So wie ich Nationalismus und Patriotismus rundherum ablehne,
mokiere ich mich auch über Uniformen und halte das sichtbare
Tragen von Orden oder Auszeichnungen für anachronistisch bis lächerlich.
[…..] Our little army boy
[…..] Mourning in the aerodrome
The weather warmer, he is colder
Four men in uniform
To carry home my little soldier[…..]
Give the kid the pick of pips
And give him all your stripes and ribbons
Now he's sittin' in his hole
He might as well have buttons and bows […..]
(Kate Bush 1980)
In Deutschland existiert eine unübersehbare Flut kommunaler,
Landes- und Bundes-Auszeichnungen, die sich die Ausgezeichneten insbesondere
gern gegenseitig verleihen.
Man lese dazu nur den Wikipedia-Eintrag eines beliebigen
Ministers, Bischofs oder Ministerpräsidenten und wird unter dem Punkt „Ehrungen“
eine ganze Liste verschiedenster Preise, Medaillen, Auszeichnungen und Orden
finden.
Ich halte mich hingegen an das Hamburgische Motto, das unser
großer Bürgermeister Henning Voscherau stets verkündete: „Ein Hanseat nimmt
keine Orden an!“
Wir sind das diametrale Gegenteil Wiens, sprechen keine
akademischen Titel mit und nehmen Orden erst gar nicht an.
So inkonsequent, wie ich im Gegensatz zu nationalem
Patriotismus augenzwinkernd durchaus Lokalpatriotismus akzeptiere, verstehe ich
auch, daß die Stadtväter in Ausnahmefällen alle paar Jahre mal einer
außergewöhnlich verdienstvollen Tochter der Stadt, einem Sohn der Stadt ihre
Dankbarkeit ausdrücken wollen. Dafür verfügt auch Hamburg über verschiedene Instrumente; die
allerhöchste und bekannteste Auszeichnung ist natürlich die Ehrenbürgerschaft.
[…..] Die Verleihung des Ehrenbürgerrechts, das kein besonderes Recht,
sondern eine Auszeichnung darstellt, steht dem Senat zu und wurde ursprünglich
allein von ihm ausgeübt […..] Allerdings
hatte der Senat bereits bei der Verleihung 1813 die Erbgesessene Bürgerschaft
um Zustimmung gebeten, vor allem aber deshalb, um die Genehmigung für das mit
der Verleihung des Bürgerrechts verbundene Geldgeschenk einzuholen. […..] Um dieser seltenen Ehrung eine noch größere
Bedeutung zu geben, wurde dann im Jahre 1834 die Mitgenehmigung der
Bürgerschaft herbeigeführt, ohne jedoch eine Verpflichtung hierzu anzuerkennen.
Erst 1890 beschloss der Senat, die Bürgerschaft stets mit einzubeziehen und
vorher vertraulich den Vorstand der Bürgerschaft zu informieren, um unliebsame
Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden. […..] Bei der Ehrenbürgerschaft handelt es sich heute um die höchste
Ehrenbezeugung, die die Freie und Hansestadt Hamburg zu vergeben hat; Rechte
und Pflichten entstehen hierdurch nicht. [….]
(Hamburg.de)
Als Fußballphobiker verstehe ich zwar nicht wieso „Uns Uwe“ Seeler
Hamburger Ehrenbürger wurde, aber von den 36 Persönlichkeiten, die seit 1813
Ehrenbürger wurden, heiße ich die Nachkriegsentscheidungen alle gut.
1983 Helmut Schmidt
1985 Ida Ehre
1986 Gerd Bucerius
1986 Herbert Wehner
1991 Kurt A. Körber
1991 Alfred Toepfer
1993 Rudolf Augstein
1999 Marion Gräfin Dönhoff
2001 Siegfried Lenz
2003 Uwe Seeler
2005 Helmut Greve
2005 Hannelore Greve
2007 Prof. John Neumeier
2009 Loki Schmidt
2013 Michael Otto
In grauer Vorzeit gab
es einige fragwürdige Würden an Top-Militärs und Hochadelige. (1816 Generalfeldmarshall Fürst Gebhard
Leberecht von Blücher, 1871 Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck, 1917
Reichspräsident Paul von Hindenburg). Aber mit den ausgezeichneten Johannes
Brahms (1889) oder Johann Smidt (1843) kann man auch heute noch sehr gut leben. Seit 1978 wurde die Ehrenbürgerwürde in über 40 Jahren nur
15 mal verliehen; das ist sparsam genug.
