Montag, 23. Juli 2018

Heißwachs-Arschritzenenthaarungsparty


Dieser Özil, von dem sie jetzt alle sprechen, hat offenbar die deutsche Staatsbürgerschaft, anderenfalls könnte er nicht für die Fußballnationalmannschaft spielen.
Damit ist er deutlich deutscher als ich; denn von einem deutschen Pass bin ich weit entfernt.
Daher muss ich mir auch nicht vorwerfen lassen noch nie im meinem Leben die deutsche Nationalhymne mitgesungen zu haben. Ich bin ja kein Deutscher.
Und genau wie Özil respektiere ich andere Regierungschefs.
Es gibt sogar welche, die ich dezidiert lieber mag als Angela Merkel, der ich auch noch nie mit nacktem Oberkörper die Hand gegeben habe:  Justin Trudeau, Emmanuel Macron, Pedro Sánchez.
Noch eine Parallele zwischen Özil und mir: Gelegentlich spreche und/oder schreibe ich englisch, wenn ich politische Aussagen treffen möchte.
Manche deutsche Errungenschaften gefallen mir allerdings ausnehmend gut. Die habe ich voll in meinen Lifestyle integriert: Linsensuppe, die Süddeutsche Zeitung und Vollkornbrot beispielsweise.
Andere urdeutsche Bräuche der Eingeborenen werden mir aber nicht nur ewig fremd bleiben, sondern ich weigere mich ausdrücklich mich dahingehend zu integrieren.
Das mache ich nicht mit und verachte es sogar:
Deutsche Volksmusik, Krachlederne, Eisbein, Saumagen, Weihnachtsmärkte, AfD, Schuhplattlern, Kölner Karneval, Weiberfastnacht, Glühwein, Tatort, Pantoffeln, beige Funktionskleidung.

Je deutscher, patriotischer und nationalistischer die Bräuche, desto widerlicher erscheinen sie mir.

Was tun so richtig deutsche aktive Patrioten eigentlich typischerweise?
Die Apotheose des wehrhaften Deutschtums ist eindeutig Lutz Bachmann.

Siegfried Däbritz, einer seiner besten Freunde, richtete 2014 den Polterabend für Bachmanns Hochzeit mit seiner „Vicky“ aus.

[….] Däbritz, Security-Unternehmer und Pensionsbetreiber aus Meißen, präsentiert sich bei Schießübungen und spielt in der Footballmannschaft "Suburbian Foxes". Däbritz war Gast bei der Hochzeit der Bachmanns, er ist auch auf unzähligen Fotos in den Facebook-Alben des Paares zu sehen. Ein stämmiger Mann mit Kinnbart und Glatze, der gern ein T-Shirt trägt, auf dem das Wort "Gutmensch" rot durchgestrichen ist. Anlässlich der Hochzeit der Bachmanns regte er eine "Heißwachs-Arschritzen-Enthaarung für Lutz" an und kümmerte sich offenbar um kreative Ideen für den Polterabend. [….]

Noch so etwas Deutsches, das in meinem Erfahrungsschatz fehlt:
"Heißwachs-Arschritzen-Enthaarung für Lutz"

Bachmann saß auch jahrelang im Knast, ist vielfach vorgestraft und mehrfacher Justizflüchtling.
Auch da kann und will ich nicht mithalten.
Dräbitz ist immer noch in Sachsen aktiv und war der Einpeitscher der Menge, die angesichts der Seenotrettungsaktionen im Mittelmeer „ABSAUFEN! ABSAUFEN! ABSAUFEN!“ skandierte.


Ich bin wohl schrecklich undeutsch, wenn ich mich immer noch dafür einsetze ertrinkende Menschen zu retten und sich als guter Gastgeber zu zeigen.

[……]"Dass Menschen im 21. Jahrhundert völlig schamlos, bei hellem Tageslicht, auf einem der berühmtesten Plätze Dresdens rufen, dass Menschen absaufen, also sterben sollen, offenbart ein wirklich unvorstellbares Ausmaß an Werteverlust.
Werte übrigens, auf denen dieses Land fußt, die im Grundgesetz verankert sind.  [….]

Nein, ich bin so gar nicht auf der Seite des patriotisch-deutschen Heimatministers Seehofer, der alles dafür tut, Menschen in Not nicht zu retten, sogar aktiv dazu beiträgt sie außerhalb Deutschlands zu Tode kommen zu lassen.

