Sonntag, 12. Januar 2020

40 Jahre Grüne

In den letzten Tagen habe ich so viele Rückblicke und Würdigungen der vier Dekaden „Grüne“ gelesen, daß ich es schon singen kann.
Da ich zufällig in einem Alter bin, in dem ich fast die gesamte Geschichte aufmerksam verfolgte, staune ich immer noch etwas darüber mit welcher Selbstverständlichkeit sich heute Grüne und CDU aneinanderwanzen. Ich erinnere noch sehr gut, mit welchem abgrundtiefen Hasse der ewige CDU-Vorsitzende und Endlos-Bundeskanzler Kohl auf die Grünen im Bundestag reagierte. Kohl, der damals erklärte, es wäre sicher, in zwei Jahren habe sich der Spuk erledigt, die Grünen würden sich auflösen und „zur SPD rübermachen“.
Die unglaubliche Empörung, die auf Joschka Fischers erste Ernennung zum Landesminister losbrach. Die gesamte JU-Fraktion meiner Schule lief Amok, prophezeite den völligen ökonomischen Exitus Hessens.
Die ersten Grünen des Jahres 1980 waren eine wirklich im besten Sinne des Wortes „bunte Truppe“, in der sich die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Kräfte zusammenfanden, um basisdemokratisch, feministisch und sozial ökologische Politik zu machen. Dieser Zusammenschluss war eine enorme Errungenschaft und natürlich konnte es nicht ausbleiben, daß bei so vielen Partikularinteressen in einer derart heterogenen Partei im Laufe der Jahre immer wieder Gründungsmitglieder nach Links und rechts absprangen, mit dem aktuellen Kurs haderten.
Wirklich spektakulär ist es eher, daß der ursprünglich ganz linke Hamburger Landesverband der Grünen sich im Laufe der Jahren konsequent und ohne zu mäandern nach rechts bewegte und im Jahr 2020 viel konservativer als SPD oder FDP fest an der Seite der CDU steht.

Demoskopisch ist der neue Rechts-Kurs der Elb-Grünen ein voller Erfolg. Man bewegt sich auf die 30%-Marke zu und könnte bei der Bürgerschaftswahl 2020 stärkste Partei werden.
Auch im stramm rechten CDU-affinen Landesverband Baden-Württemberg funktioniert dieser Kurs; bei den Landtagswahlen am 13.03.2016 holte der Autoindustrie-freundliche, erzkatholische und flüchtlingskritische Winfried Kretschmann, der bekundete jeden Tag für Angela Merkel zu beten stolze 30,3%; Ende 2019 wurden sogar bis 38% für die Grünen in BW demoskopisch ermittelt.
Ein sehr ähnliches Bild gibt es in Hessen; auch der dortige Landesverband ist extrem nach rechts gerutscht, harmoniert prächtig mit der nationalkonservativen Hessen-CDU und schickt sich an stärkste Partei des Landes zu werden.
Die frommen und nationalen Grünen auf Erfolgskurs.

Heute werden skandalöse marktradikale Grünen-Vorschläge ohne irgendein bemerkbares Murren ventiliert.
Bestes Beispiel dafür ist der Grünenpapier zu den Arzneimittelengpässen.
Wie immer mehr Medien seit Jahren berichten, haben Apotheken mehr und mehr Schwierigkeiten alle benötigten Präparate für Kassenpatienten zu besorgen.

[…..] Dr. Michael Baehr ist an einer der modernsten Kliniken Deutschlands für den zentralen Arzneimitteleinkauf verantwortlich. Täglich versucht er, solche wichtigen Arzneien bei verschiedenen Pharmahändlern einzukaufen – und das weltweit.  Doch immer öfter stoßen Ärzte und Apotheker an ihre Grenzen, weil wichtige Medikamente einfach nicht lieferbar sind. Dieses Problem trifft alle Patienten, egal ob im Krankenhaus oder in der öffentlichen Apotheke, Baehr. Er kämpft täglich darum, die benötigten Arzneien zu bekommen und momentan ist es wirklich brisant. Diese Situation ist Baehr in einem Industrieland wie Deutschland unverständlich. […..]

