Mittwoch, 24. Juli 2019

Indolent.


Wenn man in amerikanischen Oppositions-Foren chattet, stößt man immer wieder auf Memes, die Trumps rassistische Pöbeleien und das Schweigen der GOP-Größen im Parlament thematisieren.
Dazu erscheint der Satz „Falls ihr euch je gefragt hattet, wie in der deutschen Demokratie das faschistische Nazi-Regime entstehen konnte….“
Der Gedanke ist zutreffend. In der Tat erleben wir coram publico, wie humanistische Werte kontinuierlich abgeräumt werden und der Präsident selbst immer xenophober und rassistischer tönt.

Wie in den Jahren vor 1933 in Deutschland gelingt es auch in den USA nicht die widerständigen Kräfte dagegen zusammen zu führen.
Während die andere Hälfte der Bevölkerung genau die Menschenhetze und die rassistischen Tiraden bejubelt, wird die andere indolent. Die Presse stumpft entweder ab, findet keine Weg mehr mit den Trump-Skandalen die angemessene Empörung zu generieren, oder ist sogar gleichgeschaltet, fungiert in Goebbels-Manier als Einpeitscher des Herren.

In gewisser Weise sind die USA moralisch sogar noch verkommener als die späte Weimarer Republik.
Anders als in Weimar verfügt man über

a.) eine Jahrhunderte alte demokratische Erfahrung
b.) enormen ökonomischen Wohlstand
c.)  historisches Wissen wohin der Faschismus führt.

Der vielzitierte Satz, nachdem die weit nach 1945 geborenen Deutschen natürlich nicht für die Nazi-Gräuel, wohl aber aufgrund der nationalen Erfahrungen für ein Verhindern der Wiederholung verantwortlich sind, ist richtig.

Gerade unter diesem Aspekt blicken wir besonders schaudernd nach Nordamerika: Wären so ein Wahlkampf, so ein Präsident und so eine Regierung in Deutschland möglich?

Anfang der 1990er Jahre, als wir Wessis entsetzt mit fremdenfeindlichen Mobs in der ehemaligen DDR konfrontiert wurden, als Rostock-Lichtenhagen brannte, hätte ich die Frage verneint.
Zu massiv und kollektiv war das Entsetzen über die neuen Mitbürger aus dem Beitrittsgebiet.
Es gab eine gewaltige Gegenbewegung.
Allein 450.000 Menschen versammelten sich in Hamburg zum „Alsterleuchten“ unter dem Motto „stoppt den Hass“.
Buchstäblich die ganze Stadt war aufgerüttelt und in Brandenburg wählten 55% der Menschen die SPD. Der Souverän war bereit für demokratische Werte einzutreten. Massenhaft.

(….) Am 10. Oktober 1981 fanden sich fast 400.000 Menschen im Bonner Hofgarten ein, um gegen die Atom-Nachrüstung in Deutschland zu protestieren.
Die Regierung Helmut Schmidt überlebte das nicht sehr lange, aber als Helmut Kohl Kanzler wurde und die Menschenmassen noch anschwollen, „stand er“ und holte mehr Atomraketen ins Land.

22. November 1983: Am Tag, als der Bundestag die Aufstellung von US-Raketen in Deutschland beschließt, demonstrieren im Bonner Hofgarten bis zu 500.000 Menschen gegen die Nachrüstung mit US-Raketen.
In Hamburg sind es 400.000 Demonstranten, über die schwäbische Alb bildet sich eine 108 Kilometer lange Menschenkette zwischen Stuttgart und Neu-Ulm. Bereits in den Jahren zuvor war es zu Massenprotesten gekommen.
Die US-Raketen vom Typ Pershing II wurden trotz der massiven Proteste in der Bundesrepublik stationiert.

Im Juli 1986 demonstrieren in Bayern mehr als 100.000 Besucher am "Anti WAAhnsinnsfestival" gegen die atomare Wiederaufarbeitung.
 Die Bundesregierung sitzt es wieder aus.

