Samstag, 14. August 2021

Versteckspiel

Wir nähern uns der heißen Wahlkampfphase.

Kanzlerkandidat Olaf Scholz beginnt eine große Wahlkampfrundreise, so daß möglichst viele Wähler die Gelegenheit bekommen ihn persönlich zu erleben.

Der Mann mit der eher unauffälligen Wesensart, gewinnt im direkten Gespräch, kann in Diskussionen überzeugen. In Folge dessen, steigen die SPD-Umfragewerte. So sollte es auch üblicherweise in einer parlamentarischen Demokratie laufen. Die Parteien stellen ihren besten Kandidaten auf, der durch viel Werbung und Öffentlichkeit bekannter und beliebter wird, so daß seine Partei mehr Stimmen bekommt.

Grüne und Union, die wechselseitigen Wunschpartner, entschieden sich für einen anderen Weg. Ihre Parteien stehen recht gut da, also kürten sie intellektuell überforderte, schwache Charaktere zu ihren Spitzenkandidaten.  Baerbock und Laschet lieferten entsprechend und zogen ihre jeweilige Partei seit ihrer Nominierung demoskopisch deutlich nach unten. Wer die Grüne Co-Chefin oder den NRW-Ministerpräsidenten live erlebt; sei es auch nur im TV, kommt anschließend zu dem Schluß lieber eine andere Partei zu wählen.

Ungewöhnlicherweise wurden also bei dem 2021er Wahlkampf-Blockbuster gleich zwei Urnengifte als Hauptdarsteller gecastet, während die Publikumslieblinge Söder und Habeck nur irrelevante Nebenrollen ergatterten. Die grünen und schwarzen Produzenten ergreifen das einzige verbleibende Mittel: Sie verstecken ihre Kanzlerkandidaten.

Je weniger Baerbock und Laschet auftreten, desto weniger Wähler können sie verschrecken.

Insbesondere bei Letzterem wird diese Strategie radikal umgesetzt. Rezo, Pro7, Thilo Jung – Laschet kneift.

Laschet sagte sogar dem Zentralrat der Juden in Deutschland ab, der eine „Tacheles-Diskussion“ mit Lindner, Bartsch, Baerbock und Scholz geplant hatte.

 […..] Armin Laschet, der Kanzlerkandidat der CDU, ist im Moment vor allem der Absagen-Laschet: Im Juni sagte er einen Auftritt für Youtube ab, wo ihn Rezo und Tilo Jung zu einem Kanzlerkandidaten-Triell mit Olaf Scholz und Annalena Baerbock eingeladen hatten. Im Juli sagte er eine bei ProSieben geplante Wahlkampfshow ab, in der sich die Kanzlerkandidaten den Fragen des Moderators und denen von Bürgerinnen und Bürgern stellen sollten. Baerbock und Scholz werden in zwei Sendungen am 1. und 15. September mitmachen. Laschet möchte lieber nicht. Auch der Spiegel wollte zusammen mit t-online und Vice ein Kanzlerduell ausrichten. Doch, so heißt es, musste man auf eine Reaktion von Laschet lange warten. Inzwischen hat er auch hier abgesagt. Diese Woche nun kam die Meldung, dass Armin Laschet alle Wahlkampftermine in Hessen und Baden-Württemberg ausfallen lässt, wo er von Donnerstag an auftreten wollte.  […..]

(FAZ, 09.08.2021)

CDU und CSU werben also für einen Kanzlerkandidaten, den sie selbst für so verblödet halten, daß sie ihn nicht öffentlich herzeigen möchten.

Den frommen Armin zu verstecken ist die einzig richtige Strategie.

 [….] Bei der CDU, die davon ausgeht, ein Dauerabo aufs Kanzleramt zu haben, geht die nackte Angst um. Die Konservativen haben zwei Probleme, die unmittelbar ihre Macht gefährden. Das eine Problem ist ihr Programm. Das zweite heißt Armin Laschet. Die Aussicht, dass die Union mit einem Irgendwas-über-20-Prozent-Ergebnis in der Opposition landet, ist nicht mehr unrealistisch. [….] Laschets Idee für einen inhaltsleeren Schlafwagenwahlkampf, der vor allem ein „Weiter-So“ verspricht, ist gescheitert. Die Realität der Klimakrise ist so mächtig, dass die fortgesetzte Realitätsflucht, die der Grundsound des Wahlprogramms von CDU und CSU ist, nicht durchzuhalten ist. [….] Auch beim alles überwölbenden Thema Klimaschutz ist die CDU programmatisch blank. Sie bekennt sich in der Theorie zu weitgehenden Klimaschutz-Zielen, aber sie hat keine Idee, wie sie sie umsetzen will. Tempolimit? Nein. Höhere Spritpreise? I wo. Ein Ausstiegsdatum für den Verbrennungsmotor? Bloß nicht. Laschets CDU wollte sich aus dem wichtigsten Thema dieser Zeit heraushalten und den Grünen die Diskurslast für unangenehme Maßnahmen überstülpen. [….]  Zur fehlenden intellektuellen Vorbereitung der CDU kommen ja die erkennbaren Schwächen des Kandidaten selbst. Laschet wirkt chronisch überfordert, sein Auftreten in der Flutkatastrophe hatte etwas Unernstes. Ähnlich unstet ist sein Coronamanagement. Die Union ist mit einem Kandidaten unterwegs, der keine Krise kann. [….] 

(Ulrich Schulte, 14.08.2021)

Eine Ausnahme von seinem Wahlkampfversteckspiel machte Armin Laschet, als der reichste Mann der Erde, der amerikanische Kiffer und Elektroauto-Pionier Elon Musk die Baufortschritte seiner zukünftigen Fabrik in Brandenburg besichtigte.

Es kam, wie es kommen musste.

Laschet blamierte sich auf ganzer Linie und zeigte sich bei den Mega-Zukunftsthemen Energie/Klima/Mobilität sagenhaft desinformiert.

[….] Hier ist die gesamte Szene, in der Elon Musk und Armin Laschet vor der Gigafactory in Grünheide von der Presse befragt werden.  Nicht nur der Moment, in dem Armin Laschet einen angeblichen Wissenschaftsstreit zum Thema Wasserstoff vs. Elektrifizierung ausruft, ist zum Fremdschämen. Um aus der Nummer herauszukommen, beginnt Laschet plötzlich, von LKWs zu reden. Wahrscheinlich im Unwissen darüber, dass Tesla auch schwere LKW mit Batterien antreiben wird.

Richtig ist: Daimler und Volvo oder Hyundai setzen auch auf Brennstoffzellen-LKW, die mit Wasserstoff betrieben werden. Im PKW-Bereich gibt es aber längst keinen "Wissenschaftsstreit mehr", der Verbrennungsmotor ist am Ende, und wird auch nicht etwa durch Wasserstoff-Verbrennung oder synthetische Kraftstoffe o.ä. am Leben erhalten.

Grüner Wasserstoff für PKW, die einen Elektromotor, eine Batterie und zusätzlich eine Brennstoffzelle und einen Wasserstofftank haben, sind rar und teuer. Grüner Wasserstoff ist ein Engpassprodukt. Die mehrmalige Wandlung von Strom in Wasserstoff, zwischenzeitliche Komprimierung für die Tanks an Tankstellen und im Auto, um dann wieder zu einer Verstromung zu kommen, ist extrem ineffizient. Laschet hatte trotzdem im April im Handelsblatt erklärt, der rein elektrische Antrieb sei nicht die Zukunft des Automobils.

Der Part zu den Genehmigungen ist besonders spannend. Laschet wiederholt im Grunde Teile des Brandbriefes von Musk an ein Gericht, in dem er die Bürokratie kritisiert hat. Allerdings hebt Laschet nicht etwa hervor, dass es schlicht nicht mehr zeitgemäß ist, wenn es wochenlange Verzögerungen gibt, weil Protokolle handschriftlich niedergeschrieben werden müssen.

Vielmehr will Laschet - typisch CDU - das Verbandsklagerecht einschränken, so wie er in NRW das Demonstrationsrecht einschränkt. Das ist seine Denkweise, die doch mehr als erschreckend ist.  Am Montag hat der IPCC die Alarmstufe Rot für den Planet ausgerufen - Laschet bekennt sich dazu, jetzt modernisieren und beschleunigen zu müssen. Warum die CDU-geführte Bundesregierung dann den Ausbau von Solar und Wind blockiert, wird leider nicht nachgefragt.   Anschließend übersetzt Laschet das, was er mangels Englischkenntnisse auf Deutsch erklärt, mit wenigen Vokabel-Brocken ins Englische. Immerhin weiß er, was accelerate bedeutet.  […..]