[…..]    Ende einer dramatischen Rettung, die große Wellen schlägt: Josefa aus Kamerun, die am Dienstag von spanischen Helfern aus dem Meer gezogen worden war, kam am Sonnabend mit dem Rettungsschiff „Open Arms“ auf Mallorca an. Die 40-Jährige war nach ihrem stundenlangen Überlebenskampf im Wasser immer noch schwach und musste zu einem Krankenwagen getragen werden. […..] Während Josefa in einem Krankenhaus versorgt wurde, erhoben ihre Retter von der Hilfsorganisation „Proactiva Open Arms“ schwere Vorwürfe. Die libysche Küstenwache habe die Frau und mindestens zwei weitere Flüchtlinge im Meer zurückgelassen, weil sie sich geweigert hätten, nach Libyen zurückgebracht zu werden. Ihr Boot sei versenkt worden. Josefa überlebte, weil sie sich an ein Stück Holz klammern konnte, eine Frau und ein kleiner Junge ertranken. […..] Der Fall wirft ein Schlaglicht auf die dramatische Lage im Mittelmeer, die sich durch den rigiden Kurs der italienischen Regierung zuspitzt. Rom erschwert dabei nun auch die Rettung von Flüchtlingen durch die sechs Schiffe der EU-Mission „Sophia“, an der auch die Bundeswehr beteiligt ist. […..]  Die EU-Schiffe unter italienischem Kommando sind eigentlich zum Kampf gegen die Schleuserkriminalität vor der libyschen Küste unterwegs, sie nahmen aber seit 2015 auch rund 49.000 in Seenot geratene Flüchtlinge auf und brachten sie in italienische Häfen.
Doch Italien will diese Menschen nicht mehr aufnehmen, Anfang der Woche drohte die Regierung der EU-Kommission schriftlich, italienische Häfen für „Sophia“-Schiffe zu sperren. Das Entsetzen ist groß: „Dass Italien nicht einmal Schiffe einer gemeinsamen offiziellen, auf Bitten Italiens eingerichteten und verstärkten Mission einlaufen lassen will, wenn sie Flüchtlinge an Bord haben, ist der Tiefpunkt der Menschlichkeit“, sagte der EU-Außenpolitiker Elmar Brok. [….]


Sonntag, 22. Juli 2018

Steter Knallchargen-Nachwuchs


Dieses ist eine wahrlich erstaunliche Liste:

Franz Josef Strauß, Josef Brunner, Heinz Lechmann, Friedrich Zimmermann, Anton Jaumann, Max Streibl, Gerold Tandler, Edmund Stoiber, Otto Wiesheu, Gerold Tandler, Erwin Huber, Bernd Protzner,  Thomas Goppel, Markus Söder , Christine Haderthauer, Karl-Theodor zu Guttenberg,  Alexander Dobrindt, Andreas Scheuer und Markus Blume.

70 Jahre CSU-Generalsekretäre und unter ihnen ist kein einziger anständiger Mensch. Fast alle kamen mit dem Strafgesetz in Konflikt, bereicherten sich ungeniert oder fielen mit Lügenmärchen und rassistischen Sprüchen auf.
Einer beging sogar volltrunken einen Totschlag und stieg dennoch immer weiter auf in der CSU.
Kaum zu glauben, daß Generalsekretäre der Bundestagsparteien einst brillante Vordenker und Gelehrte waren.
Die CSU scherte aber diesbezüglich immer aus und sorgte so unfreiwillig auf Bundesebene wenigstens für unterhaltsame Momente.

(….) Ein weiterer Politiker ging zu der Zeit ebenfalls verloren - CSU-Generalsekretär Protzner.

Ein echter CSU-Phänotyp: Aufgedunsen, bierselig, geistig leicht unterbelichtet und über alle Maßen korrupt. Der Kulmbacher wurde später wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig zu einer Strafe von zehn Monaten verurteilt. Das Übliche also.

Der dicke Bernd ist meiner Meinung nach zu Unrecht in Vergessenheit geraten.
Seine Spenden- und Steueraffären wurden zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt publik. Just in dem Zeitfenster, als die CDU ein paar Bauernopfer schassen mußte.
Protzner verlor seinen Bundestagswahlkreis an einen gewissen Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg und wurde vergessen.

