Donnerstag, 10. Februar 2022

Wähler, ein Trauerspiel.

Ob nun „Wunderwuzzi Kurz“ oder KT von und zu Guttenberg. Diese extrem konservativen Alpen-Populisten können noch so abwegig handeln und noch so hanebüchenes Verhalten an den Tag legen: Der Urnenpöbel, der sich so viel auf seinen „gesunden Menschenverstand“ einbildet, liebt solche Typen.

Gerade superreiche Reaktionäre, die wie Donald Trump, Andrej Babiš, George W. Bush, Silvio Berlusconi oder eben Baron KTG, die seit vielen Generationen keinerlei Berührungspunkte zum gemeinen Volk hatten und nichts anderes als ein Leben voller exklusiver Privilegien kannten, so daß sich die feste Überzeugung ausbildete, Gesetze wären nur für die anderen da, während man sich selbst ungeniert bedienen und bereichern dürfe, gelten den Wählern oft als besonders volksnah.

Anders als der intellektuelle und polyglotte John Kerry, der wirklich aus armen Verhältnissen stammt, galt GWB den Amis 2004 als Kumpeltyp, in dem sie sich selbst wiedererkannten: Ungebildet, tölpelhaft und vulgär.

So wurde auch das unterbelichtete Reichensöhnchen Donald Trump, der als legendär schlechter Geschäftsmann, immer von seinem Milliardär-Papi rausgeholt wurde, gegen die rein meritokratisch aufgestiegene Hillary Clinton Präsident.

Auf der konservativen Seite des politischen Wählerspektrums ist sehr viel Dunning-Kruger zu Hause. Je mehr ihnen das intellektuelle Rüstzeug fehlt, um komplexe politische Vorgänge zu beurteilen, desto sicherer sind sie, mit „gesunden Menschenverstand“ die Welt klarer durchschauen zu können als „die Politiker.“ Sie laufen umso lieber rechten Lügner und Betrügern hinterher, weil sie so doof sind, sich einfach betrügen zu lassen. Sie gehen den KTGs, Höckes, Kurz‘, Trumps und Johnsons auf den Leim, weil der „gesunde Menschenverstand“ meistens nur eins ist: Ungesund!

Wer wie Olaf Scholz nicht zu Übertreibungen und falschen Versprechen neigt, sondern lieber Tag und Nacht Informationen aufsaugt und nach tragbaren Lösungen sucht, hat beim Urnenpöbel wenig Chancen gegen die unseriösen und rein destruktiv agierenden Populisten.

Friedrich Merz und Markus Söder haben sich mit der CSU und CDU aus der seriösen Politik verabschiedet.  Sie erwecken gar nicht erst den Eindruck, an der Lösung von Deutschlands größten Problemen, die weitgehend von ihren C-Parteien angerichtet wurden, mitzuarbeiten. Sie haben kein Interesse daran die Corona-Pandemie, die täglich 200 bis 400 Todesopfer fordert, zu beenden. Sie machen es wie Trumps GOP und wollen nur der Ampel schaden. Je schlimmer die Omikron-Welle, desto mehr ökonomische und soziale Schäden, desto besser für Merz und Söder, weil Lauterbach und Scholz mit schlechten demoskopischen Zahlen büßen müssen. Also talibanisieren CDU und CSU die bundeseinheitliche Corona-Politik.

Wie bei Trump, der Quelle ihrer Inspiration, sind Recht und Gesetz dabei nur störend und werden nur befolgt, wenn sie gerade politisch opportun sind.

Die selbst mitbeschlossene, einrichtungsbezogene Impflicht soll in Bayern nicht gelten. Es gilt das alte Södersche Motto: Legal, illegal, scheißegal.

[…..]  Aus der Bundesregierung hingegen gab es scharfe Kritik an Söders Vorgehen. »Im Rechtsstaat gelten Gesetze. Wenn sich die Regierenden selbst aussuchen, an welche Gesetze sie sich halten und an welche nicht, ist die Tyrannei nicht mehr fern«, twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Dazu stellte er einen Zeitungskommentar mit der Überschrift: »Söder gehört in politische Quarantäne.« [….]

(SPON, 10.01.2022)

Auch Söders Pendant in der CDU, der konzeptarme Friedrich Merz, versucht es gar nicht erst mit inhaltlicher Politik, mit konstruktiver Mitarbeit, sondern geht voll AfD.

[….] Friedrich Merz war noch gar nicht offiziell zum Parteichef der CDU gewählt, da gab er im Spiegel schon den Aufräumer: "Die Landesverbände, vor allem im Osten, bekommen von uns eine glasklare Ansage: Wenn irgendjemand von uns die Hand hebt, um mit der AfD zusammenzuarbeiten, dann steht am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an." [….] Was aber ist mit Christdemokraten, die der AfD den Boden bereiten? So wie der Vize-Landrat aus Bautzen, der ankündigte, die gesetzliche Impfpflicht nicht umzusetzen, sich dafür von Corona-Protestlern feiern ließ wie einst Hans-Dietrich Genscher von ausreisewilligen DDR-Bürgern vor der Prager Botschaft. Oder der Baubürgermeister aus Freiberg, der den Umgang mit Ungeimpften mit dem Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich verglich. Seine Abwahl im Stadtrat scheiterte, größte Fraktion dort: die AfD.  [….] In Sachsen, wo das gesellschaftliche Klima seit Jahren aufgeheizt ist, hat die Regierungspartei CDU lange, zu lange, keine nennenswerten Maßnahmen ergriffen. Jetzt kippt es eben: auf der Straße, in den Kommunalparlamenten, in den eigenen Reihen. [….] In Sachsen sind ja gern mal "die da oben" schuld, die Union ist da keine Ausnahme. Die Landräte revoltieren inzwischen geschlossen gegen die Impfpflicht. Kretschmer, jüngst ins Stellvertreterteam um Merz gewählt, genießt in der Hauptstadt offenbar mehr Rückhalt als daheim. Seine Strategie - mit allen über alles reden - muss als gescheitert gelten. Fackelzüge, Morddrohungen, wann sind Demokratiefeinde zuletzt so selbstbewusst aufgetreten? [….] Friedrich Merz kann den Zeigefinger heben, wie er will: Wenn die Parteiverantwortlichen im Osten ihr verhaltensauffälliges Personal nicht maßregeln, werden seine "glasklaren Ansagen" ohne Folgen bleiben. Sei es Hans-Georg Maaßens Fanklub in Südthüringen oder der Rundfunkkrieg in Sachsen-Anhalt [….] Bautzens Vize-Landrat ist jedenfalls noch im Amt und noch in der CDU. Er sei "fehlinterpretiert" worden, sagt Udo Witschas. Im Juni will er sich trotz allem zum Landrat wählen lassen. Die AfD kann sich keinen besseren Wahlkämpfer wünschen.  […]

(SZ, 07.02.2022)

So eine extrem unseriöse und völkisch angehauchte Politik schadet dem Land, aber hilft der Partei, die sie verbreitet.

Der Urnenpöbel ist leider so doof, diese zerstörerische Linie mit hohen Zustimmungsraten zu honorieren.


Mittwoch, 9. Februar 2022

Im Slope-Curling-Wahn

Bekanntlich interessiere ich mich nicht für Sport und finde daher Olympische Spiele oder Fußball-WM immer ganz angenehm: Da präsentieren die Zeitungen große Sport-Strecken. In der SZ gibt es täglich sechs oder acht Seiten Sonderberichterstattung zu den Olympischen Spielen, die ich gleich ungelesen auf den Stapel für die Altpapiertonne wandern lasse.  Die täglich auf mich einprasselnde Informationsflut ist ohnehin nicht zu bewältigen; da bin ich froh über jeden Artikel, den ich auslassen kann. Wenn es gleich mehrere Seiten am Stück sind, umso besser.

Üblicherweise kann ich dennoch nicht verhindern, daß über die Peripherie meiner Aufmerksamkeit auch sportliche Meldungen zu mir vordringen. Das Feuilleton sinniert über sportliche Leistungen, Medienpolitik in China wird zum Riesenthema und in ihrer albernen Manie volksnah zu wirken, verwenden Politiker olympische Metaphorik, versuche auf den Gold-Zug aufzuspringen, wenn irgendeine deutsche Figur Medaillen erringt. Menschenrechte? Irrelevant.