(Cleanthinking, 13.08.2021)

Sollte Laschet Bundeskanzler werden, haben wir eine Mischung aus Kohl, Trump und Lübke in einer Person als Regierungschef. Wir werden lernen und täglich kräftig zu schämen.

Freitag, 13. August 2021

Fest der Völkerverständigung

Nein, keine Sorge, ich werde nichts über die „sportlichen Leistungen“ von Tokio schreiben, weil ich davon wirklich nichts verstehe.

Bei den üblichen Schlagzeilen während der Spiele, daß irgendein Deutscher im mixed Rodeln mit Steuermann Bahnverfolgung eine Bronze-Medaille gewonnen hat, blättere ich sofort desinteressiert weiter.

Einige sub-sportliche Aspekte entgingen mir aber nicht vollständig.

So trieb der Massenansturm von Reisenden aus aller Welt, genau wie es zu erwarten war, die Pandemie an.

[….] Japan könnte vor einer schwierigen Situation in der Corona-Pandemie stehen. Gesundheitsexperten sprachen davon, dass das Land einem „Corona-Desaster“ gegenüberstünde, da die Zahl der Neuinfektionen explosionsartig steigt. Die Situation sei „außer Kontrolle“. Die Experten sollen der japanischen Regierung geraten haben, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, berichtet der Guardian.  [….]

(FR, 13.08.2021)

Der Nationen-verbindende Effekt ließ zu wünschen übrig. Mit Israels Sportlern will sich nicht jeder messen.

[….] Der Algerier Fethi Nourine wollte bei den Olympischen Spielen einem möglichen Kampf gegen den Israeli Tohar Butbol aus dem Weg gehen und hat seine Teilnahme in Tokio zurückgezogen. Nourine begründete das damit, dass er aufgrund seiner politischen Überzeugung nicht gegen einen Israeli antreten könne. [….]  An diesem Montag ist der Sudanese Mohamed Abdalrasool nicht zum Kampf gegen Butbol erschienen.  [….]

(Deutschlandfunk, 26.07.2021)

Zu ätzenden Diskriminierungen kam es auch beim IOC-Partner Rossiya 1, dem russischen Staatssender. Daß der schwule Tom Daley zwei Medaillen gewann und sogar eine Transgender-Frau unter den Teilnehmern war, brachte die homophoben Fanatiker in Rage.

[….] Alexei Zhuravlyov, [….], der Politiker ist Mitglied des russischen Parlaments. Im Laufe der Sendung zeigt er mit dem Finger auf den Studiobildschirm. Darauf zu sehen ist die Transgenderathletin Laurel Hubbard. „Wir sind gegen all diesen Schmutz und diese Perversion, stark dagegen”, poltert Zhuravlyov. „Wir sind gegen diese Abscheulichkeit”, fährt er fort. Dann benutzt der russische Politiker ein Schimpfwort, das schwule Männer beleidigt. Auch der schwule Athlet Tom Daley gerät ins Visier von Zhuravlyov. Er sei „angeekelt” von Schwulen und Transgenderpersonen, pöbelt der Politiker.  [….] „Ich glaube nicht, dass Transgenderpersonen in Russland eine Perspektive haben, weil sie Männer lieben, während russische Männer Frauen lieben”, wird etwa Spiridon Kilinkarov, ein ehemaliger Abgeordneter des ukrainischen Parlaments, zitiert. Die Moderatorin der Show, Olga Skabeyeva, widerspricht keiner dieser Aussagen, im Gegenteil: Sie spricht von einer Bestrafung Ungarns und Polens durch die EU, nur weil „in diesen beiden Ländern die Mehrheit gegen Homosexualität” sei.   Am selben Tag auf einem anderen Kanal: Bei Perwy, Russlands zweitmeistgesehenem Fernsehsender und dem offiziellen Partnersender des IOC, erscheint Moderator Anatoly Kuzichev auf der Bildfläche. Er trägt eine Perücke mit langen geflochtenen Zöpfen und verspottet Laurel Hubbard. Live auf Sendung bezeichnet er Transgenderpersonen als „Psychopathen” und schlägt vor, sie psychiatrisch behandeln zu lassen. [….]

(RND, 06.08.2021)

Der russische Wasserspringer Wiktor Minibajew gewann mit seinem Partner Alexandr Bondar die Bronzemedaille im 10-Meter-Synchronspringen. Es war offensichtlich keine schöne Erfahrung für ihn, daß die Briten Tom Daley und Matty Lee Gold gewannen. Daley ist schwul und so beeilte sich Minibajew klarzustellen, daß Daley ihn keinesfalls anfassen dürfe.

[….] Von einem russischen Wettbüro-Portal war Minibajew gefragt worden, wie es seine Sport-Gemeinschaft mit Daley halte, der "zugegeben" habe, schwul zu sein. "Jeder weiß es schon lange. Jeder geht damit anders um", antworte der 30-Jährige laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Auf die Rückfrage nach seiner Haltung fasste er sie dann so zusammen: "Fass mich nicht an und ich werde dich nicht anfassen." […..]

(Queer.de, 12.08.2021)

Der arme heterosexuelle Synchronpartner Matty Lee scheint gar nichts von der in Russland bekannten Schwuleritis-Ansteckung durch Berührungen zu wissen und umarmte seinen Goldpartner!

Einer der schlimmsten Doper in der Leichtathletik ist der belarussische Hammerwerfer Iwan Tichon. Er wurde immer wieder vollgepumpt mit illegalen leistungssteigernden Substanzen erwischt und gesperrt.

[….]  Hammerwerfer Iwan Tichon war 2003, 2005 und 2007 Weltmeister. Den mittleren, in Helsinki erworbenen Titel, musste er wieder abgeben wegen Testosteron-Missbrauchs. [….]  Tichon war 2006 auch Europameister und hatte 2004 Olympia-Silber gewonnen. Beide Medaillen musste er zurückgeben. Als ihm im April 2014 bei Nachtests sein Testosteron-Doping von 2005 nachgewiesen worden war, ging auch sein EM-Sieg flöten. Schon im Frühjahr 2012 war dem nur 1,86 Meter großen aber gut 100 Kilogramm schweren Athleten bei Überprüfungen der Proben von den Olympischen Spiele in Athen verbotenes Steroid-Doping nachgewiesen worden. Wegen dieses Vergehens wurde er auch gleich von der Teilnehmerliste der Spiele in London gestrichen. [….]

(FAZ, 29.09.2020)

Da es eine beachtliche Leistung ist, quasi bei jeder Großveranstaltung beim Doping erwischt zu werden, reagierte der belarussische Diktator Lukaschenko und machte Tichon zum Präsidenten des belarussischen Leichtathletik-Verbandes (BFLA).

Das IOC, das traditionell Diktatoren liebt, rollte Tichon den roten Teppich aus und ließ ihn auch in Tokio als Hammerwerfer starten. Tichon wurde außerdem Kapitän der belarussischen Olympiamannschaft. Eine Medaille errang er diesmal nicht. Macht nichts; die werden ihm ohnehin a posteriori immer wieder aberkannt.

Einen noch schlechteren Eindruck abseits des Sports erreichte die Mannschaft, für die Sportminister Seehofer zuständig ist. Die Deutsche! Eine der vielen Zuständigkeiten des arbeitsscheuen Bayern, um die er sich nicht kümmert.

[….] Olympia 2021 scheint seinen ersten Rassismus-Skandal zu haben. Patrick Moster, Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), ist während des Zeitfahrens bei den Olympischen Spielen in Tokio mit rassistischen Anfeuerungsrufen am Straßenrand aufgefallen. „Hol die Kameltreiber, hol die Kameltreiber, komm“, rief er seinem Athleten Nikias Arndt während des Rennens zu.  Vor dem Start von Nikias Arndt bei Olympia 2021 waren der Eritreer Amanuel Ghebreigzabhier und der Algerier Azzedine Lagab im Kampf gegen die Uhr auf die Rad-Strecke gegangen.  […..]

(FR, 27.07.2021)

Mosters Chef, Ex-Verteidigungsminister Scharping fand es nicht gut, reagierte aber wie üblich träge und langsam.