Der inzwischen leider verstorbene Journalist Wolf Heckmann würdigte Bernd Protzner ein letztes mal, als er von der „TV-Bundestagsrunde" nach der Hessenwahl berichtete:


Müde Runde ohne Protzner.
  Bonner TV-Plauderei mit neuen Partei-Generälen und alten Ritualen.
Am Abend der Hessen-Wahl gab es bei der Besetzung der „Bonner Runde“ gewiß ein paar Erleichterungen: Natürlich muß man als Journalist heftig bedauern, daß auf Seiten der CSU der Herr Protzner nicht mehr dabei war: Was hat er nicht immer für wunderbare Bemerkungen abgelassen, die man nicht unbedingt in die rechtsradikale Kiste, sondern in die leicht debile bayerische Folklore einordnen konnte. […]“
(HH MoPo 08.02.1999) (……)
(Wie früher, 07.11.2010)

Der gegenwärtige CSU-General schien zunächst ein bißchen aus der Reihe zu tanzen. Einerseits hat er tatsächlich eine Karriere als Tänzer, genauer gesagt als Eistänzer hinter sich, daher verfügt er auch nicht über die typische pyknisch-feiste Alkoholiker-Physiognomie wie Strauß, Tandler, Wiesheu oder Protzner; er ist noch nicht mal im Gesicht so abstoßend häßlich wie Dobrindt oder Söder.
Auch war er in der Vergangenheit nicht als dreister lauter Polit-Prolet bekannt, äußerte sich eher in gemäßigtem Tonfall und schien ohnehin nicht dem obsessiven Drang zu frönen aufzufallen.

Aber nach einigen Monaten im Amt wissen wir von dem 43-Jährigen Münchner nun schon mehr.
Vor dem 18.03.2018 wußte ich auch nur, daß er einer der usual suspects aus der bayerischen Landtagsfraktion war, der gern ultra-konservative Papiere unterschrieb.


(…..) Da die CSU also gerade wieder einmal nichts Sinnvolles zu tun hat, besinnt sie dich auf das einzige, das ihr in den letzten Jahren wirklich gelungen ist: Als xenophobe Rechtsaußen Ressentiments gegen alle Ausländer zu schüren und damit die AfD stark zu machen.
Gerade gibt es einen neuen Vorstoß als Wahlhelfer der Nazis.
CSU und Sachsen-CDU leckten devot den von Frauke Petry hingekotzten Begriff des „Völkischen“ auf.

[….] CSU und Sachsen-CDU preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle"   Vertreter von Sachsen-CDU und CSU stellen einen "Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur" vor.
[….]  Drei Seiten ist das Papier lang. Nach dem Wunsch der Autoren soll es der Auftakt für eine neue Leitkultur-Debatte in Deutschland sein. Verfasst haben es Bundestagsvizepräsident Johannes Singhammer (CSU), der Generalsekretär der Sachsen-CDU, Michael Kretschmer, Sachsens Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU), der Chef der CSU-Grundsatzkommission, Markus Blume, sowie der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Reinhold Bocklet (CSU). [….] Die Autoren preisen "Heimat und Patriotismus" als "Kraftquelle" der Gesellschaft. [….] Eigentlich hat die Sachsen-CDU derzeit drängendere Probleme als eine neue Leitkultur-Debatte - die sächsische Bundestagsabgeordnete Bettina Kudla steht gerade wegen ihres Umvolkungs-Tweets in der Kritik. Und Kudlas Kollegin Veronika Bellmann hat mit der Bemerkung, die CDU dürfe Koalitionen mit der AfD nicht ausschließen, für erheblichen Unmut gesorgt. [….]



Die CSU versteht sich nach wie vor als die christliche Partei, die durch ihre kirchliche Orientierung in einem diametral entgegengesetzten Verhältnis zu den gottlosen Linken steht. (…..)

Der ansehnliche Herr Blume leistete ganze Arbeit in den letzten vier Monaten.
Man muss sein politisches Weltbild also nicht umschreiben. Blume ist genau so eine Knallcharge wie alle seine Vorgänger in dem Amt.

Mit dem radikal-xenophoben Krawallkurs schrumpfte er seine CSU auf 38% und bewerkstelligte es die gesamte bayerische Opposition so zu motivieren, daß sie heute in Myriadenstärke gegen die CSU in seiner Heimatstadt auf die Straße ging.