[….] „Wenn ein Schauspieler in einem Theater Hamlet spielt, fragt auch keiner, ob er während des Stücks politische Meinungen äußern kann“, wird Bach bei der Tagesschau zitiert. Dieser ungewöhnliche Vergleich von Thomas Bach vor Olympia 2022 sorgt für Kritik. Biathlon-Olympiasieger Arnd Peiffer sagte im Interview mit dem NDR, Bach mache sich „zum Komplizen eines Systems, das Menschenrechte nicht achtet“. „Ich denke da an die Uiguren, an Hongkong und an die fehlende Meinungsfreiheit. Menschen, die sich frei äußern, oder Aktivisten werden mundtot gemacht. Und es gibt auch Leute, die verschwinden. Thomas Bach argumentiert immer, die Olympischen Spiele seien unpolitisch. Das ist aus meiner Sicht Augenwischerei“, sagte der 34-Jährige weiter.   […]

(FR, 04.02.2022)

Auch ohne das geringste Interesse an Fußball, bekomme ich nebenher mit, wenn die deutsche Mannschaft aus einem internationalen Turnier fliegt und registriere die Spielergebnisse der Hamburger Bundesligavereine, weil sie nun einmal auf den Titelseiten der Hamburger Zeitungen auftauchen.

So selektiv kann ich (leider noch) nicht lesen, daß nicht irgendeine Hirnzelle unterbewußt mit abspeichert, wenn auf der Titelseite des Hamburger Abendblattes „HSV verliert viertes Spiel in Folge!“ steht.

In der Idiotie-Hierarchie der Sportarten stehen für mich die Tiersportarten ganz oben, weil die Pferde natürlich gequält werden und es ökologisch vollkommen absurd ist, eine Flotte von Jumbo-Jets zu chartern, um sedierte Spring- oder Polopferde um die ganze Welt zu fliegen.
Anschließend kommen alle Mannschaftssportarten, weil es bei ihnen generell nicht um messbare sportliche Leistungen, sondern um Nationalismus geht.
Hoch absurd und an dritter Stelle der Sportidiotie sind die Tätigkeiten, die wie Formel1 oder Hochsee-Segeln oder Bobfahren nur für Multimillionäre möglich sind, weil das Sportgerät völlig unbezahlbar ist.

Generell erscheint mir Wintersport, Platz 4, eine Umdrehung absurder als die sommerlichen Aktivitäten, weil Trickski-Pisten, Bobbahnen oder Skiflugschanzen völlig unnatürlich sind, nicht nur zig Millionen Dollar kosten, sondern im höchsten Maße energiefressend und klimaschädlich sind.

Dieses Jahr gebe ich mir mehr Mühe als sonst schon, jede sportliche Meldung aus Peking konsequent auszublenden, explizit sofort umzuschalten, wenn in einer Nachrichtensendung der Sportblock beginnt.

Das Thema „Olympische Spiele“ werde ich dennoch nicht los, da gerade aus deutscher Perspektive die Korruption, die Raffgier und Heuchelei relevant sind. Der neben FIFA-Chef Gianni Infantino peinlichste Sportfunktionär der Welt, ist ein Deutscher: FDP-Mitglied und IOC-Chef Thomas Bach, der lächelnd den Genozid an den Uiguren zukleistert, sich den schlimmsten Diktatoren vor die Füße wirft und sämtliche Prinzipien der Demokratie und Fairness mit Füßen tritt.

[…] Nun […] berichten vor allem westliche Medien, wie sie während Olympia bei ihrer Arbeit behindert werden - symbolisch dafür steht der niederländische Reporter Sjoerd den Haas: Das Video, wie er am Freitagabend während einer Liveschalte nach Peking von einem Security-Mitarbeiter weggezerrt wird, verbreitete sich rasend im Internet. Das IOC sprach danach von einem Einzelfall, den Haas schrieb bei Twitter jedoch, dass er und Kollegen in den vergangenen Wochen oft bei ihrer Arbeit behindert worden seien. Von einem Einzelfall könne man nur schwer sprechen; auch die Behauptung des IOC, man habe mit Haas' Arbeitgeber gesprochen, dem öffentlich-rechtlichen TV-Sender NOS, könne nicht bestätigt werden. Am 31. Januar hatte der Foreign Correspondents' Club of China, ein Zusammenschluss der Auslandskorrespondenten in China, einen Report veröffentlicht mit dem Vorwurf, dass sie an ihrer Arbeit gehindert werden - inklusive Einschüchterung und Belästigung: "Der chinesische Staat findet immer neue Mittel, Korrespondenten, ihre chinesischen Kollegen und auch Leute, mit denen die Presse reden will, über Online-Belästigung, physische Angriffe, abgelehnte Visa-Anträge und Cyber-Hacking einzuschüchtern." [….]

(Jürgen Schmieder, SZ, 07.02.2022)

Wenn Deutsche als Funktionäre ganz oben in einer Weltorganisation ankommen, muss ich mich, auch wenn ich keinen deutschen Pass habe, fast immer in Grund und Boden schämen:
Reinhard Grindel, Günther Oettinger, Joseph Ratzinger, Ursula von der Leyen, Thomas Bach – man möchte sich sofort ein tiefes Loch graben und darin verschwinden, wenn diese Leute auftreten.

[…] Thomas Bach sollte sich schämen!

Schon der Gedanke an die Besetzung der Ehrentribüne bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele lässt einen erschaudern. Wladimir Putin wird dort sitzen, Mohammed bin Salman, Kronprinz von Saudi-Arabien und mutmaßlicher Auftraggeber des Mordes an Jamal Khashoggi, wird seinen beiden Skifahrern zuwinken, auch die Diktatoren aus Kasachstan und Turkmenistan erweisen Xi Jinping die Ehre – und dem deutschen IOC-Präsidenten Thomas Bach.  […]

(Mopo, 03.02.2022)

Aber natürlich kennt FDP-Mann (Partei der Freiheit!) Bach eben keinerlei Schamgefühl. Diese Spiele sind so eine Schande, daß ich selbst ohne das geringste Sportinteresse davon behelligt werde.

[…] Die Winterspiele in Peking sind schon vor Beginn eine einzige Farce. Die IOC-Funktionäre um Thomas Bach haben die Olympische Idee verraten. Profiteur ist Chinas menschenverachtendes Unrechtsregime. Nie zuvor haben Olympische Spiele Sportfans weltweit so kalt gelassen wie diesmal. Von Vorfreude ist nirgendwo etwas zu spüren, und dafür gab es selten so viele Gründe.  In China ist man stolz, als erster Austragungsort überhaupt sowohl Winter- als auch Sommerspiele durchzuführen. Doch das größte Sportereignis der Welt hat in Peking nichts zu suchen. Zum einen, weil es absurd ist, dass nur 14 Jahre zwischen den beiden Events liegen.  Zum anderen aber und vor allem, weil die Hauptstadt kein Wintersportort ist - und die weit entfernten anderen Wettkampfstätten Zhangjiakou (u.a. Ski Alpin und Nordisch, 180 Kilometer von Peking) sowie Yanqing (u.a. Rodeln, Bob, 75 Kilometer entfernt) auch nicht. Denn in Peking wie in den vermeintlichen Wintersportgebieten liegt kein Schnee, was angesichts der anhaltenden Trockenheit in der Nähe der Wüste Gobi dort nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist. Fast so absurd wie eine Fußball-Weltmeisterschaft in der Wüste... […] So laufen seit Wochen hunderte Schneekanonen nahezu rund um die Uhr, da der Kunstschnee durch den Wüstenwind meist sofort wieder weggeweht wird. Dafür müssen Tonnen von Wasser aus weit entfernten Reservoirs transportiert werden. Zudem wurde das Umweltschutzgebiet, in dem sowohl Yanqing als auch Zhangjiakou liegen, um 25 Prozent reduziert, um dort die neuen Wettkampfstätten hinzusetzen. So wie die gigantische Bobbahn, die sich die chinesische Führung für mehr als zwei Milliarden Euro schenkte - und die nach den Spielen nicht mehr regelmäßig genutzt werden wird. Experten wie die renommierte Geowissenschaftlerin Carmen de Jong sprechen daher von den "unnachhaltigsten Spielen aller Zeiten".[…] Angesichts der hoch ansteckenden Omikron-Welle kann die fast paranoide Null-Covid-Strategie im seit zwei Jahren beinahe hermetisch abgeriegelten Reich der Mitte nicht aufgehen. Stattdessen steigen schon jetzt die Zahlen der infizierten Sportler, Teammitglieder und Journalisten in der von der "normalen Welt" in Peking abgeschotteten Olympia-Blase wie erwartet rasant an. Die Folge ist eine einzige Farce: Wegsperren in schäbigen Unterkünften, die mehr an ein Gefängnis denn an ein Hotel erinnern. Frustrierte Athleten, deren hart erarbeitete Medaillenträume wegen eines positiven Testergebnisses platzen. […] "Die Winterspiele 2022 werden als Genozid-Spiele in Erinnerung bleiben", hat der chinesische Oppositionelle Teng Biao gesagt. […]. Dass sich die geschichtsvergessenen IOC-Funktionäre mit Bach an der Spitze zu Claqueuren der Schreckensherrschaft von Machthaber Xi Jingping und seinen Spießgesellen machen, ist eine Schande und eine Perversion der Olympischen Idee.  [….]

