Sonntag, 25. August 2024

Familienstämme

Niemand kann etwas für die Eltern, die einen gezeugt haben. Aber ganz offensichtlich wird man sowohl genetisch, als auch durch ihr habituelles Vorbild geprägt.

Bei sehr beschissenen Eltern besteht eine hohe Chance, selbst auch beschissen zu werden. Dazu muss man sich nur Don Jr., Ivanka, Eric, Tiffany und Barron Trump ansehen.

Aber offenbar gibt es auch noch andere Faktoren, denn sonst könnten Geschwister nicht so unterschiedlich sein. Mein Vater beispielsweise hatte einen Zwillingsbruder, mit dem er so gut wie gar keine Gemeinsamkeit hatte. Es waren nicht nur völlig andere Einstellungen, sondern auch extrem unterschiedliche Talente und Charaktereigenschaften.

Betrachten wir den Gangster und Ku Klux Klan-Mann Fred C. Trump, 1905-1999, der ein besonderes Charakterschwein war. Er kam ganz nach seinem Vater, der halbkriminellen Rotlichtgröße „Friedr. Trumpf“ und zeugte 1946 mit Donald einen Sohn, der charakterlich ebenso verkommen wie er ist; wenn auch wesentlich dümmer. Betrachtet man dazu auch noch Donalds fünf Kinder, könnte man den Eindruck gewinnen, diese Gene und dieser Familieneinfluss brächten nur Abschaum hervor. Aber das stimmt natürlich nicht. 

Donalds ältere Schwester, Maryanne Trump Barry (*1937; †2023) war Staatsanwältin und Richterin am Berufungsgericht des 3. Bundesgerichtskreises der USA und gruselte sich vor den Lügen ihres kleinen Bruders.

Donalds Nichte Mary L. Trump; 1965 als Tochter von Fred Trump Jr. geboren, promovierte in klinischer Psychologie. Sie ist eingetragene lautstarke Demokratin, die mit drastischen Worten, unter anderem in ihrem 2020 erschienene Buch „Too Much and Never Enough“, eindringlich vor ihrem Präsidenten-Onkel warnt.

Donalds Neffe Frederick Crist "Fritz" Trump III., Marys 1962 geborener älterer Bruder, wurde Pilot, wählte 2016 und 2020 ausdrücklich demokratisch, unterstützt jetzt Kamala Harris; unter anderem mit seinem soeben erschienen Abrechnungs-Buch „All in the Family: The Trumps and How We Got This Way.“

Die amerikanische Vorliebe, Söhnen den Vornamen ihrer Väter zu geben und Nummerierungen an ihre Namen zu hängen, resultiert natürlich aus dem Neid auf die in den USA nicht vorhandenen europäischen Adelsfamilien.

Man will sich auch etwas auf seine Herkunft einbilden, obwohl die Aristokratie mit ihrer massiven Inzucht und den Jahrtausenden Krieg, die sie anzettelte, eigentlich zeigt, weswegen man eben nicht aufgrund des Zufalls seiner Geburt, Privilegien genießen sollte.

Donald Trumps Geburt als Nepo-Baby zeigt die Untauglichkeit dieses Prinzips nur zu gut. Zwar erbte er vom Vater und Großvater deren kriminelle Energie, um reich zu werden, aber er ist derartig dumm und indiszipliniert, daß er selbst Unternehmungen wie Casinos, die als Lizenz zum Gelddrucken gelten, unweigerlich immer wieder in die Pleite ritt. Stets musste Papa Fred mit seinen Millionen kommen, um den vertrottelten Sohn aus der Scheiße zu ziehen.

Ohne diese väterliche Hilfe, würde Donald heute als Obdachloser und Gescheiterter unter irgendeiner Brücke hausen und sicher nicht Kinder mit osteuropäischen Supermodels gezeugt haben.

Die schlechten Gene und die miese Erziehung durch die Familie sind nicht alles, wie Maryanne, Mary und Frederik III. zeigen. Es gibt natürlich auch den umgekehrten Fall, wie bei den Kennedys. Eine herausragende liberale und gebildete Politiker-Familie, die in den USA Hochadel-Statur genießt, aber eben auch vereinzelt rechtsradikale Vollidioten, wie RFK hervorbringt.

Robert Francis Kennedy Junior, RFK, 1954 als drittes Kind des legendären Robert F. Kennedy und Neffe des 35. Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy geboren, mischt derzeit den US-Wahlkampf als rechter Verschwörungstheoretiker und Hardcore-Covidiot auf. Der gesamte restliche Kennedy-Clan stellt sich empört gegen ihn. RFK unterstützt nun Donald Trump.

[….] Robert F. Kennedy's sister has said that his endorsement of former President Donald Trump left her "disgusted."

"If my father were alive today, he would detest almost everything Donald Trump represents," Kerry Kennedy told CNN.

"His lying, his selfishness, his rage, his cynicism, his hatred, his racism, his fascist sympathies, his deliberate misinformation about vaccines, his criminal felony convictions, his contempt for the poor and suffering, for ethics, for democracy, and for his cruel sneering at human rights for suffering people in America and around the world, which is the cause that so moved and motivated my father. "I'm outraged and disgusted by my brother's embrace of Donald Trump. I love my brother, but this is an outrage," she said. [….]

(Newsweek, 24.08.2024)

Viele Äpfel fallen sehr sehr dicht am Stamm.

Einige nehmen aber auch eine ganz andere Flugrichtung.

Das ist auch in Deutschland so.

Bern Höckes Großvater war ein ostpreußischer Nazi, der Adolf Hitler bewunderte. Bernd Höckes Vater war ein glühender Faschist, der die antisemitische Zeitschrift Die Bauernschaft des verurteilten Holocaustleugners Thies Christophersen abonniert hatte. Eine ganz üble braune Pest, in die der kleine Bernd 1972 hineingeboren wurde. Er saugte offenkundig begierig des Nazi-Scheiße auf und wurde zu dem Abschaum, der er heute ist.

