Sonntag, 31. August 2025

Verwirrung um AfD-Mandate

Die einzig mögliche Rettung der deutschen Demokratie besteht in einem AfD-Verbot.

Die anderen Parteien und die Medien vermochten es in der letzten Dekade ganz eindeutig zu beweisen, daß „inhaltlich stellen“ und „die Sorgen der AfD-Wähler ernst nehmen“, nicht nur NICHT funktioniert, sondern die Nazis enorm stärkt.

Es ist wissenschaftlich und empirisch dokumentiert, wie die Übernahme von AfD-Sprech durch CDU/CSU/FW/BSW/FDP, sowie die übermäßige Thematisierung von AfD-Propaganda in Talkshows, nur den Rechtsradikalismus enttabuisiert. Salonfähig macht. Das was Linnemann, Spahn, Söder, Merz, Klöckner, Ploß, Amthor, Dobrindt als knackige konservative Sprüche in den politischen Diskursraum blasen, führt immer nur zu einer Stärkung der Rechtsradikalen. Die Menschen wählen das Original und nicht die Kopie. Die Menschen wählen das Original und nicht die Kopie. Die Menschen wählen das Original und nicht die Kopie.

Linke Influencer hingegen, beklagen die Aufgabe klassische sozialer Politik bei Grünen und SPD. Sie wittern eine Re-Agendarisierung und behaupten, deswegen wendeten sich die Arbeiter ab.

Auch das stimmt ganz offensichtlich nicht. Leider ist Bürgergeld-Empfänger bashen sehr populär. Deswegen tun die Rechtskonservativen das tagein und tagaus.

Das Agenda2010-feindliche Sozialpolitik-Reiche-besteuern-Programm war stets im Angebot. Bei den Linken. Linke, die damit über die letzten zehn Jahre kontinuierlich auf zwei Prozent schrumpften und reihenweise aus den Landtagen flogen, bis sie im Februar 2015 völlig unerwartet, zum Ende des Ampel-Frusts, mit einer überragenden Heidi Reichinnek und einem stark CDU-blinkenden Habeck wieder auferstanden.

Aber auch da wachsen die Bäume nicht in den Himmel. SPD, Grüne und Linke zusammen kommen bundesweit nur noch auf gut 30%, während der braunschwarze antiwoke Xenophobie-Block locker die absolute Mehrheit knackt.

Es ist zum Scheitern verurteilt, mit blinder linkssozialer Politik die Arbeiterklasse zurück zur SPD zu holen, da die Exe inzwischen so perfide manipuliert wurden, daß sie strikt gegen ihre eigenen Interessen Rechtsaußen wählen: Also eben jene AfD, die radikal Sozialleistungen abschaffen und die Superreichen begünstigen will.

[….] Die stärkste Partei bei Arbeiterinnen und Arbeitern ist die AfD.

In Brandenburg, Sachsen und Thüringen wählten fast 50 Prozent derjenigen, die sich der Arbeiterklasse zugehörig fühlen, die mindestens in Teilen rechtsextreme Partei. Bei der Bundestagswahl waren es 38 Prozent, bei der Landtagswahl in Hessen vor zwei Jahren 40 Prozent. Die AfD habe sich „als Arbeiterpartei etabliert“, heißt es in Medienberichten und Analysen, sie habe SPD und Linke längst abgelöst. Für die SPD stimmten bei der Bundestagswahl 12 Prozent der Arbeiter, für die Linke 8 Prozent. Die Frage ist: Wie kann das sein?  Ein Blick in die Wahlprogramme der AfD jedenfalls bietet keine zufriedenstellende Antwort. Die Partei tritt nicht für einen höheren Mindestlohn ein, anders als SPD und Linke. Sie will die Erbschaftsteuer abschaffen, und von ihren Steuerplänen insgesamt würden Großverdiener deutlich stärker profitieren als Arbeiter und einfache Angestellte. [….]

(Benedikt Peters, 29.08.2025)

Es ist offensichtlich; auf die rationale Aufnahmefähigkeit von AfD-Wählern zu setzen, funktioniert nicht. Diese Leute sind von der Realität entkoppelt und Argumenten nicht zugänglich.

Es hilft nur noch ein Parteiverbot.

Die Gute Nachricht ist, daß die inzwischen als gesichert rechtsextrem eingestufte AfD so offenkundig verfassungsfeindlich agiert, daß Juristen sehr gute Chancen für ein Verbotsverfahren sehen.

[….] Die verfassungsfeindlichen Ziele der AfD hat der Verfassungsschutz nun bejaht. Die Partei habe ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis. Sie betrachte Menschen mit Migrationsgeschichte als nicht gleichwertig und schüre Vorurteile und Ängste gegen Geflüchtete.

Juristisch kann man sagen: Dieser Punkt würde auch in einem AfD-Verbotsverfahren in Karlsruhe wahrscheinlich im Zentrum stehen. Da die AfD wenige ausdrücklich verfassungsfeindliche Inhalte in ihre Wahlprogramme schreibt, müsste man dem aktiven Reden und Handeln von AfD-Politikern den Rassismus nachweisen, der beispielsweise in Begriffen wie "Messermigranten" steckt. Die 1.100 Seiten des neuen Gutachtens der Verfassungsschützer wären hierfür eine Grundlage mit juristischem Gewicht.

Die AfD empört sich nun über "Demokratiegefährdung". Und tatsächlich fragen sich viele, ob man eine Partei, die derzeit so viel Zuspruch erfährt, überhaupt verbieten kann. Doch diese Frage geht verfassungsrechtlich am Kern dessen vorbei, was ein Parteienverbot in der Demokratie bedeutet.

Kurz vor Jahresende 2024 haben 17 Verfassungsjuristinnen und -juristen in einer Stellungnahme für den Bundestag das noch einmal klargestellt: Ein AfD-Verbot soll keine Gesinnungen verbieten und kann das auch gar nicht. Rechtsextreme Ansichten gibt es in der deutschen Gesellschaft bis hinein in die bürgerliche Mitte.

Echte gesellschaftliche Konflikte um Steuergerechtigkeit und Sozialpolitik, um Bahn und Bildung werden derzeit umgeleitet in emotional aufgeladene Social-Media-Kämpfe. Die politischen Aggressionen, die mächtige Medienmacher und Demokratieverächter wie Tesla-Chef Elon Musk derzeit auch in Europa schüren, werden abreagiert an den Schwächsten - an Geflüchteten, an Menschen ohne Arbeit oder ohne Wohnung.

Dagegen kann ein AfD-Verbot wenig ausrichten. Was es aber kann: Ganz konkret die Demokratie und ihre Institutionen schützen. Man muss sich nur anschauen, wie die AfD bei der ersten Sitzung des neuen thüringischen Landtags agiert hat: Direkte Angriffe auf die Demokratie und ihre Spielregeln sind keine Theorie mehr, sondern politische Praxis.  [….]

(Max Bauer, 02.05.2025)

Warum wurde so ein Verfahren also nicht längst eingeleitet?

[…] Das Grundgesetz sieht in Artikel 21, Absatz 2 die Möglichkeit eines Parteiverbots vor. Antragsberechtigt sind Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung. Die Entscheidung über ein Parteiverbot liegt alleine beim Bundesverfassungsgericht. In einem Vorverfahren prüft das Bundesverfassungsgericht, ob der Antrag zulässig und ausreichend begründet ist. Ob eine Partei verboten wird, entscheidet das Bundesverfassungsgericht im sogenannten Hauptverfahren – und zwar mit einer Zweidrittelmehrheit der Richter*innen des zweiten Senats, der am Bundesverfassungsgericht unter anderem für Parteiverbote zuständig ist. Ein Verbotsverfahren ist sehr aufwendig, da das Gericht umfassend Beweise erheben und prüfen muss – Expert*innen gehen von einem mehrjährigen Prozess aus.  [….]

(Campact)

Ich sehe drei Gründe für die Blockade des Antrages auf ein Verbotsverfahren.

Erstens sympathisieren CDU, CSU, FW, BSW, FDP mit vielen Positionen der AfD. Die Wahlprogramme der C-Parteien haben bereite Übereinstimmungen mit dem Nazi-Programm. Wir sehen das an der illegalen Deutschland-feindlichen Grenz- und Migrationspolitik, die Merz umsetzen lässt.

Dieser Punkt ist nicht wegzudiskutieren. Mit Michel Friedmann hat die vorletzte liberale Stimme der CDU die Partei im Februar 2025 verlassen. Im August 2024 war schon Marcus Weinberg nach 38 Jahren,wegen des Rechtsschwenks, aus der CDU ausgetreten. Nun ist nur noch Polenz übrig, der genauso wenig, wie die beiden Erstgenannten, zu sagen hat. (Und nein, Daniel Günther gehört nicht zu den Liberalen. Er ist Hardcore-Katholik, wollte den Gottesbezug in die Verfassung pressen, unterstützt immer wieder Merz, forderte im Wahlkampf eine zutiefst fremdenfeindliche Schweinefleischpflicht und grölt das rechtsproletige Leyla-Lied.)

Zweitens hofft die CDU natürlich in vielen Landtagen und Kommunalparlamenten auf Mehrheiten rechts der SPD, die wie im Bund rechnerisch bereits bestehen. Damit wiederholt sie ihre Fehler der frühen 1930er Jahre und wird unter die Räder geraten.

