Freitag, 15. Juli 2022

Geschichte wiederholt sich

Keiner weiß genau wieso, aber ausgerechnet bei der Bundestagswahl 2009, also ein Jahr nach dem weltweiten Börsen- und Finanzcrash, der alle Glaubenssätze des Neoliberalismus pulverisierte, dachte sich der deutsche Urnenpöbel „ach, jetzt ist mal genug mit den Sozialausgaben, wählen wir doch mal mit Rekordergebnis die neoliberale FDP in die Regierung!“

Es kam wie es kommen musste: Nicht nur hatte sich das primitive politische Programm der peinlichen Partei – Steuern senken für die Superreichen, Sozialausgaben runterfahren, den Markt total deregulieren – als absolut toxisch für die ganze Welt herausgestellt. Nein, der gesamten FDP war auch nichts anderes eingefallen. 15% brachten fünf Ministerien – darunter das Entwicklungshilfeministerium für den FDP-Waffenlobbyisten Dirk Niebel, der im Wahlkampf vehement gefordert hatte, das Entwicklungshilfeministerium abzuschaffen. Die FDP-Minister waren a) unerfahren und b) faul. Sie holten Lobbyisten direkt in die Ministerien, verteilten Milliardengeschenkte an ihre reichen Parteispender und nutzen die Regierungsbehörden, um hunderte treue FDP-Parteigänger ohne jede fachliche Qualifikation mit hoch dotierten Beamtenposten zu versorgen. Westerwelle war omnipräsent, auch der neue Generalsekretär Christian Lindner drängte vor jede Kamera. Allein, es konnte nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Hepatitisgelben eine Sache absolut nicht konnten: Regieren. Alle fünf FDP-Minister waren Lachnummern; von 15% bei der Bundestagswahl ging es kontinuierlich bergab auf unter 5%. Nach zwei Jahren warf Lindner jammernd hin und suchte das Weite. Großzampano Westerwelle war als Vizekanzler und Außenminister so hoffnungslos überfordert, daß er den Parteivorsitz ausgerechnet an das niedersächsische Küken Philipp Rösler verlor, der wiederum als Wirtschaftsminister so debakulierte, daß er selbst von Satirikern nur noch mitleidig als „unser kleiner Fipsi“ belächelt wurde. Als tausende „Schlecker-Frauen“ durch die Pleite ihre Jobs verloren, zuckte der zuständige Rösler mit den Schultern und erklärte, diese könnten sich ja „um eine Anschlussverwendung bemühen“.

Schnell machte der Spruch von „der schlechtesten Bundesregierung seit 1949“ die Runde und der Spiegel titelte verzweifelt „AUFHÖREN!“

[….] Angela Merkel steht vor den Scherben ihrer Kanzlerschaft. Ihr Sparpaket stößt auf Widerstand, der Konflikt unter den Koalitionspartnern eskaliert, das Vertrauen ist aufgebraucht. Der Tag der Bundespräsidentenwahl könnte das Ende der Regierung bedeuten. [….]

(DER SPIEGEL 24/2010)

Da die regierungsunfähige FDP offenkundig nicht mit praktischer Politik überzeugen konnte, schaltete sie um in den Raufboldmodus, sabotierte die eigene Regierung und zettelte Streit an, um überhaupt noch vorzukommen.

Ihr eigener Wunschpartner von der CDUCSU nannte die daraufhin öffentlich „Gurkentruppe“ und Wolfgang Kubicki sagte den einzig richtigen Satz seiner Politikerkarriere; die FDP stehe unter Generalverschiss.

Der Urnenpöbel erkannte seinen riesigen Fehler von der Bundestagswahl 2009 und strafte Westerwelle/Lindner/Rösler bei den nächsten Wahlen brutal ab.

[…] - Nordrhein-Westfalen (9. Mai 2010): Die FDP erhält 6,7 Prozent und fliegt aus der Regierung. […]

- Sachsen-Anhalt (20. März 2011): Mit nur 3,8 Prozent fliegt die FDP nach neun Jahren aus dem Magdeburger Landtag.

- Rheinland-Pfalz (27. März 2011): Die Liberalen scheitern mit einem Ergebnis von 4,2 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.

- Baden-Württemberg (27. März 2011): 5,3 Prozent reichen der Partei gerade so, um im Landtag zu bleiben. In ihrem Stammland ist das Ergebnis gleichwohl miserabel. Die FDP muss in die Opposition.

- Bremen (22. Mai 2011): Mit 2,4 Prozent fährt die FDP ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis ein und fliegt aus der Bürgerschaft.