Es gibt aber auch ganz andere Beispiele.

Hans Frank (1900-1946) war einer der widerlichsten Nazis der Weltgeschichte.

Als Adolf Hitlers persönlicher Rechtsanwalt wurde er Reichsrechtsführer und schaltete die gesamte deutsche Justiz gleich.

Im Krieg wurde er Hitlers Generalgouverneur in Polen, wo er als Massenmörder wütete und schließlich als „Schlächter von Polen“ im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof zum Tode verurteilt wurde. Sein 1939 geborener Sohn Niklas rechnete 1987 in seinem berühmten Werk „Der Vater“ mit ihm ab und setzte sich zeitlebens als überzeugter Antifaschist gegen Leute wie seinen Vater ein.

Ein weniger bekannter Fall ist der 1959 geborene Sigmar Gabriel, dessen Vater Walter Gabriel (1921–2012) zeitlebens ein überzeugter Nazi blieb. Sigmar distanzierte sich schon als Jugendlicher von ihm und wurde dazu animiert, sich während seiner ganzen Karriere als Antifaschist zu engagieren. Insbesondere besuchte Sigmar Gabriel regelmäßig mit Jugendlichen KZ-Gedenkstätten, um über den Holokaust aufzuklären.

[….]  Walter Gabriel, der im Juni 2012 mit 91 Jahren starb, war NSDAP-Mitglied und blieb auch in der Bundesrepublik bei seiner Gesinnung. Gabriel berichtet, dass er im Nachlass Kisten voller rechtsextremistischer Literatur wie „Der Auschwitz-Mythos“ oder „Keine Gaskammern/Holocaust-Legende“ fand, allesamt vom Vater durchgearbeitet und mit Unterstreichung mit dem Lineal versehen.  Walter Gabriel hat demnach an etwa zweitausend Zeitgenossen rechtsextremistische Pamphlete gesandt. Nach seiner Pensionierung als Beamter der Kreisverwaltung Bad Oldesloe sei Walter Gabriel, der aus Schlesien stammte, ein Fulltime-Nazi gewesen. [….]  [Sigmar] Gabriel war seit 1976 Mitglied der SPD-nahen Jugendorganisation Die Falken und engagierte sich gegen die neonazistische Organisation Wiking-Jugend, ohne damals schon von der Gesinnung des Vaters zu wissen. In den 1980er Jahren hatte Gabriel regelmäßig die Gedenkstätten der früheren Konzentrationslager Auschwitz und Majdanek besucht. [….]  Bei der Beerdigung im Juni 2012 habe er am offenen Sarg gestanden und über seinen Vater gedacht: „Mein Gott, dein ganzes Leben hast du vergeudet.“ [….]

(taz, Stefan Reinicke, 10.01.2013)

Samstag, 24. August 2024

Der schwefelgelbe Finanzschädling.

In dieser Angelegenheit bin ich mir mit Robert Habeck absolut einig: Sollte ICH 2025 Bundeskanzler werden, kann Christian Lindner die Koffer packen und wird garantiert nicht noch mal Bundesfinanzminister.

Diese Aussage ist einerseits sinnvoll und wird von hoffentlich allen 83 Millionen Deutschen geteilt, weil es noch nie einen so destruktiven Finanzminister nach 1949 gab. Niemand bei klarem Verstand, kann sich Lindner auf diesen Posten wünschen. Andererseits ist die Aussage auch wenig sinnvoll, da weder Habeck, noch ich, demnächst Bundeskanzler werden.

[…] Der Vergleich zeigt, dass es in anderen Ländern in der Euro-Zone besser läuft. In Spanien ist die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,8 Prozent gewachsen, in Frankreich um 0,3 Prozent, sogar das lange als wachstumsschwach geltende Italien schaffte ein Plus von 0,2 Prozent.  [….]

(Oliver Klasen, 30.07.2024)

Die Lindnerische Voodoo-Finanzpolitik, die einseitig nur die Superreichen beschenkt und Investitionen in die Zukunft blockiert, wirkt dreifach destruktiv:

1.   Trickle Down funktioniert nicht, hat noch nie funktioniert, wird nie funktionieren. Superreiche noch superreicher zu machen, schafft kein nachhaltiges Wachstum, sondern nur astronomische Geldkonzentration in Steueroasen, wie Liechtenstein und den Caymans.

2.   Nicht in Klimaschutz, Infrastruktur, Bildung, erneuerbare Energien und Frieden zu investieren, lässt die Notwendigkeit dieser Investitionen nicht verschwinden, sondern macht sie nur sehr viel teurer. Je länger man wartet, desto schlimmer wird es.

3.   Die grotesk falsche zyklische Lindner-Finanzpolitik, die in der Krise spart, in der Rezession auch noch die staatlichen Investitionen herunterfährt, führt unweigerlich zu einer Rezession. Das ist das kleine ökonomische Einmaleins, das eigentlich jeder Schüler begriffen haben sollte. Außer Lindner.

 

Die Folgen der hepatitisgelben Kabinettsbeteiligung sehen wir inzwischen überdeutlich am Zustand der deutschen Wirtschaft. Insbesondere im Vergleich zu allen anderen Industrienationen, die alle wachsen. Nur die Lindnerische Ökonomie schrumpft. Da schlägt selbst die rechtspopulistische Hetzschleuder BLÖD Alarm.

[….] Konjunktur auf Talfahrt: Hilfe! Unsere Wirtschaft rutscht immer tiefer ab

Dunkle Wolken: Die deutsche Wirtschaft rutscht tiefer in die Krise  [….]  Die schlechten Nachrichten häufen sich. Es droht: eine Dauerkrise bis ins nächste Jahr. [….] Börsenmanager: Sehen schwarz für die nächsten Monate. Der entsprechende ZEW-Index rauschte jüngst auf den tiefsten Wert seit zwei Jahren.[….] Die Ampel hat deswegen ein  Wirtschaftspaket mit 49 Maßnahmen beschlossen. Es muss nun vom Bundestag umgesetzt werden.