Drittens würde ein tatsächliches Verbot der AfD auch ihre Mandatsträger aus dem Parlament fegen und damit schlagartig die Mehrheitsverhältnisse zugunsten von RotRotGrün ändern.

[….] Aus Art. 21 Abs. 2 GG, der das Parteiverbot regelt, ergibt sich keine explizite Folge für die Mandate. Es ist damit keine parteienrechtliche Frage, sondern eine parlamentsrechtliche. In den wahlrechtlichen Regelungen gibt es hingegen klare Bestimmungen: Bei Direktmandaten würde bei einem Parteiverbot die Wahl in den Wahlkreisen wiederholt, allerdings wohl nur die Wahl des Wahlkreiskandidaten und nicht die Abgabe der Zweitstimme. Bei Listenmandaten hingegen blieben die Sitze unbesetzt.

Nun kommt es darauf an, was "unbesetzt" heißt. Man denkt an einen leeren Sitz, der keine wirksame Stimme abgeben kann. Die Kommentarliteratur sagt dazu allerdings, die im BWahlG festgelegte gesetzliche Mitgliederzahl von 630 Bundestagsabgeordneten sei nicht starr und könne sich verringern. Das wären dann – wenn man nur die Listenmandate abzieht – 520 statt 630 Sitzen. Damit würden sich die politischen Mehrheiten im Bundestag in der Tat so verändern, dass eine rot-rot-grüne Mehrheit rechnerisch möglich wäre.  […]

(Prof. Dr. Dr. Markus Thiel, 24.07.2025)

Laut Umfragen würden die meisten ehemaligen AfD-Wähler nach einem Verbot auch nicht etwa bei Neuwahlen automatisch zur nächstrechten Partei; der CDU oder CSU wechseln, sondern ins Nichtwählerlager wandern. Deswegen wollen die Christenparteien die AfD unbedingt erhalten.  Ein AfD-Verbot würde die Mehrheitsfähigkeit der 25%-CDU massiv beschädigen.

[…] Angenommen, es käme so, wie es sich viele Menschen derzeit wünschen. Es ginge plötzlich ganz schnell: Die Bundesregierung stellt einen Antrag auf ein Parteiverbot beim Bundesverfassungsgericht. Woraufhin man zunächst eine Weile nichts mehr hört. Bis nach etwa zwei Jahren, an einem Vormittag im Juni 2027, eine Frau in einem Saal ihren roten Hut abnimmt. „Die Partei Alternative für Deutschland ist verfassungswidrig“, verkündet die Vorsitzende des Zweiten Senats vor Fernsehkameras. Die AfD ist verboten.

Die erste Folge wäre, dass mit sofortiger Wirkung alle Mandate der AfD nichtig wären. Das heißt, dass die Vertreter der Partei aus allen Parlamenten hinausflögen, aus dem Bundestag, aus allen Landtagen, aus jedem Kreistag, jedem Stadtrat; gemäß dem Paragrafen 46 Bundeswahlgesetz und den entsprechenden Landeswahlgesetzen. Wer nicht freiwillig gehen will, der wird von der Polizei hinausgezerrt, sicher würden es sich etliche AfD-Vertreter nicht nehmen lassen, dabei dramatische Bilder zu produzieren. […] Auch müsste es Razzien in allen Büros der AfD geben. Nötig wäre eine koordinierte Polizeiaktion, die man freilich schon vor dem Urteil des Verfassungsgerichts vorsorglich würde vorbereiten müssen. Es würde gelten, alle Unterlagen, alle Vermögenswerte, alle Computer der Partei zu beschlagnahmen, bevor sie jemand beiseiteschaffen kann. Vermummte Beamte würden Kisten hinausschleppen. Journalisten würden filmen, wie sie Parteischilder abschrauben; die Partei ist nun eine illegale Organisation. Gleichzeitig würden alle Konten der AfD eingefroren. Die Partei würde kein Geld mehr abheben, auch keine Anwälte mehr bezahlen können. Jedenfalls nicht mehr selbst. […] 

(Ronen Steinke, 12.05.2025)

 

Samstag, 30. August 2025

Wohnen der Zukunft

Mein Nachbarstadtteil Winterhude wirkt wie ein Magnet auf junge Leute.

Nicht ganz so exklusiv, wie die Lagen direkt an Außenalster oder Elbe. Nicht ganz so quirlig wie St. Georg oder St. Pauli. Nicht ganz so snobbistisch wie Eppendorf oder Eimsbüttel. Nicht so touristisch, wie Binnenalster oder Hafencity.




Aber sehr zentral gelegen, es gibt jede Menge Gastronomie, beste Einkaufmöglichkeiten, exzellenten ÖPNV und da im Krieg viel zerstört wurde, gibt es entsprechend viele eher häßliche, einfachere Nachkriegsbauten minderer Qualität mit kleineren Wohnungen.


Klar, eine Patrizier-Villa aus dem späten 19. Jahrhundert in Harvestehude mit beeindruckendem Stuck an den 4,20m hohen Decken, großzügigen Räumlichkeiten, aristokratisch-plastischen Fassaden und Intarsien-verzierten Doppelschiebetüren weckt Begehrlichkeiten. Aber solche Wohnungen gibt es entweder gar nicht auf dem Mietmarkt, oder sie sind für 99,9% der Bürger außerhalb ihrer finanziellen Reichweite.

Ein Gelbklinkerbau aus den 1950ern mag nicht schön sein und papierdünne Wände haben, aber mit 2,20m Deckenhöhe, Mikrobad ohne Fenster und Flächen um die 40 Quadratmeter bringt man sehr viel mehr Menschen unter, die pro Kopf erheblich weniger Miete zahlen und beim Heizen einen sehr viel geringeren Carbonfingerprint hinterlassen.

Winterhude ist heterogen und trotz der ausgezeichneten Lage nicht konservativ.

Die 61.000 Bewohner von Hamburg-Winterhude leben in sechs unterschiedlichen Zonen. Winterhude Süd (Außenalster, Mühlenkamp, südlicher Stadtpark) wartet auch noch mit Villen auf uns ist der Beliebteste.

Winterhude Nord (Winterhuder Marktplatz, Alsterdorfer Straße), die Jarrestadt, die City Nord, das Östliche Winterhude mit dem Pergolenviertel bieten Normalverdienern ein Zuhause, die sich keine Villen-Wohnungen leisten können.

Entsprechend groß ist der Zuzugsdruck. Freie Wohnungen gibt es nicht. Auch keinen Baugrund. Es muss erst irgendetwas abgerissen werden, um neu zu bauen. Auf solche Gelegenheiten lauern Bauherren, weil es einige häßliche Zweckbauten gibt, um die es architektonisch nicht schade ist und auf deren Grundfläche man erheblich mehr Wohnfläche generieren kann. Ein gutes Geschäft. Außer für die Alt-Mieter mit ihren kleinen Mieten. Die geraten unter die Räder, werden verdrängt.

Ein eklatantes Beispiel aus der noch feineren Uhlenhorst zeigt der exklusive Hofweg. Hier gibt es, leicht nach hinten versetzt, tatsächlich auch noch einige wenige „Billigbauten“, die Investoren magisch anlocken.

[…] Im Hofweg 87-89 stehen immer noch Wohnungen leer. Die PEG Projektentwicklungsgesellschaft, die die Häuser 2023 kaufte, hat sie nach Auszug der letzten Mieter*innen in einen Rohbauzustand versetzt, um sie nicht weiter vermieten zu müssen. Anfragen und Druck von Die Linke in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord konnten den Leerstand zum Teil beenden und die Gründe dafür öffentlich machen. Die PEG plant auf dem Grundstück teure Neubauwohnungen.   Im letzten Jahr hatte sie eine Genehmigung für den Abriss des Hauses Hofweg 87 mit vier Wohnungen und einer Gewerbefläche und für den Bau von zwei Neubauten mit 29 Wohnungen bekommen, für die elf große Bäume gefällt werden müssen. Da die leerstehenden Wohnungen im Hofweg 88 und 89 jetzt aber nur noch befristet für 1,5 Jahre vermietet wurden, machten sich die Bewohner*innen Sorgen, dass auch etwas mit ihrem Haus geplant ist.

Also hat Die Linke noch einmal nachgefragt, um Licht ins Dunkle zu bringen. Mit einer erschreckenden Antwort: die PEG plant nun den Abriss beider Häuser mit 40 Wohnungen, um auf dem Grundstück 75 Neubauwohnungen mit einer Tiefgarage unterbringen zu können. […] Dazu Marco Hosemann, Zubenannter Bürger der Linken im Stadtentwicklungsausschuss Hamburg-Nord und Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft: „Die PEG ist bekannt für Entmietung und Spekulation mit Wohnraum. Solchen Methoden und Unternehmen müssen endlich das Handwerk gelegt werden. Es darf nicht sein, dass so viele Menschen für Profimaximierung ihre Wohnungen verlieren und verdrängt werden. [….]

(Marco Hosemann, 25.07.2025)

Willkommen im Kapitalismus und der Religion des Betongoldes: Eine günstige Wohnung in einem extrem beliebten Stadtteil zu haben, ist ein großes Glück, das sicher nicht ewig anhält, weil immer irgendjemand die Profitmöglichkeiten riechen wird.