[….] "Die Aussage ist nicht akzeptabel", sagte BDR-Präsident Rudolph Scharping und ergänzte: "Wir werden darüber nach den Olympischen Spielen sprechen und dabei die Entschuldigung von Moster auch in die Bewertung einbeziehen, sowie den besonderen Stress, dem das deutsche Männer-Team Straße ausgesetzt war." [….]

(ZDF, 28.07.2021)

Es dauerte Tage, bis man in Deutschland endlich auf die Idee kam, Moser nach Hause zu schicken.

Einen Tag später gab es wieder peinliche deutsche Schlagzeilen, als Judoka Martyna Trajdos von ihrem Trainer vor dem Kampf heftige Ohrfeigen verpasst bekam.

[….] Mehrere Ohrfeigen von Bundestrainer Claudiu Pusa für Judoka Martyna Trajdos vor ihrem Kampf haben bei den Olympischen Spielen in Tokio für Wirbel gesorgt. Der Judo-Weltverband IJF sprach eine Warnung gegen einen deutschen Trainer aus, ohne dabei explizit Trajdos, Pusa oder die Szene von den Wettkämpfen am Dienstag zu nennen. Die IJF rügte den Coach für sein "schlechtes Verhalten während des Wettbewerbs", wie sie via Twitter mitteilte. […..]

(Stern, 28.07.2021)

Noch ekelhafter wurde es bei der deutschen Fünfkämpferin Annika Schleu, die mit der Gerte auf ihr zu Tode verängstigtes Pferd Saint Boy eindrosch.

Als es sich weigerte los zu galoppieren, griff auch noch Bundestrainerin Raisner ein, trieb Schleu an mehr zu schlagen und boxte ihrerseits auf das Hinterteil des Pferdes. Auch Raisner wurde nach Hause geschickt.

[….] "Der Vorstand hat Videoaufnahmen überprüft, die zeigten, wie Frau Raisner das Pferd Saint Boy, geritten von Annika Schleu, während der Reitdisziplin des Modernen Fünfkampfs der Frauen mit der Faust schlug", teilte der Verband am Samstag (07.08.2021) mit. "Ihre Handlungen wurden als Verstoß gegen die UIPM-Wettbewerbsregeln angesehen, die für alle anerkannten Wettbewerbe im Modernen Fünfkampf einschließlich der Olympischen Spiele gelten." Damit durfte Raisner beim Wettkampf der Männer am Samstag keine Aufgaben übernehmen.  "Hau drauf, hau richtig drauf!" hatte die Trainerin Schleu zugerufen, als sich das Pferd beim Springreiten im Modernen Wettkampf verweigerte. Anschließend schlug die Trainerin dem Pferd selbst noch mit der Hand auf die linke Seite. [….]

(Sportschau, 06.08.2021)

Schleu und Raisner erhielten den zu erwartenden Shitstorm in den sozialen Medien.

Interessant ist die radikale Einsichtslosigkeit der beiden Damen, die nicht nur keinerlei Fehlverhalten bei sich feststellen können, sondern sich auch noch im ZEIT-Interview larmoyant als Opfer selbst beweinen – weil sie durch das schlechte Pferd um die Medaille gebracht worden wären.

[….] Der Deutsche Tierschutzbund hat nach den Vorkommnissen bei den Olympischen Spielen Strafanzeige gegen die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu und Bundestrainerin Kim Raisner gestellt. Wie die Organisation mitteilte, wirft sie Schleu aufgrund der Ereignisse beim Reitwettbewerb Tierquälerei vor und Raisner Beihilfe zur Tierquälerei. [….]  Schleu habe in anschließenden Interviews Einsicht vermissen lassen, kritisierte der Tierschutzbund. [….]

(Spon, 13.08.2021)

Moster, Schleu, Raisner und Pusa bleibt aber ein Trost. Sie sind nicht die meistgehassten Deutschen in Japan.

Die Ehre gebührt dem hochkorrupten selbstverliebten Diktatoren-Speichellecker Thomas Bach, FDP.

[….] Thomas Bach ist in Japan zur Hassfigur geworden. Der IOC-Präsident ist im Gastgeberland der Olympischen Spiele unbeliebt wie nie. Die Menschen fürchten, dass er mit dem Sportspektakel Unheil ins Land trägt.  [….]

(Tagesspiegel,17.07.2021)

Christian Lindners Mann beim IOC ist das herzlich egal – die persönliche Raffgier ist wichtiger.

[…..] Echtes Interesse für Menschen, Anteilnahme und Verständnis hat sich Bach in seiner Karriere dagegen nicht antrainieren müssen. Und das erweist sich im pandemischen Japan als Problem, wo die Leute müde sind von andauernden und auf Dauer nicht effektiven Einschränkungen. Viele Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Menschen Spiele im zweiten Sommer der Pandemie zu riskant findet. Mit seinen ewiggleichen Beteuerungen konnte Bach sie nicht auf seine Seite bringen.  Ende Mai sagte er in einem Interview: "Wir müssen einige Opfer bringen, um das möglich zu machen." Das kam schlecht an in Japan, denn viele sehen Olympia eher als ein überteuertes Vergnügen als eine Notwendigkeit. Seit er am 8. Juli Tokio erreichte, ist auch nichts besser geworden. Eher im Gegenteil. Gleich bei seiner ersten Pressekonferenz sagte er aus Versehen "chinesische" statt "japanische Menschen" - immerhin korrigierte er sich gleich. Dass er, Bach, der Sportfunktionär und Ringe-Marketender, am 16. Juli trotz Pandemie Hiroshima besuchte wie ein hoher Staatsmann, fanden ebenfalls viele unpassend. Es gab eine Petition und Protest gegen seinen Besuch. Sueichi Kido, Vertreter einer Gruppe von Überlebenden aus den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki, sagte über Bach im Guardian: "Er sagt, er wird den Weltfrieden unterstützen, aber ich traue ihm überhaupt nicht. Bei Olympia geht es darum, Geld für das IOC zu machen."   […..]

(SZ, 23.07.2021)

Donnerstag, 12. August 2021

Der Siegerzug

Eine politische Konzeption hat er nicht, weiß keine Antworten auf die dringenden Fragen nach Klimaschutz, Afghanistan-Desaster, EU-Krise, Bildungs-Notstand, Digitalisierung oder Corona-Pandemie. Aber der FDP-Vorsitzende weiß, wie die Bundestagswahl am 26.09.2021 ausgehen wird. Die Wahl sei entscheiden, erklärt der Posterboy der Superreichen.

[….] In meinen Augen, nach meiner Erwartung hat sich bereits geklärt, wer in das Kanzleramt einziehen wird. Der Auftrag zur Regierungsbildung wird nahezu sicher an die CDU und ihren Kanzlerkandidaten Armin Laschet gehen. [….]

(Christian Lindner, 25.07.2021)

Es braucht keine Konzeption – die FDP steht demoskopisch glänzend da, darf sich wieder einmal als Kanzlermacherin fühlen. Der bisher nicht nur ahnungs-, sondern auch Amts-lose Linder, der über keinerlei Regierungserfahrung verfügt, reklamiert schon mal das zweiwichtigste Regierungsamt Deutschlands für sich – Bundesfinanzminister werde er!
Möglicherweise aber auch Bundeskanzler. Bundeskanzler Lindner. So stellt sich das der Haar-transplantierte Porsche-Fahrer vor, der in seinem bisherigen Leben immer weglief, wenn es schwierig wurde. Das geht auch ohne Expertise, ohne Konzepte.

[….] Immer noch irgendwie Pandemie. Delta voraus. Hochwasser und Gluthitze. Weltweit brennende Wälder und Radikalisierungen aller Art, von Ungarn bis Taliban. Tödliche Impfskepsis. Dazu die nationalen Klassiker Digitalisierungsdesaster, Infrastrukturmängel, Bildungselend, Rechtsextremismus, Integrationsprobleme, Wohnhohn, Pflegenotstand, Föderalschmerzen. Man kann das zwar so verdichtet für übertrieben halten oder für deutsches Klagen auf hohem Niveau. Aber eindeutig lässt sich feststellen: Die Zeiten verlangen geradezu verzweifelt nach politischen Lösungen. Nach verständlichen, einleuchtenden, kraftvollen Rezepten. Theoretisch also müsste sich die gegenwärtige Situation perfekt eignen für Wahlkämpfe. [….]