(Martin Volkmar, 04.02.2022)

Dienstag, 8. Februar 2022

Wer sich Immobilien noch leisten kann.

Klimapolitik kostet. Der Fokus der öffentlichen Debatte richtet sich zu Recht auf die Wohnungsnot und die Millionen Menschen, die immer mehr Probleme bekommen, ihre Miete zu bezahlen oder schon lange nicht mehr da wohnen können, wo sie möchten.

Klimapolitik kostet. Alle deutschen Wohnaltbauten zu sanieren, wird nicht nur aberwitzig teuer und benötigt ein Vielfaches an Handwerkern und Materialien, die wir haben. Klimapolitik, die den Energieverbrauch beim Wohnen so reduziert, daß die Menschen mit 55% oder 40% der Strom/Heizungsrechnung auskommen, wird mutmaßlich die Mieten so drastisch erhöhen, daß die Ersparnis mehrfach aufgefressen wird.

Klimapolitik kostet aber nicht nur die Mieter viel Geld, sondern bringt auch die gut 24 Millionen Immobilienbesitzer in Deutschland in größte Schwierigkeiten.

Der weit überwiegende Teil von ihnen verdient sich keine goldene Nase damit, sondern bewohnt die Wohnung oder das Haus selbst, vermietet vielleicht eine einzelne Wohnung als Alterssicherung.

Wer aber nicht zufällig eine schwer reiche megamilliardenschwere Immobilienholding ist, hat weder Rücklagen, noch die Kompetenz, um enorme Summen für Energieberatung, Dämmung, vierfach verglaste Fenster, neue Heizungsanlagen und klimafreundliche Dächer aufzubringen.

Klimapolitik kostet und dadurch werden Immobilien teurer. Unruhen an den Börsen, ökonomische Panik durch Pandemie und Negativzinsen auf der Bank, verursachen eine geradezu aberwitzige Nachfrage nach Immobilien.

In Hamburg ist ein „Kaufpreisfaktor“ von 45 oder 50 keine Seltenheit mehr. Die Mieten steigen zwar, aber sehr viel langsamer als die Kaufpreise. Das heißt, man benötigt die Mieteinnahmen von 45 oder mehr Jahren, um den Kaufpreis wieder reinzuholen. Da es viel Reichtum in Deutschland gibt, ist der Immobilienmarkt wie leergefegt, aber es gibt immer weniger Immobilienbesitzer; 2017 besaßen 24,95 Millionen Menschen eine Immobilien, vier Jahre später nur noch 24,39 Millionen.

Was auf den ersten Blick paradox klingt, ist leicht erklärt: Der Reichtum konzentriert sich in immer weniger Händen. Während Normalverdiener gezwungen sind, ihre Wohnungen zu verkaufen, weil sie die horrenden Sanierungen nicht mehr bezahlen können, nutzen Superreiche die Notlage aus und raffen immer mehr Wohneinheiten an sich.

Klimapolitik kostet und deswegen stiegen die Preise von Neubau-Immobilien in Hamburg laut einer Grossmann und Berger-Berechnung im Jahr 2021 um knapp 17% auf nun durchschnittlich 8.480 Euro pro Quadratmeter, während sich im selben Zeitraum die Immobilien aus dem Bestand „nur“ um knapp 8% verteuerten. Selbst die Makler sind fassungslos, ob der Preisanstiege der Neubauten.Die Käufer haben Angst vor den Energiekosten und fürchten energetische Sanierungen, also kaufen sie lieber gleich klimafreundlicher gebaute Buden.

[….] Um eine 80 Quadratmeter große Wohnung in Hamburg zu kaufen, mussten potenzielle Käufer im vierten Quartal 2021 im Schnitt 538.000 Euro bezahlen. Das sind 14 Prozent mehr, als noch ein Jahr zuvor. Das berichtet das Abendblatt unter Berufung auf das Portal Immowelt. Demnach war eine solche Wohnung 2020 zur Weihnachtszeit noch für unter 475.000 Euro zu haben – und zwar nicht nur in Hamburg. [….] Jan-Carl Mehles, Marktexperte bei Immowelt, nennt im Abendblatt die Gründe für die jüngste Entwicklung. „Der erneute Preisanstieg in diesem Jahr liegt vor allem am geringen Angebot an Bestandsimmobilien bei gleichzeitig hoher Nachfrage“, sagt Mehles. [….]

(24Hamburg, 04.02.2022)

Das Betongoldfieber scheint keine Grenzen zu kennen, die reichen Immobilienbesitzer werden im Rekordtempo immer reicher.  In guten Gegenden Hamburgs kann eine Wohnung 20.000 Euro pro Quadratmeter kosten.

[….] Direkt an der Außenalster in Uhlenhorst gelegen, sechs Zimmer und 430 Quadratmeter groß – und 8,9 Millionen Euro teuer. Keine andere Wohnung in Deutschland wechselte laut „Immowelt“ zwischen Januar und November für so viel Geld den Besitzer. Der Quadratmeterpreis liegt somit bei rund 20.700 Euro. Auf dem 2. Platz folgt eine 275 Quadratmeter große Wohnung im Frankfurter „Grand Tower“. Für 8,4 Millionen Euro ging diese über den Ladentisch – ein einzelner Quadratmeter kostete den neuen Eigentümer also 30.545 Euro. [….]

(Mopo, 15.12.2021)

Die Frage „wer kann sich das noch leisten?“ erübrigt sich bei einem Quadratmeterpreis von 30.000 Euro. Eine durchschnittliche Wohnung mit 80 qm für ein Paar mit einem Kind kostet in dem Fall 2,4 Millionen plus Nebenkosten. Das ist also weit jenseits dessen, das man durch normale Arbeit verdienen kann.

Das geht nur, wenn man schon steinreich geboren wurde, geerbt hat.

Die womöglich allerteuerste Wohnanlage aller Zeiten in Hamburg entsteht in der megateuren Hafencity. Die Terragon AG baut auf dem exklusivsten Baugrund zusammen mit der Garbe Immobilienprojekte GmbH 186 Seniorenwohnungen für die Superreichen. „Vilvif Hamburg“ wird das mutmaßlich Ende 2023 fertiggestellte nach modernsten klimatischen Kriterien erbaute Krösus-Projekt heißen.

[….] Das außergewöhnliche Konzept gilt als innovative Antwort auf gesellschaftliche und städtebauliche Entwicklungen und Trends, indem es den zukunftsweisenden Mixed-use-Gedanken konsequent zu Ende führt: Ein multifunktionales Wohngebäude innerhalb eines gemischt genutzten Quartiers kombiniert mit der Mehrgenerationen-Idee des gesamten Projekts. Oberhalb der Retailflächen werden nach aktuellem Planungsstand auf einer Bruttogeschossfläche von 20.400 Quadratmetern 186 speziell für Best-Ager konzipierte Wohnungen im Premium-Bereich realisiert. Neben einem umfassenden Serviceangebot werden unter anderem ein Spa- und Fitnessbereich, ein Atelier, ein Restaurant sowie integrierte Community-Flächen Teil des Gesamtkonzeptes. Das Investitionsvolumen der Joint-Venture-Partner Garbe Immobilien-Projekte und TERRAGON liegt im niedrigen dreistelligen Euro-Millionenbereich. [….]

(Terragon)

Klimapolitik kostet. Wer wird den hohen Kaufpreis aufbringen können? Wer hat über hunderte Millionen für „Best-Ager“ in „Senior-Community-Living-Apartments“ im „zukunftsweisenden Mixed-use-Gedanken“ übrig?

Die Terragon muss sich darüber keine Gedanken machen. Alle 186 Megaluxuswohnungen wurden bereits verkauft. Es gibt schließlich genügend Superreiche in Deutschland.

In diesem Fall schlug die Reichste der der Superreichen zu: Die katholische Kirche!

Die „Aachener Grundvermögen“ kaufte die 186 Hafencity-Wohnungen. Die Firma ist eine 100%ige Tochter der „Aachener Siedlungs und Wohnungsgesellschaft“, die wiederum unter anderem den Erzbistümern Köln und Paderborn gehört.