- Mecklenburg-Vorpommern (4. September 2011): Von 9,6 Prozent im Jahr 2006 stürzt die FDP auf 2,8 Prozent ab und muss raus aus dem Landtag.

- Berlin (18. September 2011): Die FDP fährt desaströse 1,8 Prozent ein - ihr bislang schlechtestes Ergebnis in Berlin.

- Saarland (25. März 2012): Die FDP im freien Fall - 1,2 Prozent sind das schlechteste Ergebnis, das sie jemals in einem westlichen Bundesland bei einer Landtagswahl erzielt hat.  […]

(Zeit, 06.05.2012)

Bei der Bundestagswahl 2013 wurde die FDP völlig gerechtfertigt zur außerparlamentarischen Opposition (APO) bestimmt.

Zu Merkels großem Unglück vertrug die SPD die zweite Groko sehr schlecht und wollte nach der Bundestagswahl von 2017 nach dem Rücksturz des verzweifelten Martin Schulz auf 20,5%, in die Opposition.

Die Kanzlerin musste über eine Jamaika-Koalition verhandeln, für die der grüne Verhandlungsführer Habeck bereitwillig alle grünen Prinzipien opfern wollte. Es lag nun an der FDP. Im Gegensatz zu seinen Amtsvorgängern Westerwelle und Rösler verfügte Christian Lindner aber über so viel Realitätssinn zu wissen, was seine Partei nicht kann: Regieren! Ohne Konzept und ohne Personal blieb Lindner wieder einmal nur die Flucht vor der Verantwortung, wie er es schon so oft in seiner  „Karriere“ getan hatte. Bundesregierung? Ohne ihn! Mit seiner Liebe zum hohlen Pathos stellte sich Lindner allerdings selbst ein Bein; 2021 konnte er nicht erneut heulend wegrennen und musste in der Regierung mitmachen.

Diesmal unter für ihn doppelt schwierigeren Bedingungen: Er musste in die ungeliebte Ampel mit einer selbstbewußten SPD und es gab keine rechnerische Alternative.

Im Regierungsalltag wiederholt sich nun auf frappierende Weise die Geschichte.

Alle FDP-Minister sind unfähig, blockieren sinnvolles Regierungshandeln mit ihrer Covitioten-Affinitität und der strikten Weigerung, die klima- und energiepolitischen Realitäten anzuerkennen.

Die Gelben verhindern vorausschauende Corona-Politik, verweigern sinnvolle Energie-Sparmaßnahmen wie das Tempolimit mit hanebüchenen Begründungen – man habe in Deutschland nicht genügend Schilder – und subventioniert gleich mit zwei milliardenschweren Maßnahmen den Energieverbrauch.

(…) Was macht man, wenn es an einer Ware wie Gas extrem mangelt?

Da gibt es prinzipiell zwei politische Stellschrauben. Einerseits auf der Angebotsseite für mehr Gas zu sorgen. Das tat Habeck, indem er bei jedem noch so dubiosen und noch so teuren Staat zusätzliches Erdgas einkaufte. Andererseits auf der Nachfrageseite für weniger Gasverbrauch zu sorgen. Hier haben wir die FDP, die ernsthaft Gasverbrauch sogar subventioniert und Milliarden Euro dafür ausgibt, damit die Menschen mehr Energie und mehr Gas verbrauchen.

Drei Beispiele:
1.) Blockade des Tempolimits

2.) Drei Milliarden aus Lindners Kasse für den Tankrabatt, um Porschefahrer wie ihn oder Privatflugzeugflieger wie Fritz Merz zu pampern.

3.) Fünf bis sechs Milliarden Euro Betriebskostenzuschuss für energieintensive Betriebe, damit viel Gasverbrauch belohnt wird. Das sind direkte Energiepreissubventionen für die Industrie – der Steuerzahler löhnt - für Lindners superreiche Industriefreunde.

Das ist FDP-Politik aus der Hölle. Absurder hätte es sich kein Schildbürger ausdenken können. (…)

(Deutschland sitzt in der Scheiße, 11.07.2022)

Geschichte wiederholt sich. Wir sind zurück in das Frühjahr 2010 gesprungen, als Deutschland mit offenen Mund fassungslos auf das Totalversagen der FDP-Minister starrte.

Die selbsternannte Bildungspartei FDP stellt mit Frau Stark-Watzinger nicht nur die Bildungsministerin, sondern auch die unbekannteste Ministerin. Auch die einzige Frau in der gelben Regierungstruppe ist heillos von ihrem Ministerium überfordert. Nach einem Dreivierteljahr kommt sie das erste mal in der Presse vor. In der akademischen Welt wird gespart.