[….] Doch um 16.45 Uhr verkünden die Veranstalter, dass 50 000 Demonstranten da seien. Die Polizei spricht von 25 000 Teilnehmern. Unter dem Motto "Ausgehetzt: Gemeinsam gegen eine Politik der Angst" richtet sich der Protest vor allem gegen die CSU-Spitzenpolitiker Horst Seehofer, Markus Söder und Alexander Dobrindt.
Zur Demonstration aufgerufen hatte ein ungewöhnlich breites Bündnis aus rund 130 Organisationen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) spricht von einem "Déja vu", er denke an das Konzert auf dem Königsplatz für Geflüchtete vor ein paar Jahren. "Damals waren auch viele da, aber nicht so viele." Es gehe an diesem Tag "um etwas Wichtiges", sagt Reiter, der soziale Frieden sei "hochgradig gefährdet". Doch von München gehe die Botschaft aus: "Wir lassen uns nicht spalten."
Äußerungen wie die vom "Asyltourismus" hätten "Gift ins Land gebracht", sagt ein Redner; Begriffe wie "Anti-Abschiebe-Industrie" förderten Verschwörungstheorien. "Jeder, der sich mit Ausgrenzungen und Pogromen beschäftigt, wird feststellen, dass es immer und überall mit der Verrohung der Sprache beginnt." [….]

Aufstand gegen die CSU? Nach Deutschlands Top-Bischöfen Marx und Bedford-Strom nun auch noch das niedere Volk?
Majestätsbeleidigung; so empörte sich offenbar Blume und ließ in einer Nacht- und Nebel-Aktion ganz München zuplakatieren.

[…..] "Dumm und dreist. So kennen wir die CSU"
Mit einer Plakatkampagne versucht die CSU quasi über Nacht, die Verhältnisse umzudrehen und sich als Opfer von Hetze darzustellen. Unter den #ausgehetzt-Demonstranten sorgt der Versuch für Spott.
"Wir sollten lachend daran vorbeiziehen", sagt Thomas Lechner, einer der Organisatoren der #ausgehetzt-Demo, mit Blick auf die Plakate, welche die CSU über Nacht entlang der Demonstrationsroute geklebt hat. Auf blauem Hintergrund steht "Ja zum politischen Anstand! Nein zu ausgehetzt." Das Logo der Demonstration ist mit roter Farbe durchgestrichen. Nicht alle Demonstranten halten sich an Lechners Empfehlung.
Einige stellen sich davor, um ein Foto zu schießen, andere sagen: "Dumm und dreist. So kennen wir die CSU." Einzelne Plakate sind auch schon kreativ verändert worden. Irgendwer hat den CSU-Schriftzug in der unteren Plakatecke abgerissen und über das Wort "ausgehetzt" geklebt. Nun lautet der Text: "Nein zu CSU." [….]

Blume kann es nicht fassen und verfällt sofort in den vollen Hetzmodus – als wolle er unterbewußt a posteriori die Notwendigkeit der Demo gegen die CSU bestätigen.

[….]  Wütende Bürger protestierten in München gegen einen Rechtsruck in der Gesellschaft und gegen die CSU. Der Generalsekretär der Partei weist diese Kritik zurück - und spricht seinerseits von "Hetze".
[….] "Wer 'CSU-Rassistenpack' skandiert, wer der CSU unterstellt, Konzentrationslager vorzubereiten oder wer die CSU für schuldig erklärt am Tod von Migranten im Mittelmeer, der hat jeglichen Anstand verloren und betreibt übelste Hetze", sagte Blume dem SPIEGEL. "Dass nebenbei auch noch bei der Demo erklärt wird 'Ganz München hasst die Polizei', spricht Bände über den Kreis der Unterstützer auch aus dem linksradikalen Umfeld."
Blume forderte die im Landtag vertretenen Parteien SPD und Grüne dazu auf, "sich von diesen unglaublichen Entgleisungen zu distanzieren". "Es gibt im demokratischen Diskurs auch Grenzen", sagte der CSU-Politiker. "Mit dieser Hetze werden die Bürger zu den Extremen getrieben, das Land gespalten und der demokratische Diskurs vergiftet."
Am Sonntag hatten Flüchtlingshilfeorganisationen, Gewerkschaften, Verbände, Parteigruppierungen, darunter auch Grüne und SPD, Kulturschaffende, kirchliche Einrichtungen und viele weitere die #ausgehetzt-Demo in München unterstützt. Trotz Regens waren dem Aufruf laut Polizei mindestens 20.000 Menschen gefolgt. [….]