[….] TERRAGON AG: Verkauf von VILVIF Hamburg an Aachener Grundvermögen

Leuchtturmprojekt im Überseequartier der HafenCity per Forward-Deal veräußert! Aktuell in Umsetzung befindliches Projektvolumen bei insgesamt rund 0,8 Mrd. €! VILVIF Ahrensburg bereits vorzeitig an den Investor übergeben

- Im Rahmen eines Forward-Deals hat die TERRAGON AG, führende Projektentwicklerin im Marktsegment Service-Wohnen für Senioren, gemeinsam mit ihrem Joint Venture Partner Garbe Immobilien-Projekte die Projektentwicklung "VILVIF Hamburg" an die Aachener Grundvermögen Kapitalverwaltungsgesellschaft verkauft. Nach Marktinformation ist es die bisher größte Einzeltransaktion für Service-Wohnen in Deutschland.  [….]

(DGAP, 31.12.2021)

800 Millionen Euro – bei diesen Preisen mag Otto Normalverbraucher etwas überfordert sein. Für Rainer Kardinal Woelki kommt das Projekt gerade passend. Sein Milliarden-schweres Erzbistum schwimmt im Geld und da er sich erfolgreich dagegen wehrt, Entschädigungen an die von seinen Priestern sexuelle missbrauchten Opfer zu zahlen, bleibt auch genügend Kapital für Luxusimmobilien übrig.

[….] Die GmbH Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft (ASW) ist im Besitz der Erzbistümer Köln und Paderborn und der Bistümer Trier, Münster und Aachen. Das Stammkapital beträgt 37 Mio. Euro. Dem Erzbistum Köln gehören 41,5 Prozent des Grundkapitals. [….]

(Wikipedia)

Auf ihrer Website beschreibt die den Bistümern gehörende Immobilien-Gesellschaft unter dem Bild eins drollig mit Fingerfarben spielenden Kindes ihre „christlich soziale Verantwortung“:

[…] Soziale Verantwortung

Unser Leitbild ist Grundlage unseres Handelns. Es bestimmt unser Selbstverständnis, unsere Ziele und unsere Werteorientierung.

Seit ihrer Gründung hat die Aachener Siedlungs- und Wohnungsgesellschaft mbH eine sozial-christliche Ausrichtung. Die soziale Verantwortung gegenüber den einzelnen Menschen und der Gesellschaft im Allgemeinen steht im Vordergrund unserer Immobilienleistungen:

Wir versorgen breite Bevölkerungskreise mit preiswertem Wohnraum. [….]

(Aachener SWG)

Die freundlichen 23 Millionen Kirchensteuerzahler machen es möglich: Drastische Umverteilung von unten nach oben. Luxusimmobilien für die Superreichen.

Montag, 7. Februar 2022

Söder im Panik-Modus

Die Merz-Söder-Marschroute für die Opposition kristallisiert sich immer mehr als Obstruktion heraus.

Umarmung der AfD (Hetze gegen Nancy Faser), populistische Forderungen, Kriegstreiberei (Waffenlieferungen an die Ukraine) und lebensgefährdende Anbiederung bei den faschistoiden Impfschwurblern.

„Team Vorsicht“ war einmal. Das Leben der Senioren, der Schwachen und Kranken zu schützen, also die letztes Jahr noch relevanten „vulnerablen Gruppen“ zu berücksichtigen, ist out bei CDU/CSU.

Pflegebedürftige Menschen, Demente, Bettlägerige, Leidende sind auf der Straße nicht sichtbar. Sie sind nicht nur am stärksten physisch von Corona bedroht, sondern leiden auch seelisch am meisten, weil sie in ihren Heimen, in ihren Krankenzimmern eingeschlossen sind und keine sozialen Kontakte pflegen können.  Den C-Parteien sind diese Menschen offenkundig egal. Sollen die Alten sich doch infizieren und abkratzen. Nichts Söders Problem.

Die bundesweite einrichtungsbezogene Impfpflicht will der Chefbayer plötzlich nicht mehr. Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Pflegebranche sollen weiter ungeimpft als Virenschleudern unterwegs sein dürfen.

Söder goes full Schwurbel.

[…] In Bayern fällt die längst beschlossene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Die handstreichartige Entscheidung folgt allein politischem Kalkül. So aber funktioniert Seuchenschutz nicht.

Ein echter Söder, mal wieder. Es war schon still geworden um den obersten Seuchen-Terminator. Zunächst hatten ja wahlweise die Nachbarländer oder die Wissenschaftler, die angeblich nicht vor der Winterwelle gewarnt haben, Schuld daran, dass sich Bayern mit Sachsen im Corona-Abstiegskampf duellieren musste, wenn es um höchste Inzidenzen und niedrigste Impfquoten ging. Doch nachdem diese Argumentation schmählich in sich zusammengefallen war, fand sich zwischenzeitlich niemand, dem Söder die Verantwortung dafür hätte zuschieben können, dass sich dieses vermaledeite Virus partout nicht an CSU-Vorgaben hält.  Doch jetzt prescht Söder wieder vor, im Alleingang, und setzt in Bayern die für den 15. März vorgesehene Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen "bis auf Weiteres" aus. Die unverschämte Solonummer wird noch garniert, indem der Ministerpräsident "großzügigste Übergangsregelungen" in Aussicht stellt, was aber - zwinker, zwinker - "de facto auf ein Aussetzen des Vollzugs hinausläuft". War nicht so gemeint, wir lassen das erst mal mit der Impfpflicht für jene, deren Aufgabe darin besteht, Kranke und Verletzliche zu schützen. Geht's noch?

Söder handelt eigenmächtig, aus selbstsüchtigen Motiven. […]

(Werner Bartens, SZ, 07.02.2022)

Söder, vor einem Jahr noch ganz oben auf dem Polit-Ranking und selbstgefühlter nächster Kanzler, verfiel nach der Niederlage im Kanzlerkandidatenrennen gegen Armin Laschet und die Wahlniederlage der Union gegen Olaf Scholz in Depressionen. Seine CSU war in Bayern auf nie dagewesenen Tiefstwerte abgestürzt; es schien sogar vorstellbar, daß die CSU bei den nächsten Landtagswahlen die Macht ganz abgeben könnte.

Nach einem Vierteljahr voller Gram und Grauen, kämpft sich nun die neroeske Söder-Persönlichkeit nach vorn. Nie wieder Seriosität. Schulterschluss mit Aluhut und BILD.

[…..]  »Auch die bayerische Landesregierung sollte das beschlossene Gesetz ernst nehmen«, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. »Es geht um den Schutz von Patienten und Heimbewohnern. Wir müssen die pflegebedürftigen Menschen in den Heimen schützen.«  »Laxe Vollzugsregeln der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immunsystem gefährden«, fügte der Gesundheitsminister hinzu. Sie gefährdeten auch die Glaubwürdigkeit von Politik.  Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Heike Baehrens, übte Kritik. Die bayerische Regierung hintertreibe den gemeinsamen Beschluss von Bund und Ländern und das von CDU/CSU breit mitgetragene Gesetz, sagte sie. Ziel der einrichtungsbezogenen Impfpflicht sei es, besonders verletzliche Menschen zu schützen. »Wenn die CSU die Impfpflicht aussetzt, entzieht sie sich damit ihrer Verantwortung, diesen Schutz zu gewährleisten. Das sendet ein fatales Signal.«  [….]

(SPON, 07.02.2022)

Söder und Merz, in inniger Feindschaft zueinander verbunden, laborieren an einem gemeinsamen Problem: Sie sind nicht Olaf Scholz.  Ihnen geht die Fähigkeit ab, Akten zu studieren, sich gründlich zu informieren und im Hintergrund am Schreibtisch programmatische Arbeit zu leisten. Inhaltliche Konzeptionen kann man von ihnen nicht erwarten.

So poltert Friedrich Merz nun für ganz Deutschland, die einrichtungsbezogene Impfpflicht solle ausgesetzt werden. Populismus pur. Es geht nur noch darum Streit in die Ampel zu tragen und die FDP herauszulösen.

Daß die CDU bei der Bundestagswahl 2021 so brutal abgestraft wurde, lag nach übereinstimmenden Analysen a) an Armin Laschet, aber die CDU hätte trotz ihres deprimierend schlechten Kandidaten gewinnen können, wenn die Menschen b) gewußt hätten wofür die CDU eigentlich steht. Es gibt aber keine politischen Antworten der CDU/CSU auf die großen national und international anstehenden Probleme. Es ist wohlfeil, alles Angela Merkel in die Schuhe zu schieben. Die Frau ist seit 2018 nicht mehr Parteichefin und niemand innerhalb der CDU wurde daran gehindert, sich Gedanken darüber zu machen, wofür die Partei stehen soll.