26. Januar 1991: In Bonn demonstrieren 200.000 Menschen gegen den zweiten Golfkrieg, an dem sich auch Deutschland beteiligt, vor allem finanziell.
Dezember 1992: In Hamburg demonstrieren am 13.12.1992 bis zu 450.000 Menschen gegen Ausländerfeindlichkeit, in München waren es eine Woche zuvor 300.000 Teilnehmer. Die Bürger wollen mit Lichterketten ein Zeichen gegen Fremdenhass setzten, der sich in Anschlägen auf Asylbewerberheime und Häuser von Ausländern in Deutschland manifestiert. […]

Es folgten eine Reihe riesiger Demonstrationen gegen die harte Asylpolitik der CDU-Kohl-Merkel-Regierung.
100.000 Menschen in Essen 01.01.1993 "Das Ruhrgebiet sagt Nein!", gegen Gewalt und Rassenhass. Noch einmal genauso viele am 30.01.1993 bei der "Lichterspur" in Berlin unter dem Motto "Aufstehen und widerstehen“ und am selben Tag 120.000 Menschen in Düsseldorf beim "Lichterfest des Friedens und der Menschlichkeit."

15. Juni 1996: In Bonn demonstrieren 350.000 Menschen gegen Sozialabbau in Krankenversicherung und Arbeitsrecht. Die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung gibt dem Druck der Straße nicht nach

09.11.2000: Berlin, 200.000, "Für Menschlichkeit und Toleranz", gegen Ausländerhass.

15. Februar 2003: Rund 500.000 Menschen demonstrieren in Berlin gegen den sich abzeichnenden Irak-Krieg. In Stuttgart sind es 50.000 Demonstranten.

Die nächsten Demonstrationen mit deutlich sechsstelligen Teilnehmerzahlen gibt es Ende 2003 und im Jahr 2004 gegen die Hartz-Gesetzgebung; leicht kommen eine Viertelmillion Menschen dazu in Berlin zusammen, aber auch in Stuttgart sind es 140.000 am 03.04.2004 und noch einmal 100.000 am selben Tag in Köln.

Bei allen diesen Demonstrationen geht es aber um Werte wie Frieden, Solidarität und Bürgerrechte – also etwas, das die CDU in ihrer Regentschaft stets eingeschränkt hat. (…..)

20 Jahre später, im Zeitalter der sozialen Medien leben die Deutschen in ihren eigenen Filterblasen, lesen keine Zeitungen mehr, verlieren sich in Partikularinteressen.
Kommen 5.000 Menschen zur Klimademo zusammen, sind wir schon baff erstaunt.
Rassistische Morde, pogromartige Zustände, tausende fremdenfeindliche Übergriffe, Kriegsrhetorik oder auch 4.000 durch EU-Politik im Mittelmeer krepierte Frauen Kinder erregen kaum noch Aufmerksamkeit.
Die offen rassistische AfD sehen Demoskopen in mehreren Bundesländern als stärkste Partei. In Sachsen schafften die Flügel-Hetzer das bereits zwei Mal – bei der Bundestagswahl 2017 und der Europawahl 2019 gingen sie als erstes durchs Ziel.

Der Bedeutungsrückgang der klassischen Medien führt zu immer geringerem Interesse sich zu engagieren und zu informieren. Immer mehr Menschen sind verblödet und kurzsichtig wie Herr Meister. Mögen wir noch lange von der direkten Demokratie verschont bleiben.

Möglicherweise sind wir in ein paar Jahren auch bereit für einen Trump.
Mehrere osteuropäische Nationen haben sich bereits rechtsradikalen Autokraten verschrieben.
Mit Italien und heute auch England marschieren zwei große westeuropäische Länder ebenfalls in den rechtspopulistischen Orkus.
Angesichts dieser Weltlage sollten wir der Groko täglich auf Knien für ihre Vernunft und ihre zu 50% sehr vernünftigen und umsichtigen Minister danken.

Unsere Antennen für Rassismus sind nämlich bereits abgebrochen.
In Deutschland können Rechtsradikale inzwischen Flüchtlinge und diejenigen, die sich für Flüchtlinge engagieren, ermorden, ohne daß es noch zu nennenswerter Gegenwehr des Staates kommt. Die Gesellschaft nimmt es indolent hin.

[…..] Die zögerliche Reaktion von Politikern auf Bombendrohungen und Angriffe aus dem rechten Spektrum schützt Strukturen wie damals den NSU. Innenminister Seehofer muss jetzt handeln.
In Duisburg, Mannheim und Mainz wurden am Montag Moscheen nach Bombendrohungen geräumt. In der Zentrale der Linkspartei in Berlin ging ebenfalls eine Drohung ein, unterschrieben mit "Combat 18", dem Namen einer militanten Neonazigruppe. Im hessischen Wächtersbach schoss am gleichen Tag ein Autofahrer auf einen Mann aus Eritrea. Mutmaßliches Motiv: Rassismus. Der Terror meldet sich zurück in Deutschland, diesmal von ganz rechts. Die Politik aber wirkt sonderbar teilnahmslos.
Schon nach der Ermordung des CDU-Politikers Walter Lübcke kam öffentliches Entsetzen nur zögerlich in Gang. […..]
Es ist diese Gleichgültigkeit, die rechtsextremistische Mörderbanden wie den NSU lange vor Entdeckung geschützt hat. […..]