274 Medikamente sind derzeit nicht lieferbar, weil die raffgierigen Pharmakonzerne in völlig unverantwortlicher Weise nur sehr viel teurere Alternativen zur Verfügung stellen.
Die Unterschiede sind gewaltig.
Meine Eltern gehörten zu den über eine Millionen Menschen, die dauerhaft Blutverdünner nehmen mussten.
Das Mittel der Wahl – damals: Phenprocoumon = Rattengift. Bekannter unter dem Namen Marcumar.
Preis: 98 Stück für 12,50 Euro.
Da man oft nur eine Viertel Tablette am Tag braucht, reichen diese 12,50 Euro für ein ganzes Jahr.
Der alte Herr, den ich betreue, bekommt seit zwei Jahren statt Marcumar das moderne Mittel Xarelto zur Blutverdünnung.
98 Stück Xarelto 20mg von Bayer kosten 320,80 Euro; man muss immer eine am Tag nehmen. Das sind knapp 1.200,- im Jahr, also nahezu exakt der hundertfache Verdienst für die Pharmaindustrie.


Der Plan der Grünen dagegen: Brummt die Verhundertfachung der Kosten den Kassenpatienten auf und schont dafür die Privatpatienten und schont insbesondere die Pharmariesen!

[…..] Die in die­ser Wo­che be­kannt ge­wor­de­nen Plä­ne der Grü­nen, wie die Lie­fer­eng­päs­se in der Arz­nei­mit­tel­ver­sor­gung be­kämpft wer­den könn­ten, sto­ßen auf Kri­tik. Der re­nom­mier­te Wis­sen­schaft­ler Gerd Gla­es­ke hält die Ide­en für »we­nig durch­dacht«. Min­des­tens 274 Me­di­ka­men­te gel­ten der­zeit als nicht lie­fer­bar, dar­un­ter Krebs­mit­tel und An­ti­de­pres­si­va. Nach dem Wil­len der Grü­nen sol­len Kran­ken­kas­sen die Mehr­kos­ten der Pa­ti­en­ten für Aus­weich­prä­pa­ra­te über­neh­men. »War­um soll­ten Ver­si­cher­te mit ih­ren Bei­trä­gen da­für auf­kom­men, dass Phar­ma­un­ter­neh­men nicht lie­fern kön­nen und teu­re Al­ter­na­ti­ven not­wen­dig wer­den?«, so Gla­es­ke, der Apo­the­ker ist und an der Uni­ver­si­tät Bre­men forscht. »Dies ist für mich ein völ­lig un­nö­ti­ger Schutz der Phar­ma­bran­che, die zu den pro­fi­ta­bels­ten über­haupt ge­hört.« Die Kon­zer­ne soll­ten viel­mehr die Kos­ten für Er­satz­prä­pa­ra­te tra­gen. In dem Pa­pier heißt es zu­dem, der Arz­nei­mit­tel­groß­han­del sol­le Pro­ble­me an eine Art Eng­pass­re­gis­ter mel­den. Das er­ge­be we­nig Sinn, so Gla­es­ke. Die Kran­ken­häu­ser, die haupt­säch­lich von den Lie­fer­eng­päs­sen be­trof­fen sei­en, wür­den ihre Me­di­ka­men­te in der Re­gel nicht nur über den Groß­han­del ein­kau­fen, son­dern auch di­rekt bei Her­stel­lern. […..]
(DER SPIEGEL Nr 03/20, 11.01.20, s.63)

Dreisteren Pharmalobbyismus gibt es noch nicht mal bei dem klassischen Privatkrankenkassenverband FDP.
(Unnötig zu erwähnen, daß Jens Spahn nicht handelt.)