[…] Forschung: "Die Verunsicherung in der Wissenschaft ist groß"

[…] Die Bundesregierung kürzt die Mittel für den internationalen akademischen Austausch. Aber auch andere Projekte berichten von Sparmaßnahmen.  In der deutschen Wissenschaft geht die Angst um, die Angst vor dem Rotstift. Hauptgrund sind Budgetkürzungen bei Organisationen, die sich um die internationale Vernetzung der deutschen Forschung kümmern, allen voran der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH). Doch auch andere Projekte an deutschen Hochschulen klagen über plötzliche Einsparungen. […] Das Haushaltsjahr sei "von besonderen Herausforderungen geprägt", heißt es dagegen aus dem BMBF, das die FDP-Politikerin Bettina Stark-Watzinger führt. […]

(SZ, 14.07.2022)

Eins der wichtigsten Themen, die Einsparung von Strom und Gas, um sowohl den Klimawandel, als auch die Abhängigkeit von Putins Lieferungen zu bekämpfen, betrifft gleich mehrere Ministerien, die von Scholz aufgefordert wurden, zu liefern.

Wirtschaftsminister Habeck (Grüne) und Bauministerin Gleiwitz (SPD) kamen dem mit detaillierten Konzepten nach. Beim dritten großen Player, FDP-Verkehrsminister Wissing präsentiert sich hingegen, wie für die Hepatisgelben üblich, als Totalausfall. Er ist der einzige, der kein Konzept vorlegen kann.

[….] Am Mittwoch wollte die Ampel Pläne zur Senkung des CO₂-Ausstoßes vorlegen. Das Verkehrsministerium aber lieferte nicht […] Die Bundesregierung kommt beim Klimaschutz langsamer als geplant voran. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Klimaschutz-Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) legten am Mittwoch zwar ein Sofortprogramm für mehr Klimaschutz bei Häusern vor. […]  Auf Maßnahmen im Bereich Verkehr haben sich die zuständigen Minister Volker Wissing (FDP) und Robert Habeck (Grüne) bisher nicht verständigen können, obwohl sie ebenfalls bis Mittwoch hätten darlegen müssen, wie sie bei Autos, Lastwagen oder Flugzeugen die CO₂-Vorgaben einhalten wollen. […] Laut Gesetz sind die zuständigen Minister verpflichtet, einen Maßnahmenkatalog vorzulegen, wenn in ihrem Bereich mehr Treibhausgasemissionen festgestellt werden, als das Klimaschutzgesetz erlaubt, das war bei Gebäuden sowie im Verkehr vergangenes Jahr der Fall. Habeck und Geywitz hatten sich rechtzeitig geeinigt. Deren Liste trägt den Titel Sofortprogramm, wird jedoch nicht sofort wirken, weil Änderungen an Häusern wie Sanierungen oder neue Heizungen meist einen langen Vorlauf benötigen. Vergleichsweise schnell gehen könnte die Optimierung von Heizungen, etwa durch niedrigere Temperatureinstellungen, dies soll gefördert, aber auch gesetzlich gefordert werden.  Der elf Punkte umfassende Katalog sieht zudem vor, dass öffentliche Gebäude schneller als bisher energetisch saniert werden. […] Die Grünen-Energiepolitikerin Lisa Badum sagte mit Blick auf Wissing, alles Nötige sei bekannt, etwa eine Reform des Dienstwagenprivilegs und der Kfz-Steuer. "Das Ministerium muss runter von der Bremse und jetzt die Mobilitätswende anschieben." [….]

(Roland Preuß, 13.07.2022)

Parteichef Lindner glänzt unterdessen mit Abwesenheit – seine Protzhochzeit auf Sylt nimmt ihn zu sehr in Anspruch.

Von dort aus läßt er immerhin hanebüchene Falschaussagen über das Kirchenrecht verlautbaren.

Bei den Landtagswahlen ergeht es Lindners Leuten verständlicherweise ebenfalls wie vor 12 Jahren:

1.   27.03.2022 Landtagswahl Saarland: FDP = 4,8%

2.   08.05.2022 Landtagswahl Schleswig-Holstein: FDP-Absturz auf 6,4%(2017: 11,5%), Verlust aller Ministerposten.

3.   15.05.2022 Landtagswahl NRW: FDP-Absturz auf 5,9% (2017: 12,6%), Verlust aller Ministerposten.