Friedrich Merz versuchte am 30. Oktober 2018, am 16.Februar 2020 und am 16. November 2021 Bundesparteichef zu werden und scheiterte zweimal an genau dieser Frage: Was will die CDU eigentlich?  Außer ewig-gestrigen Sprüchen hatte Merz nie etwas zu bieten. Er mischt seit 2018 an vorderster Front der Bundespolitik mit, gehörte zum Kompetenzteam Laschet und war von 2019 bis 2021 Vizepräsident des Wirtschaftsrats der CDU e.V. In den vollen vier Jahren kam ihm aber offensichtlich nie eine Idee, was eigentlich in einem CDU-Programm stehen könnte. Bis heute kann er darauf keine Antwort geben.

Dann eben Covidioten-Populismus. Wenn statt 200 Menschen pro Tag, 1.000 an Covid19 sterben, kann er es so schön der Ampel in die Schuhe schieben.

Sonntag, 6. Februar 2022

Faschismus ist schlecht.

Donald Trump etablierte durch seine grenzenlose Borniertheit „Antifa“ als Metapher für alles Böse. Böse = Links. So sehen es die Konservativen bis heute. Die politische Bildung des Durchschnittsamerikaners ist blamabel schlecht und noch erbärmlicher, wenn es um politische Themen außerhalb der USA geht.  Selbst wenn es um den zweiten Weltkrieg geht, also ein Mega-Ereignis, in das die US-Amerikaner wesentlich eingebunden waren und immerhin 420.000 GIs mit ihrem Leben dafür bezahlten, sind die konservativen Politiker und erst Recht die 75 Millionen einfachen Trump-Wähler völlig ahnungslos.

In ihrer Wahnwelt sind „liberal, left, intellectual, communism, voting rights, queer, antifa, socialism, activists, climate change, BLM, woke, civil rights, feminism” alles Synonyme für das Böse schlechthin. Nicht etwa eine konkurrierende politische Überzeugung, sondern das wahrhaft satanische Gründübel, Sauron-schlimmes Übel, das es mit allen Mitteln zu vernichten gilt.

Aus dieser Geisteshaltung heraus, waren die WKII-Gegner alle links. Daß die Sowjet-Union in den 1940er Jahren ein Alliierter der USA war, wird dabei ebenso ignoriert, wie die Tatsache, daß Putin-Russland und Xi-China natürlich turbokapitalistische Wirtschaftsordnungen etabliert haben und damit keine linken/kommunistischen Mächte mehr sind.

Leider wird diese Grundhaltung, daß „links“ immer irgendwie unpatriotisch, schlecht und gefährlich sei, auch bei deutschen Konservativen kultiviert. Über Jahrzehnte haben Unions-Innenpolitiker und Staatsschützer sich dem Kampf gegen die Linke verschrieben und das rechte Auge zugedrückt.

(….)  Man könnte meinen, in der deutschen Nachkriegsdemokratie wäre Antifaschismus ein Minimalkonsens, den alle Parlamentarier nicht nur missmutig akzeptieren, sondern offensiv verteidigen.  Es ist ein schweres Versagen der Konservativen und Nationalliberalen zuzulassen, daß die parlamentarische Rechte den Begriff „Antifa“ negativ umdeuten konnte.  CDU-geführte Innenministerien und Staatskanzleien fielen weder Landes- noch Bundesverfassungsschützern in den Arm, wenn sie mit fest zugeklebten rechten Augen Antifa-Gruppen unter Generalverdacht stellten.

Der ehemalige oberste Verfassungsschützer Hans-Georg Maaßen, Großzampano der CDU-Werteunion, AfD-Freund am äußersten rechten Rand der Demokratie,  hält ganz offensichtlich Gruppen wie „Antifa Zeckenbiss“ und die „Antilopengang“ für wesentlich gefährlicher, als Rassisten und Faschisten des Schlages Höcke. Unglücklicherweise schmust nicht nur der rechte Rand der CDU mit den Rechtsextremen, sondern nahezu das gesamte CDU/CSU/FDP-Spektrum hält die Linke für genauso schlimm wie die AfD. Annegret Kramp-Karenbauer vertritt noch heute diese Ansicht.

Bodo Ramelow, der bodenständige Christ, der Thüringen fünf Jahre erfolgreich regierte und so bösartige Dinge wie kostenfreie Kitaplätze einführte auf einer Stufe mit Holocaustleugner, gewaltbereiten Antisemiten, Revanchisten, Hitler-Verehrern und Rassisten?

Den Konservativen ist offenbar ihr gesamtes Koordinatensystem verrutscht. Die RAF-Zeit wirkt bis heute nach; sie hat den Staat verändert. Von 1971 bis 1993 wurden von RAF-Mitgliedern 34 Menschen getötet. Seit der Selbstauflösung der RAF wurden fast 200 Menschen durch rechtsextreme und rassistische Gewalt umgebracht.  Obwohl die rechtsextreme Gewalt eine viel höhere Quantität hat – jeden Tag gibt es ein halbes Dutzend rechtsextremer Übergriffe – können deutsche Innenminister, Verfassungsschutzbehörden und Medien kein wirkliches Interesse aufbringen. Das liegt an der Auswahl der Opfer.

Eher die Schwachen der Gesellschaft, keine Promis. Die interessieren uns offenbar weniger.

  (….) Für mich ist der Unterschied zwischen links und rechts die generelle Stoßrichtung. Links kämpft für die Schwachen, Rechts kämpft für die Starken.  Das gilt nicht nur politisch, sondern beispielsweise auch für den Terrorismus. Rechte Terroristen ermorden die Schwächsten der Gesellschaft, rechte Hetzer pöbeln gegen Minderheiten: Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.

Linke Terroristen legen sich mit den Stärksten der Gesellschaft an, dem Militär, Bankdirektoren, Toppolitiker. Von einer linken Partei wie der SPD erwarte ich, daß sie sich im Zweifelsfall immer für die Schwächsten einsetzt und mit ihnen gegen die Mächtigsten kämpft. (….)

(Frau, gläubig, rechts, 17.02.2018)

(……) Der rechte Terrorismus hat neben der schon genannten größeren Quantität aber auch eine andere Qualität. Es sind Hass-Verbrechen, die niedersten Instinkten entspringen. Begangen von zutiefst sadistischen Personen, die sich daran erfreuen Schwache zu quälen, niederzuringen, zu demütigen, ihnen Leid zuzufügen. Während die RAF tötete in dem Wahn damit etwas Gutes zu erreichen, wollen Rechtsextremisten etwas Böses erreichen, um dann nach Herzenslust zu töten. Allein die von Mordphantasien besessene Mecklenburg-Vorpommersche Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ plante Myriaden Menschen zu töten, erstelle eine Liste mit 25.000 Namen. (…..)

(Massenmord aus Leidenschaft, 08.07.2019)

Es gibt dennoch keine Rechtfertigung, keine Entschuldigung für linke Gewalt. Wer aber hartnäckig nur nach links guckt und verschweigt, daß rechts ganz offensichtlich die viel größere Gefahr lauert; wer darüber hinaus 31 Jahre nach der Deutschen Einheit immer noch die Linke pauschal als „SED/PDS/Kommunisten“ bezeichnet, ist nicht ernst zu nehmen.

Diese Vorwürfe kommen interessanterweise aus den beiden Parteien – CDU und FDP – die anders als die SED-Nachfolger überhaupt keine Auseinandersetzung mit der Geschichte der vier von ihnen wegfusionierten SED-Blockparteien führten. (….)

(Rechtsblink Marsch!, 08.02.2020)

Offensichtlich ist es immer noch notwendig, zu erklären was Faschismus ist:
Er entstand als politische Bewegung im Italien der 1920er Jahre und etablierte sich in nahezu allen europäischen und südamerikanischen Staaten.

[….] Die italienische Entwicklung diente teilweise den dt. Nationalsozialisten als Vorbild, sodass F. und Nationalsozialismus (schwarze und braune Faschisten) teilweise gleichbedeutend verwendet werden. Gemeinsam ist ihnen a) eine charismatische, autoritäre Führerfigur, b) die strikte Unterwerfung unter das Führerprinzip und c) der hierarchische Aufbau der politischen Organisation; weiterhin d) das rechtsextreme, offen rassistische und fremdenfeindliche Gedankengut und e) die (in Bezug auf andere politische Überzeugungen) negative Eigendefinition (als antidemokratisch, antiparlamentarisch, antiliberal, antihumanistisch etc.) […]

(bpb 2020)

Der Faschismus ist in jeder Hinsicht das diametrale Gegenteil von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten und führte allein im WKII zu über 60 Millionen Toten. Man kann nur staunen, daß in Demokratien überhaupt noch der geringste Zweifel daran besteht, wie man Faschismus zu begegnen hat: Er ist mit allen Mitteln zu bekämpfen! Antifaschismus muss Staatsraison sein; nicht nur in Europa, sondern auch gerade in den USA. Mehr als 400.000 GIs starben im Kampf gegen den Faschismus.