ABER: Reicht das, um die Krise zu beenden?

Nein, sagen Experten wie Prof. Sebastian Dullien (49, Institut IMK): „Die deutsche Wirtschaft hat drei Hauptprobleme: mangelnde öffentliche Investitionen, Unsicherheit bei den Energiepreisen und die massive Industriepolitik in USA und China. Keines dieser Probleme wird von der Regierung ausreichend angegangen.“ [….]

(BILD, 23.08.2024)

Aber in diesem Fall sind es nun einmal Fakten: Lindner kann es einfach nicht. Der Mann ist der Bremsklotz Deutschlands.

[….] Die deutsche Wirtschaft hat ihre Talfahrt laut einer Umfrage im August überraschend beschleunigt. Der Einkaufsmanagerindex für die Privatwirtschaft – also Industrie und Dienstleister – sank auf 48,5 Zähler und entfernte sich damit weiter von der Wachstumsschwelle von 50 Punkten, wie der Finanzdienstleister S&P Global am Donnerstag zu seiner monatlichen Firmenumfrage mitteilte. Der Wert markiert ein Fünf-Monatstief. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten einen minimalen Anstieg auf 49,2 Zähler erwartet, nach einem Wert von 49,1 im Juli.

„Diese Zahlen sind ein Desaster. Die Rezession in der deutschen Industrie hat sich im August vertieft, und eine Erholung ist nicht in Sicht“, sagte Chefvolkswirt Cyrus de la Rubia von der Hamburg Commercial Bank (HCOB) – der Sponsorin der Umfrage.

Das Barometer für die Industrie signalisiert, dass der Sektor entgegen den Erwartungen von Fachleuten noch stärker schrumpft: Es sank auf 42,1 Punkte von 43,2 Zählern im Juli. [….]

(Handelsblatt, 22.08.2024)

Die Frage nach dem Warum drängt sich natürlich auf. Wieso handelt Lindner so, obwohl Deutschland dadurch so eindeutig geschadet wird und jeder Ökonom, der halbwegs bei Verstand ist, den FDP-Mann zu einer radikalen Kursumkehr drängt?

[…..] Es reicht, Christian Lindner! [….] Schleift die Schuldenbremse! Sie ist nicht nur ein Fetisch für Leichtliberale, die sich einmauern in den ökonomischen Glaubensgrenzen der 1950er-Jahre – sondern auch ein Wohlstands- und Sicherheitsrisiko für Deutschland. [….] Es reicht, Christian Lindner. Sie sind kein Schatzkanzler, sondern ein Krämer. Kein Finanzminister, sondern ein wirtschaftswissenschaftlicher Trödelhändler. Man könnte auch sagen: eine Wachstumsbremse. Ein negativer Standortfaktor. Ein Sicherheitsrisiko. Ihre Aufgabe als liberaler Finanzminister in einer Ampelkoalition besteht darin, die Expansion sozialdemokratischer Betreuungsprogramme zu stoppen und den missionspolitischen Eifer grüner Transformationsfreunde zu bremsen – nicht darin, den Deutschen ihre Zukunft zu verweigern. Das Land braucht Sie als Wettbewerbswächter in Zeiten staatlicher Großmachtfantasien, als institutionalisierte Einspruchsstelle gegen wirtschaftspolitisches Mikromanagement – nicht als leichtliberalen Hortverwalter, der in einer historisch prekären Lage partout keinen Sinn entwickeln will für den Geldbedarf eines militärisch heruntergewirtschafteten Landes und die Entfesselungskünste des modernen Kreditgelds an der Schwelle industrieller Revolutionen.

Sie stellen die Partei über die Nation, das Überleben der FDP über das Wohlergehen Deutschlands. Sie gefallen sich als deutscher Finanzodysseus, der sich heldenhaft selbst fesselt, um den Sirenengesängen aller Füllhornversprecher zu widerstehen – aber in Wahrheit stehen Sie nur deshalb so fest auf der Schuldenbremse, weil Sie Angst haben, von der Union mal wieder als Bruder Leichtfuß vorgeführt zu werden. [….] Sie meinen, Ihrer Klientel als Zuchtmeister vom Dienst erscheinen zu müssen, als personifiziertes Bollwerk gegen die Verschwendungssucht der Staatsgläubigen, weil Grüne es mit dem Klima übertreiben, Linke immer neue „Kunden“ für sozialpolitische Betreuungsdienste erfinden und Sozen halt nicht mit Geld umgehen können, schon klar. Aber leider ist Ihre parteipolitische Stammtischpflege nicht nur leicht durchschaubar und unendlich ermüdend, sondern auch grob fahrlässig – schlicht unverantwortlich.