Inhaltlich überfordert, handwerklich unfähig und personell blamiert, greift Lindner nun auf die nicht bewährte Methode der FDP von 2009/2010 zurück. Er verläßt demonstrativ die seriöse Regierungspolitik und beginnt aus Frust und Neid mit purer Obstruktion. Zum Schaden Deutschlands.

Mit der Attitüde eines typischen Bullys sucht er sich das, von den rechten Presseblättern seiner Frau und Exfrau niedergeschriebene vermeidlich schwächste Mitglied der Bundesregierung – Verteidigungsminister Lambrecht – und drischt BILD- und WELT-wirksam auf sie ein. Er schreibt einen öffentlichen Beschwerdebrief an Scholz und gibt damit klar zu verstehen, daß er nicht an Lösungen zum Wohle der Nation interessiert ist. Denn er sieht Lambrecht und Scholz regelmäßig bei Kabinettssitzungen, hat dort jederzeit die Möglichkeit zur internen Klärung.

Aber genau das interessiert ihn gar nicht. Er gibt offiziell das Ziel des gemeinsamen Erfolgs der Ampelregierung auf und zeigt allen: Die Gurkentruppe und Wildsäue sind wieder da.

[…] Lindner brüskiert Lambrecht […] Ein belehrender Brief von Finanzminister Christian Lindner (FDP) an Bundeskanzler Olaf Scholz und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (beide SPD) verursacht schlechte Stimmung in der Ampelkoalition. Lindner hatte in dem Schreiben an die Kabinettskollegin größere Anstrengungen bei der Reform des Beschaffungswesens in der Bundeswehr angemahnt. […] Lambrecht hat angekündigt, Prozesse zu vereinfachen, und dazu bereits erste Schritte in die Wege geleitet. Schon ihre Vorgängerinnen an der Spitze des Wehrressorts, die CDU-Politikerinnen Annegret Kramp-Karrenbauer und Ursula von der Leyen, hatten sich bemüht, Rüstungsvorhaben zu beschleunigen, allerdings mit nur mäßigem Erfolg. Lindner zeigt sich nun besorgt, dass die zusätzlichen Milliarden nicht rasch genug in der Truppe ankommen. Den Verbleib des Geldes im Blick zu behalten, zählt zu seinen Aufgaben als Finanzminister. Ungewöhnlich ist jedoch die Form, in der er sich nun eingeschaltet hat: Er wählte einen Brandbrief, der auch gleich mit an den Kanzler ging. […] Wolfgang Hellmich, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, reagierte am Dienstag verärgert. Er erwarte von Lindner, dass dieser "mit seiner Kabinettskollegin spricht, anstatt Briefe zu schreiben", sagte Hellmich. Eine große, mutige Reform des Beschaffungswesens, wie Lindner sie sich offenbar vorstellt, hält Hellmich sogar für den falschen Weg. Dadurch wäre eine zentrale Säule der Bundeswehr über Jahre hinaus nur noch "mit sich selbst beschäftigt". Dabei müsse der Bundeswehr umgehend ermöglicht werden, ihrer Aufgabe der Landes- und Bündnisverteidigung wieder nachkommen zu können. Verbesserungen müssten deshalb im laufenden Betrieb stattfinden. […]

(Mike Szymanski, 12.07.2022)

Guten Morgen Deutschland; das ist genau das, was man erwarten durfte, wenn man FDP wählt: Destruktion, Chaos, Eitelkeit, Unfähigkeit.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es für die FDP bei den Bundestagswahl 2025 wieder den Gang in die APO. Aber bis dahin sind es leider noch mehr als drei Jahre, in denen die Partei sehr viel Schaden anrichten kann.


Donnerstag, 14. Juli 2022

Jura-Laie Lindner

Mit seiner tagelangen Luxussause auf Sylt mit Porsches und Privatfliegern, während er als Finanzminister bei den Sozialleistungen streicht und die Bürger aufgefordert werden, kürzer zu duschen, hat sich Lindner am meisten selbst geschadet.

Insofern will ich das nicht weiter kritisieren und begrüße ihn eher als innerparteilichen Anti-FDP-Aktivisten, der dafür arbeitet, die Wähler loszuwerden.

Also immer weiter so Lindner, Du bist für mich das, was Woelki in der RKK bewirkt. Also schön im Amt bleiben und weitermachen.

Peinlicher und schädlicher als die BILD-Berichterstattung geht es ohnehin nicht.

Grinse-Franca aus dem eigenen erzkonservativen Schwurbel-Haus (in dem Christians Ex-Frau Dagmar Francas Chefin ist) und dann lassen sie dazu eine Astrologin faseln.