(Sascha Lobo, 11.08.2021)

Nun machen FDP-Marktliberale traditionell gern Prognosen, geben weise wirkende Ausblicke in die Zukunft. Das klingt kompetent, verliert aber ein wenig dadurch, daß sie nie eintreffen.

Mit einem zackigen „Jawohl“ begeistert sich der Reserveoffizier für seine eigenen vollständig inhaltslosen Wahlkampf-Blablas.

[….] „Ich bekenne mich dazu, dass die Betriebe, die Arbeitsplätze schaffen, eine gute Politik brauchen. Jawohl! Wer es nicht mag, der kann etwas anderes wählen.“ [….]

(C.L., 25.06.2021)

Als ob irgendeine Partei schlechte Politik für solche Betriebe verspräche!

Lindners Kumpel Laschet verwendet die gleiche Methode. Bloß nichts Konkretes sagen.

[….] "Angenommen, Sie wären jetzt Kanzlerin oder Kanzler. Wo würde denn Ihre erste Auslandsreise hingehen?" 

Annalena Baerbock: Brüssel (wegen Europa)

Olaf Scholz: Paris (wegen dt-frz. Freundschaft)

Armin Laschet: brabbel brabbel rhabarber rhabarber - keine Antwort - [….]

(L. Mayer, 12.08.2021)                      

Ob sich Lindner uns Laschets Vision von dem nahezu sicheren schwarzgelben Regierungsbündnis nach Merkel erfüllen (wahlweise als Jamaika oder „Deutschland-Koalition“) ist indes mehr als zweifelhaft.

Natürlich, die Deutschen sind konservativ und wählen meistens irgendwas mit CDU. Sie lieben Kontinuität, hassen Reformen und wollen für immer Merkel als Präsidialkanzlerin behalten.

Das gemütliche, im Trance immer wieder sein Kreuz bei der Schlafwagen-CDU machen, wird allerdings durch das immer wieder so lästige Durchbrechen der Realität gestört.

Auch wer sich so gut wie gar nicht mit der Bundestagswahl beschäftigt, stellt zwei für ihn höchst unangenehme Augenöffner bloß:

1.
Merkel tritt tatsächlich ab und wird nicht noch einmal Kanzlerin.

2.

Da man sich unangenehmerweise gegen seine Gewohnheit für jemand anders entscheiden muß, fällt der Blick auf den ihr mutmaßlich Ähnlichsten; ihren Parteifreund Laschet. Der Mann ist aber offensichtlich eine Witzfigur, der von Panne zu Panne mäandert.

Es gibt prominente Merkel-Fans, die sich öffentlich damit brüsten, sie zu wählen, obwohl sie eigentlich zum linken Lager zählen. Beispielsweise Alice Schwarzer oder Wolf Biermann oder Klaus von Dohnanyi. Sie stehen exemplarisch für viele urbane Merkelianer, die mit dem erzkatholischen Rheinländer Laschet nicht viel anfangen können.

Daher bewegen sich die Umfragen ganz langsam.

Kantar und Forsa sehen schon ein Kopf an Kopf-Rennen von Grünen, SPD und CDU am Wahltag.


[….] Der Trend ist eindeutig: Wie eine neue Hochrechnung des Postillon ergab, ist die Union nur noch sechs Wochen Laschet-Wahlkampf davon entfernt, bei der Bundestagswahl unter 10 Prozent der abgegebenen Stimmen zu holen.   "Geht man von aktuellen Umfragen aus, dann bedeutet jede Woche Laschet-Wahlkampf den Verlust von etwa 2 bis 3 Prozentpunkten", bestätigt Parteienforscherin Alina Birchholm. "Sollte Laschet also bis zur Bundestagswahl weiter so gut und engagiert Wahlkampf führen wie aktuell, werden CDU und CSU auf ein Ergebnis von etwas über acht Prozent kommen." […]

(dpo, 12.08.2021)

Die öffentliche Wahrnehmung der Möglichkeit, daß Laschets Kanzlerschaft keineswegs sicher ist, zeigt einerseits wieder einmal, was für einen Unsinn Christian Lindner von sich gibt.

Sie ist aber insbesondere wahlpsychologisch wichtig.

Gerade wenn alle drei Kandidaten wenig überzeugen und keine inhaltlichen Debatten geführt werden, so daß sich besonders viele Wähler nicht enthusiastisch für eine Partei begeistern können, wollen sie wenigstens beim Sieger ihr Kreuz gemacht haben.  Wer schon die Programme nicht kennt und die Personen nicht einschätzen kann, möchte zumindest nicht zu den Wahlverlierern gehören.

Wähler empfinden ihre Wahlentscheidung als sinnlos, wenn ihre Partei anschließend in der Opposition landet. Daher verstärken sich Trends von selbst.

Eine Partei, die seit Wochen in den Umfragen nachlässt, verliert durch die Veröffentlichung dieser Umfragen zusätzlich an Zuspruch, weil immer einige Zweifelnde ihre Finger von dem vermeidlichen Verlierer lassen.

Es ist wie mit Laienanlegern an der Börse; sie können die gehandelten Konzerne  nicht kompetent beurteilen und setzen daher ihr Geld einfach auf den, dessen Zahlen nach oben zeigen. Man will auf den Siegerzug aufspringen.

Wegen dieser Wahlpsychologie ist es für eine ständig demoskopisch sinkende Partei wie die SPD so schwer den Trend zu drehen. Umgekehrt kann eine Seriensieger-Partei wie die CDU, die schon vier Bundestagswahlen in Folge gewonnen hat, zuversichtlich sein.

Es bedarf schon besonderer Umständen, viel Missgeschick oder außerordentlichem Geschick, um Umfragetrends zu drehen.

Genau das könnte nun aber der Fall sein.

Gut möglich, daß Olaf Scholz doch am Ende die Nase vorn haben wird.

Mittwoch, 11. August 2021

Die Fehlplanung

Gerhard Schröder ist das Gegenteil von Angela Merkel.

Er geht Probleme proaktiv und strategisch an, kümmert sich intensiv um die Durchsetzung seiner Pläne. Dabei bleibt er stets pragmatisch und erklärte schon vor 15 Jahren; die Hartz-Gesetze wären nicht die Bibel; sie müßten geändert oder angepasst werden, wo sie nicht funktionierten.

Gerhard Schröder gebührt für Vieles großer Dank der Deutschen. Die Homoehe, die Zwangsarbeiterentschädigung, der Entrümpelung des Sozialsystems mit dem abstrusen Ämterhopping, die ökologische Steuerreform, der enorme internationale Ansehensgewinn Deutschlands, das Management der Flutkatastrophe, um nur einiges zu nennen.

Seine größte Leistung war mutmaßlich der Mut, sich beim Irakkrieg gegen die USA, GB und Italien zu stellen; eine internationale Koalition zu schmieden, die im UN-Sicherheitsrat auf Schröder-Linie stimmte.  Damit hielt er Deutschland aus dem blutigen Irak-Desaster heraus.

Gleichwohl unterstützte er den Einsatz von 2001 gegen die Taliban. Dafür gab es damals, am Abend des 11.09.2001 gute Gründe. Unter anderem:

[…..] Ich dachte: Wenn du jetzt in dieser Situation nicht solidarisch bist, kannst du nicht nur das deutsch-amerikanische Verhältnis vergessen. Wir würden Glaubwürdigkeit bei allen verlieren, die für unsere gemeinsame Sicherheit einstehen. Wir hätten uns international unglaublich isoliert. Die Anschläge waren etwas Kriegsähnliches, die Taliban-Regierung in Afghanistan hatte die Terroristen geschützt. Die Uno stellte damals fest, dass die Amerikaner das Recht hatten, sich zu verteidigen. In der Nato gab es Einstimmigkeit, und im Uno-Sicherheitsrat haben selbst Chinesen und Russen kein Veto eingelegt.  […..] [Dass viele der 9/11-Terroristen vorher in Deutschland lebten] hat natürlich eine Rolle gespielt, aber entscheidend war etwas anderes. In einer solchen Situation müssen Sie sich fragen, was passiert eigentlich, wenn Sie die damals übliche deutsche Position einnehmen und mit dem Hinweis auf die deutsche Geschichte erklären, wir halten uns da raus, die Drecksarbeit sollen bitte schön die anderen machen. [….]