Was soll man auch erwarten, wenn der zuständige Superinnenminister ein Laie ist, der seit Jahren ebenfalls gegen Flüchtlinge hetzte?
Ein Mann, der in seinem vorherigen Job als bayerischer Ministerpräsident von einem sogar noch extremeren Hetzer ersetzt wurde, der wiederrum mit dem Nachbar-MP von den Grünen ein Herz und eine Seele ist. Die überzeugten Christen Kretschmann und Söder sind sich politisch einig.

[…..] Ein Mann setzt sich an einem warmen Julivormitttag in der deutschen Provinz ins Auto, um im Vorbeifahren jemanden zu erschießen. Irgendjemanden, es gibt nur ein Kriterium: Das Opfer soll schwarz sein.
So geschah es laut Polizei am Montag im südhessischen Wächtersbach - und man muss sich die Ungeheuerlichkeit dieser Tat klarmachen, diese erschütternde Beiläufigkeit rassistischer Gewalt: Da fuhr jemand einfach los, um einen arglosen Menschen aufgrund eines hasserfüllten Weltbilds zu töten.
Was sagt es über eine Gesellschaft aus, wenn wenige Wochen nach dem mutmaßlich rechtsextrem motivierten Mord an einem CDU-Politiker eine solche Tat geschieht? Und was verrät uns der Umgang mit diesem Anschlag über den Zustand von Demokratie und Debattenkultur?
[…..] Eine gesamtgesellschaftliche Debatte über rechtsextreme Gewalt scheint gerade jedenfalls nicht neu entfacht zu werden.
Vielleicht liegt das daran, dass der Anschlag kein Mitglied der Mehrheitsgesellschaft traf und vielen schon deshalb nicht nah geht. […..]  Wie weit ist die kollektive Abstumpfung bereits fortgeschritten?
Offenbar ziemlich weit, wenn man bedenkt, dass dieser Fall an frühere Anschläge erinnert: Auch die NSU-Rechtsterroristen suchten ihre meisten Opfer nach heutigem Wissensstand willkürlich aus - Hauptsache, sie waren Migranten. Und auch im Fall Walter Lübcke ereignete sich die Gewalttat eines Neonazis in der hessischen Provinz, auch in diesem Fall stand wohl kein Terrornetzwerk dahinter. […..]

Das Deutschland des Jahres 2019 bewegt sich gemütsmäßig auf die USA des Jahres 2016 hin. Kaum einer stört sich noch an Nazi-Übergriffen, fremdenfeindlichen Morden und rechtsradikaler Wählerschaft.

[….]Das Problem der deutschen Politik heißt Nazi-Ignoranz
Im Internet kursieren Todeslisten gewalttätiger Nazis - und oft bekommen die aufgeführten Personen keine angemessene Hilfe durch die Behörden. Dabei können selbst vermeintlich dilettantische Listen gefährlich werden. […..]

Dienstag, 23. Juli 2019

Gottes Ungerechtigkeit


Einfältige Menschen sind religiös, weil sie vor der Größe der Welt und des Universums kapitulieren. Sie ertragen den Gedanken nicht, selbst nur ein irrelevanter Krümel mit mikroskopischer Lebensspanne zu sein.
Religionen sind gewissermaßen ein Massenanfall von Dunning-Kruger. Die Gläubigen sind zu doof, um ihre eigene Doofheit zu erkennen, wähnen sich daher als „Krone der Schöpfung“, als Lieblinge eines allmächtigen und allwissenden Schöpfergottes.
Natürlich können diese nach Gottes Ebenbild Erschaffenen keinesfalls ihre eigene Kurzlebigkeit und Endlichkeit erkennen.
Was ist schon ein Menschenleben von 70 oder 80 Jahren im Vergleich zu 4,5 Milliarden Jahren Erdgeschichte?
Also verfallen sie allesamt dem größenwahnsinnigen Irrsinn nicht etwa wieder in Moleküle und Atome und Quarks zerlegt zu werden, wie sie alle schon beim Urknall entstanden sind, sondern glauben hartnäckig daran immer weiter zu leben. Indem beispielsweise ihre Seelen gleich nach dem Absterben der körperlichen Hülle in den Himmel hinaufsausen, um dort von Petrus eine neue Wohnung zugewiesen zu bekommen.
Und noch verrückter, sie meinen durch Geldspenden oder die Häufigkeit wie oft sie ihren Schniedelwutz benutzen beeinflussen zu können, ob Petrus ihren dereinst am Himmelstor das Souterrain oder das Penthouse zuweist.