Nachdem aber auch Blitzbirne Käßmann sich ob der kirchlichen Trauungszeremonie der beiden erregt und klar stellt, daß es ohne Geld gar nichts gibt in der Kirche, springen auch die erzkonservativen FDP-Presselobbyisten auf das Thema an.

[….] Den Fall, dass keiner der beiden Mitglied ist, sieht das Regelwerk indes nicht vor. Die Bochumer Theologieprofessorin Isolde Karle hält die Trauung zweier Nichtmitglieder für „erstaunlich und ungewöhnlich“.  Die Gültigkeit der Eheschließung ist aus theologischer Sicht dabei gar nicht das Problem. Nach lutherischer Auffassung wird die Ehe nämlich vollgültig vor dem Standesbeamten geschlossen. In der Kirche spricht der Pfarrer diesem schon geschlossenen Bund dann den Segen zu. Allerdings werden in der evange­lischen Trauung auch Elemente der katholischen Auffassung weiter mitgeführt, dass das Brautpaar die Ehe in der Kirche schließt. Der Ringwechsel und das Trauversprechen („Ja, mit Gottes Hilfe“) zählen dazu. Der bei Kirchenfunktionären beliebte Versuch, die Trauung „bloß“ als Segnungsgottesdienst zu deuten, bei dem es auf einen religiösen Akt der Brautleute gar nicht ankommt, stimmt also zumindest mit der rituellen Praxis der Kirche nicht überein. [….]

(FAZ, 07.07.2022)

Was Normalsterblichen, die sich um die Zahlung der Kirchensteuer drücken, also verwehrt bleibt, macht in diesem Fall eine Lex Lindner doch möglich: Der Mann ist reich und mächtig. Also kriecht die Kirche vor ihm.

Natürlich, aus der SPRINGER-Presse kommen nur Jubel-Berichterstattungen über ihr Paar. Aber kritische Töne aus der FAZ mag der passionierte Porschefan gar nicht und keilt zurück.

[…] Dazu hat der Politiker nun Stellung bezogen und im evangelischen Magazin „Chrismon“ erklärt: „Bekanntlich habe ich meinen Amtseid auf Gott geschworen. Aus einer Kirche auszutreten, bedeutet nicht, aus jeder Form der Spiritualität auszutreten.“

Weiterer Kritikpunkt: Das Brautpaar habe auf Kosten der zahlenden Kirchenmitglieder gefeiert. Linder: „Irritierend waren für mich Hinweise, man möge bitte eine Rechnung stellen. Wenn zwei Seelen um Segen bitten, sollte man nicht die finanziellen Gegenleistungen thematisieren. Ein Gottesdienst ist eben keine Dienstleistung“. Er betonte, der Gemeinde sei „kein wirtschaftlicher Nachteil entstanden.“ [….]

(MoPo, 13.07.2022)

Angeblich soll Lindner an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Nebenfach auch Staatsrechtsvorlesungen belegt haben.

Der Magister Artium der Politikwissenschaft, Major der Reserve, Inhaber einer  Rennlizenz, des Sportbootführerscheins See, des Fischereischeins und des Jagdscheins in Mecklenburg-Vorpommern kennt aber offensichtlich simple staatsrechtliche Zusammenhänge nicht. In dem berühmten Reichskonkordat, mit dem der Vatikan Hitler-Deutschland adelte, wird nämlich genau das festgehalten.

 [….] Am 20. Juli 1933 unterzeichneten der deutsche Vizekanzler Franz von Papen und der vatikanische Kardinalstaatssekretär und spätere Papst Pius XII., Eugenio Pacelli, das "Konkordat zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich". Es ist bis heute geltendes Recht und regelt das Verhältnis zwischen Staat und katholischer Glaubensgemeinschaft. [….] Nach der Gründung der Bundesrepublik wurden am 01. Juni 1954 die diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan wieder aufgenommen. Die Bundesregierung vertrat den Standpunkt, dass das Reichskonkordat weitergelte und binde deshalb auch die Bundesländer. Auch ein Urteil des Interner Link: Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1957 stellte fest, dass das Konkordat gültig zustande gekommen sei und deshalb für die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 123 Abs. 1 und 2 GG fortbestehe. Dies hat nach den Worten des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, "dass die sich daraus ergebenen beiderseitigen Verpflichtungen zu erfüllen sind". [….]

(bpb, 16.07.2018)

Wenn ein Katholik wie Lindner aus der Kirche austritt, ist er damit exkommuniziert und bekommt eben keinen Segen mehr. Lindner ist entweder sehr schlecht informiert oder lügt.