Wie das in Winterhude aussehen wird, zeigt der Poßmoorweg 11. Zwischen den typischen billigeren Winterhuder Nachkriegsklinkerbauten, steht ein kleiner Flachbau, in dem bisher „Anjas Mega-Croque“ zu Hause war.

Zugegeben; es ist nicht abwegig, die Fläche besser zu nutzen. Und genau das geschieht. Gut, wir brauchen mehr kleine Wohnungen in beliebten Stadtteilen. Die Die Heimdall AE Projekt GmbH wird dort jetzt ein vergleichsweise kleines Haus mit 18 Eigentumswohnungen bauen: Apartments zwischen 19 und 41 Quadratmetern Wohnfläche!

[….]  [….] Der nächste Neubau am Poßmoorweg verfügt über Apartments zwischen 19 und 41 Quadratmetern Wohnfläche, der Komplex mit Solaranlage auf dem Dach bietet für die Bewohner Waschmaschinen und Trockner zur gemeinsamen Benutzung im Keller. Die Wohnungen werden vom Makler BCB Real Estate in einer Preisspanne zwischen 253.000 und 549.000 Euro zum Kauf angeboten. [….] Axel Baumann von BCB betont, nur die „nackte“ Wohnfläche zum Verkauf anzubieten, und verdeutlicht: „Wir bieten keine Möblierung. Die Kaufpreise für diese Eigentumswohnungen erklären sich auch dadurch, dass der Gebäudebau mit mehreren kleinen Wohnungen teurer ist als einer mit größeren. Man hat viel höhere Grundkosten, sei es für Gebäudetechnik, sanitäre Anlagen und weiteres.“ [….] Von den 18 angebotenen Apartments sind bereits drei verkauft. Nachfrage sei weiter vorhanden: [….]

(Hamburger Abendblatt, 30.08.2025)

549.000 Euro Kaufpreis, bedeutet mit Nebenkosten (Notar, Grunderwerbssteuer, etc), daß man gute 600.000 Euro auf den Tisch legen muss. Für ein 40qm-Mikroapartment zwischen häßlichen Nachkriegs-Klinkerbauten.

Freitag, 29. August 2025

Ein deutscher Wahn

Alexander Dobrindt, die CDU, die CSU, die AfFDP und leider auch die meisten Deutschen stellen sich Deutschland, von außen betrachtet, wie das Paradies vor. Ein Magnet für alle anderen Menschen. Wir werden bewundert für unseren Fleiß, die Kultur, den Erfindergeist, die tollen Autos, den Fußball und außerdem ist alles so schön sauber und ordentlich. Da will jeder hin und wenn man die alle ließe, platze Deutschland bald aus allen Nähten. Daher wäre es oberste politische Pflicht, den „Zustrom“ zu begrenzen, die „Flut aufzuhalten“, Grenzen zu schließen, zu kontrollieren, uns unattraktiver zu machen, bürokratische Hürden zu schaffen.

Und so würgt die Merz-Regierung mit EU-feindlichen, illegalen, extrem teuren Grenzkontrollen, die eine aberwitzige Zahl an Polizei-Überstunden generieren, die Wirtschaft ab, indem sie für Frust Kollaps des Warenverkehrs sorgen. Nur die wirklich bösen Buben hält das nicht auf, denn die Deutsche Staatsgrenze hat eine Länge von 3.876 Kilometern. Dobrindt kontrolliert an den offiziellen Grenzübergängen. Kriminelle werden kaum so doof sein, ausgerechnet da einzureisen, sondern latschen dort herüber, wo nicht bewacht wird. Bekanntlich haben wir glücklicherweise keine Mauer um unser Land.

Die Merz-Politik ist aber nicht nur teuer, sinnlos, populistisch und wirtschaftsschädigend, sondern fußt auf Wahn.

Tatsächlich gibt es nicht zu viele Ausländern in Deutschland, sondern viel zu wenige. Alle Wirtschaftsfachleute sind sich von links bis rechts diesbezüglich einig: um den Wohlstand zu erhalten, müssen jährlich mindestens 400.000 Migranten nach Deutschland einwandern. Aber die wollen gar nicht, denn Deutschland gilt international als unfreundlich und technisch rückständig. Es gibt keine Willkommenskultur. Insbesondere die Ossis und AfD-Hochburgen schrecken ab.

[…] Die Wirtschaftsweise Ulrike Malmendier hat vor gravierenden Folgen für den Wirtschaftsstandort Deutschland gewarnt, sollte sich der Aufschwung der AfD fortsetzen. "Unser Land braucht ganz dringend nicht nur Fachkräfte, sondern Arbeitskräfte auf allen Ebenen, damit der Wohlstand erhalten werden kann", sagte die Ökonomin den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Die Anwerbung von Arbeitskräften aus dem Ausland wird nicht in ausreichendem Umfang gelingen, wenn eine Abschottungspartei wie die AfD immer größeren Zuspruch findet - und Polarisierung in den Vordergrund rückt."  Deutschland mit seiner komplizierten Sprache, seiner Bürokratie und seiner unzureichenden Kinderbetreuung habe es ohnehin schwer, Fachkräfte zum Kommen und zum Bleiben zu bewegen, sagte das Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Die AfD sei nun ein weiterer Faktor: "Das, wofür die AfD steht, schreckt ausländische Fachkräfte ab."  […]

(TS, 15.07.2023)

Gerade dort werden zwar wegen der demographischen Krise dringend Einwanderer gebraucht, weil sonst ganz Branchen kollabieren. Aber wer will schon freiwillig dahin? Mit ihrem Wahlverhalten, schadet sich die rechte Mehrheit am meisten selbst. Machen wir uns keine Illusionen: Der Urnenpöbel ist dumm.

Deutschland ist dringend auf internationale Fachkräfte angewiesen, erzielt aber die schlechtesten Bewertungen unter den insgesamt 53 bewerteten Staaten weltweit, so die InterNations-Staistik. 

Die Doofheit der C-Minister würgt ohnehin die Wirtschaft in Deutschland stark ab. Nun schlägt es auch auf den Arbeitsmarkt durch – die Massenarbeitslosigkeit kommt zurück; danke Bundeskanzler Merz! 

Sehr viele nicht besetzte Stellen führen zu weniger besetzten Stellen: Was in der ersten Sekunde unlogisch klingt, erschließt sich schnell. Unternehmer, die einige Jahre vergeblich nach Fachkräften suchten, resignieren irgendwann, wickeln die entsprechende Abteilung ganz ab, so daß weitere Arbeitsplätze wegfallen.

[….] Nicht nur einfache Jobs fallen weg – jetzt trifft es auch die Fachkräfte und Spezialisten. Das liegt auch an politischen Versäumnissen.  Was sich schon lange abzeichnete, ist jetzt offiziell: Im August ist die Zahl der arbeitslos gemeldeten Menschen in Deutschland auf über drei Millionen gestiegen – zum ersten Mal seit Februar 2015. [….]  Einerseits ist da der enorme ungestillte Bedarf an Arbeits- und Fachkräften vieler Unternehmen angesichts des demografischen Wandels. Zugleich steigen aber Stellenabbau und Arbeitslosigkeit. Die Paradoxie löst sich auf, wenn man versteht, dass sich beide Entwicklungen zumindest teilweise beeinflussen.

Noch immer gibt es mehr als 630.000 unbesetzte Stellen in Deutschland. Doch bereits seit Mai 2022, als der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA) mit 138 Punkten seinen Allzeit-Höchstwert erreichte, sinkt die Arbeitskräftenachfrage kontinuierlich, im August auf 98 Punkte. Im Vergleich zum Vorjahresmonat sank die Zahl der bei der BA offenen gemeldeten Stellen in fast allen Wirtschaftsbereichen, teilweise in zweistelliger prozentualer Höhe.

Das Minus an angebotenen Stellen kommt nicht allein durch die konjunkturelle Schwäche der Wirtschaft oder verschlechterte Wettbewerbsbedingungen. Wenn Unternehmen trotz intensiver Bemühungen keine Arbeitskräfte oder Auszubildende finden, stellen sie die Suche irgendwann ein. Die geplanten Investitionen dafür werden gestrichen oder sie fließen in andere Weltregionen. Es ist der Verlust von Arbeitsplätzen, die gar nicht mehr entstehen. Die Folge ist ein Weniger an Innovationskraft, Wachstumschancen und Wohlstand für die Gesellschaft. Eine Entwicklung, die auch bestehende Arbeitsplätze gefährdet, weil sie die Zukunftsaussichten der betroffenen Unternehmen beschränkt.

Die deutsche Wirtschaft und damit auch der Arbeitsmarkt stecken mitten in einer gewaltigen Transformation. Die Digitalisierung und der Umbau zu einer klimaneutralen Ökonomie, die Energiewende – all das sind tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Der demografische Wandel beginnt mit seinem Schwund an inländischen Arbeitskräften seine volle Kraft zu entwickeln. Zugleich steckt die Bundesrepublik in einer der längsten wirtschaftlichen Flauten ihrer Geschichte. Die konjunkturelle Schwäche verschärft die Probleme und nagt an der Substanz der Unternehmen, die sie dringend für ihren Umbau benötigen. Vielen droht die Luft auszugehen, bevor sie ihn abgeschlossen haben. [….] Und die Statistik der Bundesagentur zeichnet nicht einmal das volle Bild. Noch schrumpfen viele Industrieunternehmen ihre Belegschaften entlang der »demografischen Linie«, das heißt: Die Stellen der Alten, die den Betrieb verlassen, werden nicht neu besetzt. Doch diese tauchen nicht in der Arbeitslosenstatistik auf, sondern verabschieden sich in die Rente oder den Vorruhestand.