Faschismus schlecht, Antifa gut.

Die deutsche rechts-publizistische Szene hatte in den wenigen 77 Jahren seit Ende des zweiten Weltkrieges offenbar noch nicht genügend Zeit, sich dieser simplen Erkenntnis anzuschließend und wittert nun einen Megaskandal, weil die SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser es 2021 gewagt hatte, einem „antifa-Magazin“ ein Interview zu geben.

Zuerst regte sich die AfD-Postille „Junge Freiheit“ darüber auf, dann schwang sich David Bergers rechtsradikale Hetzplattform „PP“ auf den Anti-Faeser-Zug und schließlich sprangen alle Braunen und Schwarzen brav über das Stöckchen: Tichys Einblick, HG Maaßen, die CSU, die WELT, Springer, Poschardt, die CDU.

[….] Interessantes Wochenende.

#Bild schreibt bei "Junge Freiheit" ab, um #Fraeser zu diffamieren. #CDU und #Welt springen auf und dabei stellt sich heraus, wie nahe #Union's-Innenexperte #Mayer doch der "Junge Freiheit" steht und #Poschardt beleidigt Holocaust-Überlebende.  [….]

(UnionWatch, 06.02.2022)

Unglaublich, aber auch deutschen Konservativen skandalisieren den Antifaschismus.  Bevor Faeser Innenministerin wurde, hatte sie als hessische SPD-Vorsitzende rechtsradikale mit „NSU 2.0“ unterschriebene Drohbriefe erhalten. Dabei handelt es sich um eine hochgefährliche rechte – faschistische – Terroristengruppe, die schon ein Dutzend Morde beging – unter anderem 2019 an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke. Faeser tat das einzig Richtige, indem sie darüber aufklärte und sich wehrte.

Es gehört schon außerordentlich moralische Schäbigkeit dazu, um sich wie Union, BILD oder Poschardt bei rechtsterroristischen Morden nicht bedingungslos an die Seite der Opfer zu stellen.

[….] FDP und Linke springen Nancy Faeser [….] Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) wird von Politikern aus CDU und CSU kritisiert, weil sie – damals noch als Vorsitzende der SPD Hessen – einen Text in »Antifa« veröffentlicht hat, dem Magazin der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten). Zuerst hatten die neurechte »JF« und im Anschluss die »Bild« darüber berichtet. Anlass für Faesers Text waren rechtsextreme Drohbriefe, deren Adressatin unter anderem auch die SPD-Politikerin selbst war. Die Briefe waren mit »NSU 2.0« unterzeichnet und wurden von 2018 bis 2021 an Politiker und Privatpersonen verschickt. [….]  Faeser schrieb über Einschüchterungsversuche und »Fantasien von der Vernichtung Andersdenkender« und ferner, dass Einzelne im Internet einander »in faschistischen Fantasien bestärken« können. [….] Der CDU-Innenpolitiker Christoph de Vries behauptete in »Bild« hinsichtlich Faesers Text in »Antifa«: »Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind.« Stephan Mayer (CSU) verlangte »eine rasche Entschuldigung« und die »Rücknahme des Beitrags«.

Der Koalitionspartner FDP dagegen stärkt der Innenministerin den Rücken. Der »Welt am Sonntag« sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle: »Der Text eignet sich hervorragend als Lektüre für CDU- und CSU-Innenpolitiker, die die Gefahr des Rechtsextremismus jahrelang unterschätzt haben.« Außerdem habe die Union »dem Treiben eines gefährlichen Verschwörungsideologen an der Spitze des deutschen Inlandsnachrichtendienstes keinen Einhalt geboten«. Damit spielt Kuhle auf den ehemaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, an. [….] Auch aus SPD und Grünen erhielt Faeser viel Zuspruch. »Gut, dass wir jetzt eine Innenministerin haben, die den Kampf gegen Rechts ernst nimmt«, twitterte SPD-Chef Lars Klingbeil.  Der Grünenpolitiker Sven Kindler schrieb: »Die CDU/CSU-Innenminister vor Faeser haben jahrelang Hans-Georg Maaßen und seine Machenschaften als Präsident des Verfassungsschutzes gedeckt.« [….]

(SPON, 05.02.2022)

Springers Groß-Zampano und WELT-Chefredakteur Poschardt schaffte es beim Thema Faschismus vs Faeser noch eine deutliche Umdrehung peinlicher zu werden, indem er von „Super-Holocaustüberlebenden und ihren PR-Abteilungen“ faselt, die Formulierung nach dem zu erwartenden Shitstorm aber einer Assistentin in die Schuhe schiebt.



[….] Die Zeitung Die Welt aus dem Axel-Springer-Verlag hat sich am Sonntag für einen bei Twitter heftig diskutierten "schlimmen Fehler" entschuldigt, "den wir zutiefst bedauern und umgehend korrigiert haben". Es geht um einen Meinungsbeitrag für die Welt am Sonntag von Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt mit der Überschrift "Faeser sollte sich schnell erklären - und klar abgrenzen". Dort stand in einer früheren digitalen Version bei Welt.de, "unbescholtene Bundeswehroffiziere wie Marcel Bohnert" müssten sich "von super Holocaust-Überlebenden und deren PR-Abteilungen in der ARD" in die braune Ecke treiben lassen. [….] Auf Twitter veröffentlichte die Welt am Sonntag eine ausführliche Erklärung. Demnach sei es bei der digitalen Bearbeitung des Textes während der Verlinkung eines Begriffs zu dem Fehler gekommen. [….]

(SZ, 06.02.2022)

Ja, man kann natürlich die Ampelregierung kritisieren. Das tue ich auch.

Aber daß nach all den Unions-Appeasementjahren mit dem Rechtsradikalismus nun endlich eine moralisch anständige Person Amtsinhaberin ist, die sich klar gegen den Faschismus engagiert, empfinde ich als enormen Fortschritt! Danke SPD! Wer von Tichys Einblick, HG Maaßen, CSU, PP, JF, WELT, Springer, Poschardt, CDU und BILD derartig angegriffen wird, macht offensichtlich alles richtig.

Danke Nancy Faeser und weiter so.

Wenn hier einer zurücktreten muss, dann Ulf Poschardt als WELT-Chef.


 

Samstag, 5. Februar 2022

Enemy Alien

Also das mit dem Rechtsstaat in den klassischen alten Demokratien war und ist nicht ganz so Gold, wie es glänzt, wenn man es mit faschistischen Diktaturen wie Hitler-Deutschland vergleicht.

Im angelsächsischen Recht gibt es den juristischen Terminus „enemy alien“. Damit gemeint sind im Land lebende Staatsangehörige einer anderen Nation, mit der man sich im Konflikt befindet.  Es wird dabei nicht sauber nach Nationalität getrennt, sondern es handelt sich auch um drastischen Rassismus.

Nach dem japanischen Angriff 1941 auf Pearl Harbor, waren nicht nur japanische Staatsbürger innerhalb der USA plötzlich Feinde, sondern auch asiatisch aussehende US-Bürger.  Die große liberale Ikone Roosevelt, FDR, US-Präsident 1933-1945, war es selbst, der massiv xenophobe Stimmungen erzeugte und 1940 den Alien Registration Act auf den Weg brachte. Alle im Ausland geborenen Menschen, die in der Einwanderernation USA lebten, mussten sich registrieren lassen Mit den Präsidialproklamationen 2525-2527 wurden erst Menschen japanischer Abstammung, dann Deutscher und schließlich auch Italienischer zu „Enemy Aliens“ erklärt.

Der größte Hass schlug den asiatisch-stämmigen Menschen in den USA entgegen. 120.000 Bürger japanischer Herkunft, darunter immerhin rund 80.000 US-amerikanische Staatsbürger, wurden unter menschenrechtswidrigen Bedingungen in Internierungslager gesteckt.

Es war eindeutig ein rassistisches Verbrechen.

Aber die USA waren damals, obwohl sie nach denselben Gesetzen und derselben Verfassung von heute existierte, eine rassistische Nation. Eine Nation, die mit dieser Verfassung fast 100 Jahre lang Sklaven hielt und 150 Jahre Frauen das Wahlrecht vorenthielt.