Was aber eindeutig fehlt ist ein Äquivalent zur „Goldenen
Himbeere“, den RAZZIES, die vor der Oscar-Verleihung
die schlechtesten Leistungen in Film und Fernsehen benennen.
Wieso haben wir keine Hamburger Versager-Trophäe, die
denjenigen überreicht wird, die der Stadt den allergrößten Schaden zugefügt
haben?
Drei Preisträger wären sicher.
Ganz weit vorn liegt der jetzt schon legendär katastrophale
Di.Mi.Do-Bürgermeister Ole von Beust (2001-2010), der den Senat fast ausschließlich
mit Halbkriminellen besetzte, den Herpes-Faschisten Schill zum Bürgermeister
machte, den sozialen Wohnungsbau vollständig einstellte, Straßen, Brücken und
Siele verkommen ließ, der Stadt 30 Milliarden Schulden allein mit seinem HSH-Nordbank-Desaster
aufgehalste, alle im Hamburger Besitz befindlichen Versorgungsunternehmen und
Krankenhäuser an CDU-Spezis vertickte, Milliardendesaster Elbphilharmonie,
Exodus des Medienstandorts Hamburg, weil die Verlage keinen Ansprechpartner
mehr im Senat hatten, Verkauf der städtischen Immobilien und Filet-Grundstücke.
Zu allem Überfluss auch noch ein Abrisswahn. Allein für die grauenvoll
scheußliche „Europapassage“ gegenüber des Rathauses, ließ von Beust 11
wunderschöne historische Kontorhäuser sprengen. Drei Milliarden Euro wurden auf von Beusts Betreiben mit dem aberwitzigen Kohlekraftwerk Moorburg buchstäblich in die Luft geblasen.
Wir haben es nur unserem Hamburger Ehrenbürger Helmut Schmidt
zu verdanken, der
sich 2006 energisch Ole von Beust in den Weg warf, daß der
CDU-Bürgermeister nicht auch westlich des Rathauses seine grausige
Glas-Kubus-Architektur auf dem Domplatz errichtete.
Einen Negativ-Orden hat sich jetzt schon, gerade mal im 13.
Amtsmonat der Hamburger Verkehrssenator Anjes Tjarks verdient,
der geradezu wahnhaft den Verkehr zu einem immerwährenden Alptraum macht;
jeden, der nicht jung und gesund ist, aus der Innenstadt vertreiben will, einen
einzigen immerwährenden Stau fabriziert und dazu auch noch manisch Straßengrün
abholzt. Der Tort, den Tjarks der schönen Elbmetropole antut, mag noch nicht so
brutal wie der Beustsche sein, aber der Grüne ist erst ein Jahr im Amt und bloß
Senator. Nach neun Jahren als Regierungschef könnte er Hamburg durchaus zum
Totalsanierungsfall runterwirtschaften.
Negativ-Orden Nummer Drei geht an Hadi
Teherani. Der Glaskubus-Architekt hat sich Schimpf und
Schande für die Verschandelung der Stadt reichlich verdient.
Ich möchte keine nicht verifizierbaren Gerüchte darüber weiterverbreiten,
wie Teherani immer wieder von Beust dazu brachte, ihm Großaufträge
zuzuschanzen, aber seine
Bauten prägen tatsächlich inzwischen das Stadtbild. Ich erkenne die Teherani-Handschrift von weitem, weil keine
anderen Hamburger Häuser derart abgrundtief häßlich sind. Das Dockland, die tanzenden Türme auf der Reeperbahn, den
Berliner Bogen, das Deichtor Center, die Europapassage sind allesamt
abscheulich.
„Abscheulich“ ist natürlich meine subjektive Bewertung; ich
gebe gerne zu, daß anderen Menschen die Teherani-Architektur womöglich gut gefällt,
auch wenn ich noch nie so einen Menschen getroffen habe und weiß, daß
Hobby-Architekt Helmut Schmidt jedenfalls nicht dazu zählt.
Design und Kunst sind Geschmackssache. Unumstritten ist aber, daß die Teherani-Gebäude immer Glasfassaden
haben und dadurch erheblich eingeschränkt zu verwenden sind, weil die
Wärmeverteilung in den Häusern nie funktioniert. Sie sind im Winter eiskalt und heizen sich im Sommer
derartig auf, daß man in den Bürokomplexen de facto nicht arbeiten kann.
Als die Büros im „Berliner Bogen“ so glutheiß wurden, daß
die Angestellten reihenweise kollabierten, erwiderte Teherani schnippisch, es
sei eben spießig auch im Sommer tagsüber zu arbeiten. Wenn es so warm werde,
sollten die Angestellten doch nachts kommen.