Obwohl die jungen Jahrgänge immer kleiner werden, dürfte sich die Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten bei der Arbeitsplatzsuche dem Ende neigen. Denn Arbeitsplätze, die gar nicht erst aufgebaut oder nicht neu besetzt werden, verringern das Angebot. Die Jobsuche dürfte für die Jungen schwieriger werden, und manche spüren dies bereits. [….]

(Markus Dettmer, 29.08.2025)

Deutschland sitzt also keineswegs (nur) wegen der schwer zu beeinflussenden Makro-Einflüsse (Kriege, Zölle) in der Scheiße, sondern auch wegen der ureigenen Doofheit. Unternehmer, die zukunftsblind, von kurzfristiger Gier getrieben, Innovationen verpassen, auf Verbrenner-Uralttechnologie setzen, keine Smartphones oder Computer fertigen können, den Anschluss bei Software und KI längst verpasst haben, sind ein Teil des Problems. Rechts wählende Hygge-sehnsüchtige Bürger, die jede Veränderung ablehnen und auf Politiker reinfallen, die einfache Lösungen versprechen und Sündenböcke präsentieren.

Verantwortungslose C-Politiker, die intellektuell von globaler Ökonomie völlig überfordert sind. Und schließlich die konservative Arbeitgeberlobby, die nach Hilfen vom Staat schreit, aber ihre Hausaufgaben nicht macht.

Ja, Fachkräftemangel killt die deutsche Wirtschaft, aber man muss sich auch um den Nachwuchs bemühen und ausbilden, statt zu erwarten, daß genügsame, familienlose Hochqualifizierte vom Himmel fallen und darum betteln, für unter Mindestlohn arbeiten zu dürfen. Über die Hälfte der deutschen Krankenhäuser haben gar keine Azubis! Ein der am meisten über Nachwuchsmangel klagende Branche!

Unfassbare 81% der deutschen Betriebe bilden gar nicht aus!

[….] Arbeitgeber müssten aber dringend mehr ausbilden, mahnte DGB-Vize Elke Hannack. Denn die Zahl der Neuverträge habe 2024 noch immer um 38.000 unter dem Vor-Corona-Niveau gelegen, „von einer Erholung kann keine Rede sein“.  Zudem sei der Anteil der Betriebe, die überhaupt noch ausbilden, auf den Negativrekord von 18,8 Prozent gefallen. Das passe nicht zu den Klagen der Wirtschaft über Fachkräftemangel.  [….]

(Handelsblatt, 22.08.2025)

Immer wieder machen Blind-Bewerbungstest die Runde, bei denen Menschen mit exakt der gleichen Qualifikation abgelehnt werden, weil ihr Name türkisch oder arabisch klingt.

Eine ganze Generation von in Deutschland geborenen Kindern türkischer Migranten, die hier studiert hat – Akademiker! - wanderte nach zig abgelehnten Bewerbungen frustriert nach Istanbul ab, arbeitet als Ärzte in Skandinavien oder Ingenieure in England, weil die dumpfdeutschen Chefs sie hier nicht einstellen wollen und die dumpfdeutschen Vermieter ihnen keine Wohnungen geben.

[….] Beeinflusst der Name die Chancen auf einen Ausbildungsplatz? Eindeutig ja, sagen Forscher der Uni Siegen. Ein "Lukas Becker" erhält deutlich mehr Antworten auf eine Bewerbung als eine "Habiba Mahmoud" - auch wenn die bessere Noten hat.

Wer einen migrantisch klingenden Namen hat, hat es einer Studie zufolge bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz schwerer als vermeintlich deutsche Bewerberinnen und Bewerber. Besonders gilt das für Menschen mit arabischen Namen, so das Ergebnis der Untersuchung der Universität Siegen.

Die Forschenden hatten mehr als 50.000 Bewerbungen von fiktiven Schülerinnen und Schülern an Betriebe verschickt, die Ausbildungsplätze ausgeschrieben hatten. Bewerberinnen und Bewerber mit deutsch klingenden Namen erhielten in 67,8 Prozent der Fälle eine Rückmeldung von den Betrieben. Bei Bewerbungen mit arabisch klingenden Namen waren es hingegen nur 36,8 Prozent.

Auch andere fiktive Interessenten mit migrantisch klingenden Namen erhielten weniger Antworten als etwa der deutsch klingende "Lukas Becker", der 67 Antworten auf 100 Bewerbungen bekam. So erhielt der russisch klingende "Ivan Smirnov" 56 Antworten, der hebräische klingende "Ariel Rubinstein" 54 und der vermeintlich türkische Bewerber "Yusuf Kaya" 52. Die mit Abstand wenigsten Rückmeldungen bekam aber der arabisch klingende Name "Habiba Mahmoud" - nur 36.  Die Ökonomin Dilara Wiemann vom Siegener Zentrum für Ökonomische Bildung erklärte, Betriebe ließen so Potenzial ungenutzt. Für die Benachteiligten sei es eine "Katastrophe, denn selbst deutlich bessere Schulnoten oder soziales Engagement ändern nichts daran, dass Herkunft Leistung schlägt". Auch vorherige Praxiserfahrungen erhöhten nicht die Chance auf eine Rückmeldung, so ein weiteres Ergebnis der Studie.

"Wir können es uns nicht leisten, Potenziale zu verschwenden", warnt Ekkehard Köhler, Professor für Wirtschaftsdidaktik und sozioökonomische Bildung an der Uni Siegen. "Besonders im Handwerk, das unter Nachwuchsmangel leidet, ist dies problematisch."

Die Benachteiligung war laut der Forschungsgruppe in kleinen Betrieben und im Handwerk besonders deutlich, in ländlichen Regionen fiel sie zudem deutlich stärker aus als in Großstädten.   [….]

(TS, 29.07.2025)

Die CDU-affinen Unternehmer, die mit Millionen Euro die rechte Propagandamaschine INSMfinanziert, gräbt sich damit ihr eigenes Grab.


Indem die rechtskonservativen Unternehmer die migrantenfeindliche Technik-von-Vorgestern, Grenzen-Zu-CDU unterstützen, ziehen sie sich selbst den Boden unter den Füßen weg.


Sie jammern über Fachkräftemangel, müssen wegen Unterbesetzung ganze Abteilungen schließen, verzichten auf Innovationen, erfinden nichts mehr, melden keine Patente mehr an, fallen dramatisch hinter die Konkurrenten in Asien und den USA zurück. Sie bilden aber nicht aus und schrumpfen sich lieber tot, als Frauen, Dunkelhäutige, Migranten oder gar Schwule einzustellen.

[….] Sexismus im Handwerk: Der Lübecker Tischler-Azubi Linus rechnet anlässlich seiner Freisprechungsfeier mit seiner männlich dominierten Branche ab. [….]

taz: Linus, Sie setzen sich für Frauen und queere Personen im Tischlerhandwerk ein. Warum ist das wichtig?

Linus: Es wird totgeschwiegen, dass es hier eine strukturelle Diskriminierung gibt. Den Personen werden einfach Kompetenzen abgesprochen. Es wird von Grund auf gesagt, sie seien zu schwach für den Job, oder zu klein. Diskriminierung wird im Handwerk überhaupt nicht aufgearbeitet. Stattdessen heißt es: „So ist eben das Handwerk – da muss man halt durch.“

taz: Ihre Handwerksausbildung haben Sie nun offiziell beendet. Was wollen Sie jetzt machen?

Linus: Ich gehe meinen Weg weiter und werde Sozialpädagogik studieren. Ich fühle mich mega unwohl, in einem Umfeld zu arbeiten, das überhaupt nicht offen für Reflexion ist. [….]

Linus: [….] Mehrere Frauen erzählten mir, dass sie sich bei Tischlereien beworben hatten und sie teilweise direkt zurückbekommen hatten: „Tut mir leid, wir nehmen keine Frauen.“ Oder auch, dass Betriebe am Telefon gesagt haben, dass sie nicht ausbilden, nachdem klar war, dass die bewerbende Person eine Frau ist. [….] Bei mir im Betrieb ist mehrmals vorgekommen, dass weiblichen Auszubildenden gesagt wurde, dass sie zu schwach seien. Auch dass der Arm irgendwie festgehalten und geschüttelt wurde, um zu zeigen, wie schwach die Person doch ist, passierte mehrmals. [….] Die Atmosphäre in der Werkstatt ist für queere Menschen einfach unerträglich. Von Anfang an wird das Leben lächerlich gemacht. Es wird über Sexualität und sexuelle Orientierung gelacht. Es gibt auch Begriffe, die einfach in anderem Kontext benutzt werden. [….] Ein transparentes Silikon wird gerne Transe genannt. Darüber wird sich dann lustig gemacht. Als ein queerer Mensch, der vielleicht auch gerade in seiner Transition ist, ist eine Ausbildung im Handwerk einfach mega hart. Man kriegt von allen Seiten zu hören, dass man nicht richtig sei. Als ich mir Ohrringe stechen ließ, musste ich mir Kommentare anhören, dass ich schwul sei. [….]