Samstag, 11. Januar 2020

Barmherzigkeit


Zu Weihnachten kamen sie wieder, die Bettelbriefe von Bethel und Bodelschwingh, in denen allerlei Pastoren auf die Tränendrüse drückten und erklärten wie christliche Barmherzigkeit den Menschen helfe.

[…..] Der Name „Bodelschwingh“ ist genauso wenig positiv zu konnotieren, wie „christliche Werte.“ Die Diakonie wirbt zwar damit, aber das funktioniert nur aufgrund der Unkenntnis ihrer Kunden.

Daher an dieser Stelle ein paar Sätze zu den Bodelschwinghern.

Dabei handelt es sich um ein aus dem 13. Jahrhundert stammendes rheinisch-westfälisches Adelsgeschlecht. Die Herren von Bodelschwingh gehen auf raubende Ritter zurück und besetzen seit Jahrhunderten Machtpositionen; die Familie besteht bis heute.
Zu den steinreichen Freiherren und Grafen gehören konservative Minister, preußische Regierungsmitglieder, CDU-Abgeordnete und viele Theologen.
Die heute so bekannten Gründer und Leiter der gleichnamigen christlichen Anstalten waren

Friedrich von Bodelschwingh der Ältere (1831–1910), deutscher evangelischer Theologe, Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten in Bethel.
Friedrich von Bodelschwingh der Jüngere (1877–1946), deutscher evangelischer Theologe und Reichsbischof
Friedrich von Bodelschwingh (Theologe, 1902) (1902–1977), deutscher evangelischer Pastor und Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten
   
Wie beispielsweise der erste deutsche Reichsbischof Friedrich von Bodelschwingh tickte, ist unzweifelhaft.
 Er war glühender Nazi und beteiligte sich an der Aktion T4, also der Sterilisierung und Tötung von psychisch und körperlich Behinderten.

Das ist nichts weniger als Massenmord. Womit die Namen „Bodelschwingh“ und „Bethel“ verbunden sind, sollte man also wissen, wenn einen zu Weihnachten die Bettelbriefe dieser Vereine erreichen.

[….] Im Folgenden wird der Begriff »Euthanasie« bzw. »Euthanasie« Morde als kollektive Bezeichnung für die nationalsozialistischen Massenverbrechen an Kranken und an Menschen mit Behinderungen verwendet. Die Bezeichnung selbst ist schon wegen seiner Verwendung im Nationalsozialismus hoch problematisch; wenn sie dennoch Verwendung findet, dann aus dem Grunde, weil zahlreiche Tötungsverbrechen durch den (ohnehin erst nach 1945 geprägten) Terminus »Aktion T4« nicht abgedeckt sind, weil namentlich die Krankenmorde im besetzten Ostmittel- und Osteuropa sowie die dezentral organisierten Tötungen nach dem Sommer 1941 wenig oder gar nicht in die institutionelle Zuständigkeit der Zentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 fielen. […..] Der Mord an Kranken, Menschen mit Behinderungen und anderen als »rassisch minderwertig« stigmatisierten Opfern im Nationalsozialismus versuchte, seine Legitimation aus der Eugenik abzuleiten, ist aber schon seiner Einmaligkeit wegen nicht allein als eine direkte Folge der eugenischen Bewegung vor 1933 zu interpretieren.
Formen der »Ausmerze«, die aus der heutigen Perspektive als Mord an Anstaltsinsassen angesehen werden müssen, finden sich jedoch bereits lange vor 1933, namentlich die so bezeichnete »Hungereuthanasie«, d. h. die systematische Unterernährung von Kranken und Anstaltsinsassen, der allein während des Ersten Weltkrieges ca. 70 000 Menschen zum Opfer fielen. [….]

Hitler und die Nationalsozialisten waren neben der generellen Begeisterung für das Töten von Kindern insbesondere an den an Techniken zur massenhaften Tötung von Behinderten interessiert. Medikamente und verschiedene Gase wurden ausführlich erprobt.