In der fünfstöckigen Europapassage sind die Baumängel so
erheblich, daß noch nach Jahren die Läden im obersten Stockwerk Eisbeutel
bereithalten müssen, weil sich dort die Hitze staut, während im Untergeschoss so
ein eiskalter Zug herrscht, daß die Kunden sich nicht dahin trauen. Die Mängelliste 2007 war so endlos, daß
Teherani seinen Mitarbeitern einen Maulkorb verpassen musste.
Außer den praktischen Erwägungen und nicht funktionierenden
Temperaturmanagement der immer gleichen eckigen Glasbauten, stellt sich auch
die Frage, ob man eigentlich diese totale Transparenz will?
Wieso soll es eigentlich erstrebenswert sein, daß jeder Passant von außen die
dort arbeitenden Menschen durch die Glasfassade genau mustern kann?
Ich möchte nicht immer von allen gesehen werden.
Hinzu kommt der allgemein bekannte Klimawandel, der die
Sommer immer heißer machen wird. Ist es klug dann immer mehr Gebäude zu bauen,
die durch ihre Glasfassaden generell gar keinen Schatten spenden können?
[…..] Wer
sich die Poetologie der Maklerbranche ins Gedächtnis ruft, der weiß, dass diese
Branche ohne das Wort "lichtdurchflutet" nicht lebensfähig ist. Auch sie wird in Klimawandelzeiten
marketingmäßig umdenken müssen. Vielleicht, es sind gerade die Tage der
längsten Sonneneinstrahlung in Deutschland und das Land beginnt wieder mal zu
riechen wie früher der von Kaugummiresten und Sonnenmilchtropfen so herrlich
verklebte Fußweg zum Dreimeterbrett im Freibad, wird man eines Tages Anzeigen
lesen, in denen kellerhaft feuchte und dunkel verschattete Wohnungen, in die
sich garantiert niemals ein Lichtstrahl verirrt, angepriesen werden. Diese
werden Höchstpreise erzielen, die man sich nur als Vlad der Pfähler (vulgo: der
lichtsensible Graf Dracula) leisten kann. Mit ihm teilt der Autor eine seltsame, womöglich ja krankhafte Neigung:
Es ist die Angst vor brütender Hitze, Schattenlosigkeit und die Sehnsucht nach
Novemberniesel in hoffentlich bald wieder dunkler werdenden Tagen. Übrigens,
stimmt, man sieht ja auch aus wie Knäckebrot und stammt definitiv nicht aus der
Karibik. Man ist nun mal kein Freund der Sonne. Weiß aber, dass sie seit
Menschengedenken angebetet wird und zum Hotspot der allgemeinen Sehnsucht
wurde. "Denn die einen", sagt Brecht, "sind im Dunkeln / Und die
anderen sind im Licht." Wer will schon zu den einen gehören? […..] Später schreibt Edith Farnsworth, die erst
von Mies begeisterte, dann entgeisterte Bauherrin, grimmig: "Das Haus ist
durchsichtig wie ein Röntgenbild ... die Glas-Stahl-Konstruktion ist
unbewohnbar." Man sieht sich vor Gericht. Genau dort also, wo seit einigen
Jahren auch die Glasarchitekturen New Yorks verhandelt werden - als seien sie
die inkriminierten Subjekte in Paul Austers New-York-Trilogie "City of
Glass". Auf der Anklagebank: Glas als Baustoff. Bill de Blasio initiiert
als Bürgermeister von New York ein Nachdenken darüber, gläserne Hochhausbauten
aufgrund ihrer vermeintlichen Energie-Ineffizienz zu verbieten. "Monumente",
sagt er, "die unserer Erde schaden - das wird in New York City nicht
länger erlaubt sein." […..] Glas wird zum Dieselskandal der Architektur. […..] so rächt es sich nun, dass Häuser und Städte
seit vielen Jahrzehnten die einfache Kunst des Schattenspendens eingebüßt
haben: auskragende Dächer, engstehende, einander verschattende Stadthäuser,
dicke, daher speichertaugliche Mauern, schattenspendende Begrünung, Wasser,
Läden zum Schließen der Fassade, der Wind, der zur Kühlung eingefangen und
gelenkt wird: Nichts davon ist neu zu erfinden. Der Süden ist schon lange
findig im Umgang mit dem sengenden Glutmonster dort oben. […..]
(Gerhard Matzig,
28.06.2021)