Denn die Welt dreht sich ja inzwischen weiter – und Deutschland droht den Anschluss zu verlieren. Die verschleppte Modernisierung der Schulen, Straßen, Schienen und Stromtrassen verzehrt die Substanz des Standorts, schmälert die Wohlstandsrenditen der kommenden Generationen. [….] Nichts sollte uns teurer sein als der Schutz unserer Freiheit. Das müsste eigentlich auch Ihnen und den Liberalen einleuchten. Doch statt Lösungen hören wir von der FDP (und der Friedrich-Merz-Carsten-Linnemann-CDU) nur Losungen, statt frischer Ideen nur verstaubte Phrasen: enge Gürtel und gebundene Hände, schwäbische Hausfrauen und badische Verfassungsrichter. [….] „Die Schuldenbremse entwickelt sich zu einem Sicherheitsrisiko“, sagt Moritz Schularick, Präsident des Kiel Instituts für Weltwirtschaft (IfW): Der Militäretat habe der veränderten Bedrohungslage Rechnung zu tragen; Steuererhöhungen verböten sich angesichts der konjunkturelle Lage – und milliardenschwere Umschichtungen im Haushalt seien kurzfristig nicht zu stemmen. Ja, Herrschaftszeiten, was denn sonst? [….] Was Lindner und Merz nicht verstehen wollen: Sie verweigern sich mit der Diskussion der Schuldenbremse auch einer gehaltvollen Diskussion über konsumtive und investive Kredite, ihre negativen und positiven Renditen – und verpassen damit eine Chance, die rot-grünen Ausgabenfreunde auf der Höhe der makroökonomischen Forschung zu stellen. Statt dessen wärmt man sich an Platons Höhlenfeuer, um noch einmal den Schatten „ewiger Ideen“ gedanklich nachjagen zu dürfen.

Statt dessen mauert man sich ein in den ökonomischen Glaubensgrenzen der 1950er-Jahre und betet sich den Katechismus der Ordos vor: um der Welt, wie sie heute ist, herrlich entrückt zu sein. Stattdessen hält man, trotz „Transformation“, „Zeitenwende“ und „Systemkonkurrenz“, an der Schuldenbremse fest wie ein Priester an seiner Bibel im Sturm um sich greifender Gottlosigkeit: im Namen des Hayeks, des Euckens und des Heiligen Erhards. Amen. [….]

(Wirtschaftswoche, 18.08.2024)

Wieso also, verdammt noch mal, betreibt Lindner diesen Irrsinn?

Neben den naheliegenden, aber verschwörungstheoretischen und nicht verifizierbaren Antworten (Lindner ist dumm wie Bohnenstroh. Lindner wird vom Kreml bezahlt, um Deutschland zu ruinieren,...), gibt es zwei naheliegendere Theorien.

Theorie A: Lindner ist es völlig egal, wie es 99,9% der Deutschen ergeht. Er plant ohnehin, nach vier Minister-Jahren aus der Politik auszusteigen und will dann die ganz große finanzielle Ernte einfahren, indem er bei den 0,1% der Superreichen anheuert, die er noch reicher gemacht hat, um selbst superreich zu werden.

Theorie B: Lindner weiß, wie vollkommen verblödet die Deutschen sind und daher immer noch mehrheitlich der Kleinkind-Vorstellung von der „schwäbischen Hausfrau“-Wirtschaft anhängen, die einfach nur sparen muss, damit alles wieder gut wird. Die Wachstumsbremse ist populär. CDU, CSU, Springer und FDP hämmern dem Urnenpöbel diesen Unsinn so effektiv ein, daß er sehenden Auges die tiefe Rezession und Zukunftsunfähigkeit wählt.

So erhofft sich Lindner wider besseres Wissens den Machterhalt, weil er nun einmal ein zutiefst unseriöser perfider Menschen ist. Statt sein Volk aufzuklären und das zu tun, was notwendig ist, füttert er es absichtsvoll mit Scheiße, um persönlich zu profitieren. Und da er nun mal Christian Lindner ist, spielt er dabei höchst unfair.

[….] Vor der Europawahl warb das Bundesfinanzministerium mit Zeitungsanzeigen für die Schuldenbremse. Das verzerre den politischen Wettbewerb, meinen die Linken. Die Partei hat Finanzminister Lindner nun verklagt. Die Linke klagt vor dem Bundesverfassungsgericht gegen Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Grund sind zwei Zeitungsanzeigen in der der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Werbung für die Schuldenbremse im Wert von knapp 38.000 Euro, die das Ministerium im Mai und Juni vor der Europawahl geschaltet hatte.

Die Linke sieht dadurch ihr Recht auf Chancengleichheit im Parteienwettbewerb verletzt. Das Magazin Der Spiegel berichtete zuerst darüber. Die Nachrichtenagentur dpa zitiert aus der Anklageschrift. Demnach begründet die Linke ihren Schritt in dem Schreiben an das Verfassungsgericht folgendermaßen: Es sei der Bundesregierung und den einzelnen Ministern verboten, Amtsressourcen einzusetzen, um gezielt auf die öffentliche Wahrnehmung und damit auch auf den Parteienwettbewerb einzuwirken.

Andernfalls käme es zu einem erheblichen Wettbewerbsnachteil für diejenigen Parteien, die selbst keine Amtsträger stellten und damit auch keine Zugriffsmöglichkeiten auf staatliche Ressourcen besäßen.  [….]

(Tagesschau, 23.08.2024)

Freitag, 23. August 2024

Chicago DNC4

Als Demokrat und US-Wähler musste ich mir in den letzten acht Jahren viel Gejammer über die Verhältnisse in Washington, die Kandidatenauswahl und das politische System anhören. Dabei trage ich daran weder Schuld, noch Verantwortung. Meinen US-Pass verdanke ich dem puren Zufall meiner Geburt in Deutschland, aber mit einem US-amerikanischen Vater. Wie bei jeder anderen Nationalität, gibt es keinen Anlass, auf etwas stolz zu sein, für das man genauso viel geleistet hat, wie für seine Blutgruppe: Nämlich gar nichts.

Der Zufall, als Kind eines US-amerikanischen Vaters geboren worden zu sein, reicht noch nicht einmal aus, um an den US-Präsidentschaftswahlen teilzunehmen.

Der Vater muss auch noch aus dem richtigen Bundesstaat stammen. Zu den vielen Irrsinnigkeiten des US-Wahlrechts gehört es nämlich, daß jeder Bundesstaat sein eigenes Süppchen kocht, wenn es darum geht, ob und wie im Ausland lebende Landleute, wie zum Beispiel Militärpersonal, wählen dürfen. 12 republikanische Redneckstaaten erlauben das gar nicht, weil Amis durch den Kontakt mit ausländischen Kulturen die notwendige Engstirnigkeit abhandenkommt und sie so Gefahr laufen, die Demokraten zu wählen.