(Gerhard Schröder, Spiegel-Interview, 30.07.2021)

Der Kriegseinsatz sollte 20 Jahre dauern, wurde immer wieder erweitert und verändert, bis am Ende de facto ein schmachvoller Abzug und sein Sieg der Taliban steht.


Aber es ging nicht immer alles schief. Anfangs, als Schröder und Fischer noch im Amt waren und sich intensiv kümmerten, gab es durchaus Erfolge.

[…..] Wir haben dann im November 2001 auf dem Petersberg bei Bonn eine große Friedenskonferenz für Afghanistan durchgeführt. Das war wesentlich Fischers Werk, er hat das sehr gut gemacht. Zum ersten Mal ist dort deutlich geworden, dass die militärische Intervention nicht reichen würde. Dass es darum ging, Afghanistan ökonomisch und politisch zu stabilisieren. Das würde lange dauern, so viel war uns klar. Keiner von uns hat geglaubt, man könne dort eine Westminster-Demokratie errichten. Aber wir müssen uns erinnern: Demokratie war nicht die Zukunft, die wir anderen aufdrückten, sondern das, was die Afghanen am Tisch von Petersberg sich wünschten. […..] Ganz so erfolglos, wie Sie es jetzt darstellen, war es nicht. Denken Sie an die vielen Schüler und vor allem Schülerinnen, die trotz widrigster Umstände innerhalb der letzten 20 Jahre in Afghanistan Bildung und Ausbildung erfahren haben, die sie unter dem Regime der Taliban nie gehabt hätten. […..]. Immerhin gab es 2004 Wahlen, und Hamid Karzai, zu jener Zeit im Westen hoch geschätzt, wurde Präsident. Aber ich will mich nicht rausreden. Von politischer Normalisierung ist man in der Tat bis heute weit entfernt. […..]

(Gerhard Schröder, Spiegel-Interview, 30.07.2021)

Von 2004 bis 2021 waren es aber noch lange Jahre voller Fehlentscheidungen.   So wie die Hartz-Gesetze längst keine Schröder-Gesetze mehr sind, sondern 16 Jahre Merkels Hartz IV, ist auch der Afghanistankrieg seit 16 Jahren Merkels Einsatz. Sie hat ihn zu verantworten.  Ab 2011 forderte Schröder öffentlich den Abzug, weil er erkannte, daß die Situation hoffnungslos wurde. Ob sich der Einsatz dennoch gelohnt hätte?

[…..] Das ist wohlfeil. Wir sitzen hier am Tisch und räsonieren im Nachhinein. In der Situation, in der wir waren, gab es keine andere Entscheidung, die vernünftig gewesen wäre. Dass wir es nicht geschafft haben, die politischen Strukturen dauerhaft zu etablieren, spricht nicht gegen die politische Entscheidung zur Intervention. Im Übrigen bin ich als Kanzler 2005 aus dem Amt geschieden. Die jetzige Regierung hat also sehr viel länger die Situation zu verantworten.  […..]

(Gerhard Schröder, Spiegel-Interview, 30.07.2021)

Sicher ist, daß Deutschland schwere Schuld auf sich geladen hat, indem es die Afghanen, die ihnen unter Lebensgefahr halfen, nun brutal im Stich lässt. Das ist unanständig und schäbig von der Merkel-Regierung.

[…..] Wir müssen diesen bürokratischen Unsinn beenden, der da gemacht wird. Man kann die Ortskräfte nicht wie normale Asylbewerber behandeln. Das wäre nicht anständig. Klar: Vielleicht kommt dann der eine oder andere nach Deutschland, der gar nicht Ortskraft war. Aber damit wird dieses Land auch noch fertig. Da sollte man großzügig sein.  […..]

(Gerhard Schröder, Spiegel-Interview, 30.07.2021)

Die christliche Kanzlerin und ihr christlicher Heimatminister sagen zwar öffentlich vage Hilfe zu, verzögern aber die Maßnahmen. Es passiert – nichts. Offenbar ist es Horst Seehofer nur Recht, wenn möglichst viele von ihnen, von den Taliban massakriert werden, bevor er sich kümmern muss.

[….] Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vor knapp drei Wochen gefordert, "dass wir hier denen, die uns sehr stark geholfen haben, auch wirklich einen Ausweg geben". So müsse darüber nachgedacht werden, Chartermaschinen zu buchen, um die verbliebenen Ortskräfte und ihre Familien auszufliegen. Aber was ist seit dieser Forderung der Kanzlerin geschehen, außer dass der Krieg in Afghanistan durch den Vormarsch der Taliban täglich brutaler wird? "Nichts", sagt Marcus Grotian, Vorsitzender des Patenschaftsnetzwerkes Afghanische Ortskräfte. […..]

(SZ, 09.08.2021)

Schande über Deutschland!

Die letzten zehn Jahre Bundeswehr in Afghanistan waren bemerkenswert erfolglos. Schon lange war das Hauptziel, die afghanischen Ortskräfte, die Armee der Kabuler Regierung so gut auszubilden und auszurüsten, daß sie nach einem NATO-Abzug allein die Sicherheit im Land garantieren könnten.

Es wurde in einziges Desaster. Kaum verschwinden Amerikaner und Deutsche, haben die Taliban leichtes Spiel.

[…] Das Tempo, mit dem die Taliban in Afghanistan nach Abzug der internationalen Truppen eine Provinzhauptstadt nach der anderen einnehmen, überrascht auch Militärexperten. "Wir sind sprachlos", sagte kürzlich ein deutscher General, der den Einsatz der internationalen Truppen über fast alle Etappen eng begleitet hat. Am Sonntag fiel Kundus in die Hände der Islamisten. Und die Offensive der Taliban dauert an.  Wie konnte es passieren, dass die afghanischen Sicherheitskräfte nach Jahren der Aufbauarbeit durch internationale Truppen nun innerhalb von wenigen Wochen kollabieren? Es war auch Deutschlands Aufgabe, die afghanische Polizei und Armee, die fortan selbst für die Sicherheit im Land verantwortlich sein sollten, in die Lage zu versetzen, dieser Verantwortung auch gerecht zu werden.[….]

(SZ, 11.08.2021)

Natürlich trägt die von den Deutschen so sehr bewunderte Merkel als Kanzlerin die politische Verantwortung für das Totalversagen. Sie hat sich nie interessiert, nie gekümmert.

Ebenso schwer wiegt ihre dramatische Fehlentscheidung gleich zweimal eine vollkommen unfähige Laiin zur Verteidigungsministerin zu machen. Es ist auch von der Leyens und Kramp-Karrenbauers Großversagen, das wir jetzt in Afghanistan sehen.

[….] Es sieht so aus, als sei Afghanistans dunkelste Vergangenheit auch seine Zukunft. Die islamistischen Taliban hatten, bevor US-Truppen sie 2001 vertrieben, eine Terrorherrschaft errichtet, geprägt von exzessiver Gewalt gegen Andersdenkende und psychotischem Frauenhass. Seit die Trump-Regierung Ende Februar 2020 den Taliban das Abkommen von Doha spendierte, das diese lediglich verpflichtete, den Abzug der Amerikaner und Verbündeten nicht zu behindern, werden die Schatten dieser Vergangenheit schnell länger. Afghanistans Menschen waren Trump vollkommen gleichgültig. Die Taliban, seitdem weitgehend sicher vor US-Luftangriffen und Spezialtruppen, gewinnen rasch an Boden. Die Regierung in Kabul wurde bei den Verhandlungen nicht einmal gefragt.   Seitdem ist der Terror mit voller Grausamkeit zurückgekehrt. Bewaffnete haben in der Universität Kabul 20 Studierende massakriert, deren Sünde: Lernen. Malalai Maiwand, eine junge Journalistin, starb in Dschalalabad bei einem Terroranschlag, ihr Verbrechen: das freie Wort. In Kabul erschossen Mörder zwei Richterinnen, als Frauen und Vertreterinnen weltlichen Rechts gleich doppelte Feindbilder für die Fanatiker. Im Dascht-e-Barchi-Hospital der Hauptstadt stürmten Bewaffnete die Geburtsstation, gingen von Bett zu Bett und feuerten auf Mütter und Neugeborene, es gab 26 Tote. Warum? Das Krankenhaus wird von internationalen Organisationen unterstützt.  Die Mörder waren Taliban oder deren Rivalen wie Terroristen des "Islamischen Staates". Und sie werden mit jeder Woche stärker.  […]

(Joachim Käppner, SZ, 10.08.2021)

Was für ein epochales Versagen „des Westens“!