[….] Insgesamt wurden in sechs Anstalten Patienten durch das Giftgas Kohlenmonoxid in eigens hierfür eingerichteten Gaskammern ermordet: in Brandenburg an der Havel, Hadamar bei Limburg, Grafeneck, Sonnenstein/Pirna, Hartheim bei Linz und Bernburg an der Saale. Nicht in allen sechs Anstalten wurden zeitgleich Patienten umgebracht, vielmehr wurde die Anstalt Brandenburg im September 1940 von Bernburg, Grafeneck Ende 1940 von Hadamar abgelöst. [….]

Beeindruckend ist insbesondere die Fähigkeit zur Geschichtsklitterung. So wie die Wehrmacht noch 50 Jahre lang nach 1945 den Mythos aufrecht erhalten konnte keinerlei Kontakt zu der Judentötung gehabt zu haben, erreichte es insbesondere die Evangelische Kirche die Falschdarstellung zu verbreiten, aufgrund der christlichen Proteste habe Hitler im Jahr 1941 von der Aktion T4 abgelassen. 

Tatsächlich wurden Myriaden Kranke direkt aus der Obhut der Kirchen vergast.
Vom Ende der Aktion T4 kann davon keine Rede sein. Das Töten von Behinderten – auch in den Bodelschwingh- und Bethel-Anstalten war nur so weit professionalisiert worden, daß die großen Vernichtungs-KZs Majdanek, Treblinka, Sobibór und Bełżec, sowie Auschwitz-Birkenau übernahmen. [….]

Für die konservativen Landesregierungen waren diese Taten kein Grund nicht weiterhin den Bodelschwinghern zu vertrauen. Im Gegenteil.

Beispiel Schleswig-Holstein. Der Barschel-Skandal von 1987 ist eine der größten Stories im Vorwende-Deutschlands. Die jüngeren mögen vergessen haben welch Sensation die darauf folgende SPD-Regierung unter Björn Engholm war. Denn das bäuerlich-ärmlich geprägte nördlichste Bundesland war über vier Jahrzehnte ultrakonservativ und fest in CDU-Hand.

Walter Bartram (CDU) 1950–1951
Friedrich Wilhelm Lübke (CDU)   1951–1954  
Kai-Uwe von Hassel (CDU) 1954–1963
Helmut Lemke (CDU) 1963–1971
Gerhard Stoltenberg (CDU) 1971–1982
Uwe Barschel (CDU) 1982–1987

Kinderheime, Krankenhäuser, sowie „Irrenanstalten“ wurden in kirchliche Trägerschaft gegeben und es passierte das was immer passiert, wenn Kinder und Christentum systematisch verquickt werden:
Folter, Missbrauch, Quälerei und Mord.
Mit dem Ende des „dritten Reiches“ endete bei Bethel und Bodelschwingh nicht etwa die systematische Misshandlung von Kranken, Behinderten, Kindern  - eigentlich allen Schutzbefohlenen.

Heimkinder wurden als Versuchsobjekte bei Arzneimittelprüfungen in Bethel 1949 bis 1975 eingesetzt.


 
Viele Jahrzehnte drückten sich Kirche und Diakonie darum diese systematische Folter zuzugeben. Erst jetzt wird zögerlich „aufgearbeitet“ – natürlich nicht etwa, weil Bischöfe und konservative Christen ihr Unrecht einsehen, sondern auf massiven Druck der Opfer.

[…..]Seit dem vergangenen Jahr 2017 laufen die beiden Forschungsprojekte zur Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen in „Bethel 1924 bis 1949“ und „Arzneimittelprüfungen in Bethel 1949 bis 1975“. Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für beide Forschungen ist der Theologe [Täter klären über Täter auf? –T.]  Prof. Dr. Traugott Jähnichen. […..] Nach Auswertung von rund 300 Patientenakten werden erste Ergebnisse zur Frage, ob und wie an Kindern und Jugendlichen in Bethel neue Medikamente getestet wurden, für Ende dieses Jahres erwartet. […..]