[…..] If neither of your parents were U.S. citizens who had established residency and then moved from one of the 38 U.S. states, plus DC, that allow voting for their children born abroad, but rather, if they were resident in one of the 12 U.S. states or 4 U.S. territories that do not pass voting rights to children born abroad who never resided in the U.S., then unfortunately, you do not inherit voting rights. These states are: AL, AR, FL, ID, IN, LA, MD, MS, MO, PA, TX, and WY. The U.S. territories are AS, GU, PR and VI. […..]

(Overseas Vote Foundation)

Es ist ein interessantes Verfassungsverständnis. Da haben US-Bürger willkürlich mal das Wahlrecht, mal nicht. In meinem Fall gibt es familiäre Verbindungen nach Kalifornien, Ohio, Pennsylvania und New York. Ich lebte zuletzt als Kleinkind eine Zeit in New York; habe dort das Wahlrecht, weil der Staat letzter Wohnsitz meiner Eltern war. Dort zu wählen, hat allerdings keinerlei Relevanz. Wie auch Ca, ist NY ein sicherer blauer Staat. Es gehen also immer alle Wahlmännerstimmen an dieselbe Partei. So generierte Hillary Clinton im Jahr 2016 auch ihre 66 Millionen Stimmen – immerhin fast drei Millionen mehr Stimmen, als Trump.

Aber wertlose Stimmen. Präsident wurde der Gaga-Orang mit einer deutlichen Minderheit der absoluten Stimmen. Aber Trump hatte die wertvolleren Stimmen in den relevanteren Staaten.

Könnte ich es mir aussuchen, würde ich lieber meine Stimme über den Wohnsitz einer meiner Tanten oder Cousins in Ohio abgeben. Das sind Präsidentschaftswahl-entscheidende Stimmen. Der klassische Swingstate kann den Ausschlag geben.  Aber Ohio lässt mich nicht zu, weil in dem Fall mein Verwandtschaftsgrad nicht ausreicht:

A U.S. citizen who has never resided in the U.S. and has a parent or legal guardian that was last domiciled in Ohio is eligible to vote in Ohio.

Zum Wählen wird man nicht etwa, wie in Deutschland, automatisch benachrichtigt, sondern muß sich alle zwei Jahre erneut registrieren lassen. Den Prozeß habe ich inzwischen zwei Dutzend mal durchlaufen und kann voller Stolz berichten, wie kurzweilig das ist, da permanent an den Wahlmodalitäten gefeilt wird.

Immer gibt es andere Regeln, andere Ansprechpartner, andere Formalitäten.

Je nachdem, wer gerade regiert, steht der Sinn mal danach, möglichst viele Amerikaner wählen zu lassen und mal danach, möglichst viele vom Wählen abzuhalten.

Seit den Präsidentschaftswahlen 2020 haben die GOP-regierten Bundesstaaten hunderte Gesetze erlassen, die Wähler ausschließen.

Die gute Nachricht für mich: In New York will mich niemand vom Wählen abhalten.

Die schlechte Nachricht für mich: Ob ich dort meine Stimme abgebe, oder nicht, spielt keine Rolle für das Endergebnis.

Wenn ich nach der US-Wahl gefragt werde, hatte ich bisher die Möglichkeit, Anekdoten über das Wahlrecht zu erzählen, die sehr ordentliche politische Bilanz Bidens zu verteidigen oder das „Todschlagargument Trump“ zu bemühen. Ich würde auch einen Hamster wählen, wenn das die Wahrscheinlichkeit einer nächsten Trump-Präsidentschaft verringert.

Nun, nach dem Ende des viertägigen demokratischen Nominierungsparteitages in Chicago, benötige ich Trump kaum noch als Argument für meine Wahlentscheidung. Ich wähle nun nicht mehr ausschließlich gegen eigene Partei, sondern FÜR Harris. Für Walz. Für Buttigieg. Für Blinken. Ich möchte sie gerne im Oval Office sehen.

[….]  Vier Tage haben sie gefeiert, getanzt, gesungen, haben Witze gerissen und Freudentränen vergossen. Erst ganz zum Schluss wird es ernst, als Kamala Harris darlegt, warum sie die nächste US-Präsidentin sein sollte. Es ist eine pragmatische, politische Rede, voller Kampflust und Pathos.

Danach trudeln 100.000 Luftballons von der Hallendecke, und die Delegierten des Parteitags werden zu grölenden Kindern. Harris strahlt, kichert, lacht. Sie ist die Kandidatin der Lebensfreude. Sie stürzt sich mit Lust und guter Laune in die Aufgabe, die Welt vor Donald Trump zu retten. Life is hard, life is beautiful, life is fun.

Etwas Unerwartetes ist passiert in Chicago. Die anfängliche Euphorie, die Harris mit ihrer Last-minute-Kandidatur ausgelöst hat, entpuppte sich als nachhaltig. Was die Demokraten spüren, ist mehr als ein flüchtiger Rausch, nach dem sie wieder in ihren typischen Trübsinn verfallen, in Selbstzerfleischung, Pessimismus und Resignation. Nein, diese hochprozentige Dopaminspritze von Illinois dürfte noch länger wirken, zumindest bis zur Wahlnacht am 5. November.

Die Partei ist aus der tiefen Depression erwacht, in der sie seit 2016 steckte, seit dem Schock der Niederlage gegen Donald Trump. Acht Jahre lang irrten die Demokraten durchs Labyrinth der Selbstzweifel, aus dem sie auch der Wahlsieg Joe Bidens 2020 nicht herausführen konnte. Es war wie bei einer kaputten Liebe, nach der man keinem Glück mehr trauen mag.  [….]