[….] Ob jemand auf den Papst losstürmt und ihn verprügeln will oder schlicht keine Lust hat, die Kirchensteuer zu bezahlen, macht für die meisten Menschen wohl einen großen Unterschied. Kirchenrechtlich gesehen werden beide Fälle aber sehr ähnlich behandelt. Wer dem Papst "physische Gewalt" antut, zieht sich die Exkommunikation als Tatstrafe zu, so will es Canon 1370 des kirchlichen Gesetzbuchs "Codex Iuris Canonici" (CIC). Bei einem Kirchenaustritt fällt das Wort "Exkommunikation" seit 2012 zwar nicht mehr, die Konsequenzen sind aber fast die gleichen geblieben.   Mit dem Verzicht auf die Mitgliedschaft in der Kirche verliert eine Person laut dem Dekret der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) von 2012 das Recht, Sakramente zu empfangen, kirchliche Ämter zu bekleiden, Tauf- oder Firmpate zu sein, Mitglied von pfarrlichen oder diözesanen Räten zu werden oder diese zu wählen sowie Mitglied in öffentlichen kirchlichen Vereinen zu sein. Die Taufe ist zwar ein unauslöschliches Prägemal und kann nicht verloren werden, die rechtliche Stellung eines Ausgetretenen ist durch die kirchlichen Restriktionen aber auf ein absolutes Minimum heruntergefahren. […]

(Katholisch.de, 02.07.2020)

Beim Geld verstanden die Kirchen noch nie Spaß. Einfach wie Lindner zu behaupten, er wäre weiterhin spirituell und müsse daher den Segen bekommen, ist absurd.

Mittwoch, 13. Juli 2022

Trump ist der größte amerikanische politische Verbrecher aller Zeiten

Pat Cipollone empfahl während seiner Aussage vor dem Jan6th-Committee, Mike Pence die presidential medal of honor zu überreichen, für seine außergewöhnliche Tapferkeit an dem Tag, weil er Trumps verbrecherischen und hochverräterischem Ansinnen widerstand, bei der offiziellen Zertifizierung des Sieges Joe Bidens im Kongress, zu intervenieren und Trump zum Sieger zu erklären.

Da glühten die Twitteraccounts und jeder politische Kommentar befasste sich mit dieser Aussage, weil es so ungewöhnlich war, daß der oberste Justiziar des Weißen Hauses so etwas empfiehlt. Einen Twist bekam die Geschichte außerdem, weil jeder sich vorstellen konnte, wie der garantiert zuhörende Donald Trump vor Wut tobend Ketchup-Flaschen an die Wände Mar A Logos feuert. War doch Cipollone von ihm persönlich installiert worden, bis zum Schluß ein treuer Trump-Loyalist und Pence der Typ, den Trump eigentlich hängen lassen wollte, nachdem er ihn schon am Telefon als „Whimp“ und „Pussy“ angrölte.

Ein weiterer Twist entstand, weil vor Mike Pence erst Liz Cheney diesen höchsten US-Orden für ihre Rolle im 10-köpfigen Untersuchungsausschuss zum größten politischen Verbrechen in der Geschichte der USA bekommen müsste.

Sie ist neben Adam Kinzinger eine von zwei Republikanerinnen in dem Ausschuss und überstrahlt als Vice-chair für jedermann offensichtlich den verschnarchten chairmann Bennie Gordon Thompson. Die Ansprachen des charismalosen 74-jährigen Demokraten aus Mississippi's 2nd congressional district hat man eine Minute später schon vergessen, während Cheneys Aussagen brutale Geschosse auf Mar A Lago und DOJ Merrick B. Garland sind.

Diese Orden zu verteilen, wäre natürlich unsinnig, denn Mike Pence konnte gar nichts anderes tun, als er tat. Was Trump von ihm verlangte, war nicht nur rechtlich unmöglich, sondern es war auch unter stramm republikanischen Anwälten vollkommen unumstritten unmöglich. Auch Trump wußte das. Daher griff er zu dem aus seiner Sicht einzig übrigen anderen Mittel: Verrat, Staatsstreich, Mord, Verbrechen, Coup.

Da nicht mitzumachen, sollte eigentlich die Mindestanforderung an jeden Politiker sein und nicht mit höchsten Ehren bedacht werden. 