Die USA waren 1940 verglichen mit Deutschland liberal, demokratisch und frei. Daher muss Deutschland ihr auch für immer dankbar für die Befreiung vom Nationalsozialismus sein. Nicht ohne Grund inspirierten die in Deutschland einmarschierten GIs in den 1940er Jahren so viele Menschen zu großer Amerika-Begeisterung. Aber schwarze GIs durften die US-Offiziersclubs nicht besuchen.

Es gibt sehr unrühmliche Geschichten der Alliierten des zweiten Weltkriegs.

So wurden in England rund 10.000 jüdische Kinder deutscher Herkunft interniert. Im Kanadischen Quebeck noch einmal 4.000 jüdische Kinder.

[….] Der Überfall auf Polen am 1. September 1939 markiert den Beginn des Zweiten Weltkriegs und beendet den "Kindertransport". Deutsche in Großbritannien werden nunmehr zu "enemy aliens" erklärt und in Internierungslager gebracht. Diese Maßnahme betrifft 1940 auch knapp 1.000 Heranwachsende, die mit dem "Kindertransport" ins Land kommen und zwischenzeitlich volljährig werden. Sie werden ebenfalls in Lagern auf der Isle of Man, in Kanada oder Australien inhaftiert.  [….]

(bpb, 24.04.2018)

74.000 in England lebende Flüchtlinge aus Italien und Deutschland wurden als „Enemy Aliens“ behandelt und so viele von ihnen in Lager gesperrt, bis die Kapazitäten so ausgelastet waren, daß man sie nach Australien und Kanada verschiffte. Man traute ihnen nicht, weil sie aus Deutschland stammten, sperrte sie lieber pauschal weg.

In Großbritannien gab es, immerhin, Bemühungen die „Feindlichkeit“ der Juden zu untersuchen und befand, daß einige von ihnen nicht ganz so gefährlich waren.

[….]  Mein Vater wurde nicht interniert, weil er ein Magengeschwür hatte, aber jeder Ausländer musste zur Polizei gehen und wir alle wurden befragt und verschiedenen Kategorien zugeordnet. Wir waren natürlich alle »feindliche Ausländer«, aber einige von uns waren »feindliche Ausländer«, andere »freundliche feindliche Ausländer«, das war eine neue Klassifizierung. Glücklicherweise wurden meine Eltern als »freundliche feindliche Ausländer« eingestuft.  Natürlich waren wir nicht die einzigen, die nach England oder nach London emigriert waren. Es gab in London einen Stadtteil, in dem sich jüdische Flüchtlinge bevorzugt niederließen, der bald »Abrahamstead« genannt wurde, sein richtiger Name war aber Hampstead. Jedenfalls hieß die Hauptstraße von Abrahamstead Finchley Road, und da alle Ausländer an die nächtliche Ausgangssperre gebunden waren, wurde die Straße schon bald »Curfewstendamm« genannt.

[Das englische Wort für »Ausgangssperre« ist curfew.]  [….]

(Felix Franks, 1944, Jüdisches Museum Berlin)

Freitag, 4. Februar 2022

Kommunaler Klima-Kampf

Ob wir Klimaschutz betreiben müssen, ist keine Frage mehr.

Es kann keine heiligen Energie-Kühe mehr geben. Alle großen Treibhausgas-Verursacher müssen drastisch zur Kasse gebeten werden.  Wir können uns keinen Whataboutism mehr leisten. ‚Guckt doch erst mal auf die Energieschleuder China‘, ist eben kein Argument, mit dem man deutsche Untätigkeit rechtfertigen kann.

Es nervt natürlich, wenn man selbst von Klimaschutzmaßnahmen so betroffen ist, daß man sich einschränken muss, während quantitativ viel schädlichere Klimakiller aufgrund ihrer größeren Lobbymacht ungeschoren davonkommen. Autofahrer in Hamburg-Altona fahren groteske Umwege, weil an einer bestimmten Messstation zu hohe Feinstaubpartikeldichte herrscht und 800m Luftlinie entfernt liegen Kreuzfahrriesen, denen der Landstrom zu teuer und die daher in der Stunde die Stickoxidmenge von über einer Millionen Autos ausspeien. Es ist natürlich albern harmlose Großstadtmenschen wie mich, die ohnehin in Mehrfamilienhäusern mit kaum Außenwänden leben und daher so gut wie gar nicht heizen, zu umständlichen und extrem teuren Wärmedämmungen zu zwingen, wenn Steinkohlkraftwerke gebaut werden, Menschen Millionen Haustiere halten und jeder Deutsche völlig ungebremst mehr als 70 Kilo Fleisch im Jahre fressen darf.

Ja, es ist schon richtig, nur weil man das eine nicht tut, darf man das andere nicht auch lassen.  Deswegen sollen weniger Autos im Straßenverkehr unterwegs sein. Weniger Individualverkehr, weniger Benzinverbrauch pro Person.

Mein durchschnittliches Verbrennerauto stößt  rund 20 kg CO2 pro 100 km aus.  So wenig, wie ich fahre, produziere ich nur etwa 200 bis 300 kg CO2 im Jahr. Dafür werde ich aber schon arg drangsaliert.

Fliege ich einmal nach New York und zurück, verursache ich rund 8 Tonnen CO2, also so viel CO2, wie ich in 40 Jahren Autofahren generiere – aber ohne irgendwelche staatlichen Eingriffe.

Man könnte also durchaus sagen, der Fahrrad-fanatische Grüne Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks, verhält sich mit seinem manischen Feldzug gegen den PKW-Individualverkehr grob unsolidarisch und ineffektiv.

Allerdings bleibt es richtig und wünschenswert, möglichst viele Hamburger von der Benutzung des eigenen Autos zum Umstieg auf Fahrrad oder ÖPNV zu überzeugen. Klar, noch viel besser wäre es, wenn die Radfahrer aufhörten, Fleisch zu fressen oder mit dem Flugzeug nach Mallorca zu fliegen.  Aber das wäre dann konsequente Politik und die ist grundsätzlich verpönt in Deutschland.

(….) Selbstverständlich trägt Tjarks neben der obligatorischen Nerd-Hornbrille den Hipster-Einheits-Sieben-Tage-Bart, den auch Lindner und alle Teilnehmer der RTL-Bachelorette-Show haben und trainiert so eifrig, daß er über kein Gramm Fett am Körper verfügt. Gut für Werbeplakate und gut, um bei den grünen Themen authentisch zu wirken. Er ist gegen Autos und fährt immer mit dem Fahrrad.

 […..] Unser Herzensprojekt heißt: Hamburg wird Fahrradstadt! Regelmäßige Pegelerhebungen zeigen, dass immer mehr Menschen auf das Rad umsteigen. Diesen Trend wollen wir aufgreifen und unterstützen, indem wir die Wege schneller und bequemer machen: Mit besseren und sicheren Radstrecken, schnelleren und bequemeren Wegen in die Stadt sowie einfacheren Abstell- und Umsteigemöglichkeiten. Unser Ziel ist es, innerhalb der 2020er Jahre den Radverkehrsanteil von 12 auf 25 Prozent zu steigern. Das ist eine Verdoppelung des Radverkehrs und damit ein sehr ehrgeiziges Ziel. [….]

(Grüne Hamburg)

Die Radelei ist für die Sportskanone Hobby und Sucht gleichzeitig.

[….] Handball, Fußball, Tennis, Marathon – und jetzt auch noch der Wettbewerb für die Harten und Vielseitigen: Triathlon. Seit Monaten trainiert Anjes Tjarks für die Teilnahme an dem Kombinationswettbewerb aus Schwimmen, Radfahren und Laufen Mitte Juli an Alster und Elbe. Der Chef der Grünen-Bürgerschaftsfraktion schwimmt an Wochenenden 50 Bahnen im „Festland“, radelt zu allen Terminen durch die Stadt und läuft jeden Morgen um 6 Uhr, bevor er seine drei Söhne weckt, von der Altonaer Altbauwohnung zur Strandperle am Elbstrand und zurück. Falls das Sporttreiben nicht sogar eine Sucht ist, mehr als ein Hobby ist es auf jeden Fall für den Studienrat. „Sport ist die DNA meines Lebens“, sagt der 37-Jährige. […..]