(Marc Pitzke, 23.08.2024)



Donnerstag, 22. August 2024

Chicago-DNC3

Natürlich, als Gouverneur verfügt Papa über eine gewissen Prominenz.

Aber es ist kein riesiger, bedeutender Bundesstaat, wie Texas oder Kalifornien, sondern das eher unbekannte Minnesota im Norden. Außerdem sind die Eltern nicht reich, kommen beide aus kleinen Verhältnissen, waren die längste Zeit des Lebens Lehrer in der Provinz. Das änderte sich alles schlagartig, als Kamala Harris Papa als ihren Running Mate aussuchte. Gut möglich, daß er nächster Vizepräsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird. Nun steht er im Zentrum der Weltöffentlichkeit, hält eine furiose Rede in einer mit Menschen vollgepackten gewaltigen Arena, global übertragen, und macht eine Liebeserklärung an seine beiden Kinder und die Ehefrau. Nur zu verständlich, daß der Jüngste, der stolze Sohn Gus, mit seinen 17 Jahren, von Gefühlen überwältigt wird und ihm die Tränen kommen.

Bei den maximal gebotoxten und zugekoksten Trump-Blagen, die ihr Leben lang in Privatjets flogen und nie das kleinste Bißchen Wärme oder Zuneigung erlebten, ist das natürlich anders. Die verziehen keine Mine, egal was ihr Vater anstellt. Aber an die Namen einiger seiner Kinder kann sich DonOLD ohnehin nicht erinnern; er weiß nur, wer Ivanka ist, die er nämlich sexuell begehrt.

Normale menschliche Regungen sind den Republikanern zutiefst suspekt und so ziehen sie abfällig über den Teenager Gus Walz her.


Diese kleine Episode illustriert sehr schön den Unterschied der beiden VP-Kandidaten. Ihr Einfluss auf die Wahlentscheidungen gilt prinzipiell als zu vernachlässigen. Aber das Rennen zwischen Harris und Trump ist sehr eng. Und der Eine, Walz, erobert die Herzen der Nation im Sturm; während der Andere, Vance, als maximal creepy gilt und es vermag, mit jedem Fernsehauftritt noch abstoßender zu wirken.

[…..] And don't even get me started on his new running mate! At least Mike Pence was polite. JD Vance is one of those guys who thinks if you don't live the life that he has in mind for you then you don't count. Someone who said that if you don't have kids you have, quote, no physical commitment to the future of this country. You know senator when I deployed to Afghanistan I didn't have kids then. Many of the men and women who went outside the wire with me didn't have kids either. But let me tell you our commitment to the future of this country was pretty damn physical! Choosing a guy like J Vance to be America's next vice president sends a message and the message is that they are doubling down on negativity and grievance committing to a concept of campaigning best summed up in one word: Darkness. Darkness is what they are selling   […..]

(Pete Buttigieg’s DNC remarks, 21.08.2024)

Wie ich gestern schon bemerkte, haben die Demokraten, gerade in dem Alter um die 40, eine Menge richtig toller Leute. Wie könnte man Verkehrsminister Pete Buttigieg, 42, nicht mögen?

Was für ein ungeheuerlicher Kontrast zu den fanatischen, zutiefst bösartigen und ultrabornierten Weirdos, wie Handjob-Bobo-Boebert, Ken-doll Gaetz, Klan-mum MTG und Manliner-Vance aus dem Psycho-Zoo des Orangen Universums.

Buttigieg ist das Paradebeispiel dafür, wieso sich die USA eben nicht in die von Trump gewünschte Vergangenheit zurückbewegen sollten, als reiche, weiße, christliche Hetero-Cis-Männer allein bestimmten, wo es lang geht und alle anderen nach Herzenslust diskriminiert wurden. Buttigieg vom „team normal“.

[…..] Let me insist that I have come to this view not by way of idealism but by way of experience. Not just the experience of my unlikely career. Someone like me serving in Indiana, serving in Washington, serving in uniform. I'm thinking of something much more basic. I'm thinking of dinner time at our house in Michigan when the dog is barking and the air fryer is beeping and the mac and cheese is boiling over and it feels like all the political negotiating experience in the world is not enough for me to get our three-year-old son and our three-year-old daughter to just wash their hands and sit at the table.  It's the part of our day when politics seems the most distant and yet the makeup of our kitchen table the existence of my family. It's just one example of something that was literally impossible as recently as 25 years ago when an anxious teenager growing up in Indiana wondered if he would ever find belonging in this world. This kind of life went from impossible to possible from possible to real from real to almost ordinary in less than half a lifetime. But that didn't just happen. It was brought about through idealism and courage through organizing and persuasion and storytelling and yes through politics. […..]

(Pete Buttigieg’s DNC remarks, 21.08.2024)

Zentraler Punkt des gestrigen, dritten DNC-Tages war natürlich die Vorstellung des VPs Tim Walz.

[….] Der Mann hält eine Rede wie eine Kabinenansprache. Was soll man auch anderes erwarten, er war schließlich mal Trainer der Footballmannschaft seiner Highschool. »Das ist das Endspiel«, ruft Tim Walz den Delegierten des demokratischen Parteitags in Chicago zu. »Wir sind kurz vor Schluss, und wir haben den Ball.« Die Menge jubelt ihm ekstatisch zu, Tausende Cheerleader für den »Coach«.