Zudem verwendete Mike Pence nur diesen einen kurzen Tag ein Rückgrat und schnurrte kurz danach wieder zu jeder Trump-lobenden Arsch-Amöbe zurück, die er immer war. Nun küsst er schon wieder den Hintern des Mannes, der ihn eben noch lynchen lassen wollte. Sofern er einen Platz am orangen Schließmuskel ergattern kann; denn da gibt es auch noch Ted Cruz, der gar nicht aufhören kann an Trumps Anus zu lecken, nachdem dieser seine Frau Heidi Cruz als „ugly“ bezeichnete und verbreitete, Teds Vater habe etwas mit dem Kennedy-Mord zu tun.Hintern des Mannes, der ihn eben noch lynchen lassen wollte -,

Cheney ist da etwas aufrechter, weil sie auch heute noch Trump verurteilt und verhindern möchte, daß er erneut als Präsidentschaftskandidat für ihre Partei antritt.

Man darf vermuten, daß sie a) glaubt, im Sinne ihrer eigenen Partei zu handeln, indem sie versucht, die Republikaner vom unberechenbaren Trumpismus zu emanzipieren und daß sie b) eigene Ambitionen hat.

Nur weil Pence und Cheney einmal das Richtige taten, sollten sie aber nicht zu Helden der Demokraten avancieren. Beide sind nach wie vor erzkonservative Lobby-hörige Waffenfanatiker, die selbstverständlich homophob und misogyn handeln, den menschengemachten Klimawandel bestreiten und eisern dafür sorgen, Steuermilliarden zu den Superreichen zu schaufeln, während sie bei den Armen und der öffentlichen Versorgung sparen wollen.

Übersetzt ins deutsche Parteiensystem wären beide in der AfD. Das ist zwar immer noch sympathischer, als der orange Psychopath von äußersten rechten Rand der NPD, aber kein Grund zum Applaudieren.

Ich hatte eine anstrengende Nacht, weil ich auch bei der siebten öffentlichen Anhörung nicht widerstehen konnte und insgesamt zehn Stunden lang CNN-Aufzeichnung sehen mußte. Ich kann dabei immer nur immer wieder einen Festplattenrecorder empfehlen, weil man die lästige Werbung überspielen kann und bei Schlaftabletten wie Bennie Thomson die Geschwindigkeit erhöhen kann. Thomson in 1,75-facher Geschwindigkeit spricht so schnell wie Cheney in 1,25-fach. Das ist effizientes Fernsehen.

Je tiefer man in die Materie eindringt, desto faszinierender wird es. Insbesondere weil Trump und seine Enabler, die ich eigentlich schon maximal verachtet hatte, es immer wieder schaffen, noch verachtenswerter zu erscheinen.

Die Arbeit des „16CMTE“ ist insofern beeindruckend, weil die 10 Abgeordneten nicht nur darlegen, wie geplant und wie durchgehend kriminell Trump agierte, sondern weil sie all das mit ausschließlich republikanischen Quellen belegen.

Trump wußte, daß er die Wahl verloren hat. Nicht weil er das von offiziellen Stellen, von Demokraten, aus den Medien oder von irgendwelchen Republikanern im Kongress hörte. Nein, das Komitee zeigte, wie Trumps engster Zirkel, allesamt Hardcore-Trumpfans, dem Chef genau das sagte. Trumps Rechtsberater, sein Stabschef, seine Pressesprecherin, seine Minister, sein Generalstaatsanwalt, die von ihm ernannten Richter, das Justizministerium, die Dienste und seine Campaign-manager. Sogar seine eigene Brut machte ihm klar, verloren zu haben.

Trump entschied sich aber dennoch dagegen vorzugehen, indem er zur massenhaften Gewalt greift und „the big lie“ verbreitet. Stabschef Mark Meadows fiel daraufhin um, entschloss sich bewußt zusammen mit dem „Team Crazy“ (Sidney Powell, Michael Flynn, Mark Lindell, Roger Stone, Rudy Giuliani) seinem Mafiapaten Trump in die tiefste Kriminalität zu folgen. Trump glaubt ohnehin über dem Gesetz zu stehen und begnadigte immerhin Stone und Flynn, die nur deswegen an dem Blutbad im US-Kapitol mitwüten konnten.  Anderenfalls hätten sich noch im Knast geschmort.

[….] Ayres wurde als einer von fast 900  Kapitolstürmern angeklagt , er hat sich schuldig bekannt, das Strafmaß erfährt er im September, ihm droht bis zu einem Jahr Gefängnis[….] Sein dramatischer Auftritt vor dem Ausschuss illustriert, wie naiv sich selbst einfache Trump-Anhänger ins Netz der Brutalität ziehen ließen. Die Aussage war zudem Teil eines viel größeren Puzzles der Ermittler, die dem Ex-Präsidenten nachweisen wollen, dass er die Meute vorsätzlich aufhetzte, als Fußtruppe seines versuchten Putsches.