(Taz, 28.08.25)

Die rechten Regierungsparteien sind ökonomisch ahnungslos, der Urnenpöbel ist ökonomisch borniert, aber große Teile der Arbeitgeber sind bedauerlicherweise auch nicht schlauer.

Donnerstag, 28. August 2025

Wieso ich mich so sehr für Deutschland schäme

Zeitgeschichte, die NS-Zeit, der Holocaust sind schon seit meiner Teenagerzeit neben der Religion, die großen Themen für mich.

Themen, die auf gruselige Weise immer aktueller werden, da die Nazis zurückkommen. Der Antisemitismus in Deutschland wird gewalttätiger, Israel-Kritik immer ätzender und beide C-Parteivorsitzende leisten sich antisemitische Stunts, die Jahrzehntelang in Deutschland undenkbar gewesen wären:

Söder hält öffentlich zu seinem antisemitischen, Hitler-imitierenden Vizeministerpräsidenten, Merz sucht xenophobe Mehrheiten mit den Nazis im Parlament.

Erstaunlich, auch 80 Jahre nach Kriegsende, werfen nicht nur die meisten Bürger berechtigte Israel-Kritik, scharfe Attacken auf Bibi Netanjahu und indiskutablen Antisemitismus wild durcheinander.  Nein, auch die Top-Regierungsmitglieder und Parteivorsitzenden sind, bis an die totale Verdummung grenzend, ahnungslos.

Merz plappert bar jeder Grundkenntnis antisemitische Codes von der „Judenfahne“ nach.

[….] Totalausfall von Friedrich Merz: [….]

Der CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat mit gleich mehreren Äußerungen in seiner letzten Wahlkampfrede für Empörung gesorgt. Unter anderem bezeichnete er die israelische Fahne als „Judenfahne“ und verbreitete Lügen über die Demonstrant:innen, die gerade im ganzen Land gegen rechts auf die Straße gehen. Nicht nur in den sozialen Medien hagelte es Kritik.

Wörtlich stelle Merz in seiner Rede bei der Wahlkampf-Abschlussveranstaltung in München die rhetorische Frage, wo der „Aufstand der Anständigen“ geblieben sei, „als in diesem Land Palästinenserflaggen geschwenkt wurden, ‚From the River to the Sea‘ gesungen wurde, als Judenfahnen, als Fahnen des Staates Israel verbrannt wurden?“ [….] Die Berliner Grünen-Politikerin Bettina Jarasch kommentierte das am Wahlsonntag auf X: „‚Judenfahnen‘, Herr @FriedrichMerz? Echt jetzt? Noch alle Tassen im Schrank?“, schrieb die Spitzenkandidatin ihrer Partei bei der vergangenen Landtagswahl in der Hauptstadt. Sie bezog sich damit auch auf Merz' Äußerung, dass die CDU eine Politik für „die Mehrheit“ mache, also für jene, die noch „alle Tassen im Schrank“ hätten.

Der Soziologe Jules El-Khatib, ehemaliger Linken-Politiker und bei der Landtagswahl 2022 Spitzenkandidat der Partei, schrieb: „Die Gleichsetzung von Israel und Judentum stellt Antisemitismus dar. Stellt euch vor, so etwas hätte Mohammed gesagt, es gäbe einen Aufschrei, doch wenn Friedrich von der CDU es sagt, ist es kein Problem.“

Laut der International Holocaust Remembrance Alliance stellt es eine Form von Antisemitismus dar, den Staat Israel mit dem Judentum gleichzusetzen. In rechtsextremen Kreisen ist es weit verbreitet, die israelische Fahne als „Judenfahne“ zu bezeichnen. [….]

(Daniel Bax, 23.02.2025)

Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der Mann, der sich von Amtswegen auskennen sollte, debakuliert sogar noch peinlicher als sein Herr.

 […] Kulturstaatsminister Weimer [lässt] in einem Post auf Instagram diese seine Worte verbreiten: „Wer die Kultur eines Volks zerstören will, zielt auf seine Seele.“ Weimer will damit an den Jahrestag des Warschauer Aufstands von 1944 erinnern, so die Unterzeile.

Unterlegt ist sein Zitat von einem Foto, das eine Gruppe Zivilisten mit erhobenen Händen in Begleitung eines Wehrmachtsoldaten zeigt. Das Foto ist in der polnischen Hauptstadt Warschau entstanden. Flüchtig betrachtet könnte man meinen, Weimer setze damit die so dringend notwendige Erinnerung an die Nazi-Verbrechen fort.

Bei der Auseinandersetzung mit der Geschichte genügt es freilich nicht, mit gutem Gewissen die moralisch richtigen Ansprüche zu vertreten. Es ist schon notwendig, diese Geschichte und ihre Fakten auch zu kennen. Sonst kann es passieren, dass sich eine gut gemeinte Aussage just in ihr Gegenteil verkehrt. So wie bei dem Zitat Weimers mit dem Bild aus Warschau.

Dieses Bild ist nämlich mitnichten im Rahmen des Warschauer Aufstands entstanden, bei dem die Polnische Heimatarmee vom 1. August 1944 an versuchte, die Stadt von der NS-Herrschaft zu befreien. Der Aufstand endete in einem Blutbad, Zehntausende polnische Zivilisten wurden dabei ermordet.

Das Bild zeigt in Wirklichkeit eine Szene aus dem Warschauer Ghetto-Aufstand vom April 1943, bei dem todesmutige jüdische Aktivisten verzweifelt versuchten, sich der vollständigen Vernichtung ihres Volkes zu erwehren. Auch wenn die Nazis den Aufstand niederschlugen, so gilt er doch bis heute als ein Symbol dafür, dass sich die Jüdinnen und Juden keineswegs wie die Lämmer zur Schlachtbank führen ließen, sondern kämpften.

Weimers Behörde hat aber nicht nur zwei historisch höchst wichtige Ereignisse in der polnischen und jüdischen Geschichte vertauscht. Es hat auch Nazi-Propaganda verbreitet, ohne diese in einen Kontext zu setzen. Das Bild von den Zivilisten mit erhobenen Händen stammt nämlich nicht von einem unabhängigen Reporter. Die gab es damals gar nicht.

Es ist vielmehr Teil des sogenannten Stroop-Reports, benannt nach dem Warschauer SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop. Der war für die Unterdrückung des Aufstands verantwortlich und stellte ein Album über dessen Niederschlagung mit den entsprechenden Fotos zusammen.

Das bedeutet: Dieses Foto ist ein Bild aus der Täterperspektive. Es zeigt die Opfer so, wie es sich die deutsche NS-Propaganda wünscht. Die Aufständischen werden abgeführt (und ermordet, aber das ist hier nicht zu sehen). Der Wehrmachtsoldat steht seinen Mann. Die Situation ist bereinigt, die Nationalsozialisten haben gesiegt. […]

(Klaus Hillenbrandt, 04.08.2025)

Damit wandelt Weimer auf den Spuren des peinlichen und völlig zu Unrecht verehrten Bundespräsidenten Herzog.

(….) Als Martin Walser am 11.10.1998 in seiner skandalösen Paulskirchenrede verkündete, die Juden seien schuld, wenn er leide, blieben Ignatz und Ida Bubis, geschockt und versteinert sitzen. Sie hatten es nicht für möglich gehalten so öffentlich als Juden wieder gedemütigt zu werden.

Roman Herzog, der nur zwei Plätze weiter saß, hatte natürlich nicht im Geringsten die Brisanz der Walser-Keule begriffen und sprang begeistert applaudierenden von seinem Sitz.

Man möge sich das gerade gestern in der ARD gelaufene „Letzte Gespräch“ Ignatz Bubis‘ noch einmal ansehen, um diese entsetzliche Kaltherzigkeit des Bundespräsidenten noch mal vor Augen zu halten.

Unfassbar peinlich auf Herzogs Fauxpas bei seinem Staatsbesuch 1994 in Polen, als er, ausgerechnet der DEUTSCHE Präsident scheinbar gar nicht den Unterschied zwischen dem Aufstand im Jüdischen Ghetto Warschaus und dem Warschauer Aufstand kannte.   Der Warschauer Aufstand fand statt vom 01. August bis 03. Oktober 1944, als die deutschen Truppen die gesamte Polnische Hauptstadt dem Boden gleichgemacht, 20 % aller Polen getötet und dabei noch nie dagewesene Grausamkeiten begingen.

[….] Himmler hatte im Sinne Hitlers bereits Tage zuvor den Befehl gegeben, sämtliche nichtdeutschen Einwohner Warschaus ohne Ansehen von Alter, Geschlecht oder Beteiligung am Aufstand zu töten und die Stadt dem Erdboden gleichzumachen. Durch diese Anordnung wollte er den Widerstand des polnischen Volkes gegen die NS-Herrschaft ein für alle Mal brechen. Infolgedessen endete der Angriff der „Kampfgruppe Reinefarth“ gegen den westlichen Stadtteil Wola mit einem Massaker an der Zivilbevölkerung. Schätzungen zufolge töteten die deutschen Einheiten zwischen 20.000 und 50.000 polnische Zivilisten. Die Einheiten vermieden es sogar, den Kampf gegen die Heimatarmee aufzunehmen. Der Kommandeur der in Wola liegenden AK-Einheiten bezeichnete seine Verluste an Soldaten mit 20 Toten und 40 Verwundeten. Reinefarth beschwerte sich unterdessen bei seinen Vorgesetzten, dass die ihm zugeteilte Munition nicht ausreiche, um alle gefangenen Zivilisten zu erschießen. [….]