(HH Abla, 02.07.2018)

Er agiert wie evangelische Bischöfinnen in ihren Kolumnen – sie erzählen voller Selbstbewunderung etwas aus ihrem Leben, das sie ganz toll machen und folgern und fordern aus dieser extremen Ego-Perspektive alle anderen mögen es ihnen bitte nachtun. Tjarks radelt und sportelt, das sollen nun alle anderen Hamburger auch. Daß es Menschen gibt, die aus beruflichen Gründen ein Auto brauchen, oder die womöglich schon 88 sind und nicht mehr Radfahren können, die auch nicht im öffentlich Bus fahren können, weil sie dort beim Anfahren hinschlagen würde oder nicht mit ihrem Rollator hineinkommen, oder die wie ich aufgrund eines gebrochenen Beines und jeder Menge Schrauben im Knie und Sprunggelenk nicht Pedale treten können, kommt Tjarks offenbar nicht in den Sinn. In seiner Welt sind alle Menschen genauso jung, perfekt und sportlich wie er. Wenn Tjarks mal richtig ausrastet und sich von seiner wilden Seite zeigt, wirft er womöglich ein Apfelgehäuse in den Hausmüll, statt in die Biotonne. Aber das mutmaße ich nur. Eigentlich traue ich ihm nicht so viel Rebellentum zu. (…)
(Rundgelutscht bis zur Unkenntlichkeit, 21.08.2018)

Ich mag Tjarks nicht, bin nicht in seiner Partei und hätte ihn niemals gewählt.

Seine politischen Ziele sind natürlich trotzdem legitim, insbesondere wenn sie einen bestimmten Wählerwillen widerspiegeln.

Ja, wenn es nach mir ginge, sollte man beim Klimaschutz lieber die ganz großen Klimasünder in Angriff nehmen und nicht Autos pauschal verbannen, sondern die Sparsamen und erst Recht die PKW mit alternativen Antrieben fördern.

Aber es geht nicht nach mir und so ist also die offizielle Linie, mit drastischen Maßnahmen den Autofahrern das Autofahren auszutreiben.

Dafür gibt es stadtweite Spurverengungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen, dramatische Parkplatzvernichtung, Blitzmarathons, Schikanen, physische Hindernisse und enorme Gebührenerhöhungen.

[….]  Verkehrs-Zoff in Hamburg: Immer mehr Parkplätze fallen weg

Die Zahl der Autos in Hamburg steigt seit Jahren kontinuierlich, aber nicht nur das: Auch die Anzahl der Pkw pro Einwohner nimmt zu. Gleichzeitig müssen immer mehr Parkplätze in der Stadt weichen. Die CDU wirft der Verkehrsbehörde deshalb eine „Parkplatzvernichtungsmentalität“ vor. Die Behörde weist die Vorwürfe vehement zurück. Kamen 2017 auf 1000 Einwohner noch 421 Autos, waren es 2020 laut Statista schon 434. Heißt konkret: Hält die Entwicklung an, hat bald jeder zweite Hamburger seinen eigenen Pkw. Für alle Autofahrer gibt es aber schlechte Nachrichten: Bis Ende des Jahres 2021 werden im Stadtgebiet insgesamt 811 Parkplätze weggefallen sein, im kommenden Jahr kommen sogar nochmal um die 830 hinzu. Die meisten davon für Velorouten. [….]

(Mopo, 14.09.2021)

Ich werfe Senator Tjarks nicht seine Zielsetzung vor. Aber er muss sich vorhalten lassen, notorisch erfolglos zu sein. Er setzt stoisch auf völlig nutzlose Maßnahmen, treibt die Verkehrsteilnehmer in den Wahnsinn und entfernt sich dabei immer mehr von seinen Zielen.  Seit Tjarks Senator ist, vermehrten sich die Autos auf Hamburgs Straßen um mehr als 20.000 PKW.

  

Es passiert also das Gegenteil dessen, wofür Tjarks so eifrig kämpft: Immer mehr Autos in Hamburg. Tjarks kann seinen Job nicht. Er ist mit der Leitung einer Behörde hoffnungslos überfordert und scheitert bei der täglichen Verwaltung.

(….)  Für mich als „Tschentscher-Fan“ sind aber die CDU/FDP/AfD-Attacken auf die Senatoren Gallina und Tjarks sehr viel unangenehmer.  Sehr unangenehm sogar, weil sie zutreffend sind und ich keine Möglichkeit sehe, die beiden Grünen zu verteidigen.

[….] „Der Hamburger Senat ist außer Rand und Band. SPD und Grüne haben einen klassischen Fehlstart hingelegt. Hat Corona das zu Beginn noch überdeckt, nimmt die Zahl der Senatoren, die entweder persönlich und fachlich nicht geeignet sind, zu. Sei es Umweltsenator Jens Kerstan mit seinen politischen Alleingängen als lose Kanone an Deck, Verkehrssenator Anjes Tjarks der vor dem Stau-Chaos kapituliert, Innensenator Andy Grote mit seiner Corona-Party und Pimmelgate oder Anna Gallina, die erst gar nicht Justizsenatorin hätte werden dürfen und jetzt Ihre Staatsrätin nach Dauerstreit als alleinige Fachkraft aus der Behördenleitung rausschmeißen ließ. […..]

(D. Thering, CDU, 03.11.2021)

Anjes Tjarks hat in der Tat die Stadt in ein Verkehrschaos gestürzt, verprasst Millionen für sinnlose Projekte wie das gewaltige Fahrrad-Parkhaus in der Kellinghusenstraße, das niemand nutzt. Drei Millionen Euro gab Tjarks für ein paar Rad-Stellplätze aus und seither steht das Gebäude wegen  akuter Sinnlosigkeit leer.


 In seinem planlosen Radfahrer-Wahn setzt Tjarks auf sogenannte „Todesweichen“, also Radfahrstreifen in Mittellage (RiM), auf denen nahezu im Wochentakt Radfahrer sterben. Die CDU hat leider Recht, wenn sie Tjarks „Kapitulation vor dem Stau“ vorwirft. Wie soll man die Aussagen des ewig grinsenden Sportfanatikers anders auslegen?

[…..]  Tjarks kündigt an: Hamburg wird für Jahre zur Dauerbaustelle  […..]  Tjarks sagte dem NDR, Baustellen könnten nicht so koordiniert werden, dass es keine Staus gibt. […..]  Erst Ende August hatte der Senat auf eine Kleine Anfrage des CDU-Bürgerschaftsfraktionsvorsitzenden Dennis Thering geantwortet, dass es derzeit 715 Baustellen in der Stadt gibt. Der Senat räumte ebenfalls ein, dass nur an zwei davon im Zwei- oder Mehrschichtbetrieb gearbeitet wird. […..]  Auch Brückensanierungen würden die Stadt die nächsten 20 Jahre beschäftigen, sagte Tjarks am Mittwochabend. [….]

(MoPo, 28.10.2021)  (……..)

(Grüner Sumpf, 04.11.2021)

Ein besonders umworbenes Grünes Anti-Auto-Projekt, sind die „Eimsbüttler Parlets“. Ganz normale Bürger sollen sich bewerben, einen Straßenparkplatz zu betreuen und dürfen ihn in eine Wohlfühlfläche umwandeln.

[….] Parklets sind meist provisorische Holzbauten auf Parkplätzen am Straßenrand, auf denen man zusammensitzen oder spielen kann. Die Beispiele anderer Städten zeigen, dass Parklets zum Beispiel auch mit Kickertisch, Liegemöglichkeiten, Fahrradabstellanlagen, Büchertauschtürmen und Ausstellungsboxen bestückt werden können. Gemeinsam ist allen Beispielen, dass Aufenthalt, klimafreundliche Begrünung und Begegnung in den Stadtvierteln gefördert werden soll  - und zwar auf Flächen, die sonst ausschließlich durch abgestellte Fahrzeuge genutzt werden.  Im Bezirk Eimsbüttel soll jeweils die Fläche eines Parkplatzes mit ca. 12 qm für die Gestaltung durch einen Antragstellenden zur Verfügung stehen oder ein zusammenhängendes Doppel-„Parklet“ (ca. 24 qm) ermöglicht werden.  [….]

(Hamburg Eimsbüttel Parklets)

Die Stadt gibt pro Parkplatz 1.000 Euro dazu.

Grünisierung von Parkplätzen, wie sich das ein frommer grüner Radler-Senator vorstellt.

Nach ein paar Monaten erfolgte nun die Evaluierung der Maßnahme: Würde sich die Stadt in eine Oase aus Gartenmöbeln mit Blumenkübeln am Straßenrand verwandelt haben?
Nun ja, es wurden immerhin insgesamt drei Anträge gestellt. Einer wurde zurückgezogen, aber zwei Parklets sollen tatsächlich umgewidmet werden.

Über eine Million Kraftfahrzeuge waren 2021 in Hamburg zugelassen. Davon gute 800.000 PKWs, die auf ebenso vielen Stellflächen stehen.

800.000 MINUS zwei, die demnächst Parklets werden und den Steuerzahler 2.000 Euro kosten.

Das nenne ich effektive Politik.