Dann hebt Walz zum Rundumschlag gegen Donald Trump und dessen Vize-Kandidaten J.D. Vance an: »Wenn man in einer Kleinstadt aufwächst, weiß man, wie man füreinander einsteht. Man kümmert sich um seine Nachbarn.« Doch, so schiebt er später hinterher, einige wüssten wohl nicht, wie man sich als guter Nachbar verhält. »Nehmen wir zum Beispiel Donald Trump und J.D. Vance. Echte Anführer verbringen nicht den ganzen Tag damit, andere zu beleidigen.«

An diesem dritten Tag des Parteikonvents der US-Demokraten ist deutlich zu spüren: Kamala Harris und ihr Vize-Kandidat Walz vollziehen bei ihren Attacken gegen den Gegner Trump einen Strategiewechsel. Statt ihn wie bislang allein als Gefahr für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zu brandmarken, zeichnen sie ihn nun auch als lächerliche Figur, als Betrüger, als Mann von gestern. Trump soll in den Augen des Publikums gleichsam »schrumpfen«: Statt als großen Dämon wollen die Demokraten ihn vor allem als kleinen Mann mit schlechtem Charakter erscheinen lassen.

Offenkundig haben Harris, Walz und ihre Berater aus vergangenen Wahlkämpfen gegen Trump ihre Konsequenzen gezogen. Inzwischen wird es bei den Demokraten intern als Fehler angesehen, dass die Partei jahrelang allein mit böser Empörung auf Trumps Provokationen reagierte. Damit habe man Trump erst die Gelegenheit gegeben, die Debatte und auch die Berichterstattung der Medien zu dominieren, heißt es. Nun stellen die Demokraten Trumps persönliche Attacken auf ihre Kandidatin Harris lieber als langweilige Show dar, die am besten abgesetzt werden sollte. [….]  


 Zwar warnten Michelle und Barack Obama natürlich vor den Gefahren einer zweiten Amtszeit Trumps, doch mehr noch machten sie sich über ihn lustig. Der Ex-Präsident spottete über die »komische Obsession« seines Nachfolgers mit Zuschauermengen und Einschaltquoten und machte dazu eine Handbewegung, die auch mangelnde anatomische Größe suggerieren könnte; der Moment wurde zum viralen Videoclip.
[….]

(Nelles, Pitzke, 22.08.2024)

Unübertroffen war aber, wie immer seit 30 Jahren, Bill Clinton. Er ist der Beste.

Mittwoch, 21. August 2024

Chicago-DNC2

Als Amerikaner, Demokrat, radikaler Anti-Trumper und Polit-Nerd, gucke ich natürlich ohnehin alle vier Jahre intensiv alle vier Tage des Nominierungsparteitages. Aber der zweite Tag, gestern, der im Zeichen der abtrünnigen Republikaner stand, die jetzt für Kamala Harris werben, wäre ohnehin TV-Pflichtprogramm gewesen, weil ich ein Riesenfan der republikanischen Polit-Strategin Ana Navarro bin, die gestern die Ehre hatte, Host des Abends zu sein.

Navarro, wortgewaltige und mit enormen Witz gesegnete TV-Persönlichkeit, ist Trumps Nemesis seit 2015. Sie versuchte ihn mit aller Macht 2016 als GOP-Kandidaten zu verhindern, drohte an, erstmalig nicht zur Wahl zu gehen und entschied sich auf den letzten Metern sogar dazu, Hillary Clinton zu wählen. Während der vier Horror-Jahre des IQ45 intensivierte sie ihren Kampf und verkündete 2020 voller Stolz und Überzeugung, Joe Biden zu wählen. Sie ist 2024 immer noch eingetragene Republikanerin, hat aber keine Gemeinsamkeiten mehr mit dem orangen Gaga-Kult, zu dem ihre Partei mutierte.

In der US-amerikanischen Politik gibt es immer vereinzelte Abtrünnige, die temporär für die andere Partei werben.

Dieses Jahr sind es aber mehr denn je. Fast alle Mitglieder aus dem Trump-Kabinett 2017-2021 sprechen sich gegen ihn aus, sogar sein so treuer Vize Mike Pence wendet sich ab.

[….] Man darf davon ausgehen, dass Stephanie Grisham die Familie Trump gut kennt. Sie war von 2017 bis 2019 Pressesprecherin der ehemaligen First Lady Melania Trump. Dann war sie Sprecherin von Donald Trump; und arbeitete anschließend wieder für Melania. Auf der Bühne in Chicago sagt Grisham gerade, dass sie Trump früher glühend unterstützt habe. Aber: »Ich habe ihn gesehen, wenn die Kameras ausgeschaltet waren«, so Grisham weiter. »Hinter verschlossenen Türen verhöhnt Trump seine Anhänger.« Er habe kein Einfühlungsvermögen, keine Moral und keine Treue zur Wahrheit.  Jetzt unterstütze sie Kamala Harris, sagt Grisham. »Sie respektiert das amerikanische Volk.«  […..]

(SPON, 20.08.2024)

Es ist offenkundig: Jeder, der den privaten, echten Trump hinter den Kulissen erlebte, ist hochgradig schockiert über seine Borniertheit. Der ehemalige US-Sicherheitsberater General H.R. McMaster warnt in seinem Buch »At War With Ourselves« eindringlich vor seinem ehemaligen Chef.

[….] »Putin, ein rücksichtsloser ehemaliger KGB-Mann, bediente Trumps Ego und seine Unsicherheiten mit Schmeicheleien«, schreibt McMaster in seinem Buch. »Putin hatte Trump als ›eine ganz herausragende Person, talentiert, ohne jeden Zweifel‹ beschrieben, und Trump hatte seine Anfälligkeit für diese Herangehensweise, seine Vorliebe für starke Männer und seinen Glauben, dass er allein eine gute Beziehung zu Putin aufbauen könne, offenbart.« Der Einfluss des Kremlchefs auf Trump sei geradezu hypnotisch gewesen.