(Das Massaker von Wola)

Wieso ausgerechnet der 03.10. später zum deutschen Nationalfeiertag erhoben wurde, weiß wohl nur der Historiker Helmut Kohl.

Der Aufstand des Jüdischen Ghettos in Warschau fand zwischen dem 19. April 1943 und dem 16. Mai 1943 statt. Die Warschauer Bevölkerung hatte damals noch relativ teilnahmslos zugesehen wie die deutschen Besatzer das gesamte Ghetto zerstörten und alle Juden umbrachten.

Roman Herzog kannte aber den Unterschied gar nicht so genau.

Er verkündete er werde „am 1. August 1994 aus Anlass des 50. Jahrestages im Warschauer Ghetto" nach Polen reisen.  Er hätte zurücktreten müssen. (….)

(Elitenverachtung, 11.01.2017)

Ich schäme mich in Grund und Boden für Deutschland. Konservative hingegen kennen gar keine Scham mehr.

Es ist ein Jammer, solche peinlichen Deppen in den Top-Regierungspositionen zu sehen, denn es gibt durchaus auch kluge wortgewandte Deutsche. Deswegen zitiere ich so gern Michel Friedman.

(….) In seinem neuen Buch „Judenhass“ (Berlin Verlag 2024) dröselt Michel Friedman die Situation auf und erklärt in leicht verständlichen Worten, was judenfeindliche linke Akademiker und Kunstschaffende bedenken sollten.

[….] Die Documenta in Kassel  hat in aller Deutlichkeit gezeigt, dass BDS* auch ein eliminatorisches Prinzip formuliert. Selbst die bekanntesten Wissenschaftler, Künstlerinnen, Musiker sollen nicht mehr auf­treten dürfen, bekommen also ein lebenslanges Berufsverbot, nur weil sie israelische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger sind. Selbst wenn sie sich gegen die Regierung auflehnen, ihre Politik also verurteilen und für eine Zweistaatenlösung kämpfen, ändert das nichts an dem Bann. Sie sind Juden und als solche verdächtigt, angeklagt. Verurteilt. Eine Kollektivstrafe, die der Einzelne nicht aufheben kann. Diese autoritäre, größenwahnsinnige Haltung, die auch von vielen Nichtjuden aus unterschiedlichen Gründen als mutig und konsequent angesehen wird, ist Antisemitismus. Boykott ist immer undifferenziert. Wenn also wie bisher israelische Musiker, Wissenschaftlerinnen und Künstler nicht mehr auftreten dürfen, nur weil sie Israelis sind, und dies als gerecht empfunden wird, ist das für mich ein Ausdruck blinder Selbstgerechtigkeit.  [….]

(M. Friedmann, zitiert aus dem SPIEGEL, 27.01.2024)

* Boycott, Divestment and Sanctions ist eine transnationale politische Kampagne, die den Staat Israel wirtschaftlich, kulturell und politisch isolieren will. (….)

Wenn man öffentlich Friedman zitiert, kann man gewiss sein, im Internet hämische Kommentare von rechts zu bekommen, die mit unappetitlichen Erinnerungen an sein Skandälchen von 2003 erinnern und meinen, ihn damit für immer desavouieren zu können. Der Mann, der fast seine gesamte Verwandtschaft im Holocaust verloren hat, steckte damals in einer Depression.  Er war als Anwalt, Publizist, CDU-Politiker, Talkmaster und durch seine Positionen im Zentralrat der Juden in Deutschland und als Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses medial äußerst präsent.

Nach 2003 durchlief er eine extreme Karthasis, trat von allen Ämtern und Jobs zurück. Ja, er wandte sich sogar von seiner akademischen Profession, der Juristerei ab und begann völlig neu. Der Einser-Abiturient hatte zunächst Humanmedizin studiert, das Physikum erfolgreich absolviert. Dann wechselte er zu Jura und wurde 1994 an der Universität Mainz zum Dr. iur. promoviert.

2006 begann er ein Studium der Philosophie an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main und wurde 2010 bei Klaus-Jürgen Grün mit der Dissertation Schuldlose Verantwortung. Vorgaben der Hirnforschung für Ethik und Strafrecht zum Dr. phil. promoviert.

Seit 2016 wirkt Friedman als Honorarprofessor an der Frankfurt University of Applied Sciences. Zudem war er von 2016 bis 2022 einer von vier Direktoren des Center for Applied European Studies (CAES), eines Forschungszentrums für Europafragen dieser Hochschule.

Die akademische Mehrfach-Qualifikation des Intellektuellen ist ein Glück für uns Normalos, da wir von seiner Weisheit profitieren können. Soeben erscheint sein neues Buch „Mensch“. Insbesondere wirkt Friedman, der im Januar 2025 aus Protest gegen Friedrich Merz die CDU verließ, als wortmächtiger Streiter wider des Rechtsextremismus‘ in Deutschland.

[….] SZ: „Mensch!“ ist nun ein Buch geworden, in dem Sie vieles mischen: Biografisches, Gegenwartsanalyse, Mahnung und fast schon Pep-Talks für die Demokraten. Konnten Sie sich für keine Variante entscheiden?

MF: Nein, das war eine bewusste Entscheidung. Weil am Ende solche Sachbücher natürlich auch eine subjektive Seite haben, habe ich versucht, von Anfang an Ehrlichkeit reinzubringen. Und einen Text zu schreiben, in dem wir Ursachen und Wirkungen erkennen können, aber auch, wer da aus welcher Motivation spricht.

[….] Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit ist mir wichtig. Ich bin ein Handelsvertreter der Demokratie und will meine Sache an die Menschen bringen.

[….] Leidenschaftliche Demokraten brauchen mich nicht, und leidenschaftliche Hasser haben von mir ohnehin genug. Es geht um die Unentschiedenen.  […..]

(Michel Friedman, 28.08.2025)

In der Tat. Alice Weidel, Spahn, Dobrindt, Söder, Klöckner und ähnliche Zündler wird er nie erreichen. Genauso sicher (und somit sinnlos) hat Friedman Menschen wie mich ohnehin an seiner Seite. Da ist nichts zu gewinnen; nichts zu verlieren.

Aber es lohnt der Versuch, nicht noch mehr im Denken Schwächelnde nach rechts abkippen zu lassen. Der 69-Jährige will sich nicht auf toxischen Plattformen der Jugend tummeln, weil er dort nicht zu Hause ist. Daher ist es wieder ein Buch. Richtig so! Schuster bleib bei deinen Leisten.

[….]  Ich bin in keinen sozialen Medien, sie sind ein brutales Instrument des Kapitalismus. Algorithmen machen aus allem, was wir inhaltlich beschreiben können, eine kommerziell zugespitze Ware. Sie verkaufen uns, denn sie haben nichts dagegen, dass Mächte wie Russland, aber auch China, mit ihnen unsere Demokratien angreifen. Tiktok ist eine Plattform, die primär Propaganda und Lügen verbreitet. Sie lässt ihre Konsumenten manipulieren und verdummen. Für Tiktok oder Instagram werde ich nicht anfangen zu singen oder zu tanzen.

[…] Bei allem, was ich eben sagte, hoffe ich natürlich dennoch, dass meine Inhalte ihren Weg dahin finden. Meine Rede im hessischen Landtag haben auf Youtube Hunderttausende Menschen gehört – und das sind junge Menschen.  […..]

(Michel Friedman, 28.08.2025)

Aber in einem Punkt weiche ich von Friedmans Ansicht stark ab. Er warnt, ruft entschieden zu Engagement auf. Er hat noch Hoffnung. Ich nicht. Ich bin Pessimist.

[….] Nach einer Umfrage haben über 60 Prozent der Deutschen gesagt, dass sie damit rechnen, dass im nächsten Jahr ein AfD-Ministerpräsident gewählt sein wird. Das klingt, als hätten sie bereits aufgegeben, das ist unaufhaltsam. Was für ein Offenbarungseid. Jetzt schon? Alles aufgeben? Und man muss es aussprechen, die Demokratie ist in Ostdeutschland strukturell von autoritären Rechtsextremisten, Antidemokraten und ihren Wählerschichten bedroht. Die Demokratie in Deutschland ist noch nicht zusammengewachsen. Natürlich mit vielen Ausnahmen.  […..]

(Michel Friedman, 28.08.2025)

Mittwoch, 27. August 2025

Perfidie in Habit und Kutte

OK, daß katholische UND protestantische Kirche weltweit hunderttausendfachen sexuellen Missbrauch an Kindern begehen, vertuschen und Myriaden geistliche Täter schützen, während sie die Opfer weiter drangsalieren, darf man als allgemein bekannt voraussetzen.