Und dieser Nachweis wurde selten so klar geführt wie bei dieser siebten öffentlichen Sitzung des Ausschusses. Der hat in den letzten Wochen zwar schon viele Hintergründe und Details  enthüllt – doch das, was am Dienstag zutage trat, verschlug selbst Zynikern den Atem. [….] »Ein amtierender Präsident ruft zum Bürgerkrieg auf«, entsetzte sich sogar Trumps früherer Wahlkampfchef Brad Parscale in einer internen SMS an Trump-Beraterin Katrina Pierson, die das Gremium veröffentlichte. »Ich fühle mich schuldig, dass ich ihm geholfen habe.« [….] Der Ausschuss untermauert das mit einer schwindelerregenden Montage von Videoclips eidesstattlicher Aussagen seiner damaligen Topberater. Darunter Justizminister William Barr, Arbeitsminister Eugene Scalia, Trump-Tochter Ivanka, Trump-Sprecherin Kayleigh McEnany – und erstmals Pat Cipollone, der Ex-Chefjustiziar des Weißen Hauses, der erst am Freitag acht Stunden lang ausgesagt hatte. Alle wollen sie Trump mit der harschen Realität konfrontiert haben.

Schließlich kam es im Weißen Haus zu einem sechsstündigen, konspirativen Treffen, das selbst Trumps engste Vasallen anschließend als »derangiert« beschrieben [….] An der Runde nahmen den Aussagen zufolge mehrere suspekte Verschwörungsideologen teil – die letzten in Trumps Dunstkreis, die seine Wahnvorstellungen gestützt hätten: Adlatus Rudy Giuliani, Anwältin Sydney Powell, Ex-Sicherheitsberater Michael Flynn, der Unternehmer Patrick Byrne. [….] Diese obskure Fraktion habe von ferngesteuertem Wahlbetrug durch Venezuela und China gefaselt, von Internet-Stimmenmanipulation durch »Nest-Thermostate«, sie habe vorgeschlagen, dass Trump das Kriegsrecht ausrufe und Wahlmaschinen einkassieren lasse. Es sei zu einem »erhitzten und profanen« Streit gekommen. Giuliani gab vor den Kameras des Ausschusses zu, die anderen angeschrien zu haben: »Ihr seid alle Pussys!« Brüllend sei man vom Oval Office durch den West Wing bis hinauf in die Präsidentenresidenz im Obergeschoss des Weißen Hauses gewandert und habe sich erst nach Mitternacht aufgelöst. Trumps Stabschef Mark Meadows habe Giuliani persönlich aus dem Gebäude eskortiert, damit er nicht weiter dort herumlungere, berichtete Cassidy Hutchinson, Meadows Ex-Assistentin, die im Juni mit anderen Skandalaussagen für Aufsehen gesorgt hatte .

Fast zwei Stunden später, um 1.42 Uhr nachts, blies Trump via Twitter zum Marsch am 6. Januar – verbunden mit der erneuten Lüge an seine Leute: »Statistisch unmöglich, die Wahl 2020 verloren zu haben.« [….]

(Marc Pitzke, 13.07.2022)

Am schlimmsten ist aber etwas anderes: 95% der Republikaner, darunter auch diejenigen, die sich am 06.01.2021 in Todesangst vor dem bewaffneten Trump-Mob in Besenkammern verammelten und wie Lindsey Graham, Fraktionschef McCarty oder Senatschef McConnell mit Trump brachen, ihn aufforderten, seine Mörderbande abzuberufen, sind alle wieder auf QTrumpliKKKan-Linie! Sie pilgern devot und servil nach Mar A Lago, um dem kriminellen Clown die orangen Füße zu küssen. Sie verbreiten „the big lie“ weiterhin und haben damit die USA inzwischen unwiederbringlich beschädigt.

Ihre brutalen menschenfeindlichen extremistischen Supremecourt-Richter konvertieren die USA kontinuierlich zu einem Talibanstaat.


Die Einheit der amerikanischen Nation ist endgültig dahin. Ein Bürgerkrieg ist durchaus wahrscheinlich und es würde mich nicht wundern, wenn ich noch zu meinen Lebzeiten eine Aufspaltung der USA in zwei Nationen erlebe. Die Mitte und der Süden werden ein fanatisch religiöser Apartheitsstaat, der sich wie Nordkorea von der UN abwendet und als absolute Trump-Monarchie organsiert ist. Die Küsten und der Norden werden sich zu einem Rechtsstaat mit modernerer Verfassung zusammenschließen.

Es wird eine richtig hohe Mauer gebaut und wird viele Millionen Umsiedlungen geben.