Mehr zum Thema[….] Nach seinem ersten Treffen mit Putin während des G20-Gipfels in Hamburg prahlte Trump, man habe sich »sehr gut verstanden«. Eingangs des gemeinsamen Gesprächs hatte der Kremlchef bereits sein Entzücken darüber ausgedrückt, den Republikaner persönlich zu treffen. McMaster schreibt nun, er habe Trump damals vor Putin gewarnt: »Herr Präsident, er ist der beste Lügner der Welt.« Der General habe zudem Putins Zuversicht angedeutet, mit »Trump ›spielen‹ zu können und zu bekommen, was er wollte: Die Aufhebung der Sanktionen und den Abzug der USA aus Syrien und Afghanistan, indem er Trump mit zweideutigen Versprechungen einer ›besseren Beziehung‹ manipulierte«. Trump sei wegen McMasters negativer Einstellung jedoch ungeduldig geworden.

Ihm sei es wichtig gewesen, seine Meinung dennoch kundzutun, so McMaster. Trump habe von ihm Rat gewollt, aber auch Bewunderung, sagte er im Gespräch mit CBS Sunday Morning . »Ihm gefällt die Bewunderung sehr. In vielerlei Hinsicht ist er geradezu süchtig nach Bewunderung, von seiner politischen Basis, von den Menschen um ihn herum.« In autoritären Führungspersönlichkeiten wie Putin sehe Trump die Fähigkeiten, die Leute auch in ihm sehen sollen, so der ehemalige Sicherheitsberater. [….]

(SPON, 21.08.2024)

Bis in die letzten Tage der Trump-Amtszeit konnte man sich nicht vorstellen, daß der bis zur absoluten Selbstaufgabe loyale Mike Pence von seinem  orangen Idol abrücken würde, aber als er aufgehängt werden sollte, wurde es selbst ihm zu viel.

Am DNC-Tag 2 erinnerte der Abgeordnete Raskin eindrücklich an die Vorkommnisse.

[….]  “Remember what the mob chanted as they stormed the Capitol and injured our officers? ‘Hang Mike Pence.’ Someone should have told Donald Trump that the president’s job under Article 2 of the Constitution is to take care that the laws are faithfully executed, not that the vice president is executed.” [….]

(Jeremy Raskin, 20.08.2028)

Meines Erachtens hat das politische System der USA mehr Schwächen, als Stärken. Der auf Einzelpersönlichkeiten zugeschnittene Geld-intensive Kampf im Mehrheitswahlrecht, scheint mir dem deutschen Parteiensystem klar unterlegen.

Aber es bringt exzellenter Redner hervor, die offenkundig in Debattierclubs und im Ringen um die Wahlkreise geschliffen werden.

Auf dem DNC erlebt man eine Vielzahl phantastischer Redner. Kaum einer versagt am Mikrofon; alle bieten hohen Unterhaltungswert. Meist ist man enttäuscht, wenn ihre Redebeiträge enden, weil man ihnen gern länger zugehört hätte.

Kein Vergleich zu den öden deutschen Parteitagen, auf denen mitreißende Redner absolute Mangelware sind.

Die Texanerin Jasmine Crockett, Abgeordnete aus dem County Dallas South im Kapitol, ist ein gutes Beispiel. Die 43-Jährige wurde 2023 erstmals in das Repräsentantenhaus gewählt und kann mühelos eine Halle mit Zehntausenden Zuschauern unterhalten.

Es kommt Freude auf.

[….] Als Hillary Clinton in Chicago an der Reihe ist Harris ihren Segen zu geben, spricht sie von einem „neuen Kapitel in der amerikanischen Geschichte“, von etwas, „auf das wir so lange hingearbeitet, von dem wir so lange geträumt haben“, „von einer Zukunft, wo es keine gläserne Decke für unsere Träume gibt“.

Sie träumt noch immer von einer Präsidentin im Weißen Haus. Und sie träumt nicht alleine. Der trunkene Kamala-Rausch der Demokraten – keine und keiner der scharfen Harris-Kritiker.innen will hier in Chicago mit nüchternen Worten stören – wirkt ansteckend. Je nach Umfrage führt Harris auf nationaler Ebene im Moment mit 3 bis 6 Prozent vor dem republikanischen Kandidaten Donald Trump. Wer im November vorne liegen wird, ist damit nicht gesagt. Blaue (Farbe der Demokraten) und rote (Republikaner) Linien laufen in Grafiken, die die Ergebnisse von Wahlumfragen abbilden, noch relativ parallel. Aber es ist denkbar. Bei Joe Biden war das anders.  [….]

(Barbara Junge, 21.08.2024)

Raskin oder Crockett sind nur die Fußsoldaten. Die Demokraten verfügen mit Michelle Obama, Bill Clinton und Barack Obama aber auch noch über Weltklasse-Redner.

[….]  Das Publikum skandiert: »Do something! Do something! Do something!« Viele sind zu Tränen gerührt, filmen auf ihren Handys mit, andere machen sich handschriftliche Notizen, als würden sie einer Hohepriesterin zuhören. Michelle Obamas Rede hat in der Tat die Kadenz einer Predigt, und viele antworten ihr mit »Yeah«, wie in einer Baptistenkirche. Man kann verstehen, warum die Republikaner lange Angst hatten, dass sie – und nicht Harris – als Kandidatin an Bidens Stelle treten könnte.  Auch bei Ihrem Mann spürt man, dass er immer noch der beste Redner seiner Partei ist, wenn nicht der ganzen USA. Seine Mischung aus Humor, Spitzen und Kritik, der gospelartige Singsang, sein Tremolo und die amüsiert-indignierte Mimik, eine Hand in der Hosentasche. Für Trump zum Beispiel hat er – wie auch seine Frau – nur Verachtung übrig: Es wäre fatal, wenn das Land das Chaos der ersten Trump-Amtszeit erneut durchleben müsste. »Trump ist wie ein Nachbar, der seinen Laubbläser 24 Stunden am Tag laufen lässt«, sagt Obama. Also einfach nur nervig. […..]

(Nelles, Pitzke, 20.08.2024)

Aber selbst Obama konnte sich einen ganz besonderen Tiefschlag gegen DonOLD nicht verkneifen.