In den CDU-Jahrzehnten Schleswig-Holsteins waren die perversen, bestialischen und menschenfeindlichen Methoden allerdings nicht auf kirchliche Einrichtungen beschränkt, sondern fanden auch unter der direkten Aufsicht der Landesregierung statt.

[….] Es ging um Geld: Ärzte an landeseigenen Kliniken haben in der Nachkriegszeit neue Medikamente an Heimkindern und Psychiatriepatienten getestet. Profitiert haben die Pharmafirmen, die dank der Versuche mehr über Nebenwirkungen erfuhren und neue Absatzmärkte erschlossen. Profitiert haben aber auch das Land und dessen Kliniken, weil sie die neuen Präparate kostenlos oder stark vergünstigt bekamen. Zu dem Ergebnis kommen Forscher des Instituts für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung an der Uni Lübeck. Christof Beyer, einer der beteiligten Forscher, sieht einen der Gründe für die Zusammenarbeit in der "desolaten Situation" der Landeskrankenhäuser und der psychiatrischen Kliniken in Schleswig-Holstein in der Nachkriegszeit: "Personelle Unterversorgung und überfüllte Kliniken haben es begünstigt, dass Patienten ruhiggestellt werden sollten." Auch mithilfe von Medikamenten in der Erprobungsphase. […..] Bis 1970 unterstanden die Landeskrankenhäuser direkt der Haushaltsplanung des Landes Schleswig-Holstein. […..]
Im Rahmen von Versuchsreihen fanden die Ärzte dabei auch mehr über mögliche Nebenwirkungen der neuen Medikamente heraus: In Fachaufsätzen aus der Zeit finden sich Belege für "Atemstillstand", "Kollaps", "psychische Störungen". Hinweise auf eine Aufklärung der Patienten oder deren Einwilligung habe man in keinem der Dokumente gefunden. Das sei typisch für die Zeit gewesen, so Beyer: "Patienten wurden damals häufig als Objekte und Krankheitsträger und nicht als Menschen im Sinne einer ganzheitlichen Medizin behandelt. Der Medikamenteneinsatz ist ein Symbol der Unrechtsverhältnisse, die damals in der Psychiatrie vorgeherrscht haben."
[…..] Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Ärzten gab es dem Bericht zufolge nicht nur am Landeskrankenhaus Schleswig, sondern in weitaus größerem Umfang als bislang bekannt - zum Beispiel am LKH Neustadt, am LKH Heiligenhafen, an der Universitäts-Kinderklinik Kiel, der Universitäts-Frauenklinik Kiel sowie Kliniken in Lübeck und Rickling. Die ehemaligen Heimkinder und Psychiatriepatienten leiden teilweise noch heute unter den Folgen der Versuche. […..]

Die Mengele-Methoden wurden vielerorts in Deutschland nach 1945 noch Dekaden weitergeführt.


 Viele Landes- und Bundespolitiker geben sich empört.

[…..] "Erschreckend" fand Wolfgang Baasch (SPD) die neuen Fakten. "Unfassbar" nannte Dennis Bornhöft (FDP) die Erkenntnisse - und als "schockierend" bezeichnete Marret Bohn (Grüne) das, was Christof Beyer vom Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung der Uni Lübeck im Ausschuss vortrug. […..]

Nur die eine, die einzig richtige Reaktion bleibt aus:
Nie wieder darf die Kirche Trägerin von Einrichtungen sein, in denen sich Kinder befinden.

Freitag, 10. Januar 2020

A Primeira Tentação de Cristo


Wenn man Gott als ganz klein, schwach, hilfsbedürftig, diskriminiert betrachtet, ihn für eine zimperliche Heulsuse hält, die sich nicht allein wehren kann und daher mit einem speziellen Minderheitengesetz geschützt werden muss; wenn man Gott also als so eine Sissy ansieht, daß er es nötig hat unter den Schutzschirm eines nationalen menschlichen Gesetzes zu fliehen, begeht man Blasphemie.
Daher sind Gesetze zur Verhinderung von Blasphemie selbst blasphemisch.
Was haben die Gläubigen eigentlich für ein eigenartiges Gottesbild, wenn sie sich dazu aufschwingen ihren angeblich so allmächtigen Gott schützen zu müssen?