Samsara nennen es die Hindus, die auch nicht etwa endgültig sterben, sondern sogar als alles Mögliche wiedergeboren werden können.

[….] Träger der Persönlichkeit des Verstorbenen ist der „Jiva“, der unsichtbare, feinstoffliche Leib. Dieser „Jiva“ besteht nach dem Tod des Körpers fort und umhüllt den „Atman“, die ewige, unveränderliche sowie unvergängliche Seele.
Ausschlaggebend ist das eigene Verhalten
Nach der Vorstellung von Samsara hat jeder Mensch und jedes Tier schon unzählige Male vor dem jetzigen Leben gelebt – und alle werden nach dem Tod des Körpers noch viele Male wiedergeboren werden. Auf welcher Stufe, ob in ein schönes oder elendes Leben hinein, mit guten oder schlechten körperlichen und geistigen Voraussetzungen, hängt vom „Karma“ des Lebewesens ab, den Resultaten aus allen vorherigen Leben. […..]
(ORF)

Lebt man als Unberührbarer in der untersten Kaste, muss den ganzen Tag Scheiße schaufeln, während man beliebig von Angehörigen der Brahmanenkaste  und den anderen Varnas vergewaltigt oder geschlagen werden kann, muss das schon seine Ordnung haben.
Schließlich wäre man ja nicht als Paria geboren worden, wenn man nicht im vorherigen Leben Mist gebaut hätte. Außerdem hätte es viel schlimmer kommen können und man wäre bloß als Grottenolm geboren worden. Sollte man ein besonders fieser Grottenolm sein, kann es noch weiter bergab gehen und man wird nachdem man von einer Kobra gefressen wurde, als Moos oder Stinkmorchel reinkarniert.

Punabbhava nennt sich die genauso bizarre ewige Wiedergeburt im Buddhismus.

[….]    Je nach Art des vorherrschenden Störgefühls werden wir nach dem Tod in einem der sechs Daseinsbereiche wiedergeboren:
1. Stolz führt zu einer Wiedergeburt im Bereich der Götter. Diesen geht es gut; sie leben sehr lange und haben nur ein Problem: die Vergänglichkeit. Irgendwann ist ihr angenehmer Zustand vorbei, nämlich dann, wenn ihr gutes Karma verbraucht ist.
2. Eifersucht führt in den Bereich der Halbgötter. Diesen geht es auch relativ gut, aber sie sind immer eifersüchtig auf das, was die Götter haben, und sie versuchen, diesen ihre Reichtümer abzujagen.
3. Begierde führt zur Wiedergeburt als Mensch. Menschen haben ein gemischtes Karma. Sie erleben die Leiden von Geburt, Krankheit, Alter und Tod, haben aber auch je nach Karma Überschuss und Mitgefühl.
4. Dummheit führt zu einer Wiedergeburt als Tier. Tiere fressen andere Tiere oder werden von ihnen gefressen.
5. Geiz führt in den Bereich der Hungergeister. Diese Wesen leiden unsäglich. Sie erleben sich mit einem riesigen Bauch und einem winzigen und dünnen Hals, so dass sie nichts essen und trinken können.
6. Zorn schließlich führt zu einer Wiedergeburt in Paranoiawelten bzw. im Bereich der Höllenwesen. Diese Wesen leiden noch stärker. Sie erleben, wie sie gekocht werden oder erfrieren, und dies in einem fort. […..]

Das Gute an Religionen ist, daß sie so gar nicht albern wirken.


Der Christengott hingegen greift direkt ein, weil alles nur nach seinem unergründlichen Plan läuft. Plan ist Plan, wenn auch unergründlich.
Die Bibel formuliert jede Menge Sünden, für die man anschließend bestraft wird, aber auch schon während des Lebens lenkt Gott das Schicksal.

(….) Nichts geschieht ohne Gottes Willen, alles ist vorbestimmt.
Gott sieht alles und stets geschieht alles nach seinem Plan.