Selbstbewußtes Mir-san-mir ist offenbar vorbei in der CSU.
Angesichts des zu erwartenden Rekordverlustes bei der Bayerischen Landtagswahl 2018 beginnt bei den Christsozialen das große Fürchten. Und Angstbeißen.

 [….] Die Volkspartei hat den Bezug zu einem Teil des Volks verloren.
 [….] Die CSU hat sich jedenfalls zu einer einigermaßen närrischen Aktion verleiten lassen.
Es war wohl das erste Mal in ihrer Parteigeschichte, dass die CSU eine in München angekündigte Demonstration so ernst nahm, dass sie am Samstag warnende Zeitungsanzeigen dagegen veröffentlichte; sie hat dann auch noch die Innenstadt mit Warnplakaten pflastern und auf Kleintransportern Warntafeln herumfahren lassen. Dabei waren es nicht etwa die Pforten der Hölle, die sich zur Münchner Kundgebung angemeldet hatten, sondern etwa 150 Initiativen aus allen Bereichen der Zivilgesellschaft, darunter viele kirchliche Gruppen, sehr viele Schüler, Studenten, Gewerkschafter, Künstler, bekannte Musiker, beliebte Bands.
Früher hätte die CSU souveräner reagiert. In ihren starken Zeiten hätte sie eine solche Kundgebung "gegen die Politik der Angst" und gegen "Hass und Ausgrenzung in der Politik" offiziell gar nicht zur Kenntnis genommen; inoffiziell hätte sie erklärt: "Das tun wir nicht einmal ignorieren." Aber diese Zeiten sind vorbei. Die CSU hat Angst, in diesem Fall vor Demonstranten, die ihr vorwerfen, dass sie mit Angst Politik macht und sich ihre Agenda von Rechtsaußenpopulisten vorgeben lässt. Und so hatte die Münchner Demonstration ihren größten Erfolg schon am Samstag, als die CSU vorführte, wie sehr sie der geballte Protest beunruhigt - zumal die Veranstalter ihn auf ihren Plakaten auch personalisiert hatten: gegen Seehofer, Söder und Dobrindt.
Offenbar steckt der CSU der Schock vom 10. Mai noch sehr in den Knochen: Da wurde aus einer Münchner Kundgebung gegen die Verschärfung des Polizeirechts, die von der CSU in brachialer Manier durchgezogen worden war, die größte bayerische Demonstration der vergangenen Jahrzehnte; das neue Polizeirecht wirkte da offenbar wie der Tropfen, der ein Fass zum Überlaufen brachte. Die CSU, die mit so heftigem Protest gegen ihre Politik nicht gerechnet hatte, fiel damals aus allen Wolken ihrer Ahnungslosigkeit. [….]

Ja, doch. Ich bin etwas erstaunt.
Bisher war es das Alleinstellungsmerkmal meiner Sozis in jede Hose zu scheißen, die man ihr hinhielt.
Die depperte Selbstgewissheit der CSUler hingegen schien immer unerschütterlich zu sein.
Nun aber winden sie sich, schlagen Haken oder aber verlegen sich aufs Angstbeißen.

Gesetzestreue war noch nie die Sache der CSU. Man billigte es ihr ob ihrer unbezweifelbaren Machtfülle aber auch zu.
Die bayerische Staatspartei stand doch irgendwie immer über dem Gesetz, konnte sich im Bundeskabinett darauf beschränken grundgesetzwidrige Politik zu planen.
Aber eine 30%+X Partei wirkt verzweifelt. Und verwundbar. Protest? Demokratische Meinungsäußerungen? CSU goes Orbán/Trump/ Erdoğan und versucht Widerspruch zu verbieten.