Deswegen erlitten die Kirchisten einen so erheblichen Imageverlust und einen Massenexodus der zahlenden Mitglieder. In Presse und Bundestag sind die Kirchenfürsten noch hochangesehen und bestens vernetzt. Daher sprudeln auch die Einnahmen der multimilliardenschweren Bistümer immer noch so erfreulich.

In der Masse der Bevölkerung kommen die alten Männer im Kleid aber nicht mehr so uneingeschränkt positiv konnotiert durch. Da werden auch schon mal unangenehme Fragen nach dem Signatur Move, dem Kinderfi**en, der Kleriker gestellt, Untersuchungen verlangt. Woelki und Co werden sogar vor den Kadi gezerrt, wenn sie sich allzu hartnäckig weigern, Schuld einzugestehen. 

Unter dem Radar fliegen aber viele andere kirchliche Institutionen: Schulen, Kitas, Klöster. Da wird noch eisern geschwiegen. Die Omertà hält. Bistümer setzen Kommissionen ein. Klöster blocken konsequent. Mönche sind zu 100% Team Täter.

[….] Gudrun Müller [….] sagt, sie sei Betroffene sexualisierter Gewalt in der katholischen Kirche. Der Mann, dem sie sexuellen und geistlichen Missbrauch vorwirft, war ein Ordensmann. Er ist längst tot. Aber sein Orden weigert sich bis heute, eine mögliche Mitverantwortung anzuerkennen. Während viele Diözesen die Taten ihrer Priester aufarbeiten lassen, halten sich viele Ordensgemeinschaften immer noch zurück. Nicht wenige von ihnen sind unabhängig und oft direkt dem Papst unterstellt. Deshalb liegen ihre Archive in Rom, unzugänglich für Betroffene aus Deutschland.

In Deutschland gibt es rund 400 Orden. 2020 hat der Dachverband der Ordensgemeinschaften, die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK), eine Mitgliederbefragung zu sexualisierter Gewalt durchgeführt. 100 Gemeinschaften berichteten von Vorwürfen gegen Angehörige des eigenen Ordens, 200 gaben an, es habe keine Vorwürfe gegeben, und von rund 100 Orden kam gar keine Antwort. In der Befragung waren 1412 Betroffene benannt worden. Von allen Betroffenen im Raum der Kirche sind etwa 20 Prozent aus dem Ordenskontext.

Die deutschen Diözesen hatten sich Ende 2010 auf ein Verfahren geeinigt, wie Betroffene sexualisierter Gewalt Zahlungen „in Anerkennung des erlittenen Leids“ erhalten können. Zugesprochen werden diese Summen von der Unabhängigen Anerkennungskommission (UKA). Aber nur 73 Ordensgemeinschaften haben sich dem Verfahren angeschlossen. Und die Summen, die von den Orden ausgezahlt werden, sind wesentlich geringer als die Leistungen der Bistümer. „Wer im Orden missbraucht wurde, hat Pech gehabt.“ So drückt es Wilfried Fesselmann aus. Er ist selbst Missbrauchsbetroffener und berät im Verein „Eckiger Tisch“ andere, die sein Schicksal teilen. [….] Auch die heute 62-jährige Heidi Schmidt erzählt, wie sie in die Fänge eines manipulativen Ordenspriesters geraten sei, [….] Schon im ersten Gespräch habe der Pater von dem jungen Mädchen gefordert, ihr Leben ganz Gott zu übergeben. „Ich fühlte mich davon aber sehr bedrängt“, erinnert sich Heidi Schmidt heute. „Er umarmte mich, eigentlich war es mehr ein Umklammern, dann küsste er mich auf den Mund und erzwang einen Zungenkuss. Dabei konnte ich deutlich spüren, dass er sexuell erregt war.“ Danach soll er zu ihr gesagt haben: „Damit will ich dir zeigen, wie sehr Jesus dich liebt.“ Heidi Schmidt empfindet Ekel und Scham. Doch zugleich hat die tief gläubige junge Frau Zweifel: Er ist doch ein Mann Gottes. Kann das, was er tut, Unrecht sein? Und so tut sie, was von außen nur schwer nachvollziehbar erscheint: Sie geht auch zum nächsten Treffen. Und zu dem danach. Immer habe der Pater Gelegenheiten gefunden, mit ihr allein zu sein, auch wenn Schmidt versucht, diese Situationen zu vermeiden, sagt sie. Die Übergriffe hätten an Intensität zugenommen, der Pater habe seine Hand in ihre Unterwäsche geschoben, sich an ihr gerieben, sie geküsst. Irgendwann sei es ihm gelungen, sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen. [….]

(Annette Zoch, 17.08.2025)

Da ist noch viel öffentliche Konnotations-Arbeit zu tun. Noch begreift die breite Masse nicht, daß freundlich lächelnde Nonnen und bodenständige Mönche als Kolumnisten der TV-Zeitschriften keine netten Menschen sind, sondern für ein sehr perverses sadistisches Unrechtssystem stehen. Das so kuschelige Kirchentags-Christentum des Frère Roger, gewaltige Jugendtreffen in Taizé sind eine Farce. Von den Typen muss man sich fernhalten.

[….] Am 16. August 2005 hat eine psychisch kranke Frau den 90-jährigen Ordensgründer Frère Roger Schutz während des Abendgebets in Taizé, einem Dorf im französischen Département Saône-et-Loire, erstochen. Tausende weltweit trauerten um einen Mann, der für ein glaubwürdiges, menschenfreundliches Christentum stand, gerade aus der Sicht von Jugendlichen. Die kommen seit den 70er Jahren zu großen internationalen Treffen nach Taizé. [….] Dass in den Würdigungen die sexualisierte Gewalt nicht zur Sprache kam, die Taizé-Brüder begingen, als Schutz die Gemeinschaft leitete, kritisieren nun Betroffene. [….] Erst im Juni hatte ein ausgetretenes Mitglied der Taizé-Gemeinschaft Anzeige gegen zwei Brüder erstattet, wegen Vorfällen 1970 und 1971. „Wenn ich mich nicht verteidigt hätte, ich wäre vergewaltigt worden“, zitiert die Lokalzeitung Le Journal de Saône-et-Loire den Mann, [….] 2019 hatte die Taizé-Gemeinschaft von sich aus erste Fälle sexualisierter Gewalt durch Brüder der Gemeinschaft öffentlich gemacht, es folgten weitere Meldungen. Von 14 beschuldigten Brüdern spricht die Gemeinschaft heute, sechs von ihnen seien tot.

2024 wurde ein von der Gemeinschaft ausgeschlossener Bruder von einem französischen Gericht wegen des massenhaften „Erwerbs von Missbrauchsdarstellungen“ schuldig gesprochen. [….] Die taz hat zwei ehemalige Brüder zur Leitungsrolle von Schutz angefragt, aber keine Antwort erhalten. Im Buch „Danke, Freré Roger“ des ausgetretenen Bruders Klaus Hamburger aber findet sich folgende Passage: „Frère Roger konnte mit nichts alles sagen. Er sah Grenzen, die er nicht überschritt, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Er hatte Takt, konnte verschwiegen sein, zurückhaltend und rücksichtsvoll.“

Für Betroffene sexualisierter Gewalt klingt das wie Hohn. Eine von ihnen, die anonym bleiben möchte, sagt: „Das gefährliche Harmoniebedürfnis von Frère Roger ist nicht ansatzweise aufgearbeitet. Für mich als Betroffene ist das eine Farce.“ [….]

(taz, 27.08.2025)

In welcher Form auch immer sie daher kommen – christliche Institutionen gehören persönlich gemieden und politisch geächtet.

Ich bin tolerant genug, um Gläubige glauben zu lassen und würde jederzeit ihr Recht verteidigen, sich zu Gottesdiensten zusammenzurotten.  

Aber natürlich erst ab 18 Jahren. Kinder haben in Kirchen nichts zu suchen.

Dienstag, 26. August 2025

Außenpolitischer Bauchklatscher

Es gibt wirklich nichts, das Donald Trump zu peinlich und zu absurd ist.

Nachdem sich die sieben Top-Europäer, selbstverzwergend als devote Schuljungs, vor ihm zum Arschküssen aufreihten, erklärte er der staunenden Weltpresse, die „38 europäischen Lander“ riefen ihm schon zum Präsidenten Europas aus.


Zum Mitschämen. Eine Peinlichkeit, die nur noch von all den konservativen Blättern Focus Funke Springer FAZ übertroffen wird, die Merz tagtäglich als überragenden Außenpolitiker preisen.

Die Trump-Deals sind nur in zweiter Linie eine Katastrophe für die trudelnde deutsche Ökonomie. Noch schlimmer ist die klimapolitische Kehrtwende zurück in die Fossilwirtschaft, indem die EU zum Kauf von besonders umweltschädlichen LNG aus den USA gezwungen wird. Da wäre Druschba noch besser.

[….] Die zuletzt stark in die Kritik geratene EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verteidigt den Zoll-Kompromiss mit US-Präsident Donald Trump. Die Vereinbarung stehe für eine »bewusste Entscheidung – Stabilität und Berechenbarkeit statt Eskalation und Konfrontation«, schreibt die EU-Kommissionspräsidentin in einem Gastbeitrag 

für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ). »Stellen Sie sich nur einmal vor, die beiden größten Wirtschaftsmächte der demokratischen Welt hätten sich nicht geeinigt und einen Handelskrieg begonnen – gefeiert worden wäre das einzig und allein in Moskau und Peking«, argumentiert von der Leyen.