Wenn aber ohnehin schon alles feststeht, wozu soll man dann beten?
Das würde bedeuten, daß Jesus bestechlich ist.
Wenn ein dreijähriger Junge an Leukämie leidet, oder ein dreijähriges Mädchen sich mit Mukoviszidose quält, weiß Gott das offenbar, weil auch das nach seinem Willen geschieht.
Da er allmächtig ist, könnte er zweifellos das Kleinkind von den Schmerzen befreien und gesund machen.
Nach katholischer Auffassung muss man aber für das Kind beten.
Gebete spielen dabei offensichtlich eine quantitative Rolle.
Wenn nur die Eltern beten, reicht Gott das nicht. Ein paar Hundert Gebete der Eltern bringen ihn nicht dazu einzuschreiten.
Für solche Fälle gibt es Gebetsaufrufe. Wirkt eine ganze Gemeinde mit, können Myriaden Gebete für so ein krankes Kind zusammen kommen.
Reicht auch das nicht, kann beispielsweise der Papst vor einem Millionenpublikum für bestimmte Gebetsanliegen aufrufen. Die Masse macht’s offenbar. Läßt sich Gott nicht von 1.000 Gebeten dazu überreden ein Kind zu heilen, tun es vielleicht 10 Millionen Gebete.
Ginge es bei Gebeten nicht um Quantität, sondern nur um Qualität, würde das Kirchenoberhaupt ja nicht öffentlich zu Massengebeten aufrufen.
Andererseits nützen auch Massengebete, selbst wenn sie in richtig großen Massen kommen, weil beispielsweise Weihnachten ist und gleich eine Milliarde Katholiken für Frieden in Syrien beten, nichts.
Es verhungern schließlich weiterhin jeden Tag 10.000 bis 20.000 Kinder auf der Welt elendig an Hunger.
Scheinbar lässt sich Gott doch nicht durch Gebete bestechen.
Warum sollte er auch, wenn er ohnehin schon alles geplant und festgelegt hat?
Überhaupt neigt Gott nicht dazu im Diesseits einzugreifen. (….)

Während Gott also einige schon von Geburt an grauenvoll leiden und hungern lässt, werden andere bei  guter Gesundheit und im großen Reichtum 100 Jahre alt.
Offenbar also Gottes Lieblinge.

Einer davon ist zweifellos Georg Ratzinger, der viele Jahrzehnte ausschweifend seinen Neigungen nachgehen konnte – sich als großer Musiker eines weltberühmten Chors feiern zu lassen und gleichzeitig seinem ausgeprägten Sadismus zu frönen, indem er über Dekaden kleine Kinder grün und blau prügelte.

[….] Domspatzen-Ermittler zählt 547 Opfer von Missbrauch und Gewalt
Bei den Regensburger Domspatzen sind über Jahrzehnte mehr als 500 Kinder Opfer von Gewalt, Misshandlung und sexuellem Missbrauch geworden. Diese Zahl nennt Sonderermittler Ulrich Weber in seinem lange erwarteten Abschlussbericht. Es gibt aber immer noch eine Dunkelziffer. [….]

"Der Schutz der Institution hat im Vordergrund gestanden. Opferschicksale sind ignoriert, Beschuldigte teilweise geschützt worden."
(RA U. Weber, 18.07.2017)

  […..] Es handelt sich um einen der größten Missbrauchsskandale der katholischen Kirche in Deutschland [….]  Demnach wurden 500 Kinder Opfer körperlicher Gewalt, 67 Kinder zusätzlich auch Opfer sexueller Gewalt.
Da einige Kinder körperliche und sexuelle Gewalt erlitten, liege die Gesamtzahl der Fälle höher als die Zahl der Opfer, sagte der von Bistum und Chor mit der Klärung des Skandals beauftragte Rechtsanwalt Ulrich Weber. Die Kinder hatten die Zeit bei den Regensburger Domspatzen demnach später unter anderem als "Gefängnis, Hölle und Konzentrationslager" oder als schlimmste Zeit ihres Lebens bezeichnet.
In einem Zwischenbericht Anfang 2016 war noch von 231 misshandelten Kindern die Rede gewesen. [….] Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer hatte sich 2016 bei den Opfern entschuldigt: "Ich kann es nicht ungeschehen machen und die Opfer nur um Vergebung bitten", sagte er. Voderholzers Vorgänger, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, war wiederholt vorgeworfen worden, die Aufklärung behindert zu haben. Nach Bekanntwerden des Skandals hatte er gesagt, der Missbrauch durch Priester sei von Medien aufgebauscht worden. [….]

