Netflix und Amazon Prime oder um ihre Abende in Kneipen und Bars zu verbringen. Deswegen treffen sie sich auf öffentlichen Plätzen und an Bahnhöfen. [….]Ihnen sollte geholfen werden, durch gute Sozialpolitik, die Menschenwürde gilt schließlich für alle. Das würde automatisch auch denen helfen, die Angst empfinden, wenn sie am und um Bahnhöfe, in Unterführungen oder an Marktplätzen auf aggressive oder wegen Drogenkonsum kaum ansprechbare Menschen treffen.

Was den Genannten nicht hilft, ist spalterisches Gerede wie das von Merz. Es stellt Menschen mit Migrationshintergrund, die nur aufgrund ihres Aussehens als nicht deutsch wahrgenommen werden, unter Generalverdacht. Und es schürt Angst. [….] Doch anstatt das nach tagelanger Debatte verstanden zu haben und die Gesellschaft zusammenzuführen, schickte Merz dann auch noch die Töchter vor. Die sollte man fragen, um bestätigt zu bekommen, dass »das« ein Problem sei, »spätestens mit Einbruch der Dunkelheit«.

Schlimm genug, dass Merz nicht selbst erklärt, was er meinte. Aber der CDU-Chef insinuiert damit auch noch, dass es bei dem »Problem im Stadtbild« um sexualisierte Gewalt durch Migranten geht, was so nicht stimmt. Daran sind zwei Dinge kritikwürdig: Merz zieht die Töchter oder Frauen vor allem dann heran, wenn es ihm rhetorisch in den Kram passt – und nicht dann, wenn es um konkrete Politik geht, die Frauen wirklich helfen würde.

Und er stärkt mal wieder eine Erzählung der AfD. Denn die Rechtsextremisten sind es, die immer wieder behaupten, Migranten seien quasi alle Sexualstraftäter, und nur die AfD würde Frauen schützen.

Dabei haben Wissenschaftler gut belegt, dass sich Narrative von Rechtsextremisten normalisieren, wenn sie von politischen Akteuren aufgegriffen werden, die als mittig gelten. Und sie haben auch erforscht, dass es sehr schwer ist, diese Normalisierung dann wieder umzukehren. Also eine Partei wie die AfD wieder zu stigmatisieren, wenn man sie oder ihre Thesen einmal nachgeahmt und damit enttabuisiert hat.

Das schadet massiv der Demokratie, die von der AfD attackiert wird. [….] (Der SPIEGEL-Leitartikel von Ann-Katrin Müller, 22.10.2025)