Mit Blick auf die vereinbarten US-Zölle von maximal 15 Prozent schreibt von der Leyen, man habe sich auf einen »starken, wenn auch nicht perfekten Deal geeinigt«: »Mit Vergeltungszöllen unsererseits würden wir Gefahr laufen, einen teuren Handelskrieg mit negativen Folgen für unsere Beschäftigten, Verbraucher und unsere Industrie zu befeuern.«  [….]

(SPON, 24.08.2025)

An dieser Stelle kann ich mir ein „I TOLD YOU SO“ an die Rechten nicht verkneifen: Wie kann man nur so doof sein, mit aller Energie und Unterwürfigkeit einen Deal mit dem Mann anzustreben, von dem nur eins sicher ist, nämlich, daß er jeden Deal gleich wieder bricht. Es hat keinen Sinn, sich auf einen notorisch Unverlässlichen zu verlassen, liebe CDU, Presse, Merz, Leyen!
Natürlich kam es genauso, wie ich prophezeite:

 [….] Der Burgfrieden hat nicht lange gehalten. Wenige Tage, nachdem sich die EU und die USA auf Details ihres lange umstrittenen Handelsdeals geeinigt haben, droht US-Präsident Donald Trump schon wieder mit neuen Strafzöllen und Sanktionen. Diesmal geht es um EU-Gesetze und Steuern auf die US-Digitalkonzerne. Trump will sie loswerden, Brüssel hält dagegen – allerdings nur mit halber Kraft.  Die neue Attacke hat Trump in seinem Onlinedienst Truth Social gestartet. „Digitale Steuern, Gesetze zu digitalen Diensten und Vorschriften für digitale Märkte zielen alle darauf ab, amerikanischer Technologie zu schaden oder sie zu benachteiligen“, erklärte Trump, der die Chefs von US-Konzernen wie Apple, Google oder X zu seinen „Buddies“ (Kumpeln) zählt.

Trump wolle „erhebliche zusätzliche Zölle“ erheben und Exportbeschränkungen für US-Technologie und Chips verhängen, sofern die „diskriminierenden“ Maßnahmen nicht aufgehoben würden. Außerdem lässt er offenbar Sanktionen gegen EU-Verantwortliche prüfen, die für die europäischen Internetgesetze den Digital Services Act (DSA) und den Digital Markets Act (DMA) zuständig sind. Derartige Strafen gegen Brüssel hat es noch nie gegeben. [….] Die EU hat sich verpflichtet, alle Zölle auf Industriegüter aus den USA abzuschaffen. Umgekehrt soll jedoch ein US-Zoll von 15 Prozent auf die meisten europäischen Exporte gelten. Diese Vereinbarung werde wie geplant umgesetzt, heißt es in Brüssel. Aus Sicht von Kritikern geben die Europäer damit ihren letzten Trumpf aus der Hand, während Trump schon die nächste Attacke auf die EU reitet.  [….]

(Eric Bonse, 26.08.2025)

Das war so klar, Dummerle Merz!

Ich mag Trump fast gar keinen Vorwurf machen, weil die katastrophal falsche Merz-Außenpolitik Trumpmerica regelrecht dazu einlädt, Deutschland und der EU auf der Nase herumzutanzen.

 
Schon wieder neue Zolldrohungen; 48h nachdem von der Leyen sich in der FAZ für diesen tollen Deal selbst lobpreiste.

[….] Im Europaparlament regt sich dagegen Widerstand. Spitzenpolitiker der CDU/CSU, SPD und Grünen fordern, dass die EU Trumps Erpressungen nicht weiter nachgibt.  „Einmischung in unsere eigenen Gesetze ist eine andere Nummer – das geht weit über Zölle hinaus. Das können wir nicht akzeptieren“, sagte Bernd Lange (SPD), Vorsitzender des Handelsausschusses mit Blick auf Trumps neue Drohung. Lange forderte, die EU-Mitgliedstaaten sollten das Antierpressungsgesetz scharfstellen. Das erlaubt der EU, mit Gegenmaßnahmen auf wirtschaftliche Erpressung zu antworten.  [….]

(Handelsblatt, 26.08.2025)

Dummerle Merz ist der internationalen Politik selbstverständlich genauso wenig, wie der Innenpolitik gewachsen.

Gegen Trump hilft, genau wie gegen Putin, nur Härte. Die EU muss  mit anderen fairen Handelspartnern – Indien, Japan, Korea, Brasilien, Südafrika, Kanada, England, Australien, u.a. – Zollfreiheits-Allianzen gegen die USA schließen. Vor Trump zu kriechen, stärkt nur ihn und bringt uns keinerlei Sicherheit. Trumpmerika kann kein Partner in der Handelspolitik sein, kann kein Partner in der Sicherheitspolitik sein.

[….] Wie geht’s nun weiter, nachdem es mit dem verwirrten US-Präsidenten in den vergangenen Tagen besser lief als befürchtet? Die Europäer sollten die Illusion aufgeben, diesem Präsidenten eines Tages vertrauen zu können – und auf ihr eigenes Gewicht setzen. [….]

Der Begriff Bullshit beschreibt aber auch treffend Trumps eigene sogenannte Diplomatie. Der US-Präsident ist verwirrt. Er weiß nicht, wem er die Schuld an diesem Krieg geben und wen er wie unter Druck setzen soll, damit das Morden endet. Er versteht auch Amerikas Interessen in diesem Krieg nicht, weil er nur seine eigenen Interessen kennt.

Also zickzackt Trump wie ein panisches Karnickel. Er schimpft erst auf die eine, dann auf die andere Seite, droht mal Moskau mit Sanktionen, mal Kiew mit dem Ende aller Hilfe und stellt Ultimaten. An einem Tag hofiert er den Kriegstreiber Putin, 48 Stunden später scherzt er mit dessen Opfer, dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij. Am Ende sagt er, er werde in „ungefähr zwei Wochen“ wissen, was er tun wolle. Nach zwei Wochen aber, oder nach drei, passiert: nichts. [….] Der Bullshit-Verbreitung schuldig sind allerdings auch die Europäer. Sie reden sich ein, sie könnten Trump „managen“. Man müsse den erratischen Amerikaner nur „mit dem europäischen Narrativ einhüllen“, heißt es in Brüssel. In der Praxis bedeutet das: sehr oft bei ihm anrufen, nahe dran bleiben, ihn loben und preisen, ihm immer wieder zureden, damit nicht Putin mit seinem Gegen-Narrativ durchdringt. [….] Aber bringt das in der Substanz viel? Nein. Mittlerweile ist Trump wieder bei seiner „In zwei Wochen weiß ich mehr“-Phrase angekommen. Sanktionen gegen Russland? Nope. Dafür droht er nun der EU mit Strafzöllen, weil die angeblich amerikanische Internet-Konzerne gängelt. Wie drückt man das alles in einem Wort aus? Richtig: Bullshit. [….] Stattdessen pilgern die Europäer zu Trump ins ehemals Weiße, heute Goldene Haus und versuchen, den Trump’schen Bullshit ein bisschen zu entbullshitifizieren, indem sie eigenen Bullshit dazutun. In der Ukraine sterben unterdessen die Menschen. Denn das ist die Wirklichkeit in dieser gigantischen Tragödie, kein Bullshit: die Bomben, die Toten, die Gräber.  [….]

(Hubert Wetzel, 26.08.2025)

Die einzige Hoffnung für uns besteht im Zusammenschluss jenseits der USA. Die USA unter Trump gehören isoliert. Keine Handelsabkommen, kein Tourismus, keine internationalen Ehrungen.

Unsere beste Chance liegt in einem durch Trumps Wahnsinn ausgelösten ökonomischen Zusammenbruch der USA, der die Wähler endlich dazu bringt, die fanatische MAGA-Ideologie zum Teufel zu jagen.

[….] Es klingt wie eine Posse aus einer Bananenrepublik. Aber es ist der größte Anschlag auf die wichtigste Institution der Weltwirtschaft, den es seit Gründung der US-Notenbank (Federal Reserve, kurz: Fed) vor 111 Jahren je gegeben hat: Donald Trump teilt mit, er habe Fed-Vorstandsmitglied Lisa Cook entlassen; [….]  Weil Fed-Chef Jerome Powell und seine Mitstreiter sich nicht beugen, startet der Präsident nun offenbar den Versuch, die Vorstände einen nach dem anderen wegzumobben. Sollte ihm das gelingen, geriete das gesamte globale Finanz- und Wirtschaftssystem ins Wanken. [….] Hinzu kommt: Mit Trumps Weisung und Cooks Weigerung, diese zu akzeptieren, stehen die USA endgültig vor einer Staatskrise. Wenn der Oberste Gerichtshof jetzt nicht den Mumm hat, dem Präsidenten die Grenzen aufzuzeigen, werden die Vereinigten Staaten von Amerika, wie man sie bisher kannte, endgültig Geschichte sein. [….]

(Claus Hulverscheidt, 26.08.2025)

Als US-Staatsbürger sage ich: Möge der Kollaps schnell kommen und heftig ausfallen.