In Afghanistan leben 38 Millionen Menschen. Lediglich die Rote Armee Gorbatschows war einmal kurz davor das Land tatsächlich zu befrieden. Daran wurde sie aber vom Westen gehindert, der Osama bin Laden und seine Mujaheddin mit massiver Hilfe der amerikanischen CIA aufrüstete.

Seit 1978 herrscht dort Krieg, seit 2001 kämpft dort die NATO.  In den letzten 20 Jahren gab es rund 64.000 Todesopfer der afghanischen Armee und der Sicherheitskräfte.  Seit Juni 2021 steigt die Zahl der getöteten Zivilisten stark an. Die Dunkelziffer ist unbekannt.

Afghanistan, Land der Leichen und des Leids.

Durch den Krieg versinkt das Land in bitterer Armut. Die meisten Bauern können nur durch Opiumanbau knapp überleben.

Allein die US-Kosten für die Kriege im Irak und Afghanistan belaufen sich auf rund vier Billionen Dollar. Das sind 4.000 Milliarden. 4 Millionen Millionen.

Hinzu kommen die Ausgaben der anderen beteiligten Länder.

Allein Deutschland hat vermutlich knapp 50 Milliarden Euro für den Afghanistankrieg ausgegeben.

Statt die Bundeswehr zu demolieren und demoralisieren, hätte man besser die 50 Milliarden einfach im afghanischen Volk verteilt.

Vom Baby bis zum Greis hätte jeder Afghane allein 1.300 Euro aus Deutschland bekommen.

Teilt man die amerikanischen Kosten von 4 Billionen Dollar durch 38 Millionen Afghanen und 39 Millionen Iraker, bekäme jeder einzelne Mensch dieser Länder 52.000 Dollar

Rechnet man die Kosten der anderen NATO-Nationen hinzu, kommt man vermutlich bei knapp 100.000 Dollar pro Person an.

Bei durchschnittlich 5 Kindern, wäre eine normale afghanische Familie siebenköpfig, also mit den Großeltern bereits Dollarmillionär.

2013 betrug das Durchschnittseinkommen in Afghanistan 410 US-Dollar im Jahr bzw. circa 34,17 US-Dollar im Monat, heute liegt der Nettolohn monatlich im Durchschnitt bei 180 Euro.

Die Afghanen könnten also sagenhaft reich sein. Eine Million Dollar pro Familie  entsprechen bei der dortigen Kaufkraft etwa 22 Millionen Euro in Deutschland.

Mit so prall gefüllten Taschen wären Afghanen, die nicht dort bleiben wollten, überall in der Welt willkommen.

Sogar ein rechtes sächsisches Dorf akzeptiert gern Ausländer als neue Nachbarn, wenn es sich um Millionäre handelt, die eine gewaltige Kaufkraft mitbringen.

Was hätte das für einen Wirtschaftsboom auslösen können.

Aber Homo Demens verwendete das Geld lieber dafür, um steinreiche Waffenproduzenten noch viel reicher zu machen und viele Menschen zu töten.

Dienstag, 10. August 2021

Aufwachen, RRG!

Merkel wurde schon so oft wieder gewählt, daß man sich kaum an die einzelnen Wahlen erinnern kann.

Die vom deutschen Michl adorierte 80%-Zustimmungsfrau war sie nicht immer.

Als die Schröder-Fischer-Regierung 2003/2004/2005 dramatisch von nahezu allen Medien runtergeschrieben wurde, der Jörges-STERN und der Steingart-SPIEGEL unverhohle für eine Merkel-Westerwelle-Regierung warben, wurde die FDP ziemlich nervös, da CDU/CSU soweit davon zogen, daß Merkel schon mit einer absoluten Mehrheit für ihre Kanzlerschaft rechnete.

Allerdings verfügte die SPD über einen entscheidenden Trumpf; nämlich den einzigen überzeugenden Wahlkämpfer des letzten Vierteljahrhunderts: Gerd Schröder, der sich im Gegensatz zu seiner resignierenden Partei voll ins Zeug legte und eine sensationelle Aufholjagd hinlegte. Am 18.09.2005 ging die Union mit 35,2%, dicht gefolgt von der SPD mit 34,2% durchs Ziel. Die demoskopische Dynamik war eindeutig; wäre die Wahl ein oder zwei Wochen später gewesen, hätte die SPD vorn gelegen, Schröder wäre Kanzler geblieben und Merkel hätte nach der derartig vergeigten Chance – Opposition statt absoluter Mehrheit – den Hut nehmen müssen. Damals war der Andenpakt noch so stark, daß er die ihm so verhasste Frau aus dem Osten garantiert aus der Parteispitze verdrängt hätte.

Gerd Schröder rettete seiner Partei die Regierungsbeteiligung und Deutschland sollte dafür ewig dankbar sein, da die Sozi-Minister Steinbrück (Finanzen) und Scholz (Arbeit und Soziales) die Architekten des deutschen Wunders waren – kein anderes westliches Land kam so gut durch die von GWB ausgelöste Mega-Weltfinanzkrise von 2008.

Die SPD-Minister trugen die Regierung, arbeiteten fleißig und ungewöhnlich erfolgreich, während Merkels Leute Glos, Seehofer, Jung, Schavan, von der Leyen, Schäuble allesamt überfordert waren.

Aber ohne den trommelnden Schröder war das Willy Brandt-Haus nicht in der Lage die SPD-Erfolge bekannt zu machen. Die drögen Parteipräsiden nahmen an, Wähler wären rationale, informierte, faire Wesen. Sie würden die Arbeit der SPD schon honorieren. Dazu noch der sehr fromme Christ Steinmeier als Kandidat, der die CDU freundlich verschonte. Das sollte als Konzept für die 2009er Wahl reichen. Das ging gründlich in die Hose. Minus 11,2 Prozentpunkte für die SPD, Steinmeiner erreichte gerade noch 23%. Auch Merkels CDU/CSU rutschte um einen guten Punkt auf 33,8% ab. Immerhin profitierte die Linke von der lahmen SPD, erreichte mit 11,9% ein Topergebnis, wurde eine starke Oppositionskraft.

Verrückterweise profitierte ausgerechnet die FDP mit ihrem Rekordwert von 14,6% am meisten von der guten deutschen Krisenpolitik. Sie trat mit dem Deregulierungs- und Steuersenkungswahn an, der die Weltfinanzkrise erst ausgelöst hatte.

Selten erlebte man die Dysfunktionalität so extrem. Die konzeptionslose Spaßpartei FDP tat das was zu erwarten war: Sie setzte strikt die Interessen ihrer Parteispender durch, schleuste Lobbyisten direkt in die entscheidenden Schaltstellen des Gesundheitsministeriums und richtete so viel Chaos an (die schwarzgelben Koalitionäre bezeichneten sich gegenseitig als „Wildsäue“ und „Gurkentruppe“, gelten als schlechteste Nachkriegsregierung Deutschlands), daß die FDP vom besten Ergebnis ihrer Geschichte bei der Wahl 2013 auf das Schlechteste, nämlich 4,8% stürzten. Raus aus dem Bundestag, Generalsekretär Christian Lindner war in Schimpf und Schande schon zuvor geflohen.

(Später lernten wir noch genauer, wie sehr die Flucht vor der Verantwortung, sein Wegrennen zum Kern seines Charakters gehört).

Abgeschreckt von dem Chaos, hatte der Wähler der wie immer unbeteiligt wirkenden in sich ruhenden Präsidialkanzlerin ohne politische Konzeptionen 7,7 Prozentpunkte oben drauf gepackt. Die CDUCSU erzielte 2013 Merkels bestes Ergebnis: 41,5%.

Die SPD hatte diesmal mit Peer Steinbrück einen viel besseren Kanzlerkandidaten als 2009. Er erlebte allerdings einen der unfairsten Wahlkämpfe seit Willy Brandts Zeiten. Fast die ganze Presse war gegen ihn, blies jede Kleinigkeit zu Großskandalen auf. Er trinke keinen Weine für weniger als 5 Euro die Flasche, Stinkefinger, Kein Golf als Dienstwagen. Die total debakulierende Generalsekretärin Andrea Nahles tat im WBH ihre Möglichstes, um Steinbrück zusätzlich zu schaden. Keinesfalls wollte sie ihren Intimfeind gewinnen sehen.