„In letzter Zeit war die Leistungsbilanz Gottes, was die Juden anbelangt nicht gerade überwältigend." Er könne nicht zugleich allmächtig und gerecht sein - denn wäre er es, hätte er Ausschwitz nicht zugelassen. Doch offensichtlich konnte er es nicht verhindern.
Und was ist wenn es einen Gott gibt, der Ausschwitz verhindern wollte, aber nicht konnte?

Auch dazu hat Bauer, *
6. April 1926, eine einfache Antwort: „Ein armer Kerl, der Unterstützung braucht, der sich seine Stärke von uns holen muß - einen solchen Gott brauche ich nicht!“

Interessanter als die große Theodizee-Frage an sich finde ich die Tatsache, daß professionelle Priester, Ordensleute und klerikaler Hochadel nach 2000 Jahren Kopfzerbrechen immer noch keine Alibi-Antwort gefunden haben.

Richter Benedicto Abicair in Rio de Janeiro musste dem armen Jesus nun wegen einer Netflix-Serie unter den Arm greifen.
Der liebe Gott guckt ja viel brasilianisches Fernsehen und da kann es schon mal passieren, daß er beim Zappen aus Versehen seine eigentlich bevorzugten Telenovelas verlässt und versehentlich bei "A Primeira Tentação de Cristo" (Die erste Versuchung Christi) landet.
Das ist eine Geschichte, in der Jesus, der nie heiratete und sich stattdessen nur mit 12 Männern umgab, die ihn küssten und ghosteten.
Nach dreitägigen sehr sehr bizarren Fessel- und SM-Spielen kommt Jesus in "A Primeira Tentação de Cristo" nach Hause und räumt das ein, was seine Eltern sich ohnehin wohl schon gedacht hatten: Er steht nicht auf Frauen.

[…..] Brasilien: Jesus muss weg
[…..] Die Aufregung um den homosexuellen Jesus aus Brasilien geht weiter. Seit Dezember tobt in dem südamerikanischen Land ein Streit um ein Satire-Filmchen, in dem angedeutet wird, dass Jesus eine Liebesbeziehung mit einem Mann habe. Ein Richter aus Rio de Janeiro entschied nun, dass der Streamingdienst Netflix das Video vorerst aus dem Netz nehmen muss: Die Sendung sorge in der "mehrheitlich christlichen Gesellschaft Brasiliens" für Unruhe.  Die einstweilige Verfügung ist ein Sieg für das konservativ-religiöse Lager, das in Brasilien traditionell stark ist. […..] Seit Jahren wächst in Brasilien die Polarisierung zwischen denen, die für mehr gesellschaftliche Öffnung eintreten und denjenigen, die sie ablehnen. Das Land ist einerseits fortschrittlich - bereits 2013 etwa führte Brasilien die gleichgeschlechtliche Ehe ein. In manchen Gegenden von Großstädten wie Rio oder Sao Paulo ist es zudem ganz alltäglich, homosexuelle Paare auf der Straße Zärtlichkeiten austauschen zu sehen. Andererseits gewinnen die Evangelikalen, die jegliche gesellschaftliche Liberalisierung ablehnen, immer mehr an Einfluss.
Mit den Stimmen der Religiösen schaffte es Jair Bolsonaro vor einem Jahr in den Präsidentenpalast, und er bediente seine Klientel, in dem er im Wahlkampf immer wieder gegen Homosexuelle hetzte. […..]

Mit der Schwulerei in der Kirche ist es schwierig. Einerseits ist der Vatikan der wichtigste schwule Hotspot der Welt, andererseits blüht gerade dort die Homophobie.
Obwohl Jesus alle Schwulen gemacht hat, mögen die Schwulen der RKK es gar nicht, wenn Jesus (von Netflix) schwul gemacht wird.
Mit maximaler Hysterie regen sie sich über Jesu TV-Schwulerei auf, so daß die zeternden Männer in ihren bunten Kleidern noch schwuler wirken beim Schwulen-Bashing. Das ist das Lehrbuchbeispiel des Streisand-Effekts.