[……] Die Orbáns von München
 [….] Etwas ganz anderes ist es, wenn Menschen in demokratischen Institutionen sich aufgerufen fühlen, sich für den Erhalt der Regierungsform starkzumachen, der sie die Freiheit verdanken, zu tun und zu denken, was sie wollen - und es ist in gewisser Weise typisch für die schleichende Institutionenverachtung, die Seehofer und seine Mitstreiter in ihrem Projekt illiberaler Demokratie nach dem Vorbild Orbáns vorantreiben, dass sie diese Art der demokratischen Praxis wiederum verbieten wollen.
Der Anlass ist eine Demonstration, die an diesem Sonntag in München stattfindet: Ein breites gesellschaftliches Bündnis hat unter dem Motto "#ausgehetzt - Gemeinsam gegen die Politik der Angst" zum Protest gegen den Rechtsruck in Sprache und Praxis von Politik, Medien, Gesellschaft aufgerufen, unter anderem auch die Theaterleiter Matthias Lilienthal von den Münchner Kammerspielen und Christian Stückl vom Münchner Volkstheater.
Man muss nun den Aufruf nicht mögen und auch nicht die Demonstration, speziell wenn man wie die CSU selbst für die Politik verantwortlich ist, gegen die sich der Protest richtet, indem gegen Geflüchtete gehetzt wird mit Begriffen wie "Asyltourismus", indem ein generelles Bedrohungsszenario kultiviert wird, indem sogar das Helfen in Seenot kriminalisiert wird und damit eine Grenze der Humanität überschritten wird - aber als demokratische Kraft sollte man diesen Protest als entscheidenden Teil einer lebendigen Demokratie sehen.
Und wenn die CSU nun gegen die genannten Theaterleiter vorgeht, mit persönlichen Beschimpfungen und dienstrechtlichen oder vertraglichen Drohungen, weil sie gegen die "parteipolitische Neutralität" verstoßen würden, dann zeigt sich: Sie kann oder will nicht zwischen einer zivilgesellschaftlichen Massenkundgebung und Parteipolitik unterscheiden, sie nutzt Dienstwege, um Menschen einzuschüchtern, sie stellt sich auf die Seite der Hetzer, sie respektiert nicht die Kunst- und Meinungsfreiheit in diesem Land. […..]

Samstag, 21. Juli 2018

Massenhirnvergiftung.


Vor einigen Tagen beklagte sich Tony Schwartz, der Co-Autor von „Art Of The Deal“, der 100% des Buches schrieb, über das Factchecking der seriösen Newssender.
Sie verwendeten viel zu viel Zeit darüber zu orakeln was Trump gemeint haben könne, welche anderen Ansichten es gebe und wie die Fakten wirklich sind.
Das sei erstens überflüssig und überzeuge, zweitens, Trumps Fans ohnehin nicht.
Nur in den Momenten, wenn Trump richtig wütend werde und zum Entsetzen seiner Mitarbeiter off-script seine Tiraden raushaue, sage er seine ehrliche Meinung. Sonst lüge er immer.
Trumps Tweets und sonstigen Aussagen könne man selbstverständlich nicht ignorieren, weil er Präsident sei, aber es reiche, sie kurz zu zitieren und dazu die vier Worte „that is a lie“ anzufügen.

Das scheint mir eine sinnvolle Anregung zu sein, denn das seit drei Jahren betriebene Trump-factchecking zeigt offensichtlich nicht die geringste Wirkung auf seine Anhänger. Weder die hardcore-Basis, die zu seinen „rallys“ kommt, noch die GOPer im Kongress hören auf Trump sklavisch zu unterstützen, nur weil dieser ununterbrochen lügt, daß sich die Balken biegen.

Trump kann für jeden sichtbar Hochverrat begehen und ausgerechnet die republikanischen Wähler, die 70 Jahre lang „extremely hawkish towards Russia“ eingestellt waren, unterstützen den erbärmlichen Kotau ihres Präsidenten vor Wladimir Putin.
Eine CBS-Umfrage ermittelte 68% Support der GOPer für Trumps Helsinki-Debakel.
Andere verzeichnen noch höhere Zustimmung.

[…..] Für den Präsidenten ist wichtig, dass laut Umfrage 79 Prozent der republikanischen Wähler seinen Umgang mit Putin großartig finden. […..]

Eine völlig absurde Situation. Selbst die allerhöchsten Geheimdienstler wie Dan Coats, der "Nationale Geheimdienstdirektor" im Weißen Haus haben nicht die geringste Ahnung was Tölpel-Trump Putin alles zugesagt hat, aber die Republikaner schieben auch das alles unter den Teppich.