Daß die SPD dennoch immerhin 2,7 Prozentpunkte hinzugewann, ist dem Kandidaten allein zu verdanken. Die Linke verlor an Aufmerksamkeit und stürzte um 3,3 Prozentpunkte auf 8,6% zurück.

Es kam wieder zu einer Groko Anders als acht Jahre zuvor, waren SPD und CDUCSU aber nicht mehr auf Augenhöhe; diesmal waren die Schwarzen fast 16 Prozentpunkte stärker.

Das WBH wiederholte aber dennoch stoisch die Fehler der ersten Merkel-Groko (2005-2009), schlief gemütlich die vier Jahre bis 2017 aus, hoffte einfach, die Wähler würden diesmal aber wirklich die gute Arbeit der Sozi-Minister erkennen und das am Ende belohnen. Das musste schief gehen, da der Urnenpöbel anders als 2005, nun schon lange an Merkels politische Abwesenheit gewöhnt war und ihre wolkige Art über allem zu schweben, ohne sich um die dringenden Probleme zu kümmern, durchaus schätzte. „Keine Reformen“ ist immer noch der oberste Wunsch der Deutschen.

Am Ende der zweiten Merkel-Groko stellte die SPD auch noch den unerfahrenen überforderten Martin Schulz als Kandidaten auf, der brav die Steinmeier-Fehler wiederholte: Keine Kritik an Merkel, immer schön devot auftreten.

Er verspielte 5,2 Prozentpunkte, holte das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten: 20,5%

Seither verharrt die SPD in Dauerkrise, verschliss mehrere Vorsitzende und sank soweit in den demoskopischen Keller – bis auf 14% - daß sie nun statt Häme, eher Mitleid erfährt. Besonders schlechtes Führungspersonal – Kühnert, Esken, Walter-Borjans und Klingbeil – verschlimmerte die Lage zusätzlich.

An dieser Stelle möchte ich aber etwas Whataboutism verwenden. Merkels grandiose Aussitzfähigkeiten haben völlig verschleiert, daß die die CDU/CSU-Liste bei der Bundestagswahl 2017 noch schlimmer als die SPD verlor: 8,6 Prozentpunkte!  Mit 32,9% fuhr die Union das schlechteste Ergebnis seit 1949 ein. Dennoch leistete sich Merkel ihr personell bisher katastrophalstes Kabinett, ließ Faulpelze (Seehofer, Karliczek, Altmaier) genauso ungehindert wurschteln wie die Totalversager (Spahn, Bär, Scheuer, AKK).

Ihre enorme persönliche Popularität resultiert ausschließlich aus ihrem Bekanntheitsgrad. Ihre politische Bilanz ist ein Trümmerhaufen. Energiewende wurde verschlafen. Technologisch ist Deutschland abgehängt, die Infrastruktur zerbröselt, das lahmste Internet Europas, das Bildungssystem hoffnungslos unterfinanziert und ewiggestrig, Universitäten internationale Lachnummern.

Am schlimmsten sieht es aber international aus – nach 16 Jahren als „Führerin Europas“ liegt die EU in Scherben; die Strukturen sind überaltert, GB ist ausgetreten, global spielt die EU kaum noch eine Rolle, Osteuropas Potentaten tanzen Brüssel nach Belieben auf der Nase herum, weil Merkels Abgesandte, Kommissionspräsidentin von der Leyen, bei ihrer Wahl auf die ungarischen und polnischen Stimmen setzte und sich nun nicht traut zu widersprechen, wenn dort LGBTIs gejagt, Pressefreiheit abgeschafft und Justiz gleichgeschaltet wird.

Nach sieben Jahren Schröder erlebte die EU 2005 eine Blütezeit. Frankreich und Deutschland arbeiteten so eng zusammen, daß die Regierungschefs wechselseitig auch das andere Land vertraten. Es gab enge Konsultationen mit Warschau und Moskau, die Politik im Nahen Osten gegenüber der USA war straff abgestimmt und effektiv. Merkel hat all das in 16 Jahren kaputt gemacht. Man misstraut Deutschland in der EU, zieht nicht mehr an einem Strang, die Russland-Politik ist ein Trümmerfeld.

Merkels 80%-Zufriedenheitswerte sind nur mit der Generalverblödung des Volks zu erklären.

Ihre 2017 auf den Tiefststand von 32,9% heruntergewirtschaftete CDUCSU steht hingegen realistischer da.

Wäre am Sonntag Bundestagswahl, verlöre sie noch einmal sechs bis zehn Prozentpunkte, ginge mit 24-26 % mit einem derartig schlechten Ergebnis durchs Ziel, daß von Konrad Adenauer bis Helmut Kohl sämtliche Ex-Parteigrößen in Lichtgeschwindigkeit in ihren Gräbern rotierten.

Die beiden Volksparteien, die über Jahrzehnte 80 - 90% der Stimmen holten, werden Ende 2021 nur noch bei rund 40% liegen.

Wo sind die rund 45 freigewordenen Prozentpunkte hin; wer profitiert?
Da gibt es natürlich die AfD-Faschisten. Die inhaltsleere Posterboy-FDP von 2009 ist ebenfalls wieder zurück und wird zweistellig werden.

Die Grünen hätten das Potential stärker als CDUCSU zu werden, schrumpfen sich aber durch die fortgesetzte Unfähigkeit ihrer Spitzenkandidatin, sowie die unfassbare Trottelei ihres Wahlkampfteams auf 17-18%. Sie werden mutmaßlich noch, ob der guten Olaf-Scholz-Performance von der SPD überholt.

Besonders erstaunlich ist aber, daß bei all dem gewaltigen Groko-Frust und der so verhagelten Merkel-Bilanz eine Partei, die davon am meisten profitieren  sollte, sich sogar noch blöder als Laschet und Baerbock anstellt: Die Linke dümpelt bei blamablen 6% und könnte aus dem Bundestag fallen.

Der Grund sind eine paralysierte Parteiführung und der völkisch-nationalistische Kurs Lafontaines und Wagenknechts. Natürlich wählen Menschen aus dem RRG-Biotop eher nicht eine Partei, die wie die AfD klingt und alle drei Tage mit neuen Hetz-Äußerungen auf „skurrile Minderheiten“ eindrischt.

Es ist mir ein Rätsel wieso sich die Linke die Wagenknecht-Destruktion so lange gefallen lässt. Immerhin gibt es jetzt ein Parteiausschlussverfahren gegen sie und einen wütenden Ex-Chef.

[….]  Riexinger sagte auf der Konferenz, es sei »brandgefährlich«, dass Wagenknecht in der Öffentlichkeit verbreite, die Linke würde sich zu wenig um die soziale Frage kümmern, weil es verfangen könnte.  [….]  So vollziehe Wagenknecht eine »Verfälschung der Fakten« und deute die Geschichte um, wenn sie die prekäre Lage der unteren Gesellschaftsschichten den im Buch sogenannten »Lifestyle-Linken« anlaste, die sich nur um Antirassismus, Genderfragen und die Bekämpfung des Klimawandels kümmern würden. Tatsächlich, so Riexinger, sei die neoliberale Politik Anfang der Nullerjahre etwa von Kanzler Gerhard Schröder der Grund für soziale Verwerfungen. »Das waren keine Lifestyle-Linken.« Mit Genderfragen hätte sich Schröder nicht beschäftigt. [….]  Wahlweise nannte Riexinger bei seiner Bewertung Wagenknechts Thesen »irre«, »abenteuerlich«, einiges sei »ziemlicher Quatsch« »völlig falsch«, »ordoliberal«, »weitestgehend faktenlos«, »spießig-reaktionär« und eine »dürftige Analyse«. [….]

(SPON, 10.08.2021)

Montag, 9. August 2021

Mögen wir bald aussterben

Den Expertenbericht des Weltklimarates hätte es kaum gebraucht.

[….] Klimabericht des IPCC »Der Planet schwebt in Lebensgefahr und mit ihm seine Bewohner«  Die Klimakrise vollzieht sich viel schneller, als lange angenommen wurde, warnt die Uno in einem neuen Bericht. [….]

(SPON, 09.08.2021)

Man muss nur in einem beliebigen Land der Welt einen beliebigen Nachrichtensender anmachen. Die Welt steht in Flammen.

Überall häufen sich die Horrormeldungen über Extremtemperaturen, Brände, Überschwemmungen.