[…..] Keine Meinung habe ich zu Keanu Reeves. Über den weiß ich einfach zu wenig, außer daß er spätestens mit den Matrix-Filmen offenbar zu einem der ganz großen Stars wurde. Nach meinem (flüchtigen) Eindruck spielt Reeves immer Reeves. Immer mit dem gleichen Gang und dem gleichen Gesichtsausdruck.

Aber einmal fiel er mir sehr positiv auf.
Es ging um den hysterischen Tom Cruise, der wieder einmal jemanden verklagte, der behauptete er sei in Wahrheit schwul.
Das mag der steinreiche Scientologe gar nicht und setzt sofort eine Armada von Anwälten in Gang.
1995 wurde auch Reeves als schwul „geoutet“, weil er sich offenbar regelmäßig mit dem (offen schwulen) Produzenten David Geffen zum Essen traf.
Auf die Frage wieso er nicht juristisch gegen solche Rufschädigungen vorgehe, antwortete er damals – und das ist immerhin 20 Jahre her – daß er nur Klage einreiche, wenn er beleidigt werde und „schwul“ sei für ihn keine Beleidigung.
Eine recht souveräne Antwort, wie ich finde. […..]

Ganz anders als Reeves, dem das Thema so gut wie nie mehr begegnete, haben die Homo-Hysterischen in Brasilien es geschafft nun weltweit ausgelacht zu werden, das Thema „schwuler Jesus“ in allen Kontinenten auf die Tagesordnung zu setzen, die entsprechende Netflixserie extrem populär zu machen und schließlich auch noch eine heftige Klatsche des obersten Gerichtes kassiert.

[……] Die Brasilianer dürfen weiter über einen schwulen Jesus und eine kiffende Gottesmutter lachen. Nach nur einem Tag hat der Oberste Gerichtshof des südamerikanischen Landes das Verbot einer umstrittenen Jesus-Parodie wieder aufgehoben. „Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Satire die Macht hat, die Werte des christlichen Glaubens zu untergraben, die mehr als 2000 Jahre alt und in der Überzeugung der Mehrheit der Brasilianer verwurzelt sind“, schrieb Gerichtspräsident José Antonio Dias Toffoli am Donnerstag in seiner Begründung. „Die Demokratie gedeiht nur in einem Umfeld, in dem unterschiedliche Überzeugungen geäußert und gegeneinander gestellt werden können.“ […..]

Ja, lieber Bischof Joseph Strickland, ich hoffe Netflix hat sich bei Ihnen für die enorme Schwulenwerbung finanziell erkenntlich gezeigt-

[…..] Der 46 Minuten lange Film hatte bereits seit seiner Veröffentlichung Anfang Dezember für Kontroversen gesorgt. Der texanische Bischof von Tyler, Joseph Strickland, hatte auf Twitter Kritik geäußert: „Habe gerade Netflix abbestellt. Hatte eh keine Zeit, es zu nutzen - aber Gotteslästerer verdienen nicht einen Penny Unterstützung.“
Zudem fand eine Online-Petition gegen den Film mehr als zwei Millionen Unterstützer.  Der von der brasilianischen Comedy-Truppe „Porta dos Fundos“ (Hintertür) produzierte Film wurde auch in Brasilien kritisiert. Am 24. Dezember wurde zudem ein Brandanschlag auf die Produktionsfirma in Rio de Janeiro verübt. [….]

Und tröstet Euch, liebe zwei Millionen Homo-Angsthasen in Brasilien; es hätte noch viel schlimmer kommen können.
In Deutschland wird Gott nicht nur als jemand dargestellt, der einen anderen liebt, sondern, weit, weit schlimmer, als jemand ganz ohne Penis!