[….] Trump hatte sich zwei Stunden allein mit Putin unterhalten, nur Dolmetscher waren anwesend. So weiß jetzt außer Trump keiner in der US-Regierung wirklich, was die Präsidenten besprochen und eventuell versprochen haben. Niemand konnte erklären, was die Russen meinten, als sie am Tag nach Helsinki von "wichtigen mündlichen Vereinbarungen" redeten. Und bei vielen in Washington herrscht blanke Panik, dass Trump, ohnehin keiner, der sich Details und Nuancen eines Gesprächs merkt, von dem psychologisch geschulten Ex- KGB-Offizier Putin über den Tisch gezogen wurde. [….]

Aus amerikanischer Perspektive sollte man angesichts des völlig wahnsinnigen und von seinen Mitarbeitern nicht zu kontrollierenden Trumps, möglicherweise froh sein, daß wenigstens Putin den höchstgefährlichen US-Präsidenten unter Kontrolle hat. Immerhin ist Putin nicht verrückt.

Aber wieso machen ausgerechnet die Republikaner das mit und finden ihren Helden Trump immer noch großartig?


Offensichtlich empfinden diese zig Millionen geistig völlig unterbelichteten amerikanischen Wähler jede Kritik an ihrem Idol als persönlichen Angriff.
Sie verfallen dann pawlowsch in schweren „whataboutism“.

Was war denn mit Clinton? Was war mit Obama? Was ist mit den Demokraten? Die sind alle noch viel schlimmer.

Außerdem sind sie von #45 dahingehend hirnvergiftet, daß sie jede Tatsache, die nicht in ihr völlig verzerrtes Narrativ passt, automatisch als „Fake News“ pulverisieren.

Schuld sind die vielen, mächtigen rechtsradikalen Medien, die mit speichelleckenden Goebbels-Reinkarnationen wie Sean Hannity, Laura Ingraham oder Jeanine Pirro tagtäglich daran arbeiten die USA zu zerstören.

Schuld sind aber auch die durchschnittlich seriösen Medien, die sich alle von Trump auf dessen Terrain locken lassen und seinen hanebüchenen Lügen so viel Aufmerksamkeit schenken.

Ähnlich wie ehrliche, anerkannte Wissenschaftler, die sich die Mühe machen Creationismus zu widerlegen und damit unwillentlich dem totalen Schwachsinn dazu verhelfen auf eine Ebene einer diskutablen Theorie zu steigen, können CBS, CNN und Co nur verlieren, wenn sie immer wieder Trumpologen wie Conway, Miller oder Christie oder Giuliani oder Huckabee-Sanders oder Lewandowski oder Dennard schier endlose Sendezeit einräumen, um ihre „alternative facts“ auszubreiten.
Diese Menschen sind erwiesenermaßen gefährlicher Abschaum, die durch nichts und niemand von ihren bösartigen Wahnideen abzubringen sind.
Don’t feed the troll.

[…..]  How do so many Trump-supporting Republicans — 68 percent, according to one poll — refuse to acknowledge what their eyes and ears told them at the Helsinki summit? […..] 
My goal, when I set out to do research for this article, was to figure out how people who had adopted that mindset could be approached in a way that would cause them to accept that water is wet, blood is red, sandpaper is scratchy and Trump betrayed America to Putin in Helsinki.
The results were not hopeful.
“My hunch is that the bigger phenomenon, the more important phenomenon, is that people always overestimate the amount of attention that anybody in the public is paying to any of this,” Gabriel Lenz, an associate professor at the University of California at Berkeley’s Department of Political Science, told Salon. “So they probably would figure it out if they paid attention but mostly they’re just not and so they’ll fall back on any cues, heuristics they normally use.”
[…..]  Lilliana Mason, an assistant professor in the Department of Government and Politics at the University of Maryland, brought up an additional factor.
“The way that I would come at this is from the literature that studies motivated reasoning, and that I think helps us explain it better,” Mason told Salon. “Motivated reasoning essentially says that we have these two biases that we use in processing information. We have confirmation bias and disconfirmation bias. The disconfirmation bias is the one where we try to ignore information that doesn’t fit the way that we think the world is supposed to be. And the really disturbing part of that is that the people who have the most political information are the ones who are the best at deceiving themselves into making the world the way they want it to be,” she added. […..]