Kalifornien, Sibirien, die Türkei, Griechenland in Flammen. Im Golf von Mexiko brannte buchstäblich das Meer – ein Unterwasser-Feuerauge lodert.

Die grüne Lunge des Planeten, der Urwald Südamerikas, der unser CO2 speichert und in Sauerstoff photosynthetisiert, ist Dank des irren Brandschatzers Bolsonaro zu einem Klimaschädling geworden. Die brasilianischen Wälder produzieren durch ihre Sterben in Flammen, derzeit mehr Kohlendioxid, als Sauerstoff.

[…..] Der Amazonas-Regenwald trägt nun höchstwahrscheinlich zur Erwärmung des Planeten bei. Zu diesem Schluss kommt eine beispiellose Analyse von mehr als 30 Wissenschaftlern.  Seit Jahren äußern Forschende die Sorge, dass steigende Temperaturen, Trockenheit und Abholzung die Fähigkeit des größten Regenwaldes der Welt verringern, Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu absorbieren und die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auszugleichen. Jüngste Studien legen sogar nahe, dass einige Teile der tropischen Landschaft bereits mehr Kohlenstoff freisetzen, als sie speichern. […..]

(National Geographic, 16.03.2021)

Die Realität wirkt wie ein schlechter Roland Emmerich-Film.

Wissenschaftlich gibt es keine Zweifel mehr, daß wir Menschen, die Gattung Homo Demens, nicht nur unseren Lebensraum final zerstören, sondern in ganz wenigen Jahren, um 2030, den Point of No Return erreicht haben werden, an dem wir unsere Lebensgrundlage nicht mehr retten können.

[….] Der neue IPCC-Bericht folgert, dass es seit mindestens 2000 Jahren keinen vergleichbaren Temperaturanstieg gegeben hat – und dass die Temperaturen heute bereits höher liegen dürften als in der wärmsten Phase des Holozäns vor 6000 Jahren. Nach Stand der Daten muss man rund 125.000 Jahre zurückgehen, bis in die Eem-Warmzeit vor der letzten Eiszeit, um global ähnlich hohe Temperaturen zu finden. [….]

(Prof. Stefan Rahmstorf, 09.08.2021)

Überbevölkerung, Gier und Dummheit der Menschen führen dazu, nicht nur sich selbst auszurotten, also eine Art auszuradieren, der man keine Träne nachweinen sollte, sondern unfreundlicherweise nahezu die gesamte Fauna und Flora des Planeten mit in den Abgrund zu reißen.

Immer noch wird Kinderkriegen von den Regierungen gefördert, obwohl die rasante Zunahme der Weltbevölkerung eindeutig die schlimmste Klimasünde ist. Wir brauchen weniger Kinder! Immer noch fliegen die Menschen mit steuerfreiem Kerosin durch die Welt und nie wurden in Deutschland so viele SUVs verkauft wie jetzt.

[….] Das Geschäft mit Geländewagen – den SUVs – läuft bei Daimler derzeit besonders gut. Die Nachfrage nach diesen Fahrzeugen ist im zweiten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent auf 246000 in die Höhe geschnellt, geht aus Daimler-Unterlagen aus der Analystenkonferenz hervor. Damit ist beinahe jedes zweite von Daimler verkaufte Fahrzeug ein SUV. In keiner anderen Modellklasse kann der Stuttgarter Autobauer derzeit solche Zuwächse vorweisen. [….]

(SN, 21.07.2021)

Die gute Nachricht ist; der Planet wird das selbstverständlich locker überstehen. Er hat noch ein paar Milliarden Jahre Lebensdauer vor sich. Genug Zeit, um nach dem fatalen Irrtum mit den Zweibeinern, noch einmal zu beginnen und nettere Spezies zu evolutionieren.

Für die Majorität der Menschen, die im Gegensatz zu mir, Kinder und Enkel haben, wäre ein Überleben ihrer Spezies allerdings wünschenswert.

Ihnen muss man zurufen, daß allerhöchster Handlungsbedarf besteht.

Tatsächlich verschlimmern wir die Klima-Lage in Deutschland. Es wird mehr Kohle verbraucht denn je.

Bei der Bundestagswahl wollen die meisten Menschen die Partei und den Kandidaten wählen, der in seinem Bundesland Klimaschutz und Windkrafträder fast unmöglich macht, der nichts anderes als ein Lobbybückling der CO2-Industrie ist.

CDU, CSU und AFDP kommen liegen in der Addition weit vor Rot-Rot-Grün, also den Parteien, die mehr Klimaschutz umsetzen würden.

Die Menschen in Deutschland wählen aber wider besseres Wissen politisch ihren eigenen Klima-Tod.

Schon kursieren Berechnungen über den rasanten Wertverlust von Immobilien in Südeuropa. In Süd- und Ostdeutschland wird es bald zu heiß sein, um dort zu leben.  Aber die Deutschen wählen nicht nur parteipolitisch gegen das Klima, sondern verhalten sich auch in ihrem täglichen Leben so.

Flugreisen, SUV, Kauf von nicht nachhaltigen Billigprodukten.

Wenn der Klimaschutz bei ihnen an die Tür klopft, werden Deutsche besonders garstig. Wir kennen das St-Florians-Prinzip schon von LGBTI-Altersheimen, KITAs und anderen sozialen Projekten. Ja, man versteht grundsätzlich, daß es so etwas geben muss, setzt aber Himmel und Hölle in Bewegung, wenn so eine Einrichtung in der eigenen Nachbarschaft entstehen soll. Der „Immobilienwert könnte schließlich sinken“ – soweit die Reichen, die durch Nichtstun immer reicher werden, weil die Immobilien von ganz allein teurer werden.

Wehe, es soll aber ein Windrad nebenan gebaut werden. Oder eine Stromtrasse, um ökologische Windenergie von den Küsten nach Bayern zu bringen!
Dann entdecken die bräsigen Wohlstandsbürger ihren Widerstandsgeist.

[….] Republik der Neinsager

Die Deutschen wollen Klima-, Verkehrs- und Energiewende. Gleichzeitig aber werden wichtige Projekte fast überall erbittert bekämpft. [….] 20 Jahre später wird wieder wütend protestiert in Nürnberg. Wieder geht es gegen die Deutsche Bahn, wieder um ein Werk für die Wartung von Zügen, wieder um Hunderte Arbeitsplätze. [….] Anders als im Sommer 2001 will die DB nichts plattmachen, sondern 400 Millionen Euro in ein weiteres Instandhaltungswerk für ICE-Züge investieren. Es sollen auch keine Stellen gestrichen werden, sondern 450 neue entstehen; tarifgebundene, gut bezahlte Facharbeiterjobs. Doch an allen neun möglichen Standorten in und um Nürnberg tobt der Widerstand. Bürgerinitiativen gehen auf die Barrikaden, und die Politiker bis hin zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder sind darüber furchtbar erschrocken. [….]  Ganz Deutschland ist im Protestmodus. [….] Auch gegen Windräder und Stromtrassen, Bahngleise und Mobilfunkmasten. [….]  Experten schätzen allein die Zahl der Bürgerinitiativen gegen Windräder bundesweit auf mehr als tausend. War solcher Widerstand vor wenigen Jahren noch vorwiegend Sache politisch linksökologisch verorteter Gruppen, verlassen heute immer mehr Gutsituierte ihre Häuser in den Wohnvierteln der Besserverdiener und gehen als Wutbürger auf die Straße. [….]  Verkehrswende ja, ICE-Werk meinetwegen, aber nicht vor meiner Haustür. [….] Im bayerischen Inntal, plagt sich die Bahn mit Gegnern einer neuen Schienentrasse herum, über die von 2038 an bis zu 400 Güterzüge rollen sollen. Sie soll Teil der neuen Nord-Süd-Verbindung samt Brenner-Basistunnel werden, die vor allem den Güterverkehr von den überlasteten Straßen auf die Schiene bringen soll. [….]  In vielen Rathäusern hat sich die Denke grundlegend geändert. "Früher hoffte man sehnlichst, dass einer kommt, viel Geld investiert, neue Jobs schafft und danach ordentlich Steuern bezahlt", sagt ein altgedienter Kommunalpolitiker. "Heute würden alle zusammenzucken, weil man weiß: Das gibt Ärger." [….]

(SZ, 09.08.2021)

No Hope For The Human Race.

Wenn Homo Demens ausstirbt, hat er es nicht besser verdient.