Einer der Hauptverantwortlichen, Georg Ratzinger, 93, der sadistische Leiter der Domspatzen (Domkapellmeister von 1964-1994) schmort nicht etwa im Gefängnis, sondern erfreut sich höchster Ehren.

Ratzinger erhielt 1981 das Bundesverdienstkreuz am Bande, 1983 den Bayerischen Verdienstorden, 1989 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, 1994 das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1994 die Albertus-Magnus-Medaille der Stadt Regensburg, 2005 die Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse und 2009 das Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik.

Ein würdiger hochgeehrter Kinderquäler.

Ob der ältere Papstbruder womöglich selbst sexuell übergriffig wurde, ist nicht bekannt.
Vielfach berichtet wurde aber von seiner ausgesprochen sadistischen Ader.
Er geriet in regelrechte Prügelorgien, warf mit Stühlen nach zehnjährigen Schülern. Ratzinger prügelte so von Sinnen auf seine Schüler ein, daß ihm vor Wut das Gebiss rausflog und durchs Klassenzimmer geschleudert wurde.

 Auch Chorchef Georg Ratzinger, der Bruder von Papst Benedikt XVI., wurde von ehemaligen Domspatzen als "extrem cholerisch und jähzornig" erlebt. So habe Ratzinger noch Ende der achtziger Jahre bei Chorproben erzürnt Stühle in die Männerstimmen hineingeworfen. Einmal habe sich der Domkapellherr so erregt, dass ihm sogar das Gebiss herausgefallen sei. Der 86-jährige Ratzinger wollte sich dazu nicht äußern.

Offenbar will man aber in Regensburg mit aller Macht die Verantwortung der Ratzingers vertuschen und zu Lebzeiten des Papstes und seines Bruders nicht mehr in die Verlegenheit kommen einen Pontifex-Maximus-Bruder anklagen zu  müssen. (….)

Mit der Protektion durch den „Bücher-Ratz“ lässt es sich der „Orgel-Ratz“ im Vatikan gutgehen.

[…..] 2010 erhielt er in Rom den „Ehrenpreis der Fondazione Pro Musica e Arte Sacra“, die höchste Auszeichnung, die von der römischen Stiftung für geistliche Kunst und Musik vergeben wird.
Am 15. Januar 2014 beging Georg Ratzinger seinen 90. Geburtstag im Vatikan. Ihm zu Ehren wurde in Anwesenheit seines Bruders, Papst em. Benedikt XVI., ein privat organisiertes Konzert gegeben, Michael Hesemann sprach eine Laudatio. […..]

Ein wirklich sympathisches Kerlchen, das sich auch unter Papst Franz ganz sicher vor juristischen Folgen fühlen darf. Sind ja nur einige hundert Kinder, die für ihr Leben schwer gekennzeichnet wurden.

[…..] Jetzt gerät der Papst-Bruder Georg Ratzinger weiter in den Fokus. Der ehemalige Domkapellmeister soll nicht nur von den sexuellen Übergriffen gewusst haben, sondern ein „Sadist und Gewalttäter“ gewesen sein.
Einer, der es wissen muss, ist Alexander Probst (55). Er war von 1968 bis 1971 bei den Domspatzen, wurde Opfer eines Präfekten. „Er hat seine Hand in meine Schlafanzughose gesteckt. Er hat immer mein Zipferl in die Hand genommen, immer“, sagte der Oberpfälzer unserer Zeitung.
Als der Vater von Probst das erfuhr, stellte er Georg Ratzinger zur Rede und nahm seinen Sohn von der Schule. Ratzinger hätte reagieren können – und somit vielen Kindern ähnliches ersparen können. Doch nichts geschah.
[….] Der Bruder des emeritierten Papstes sei ein „Lügenmaul“, sagt Probst. Er sei selbst gewalttätig gewesen. Probst: „Er schmiss ständig mit Zeug um sich – vom Klavier-Stuhl, dem Metronom bis hin zu Bibeln. Er war absolut jähzornig.“
Einmal sei Ratzinger auf ihn zugestürmt. Als er sich vor der Faust wegduckte, habe der Domkapellmeister einen anderen Jungen getroffen. „Der hat ihm so eine gebrettert, dass er umgefallen ist.“ Dann habe Ratzinger Probst an den Haaren gepackt, so dass ihm ein ganzes Büschel nachher fehlte. „Ratzinger ist ein Sadist, ein Gewalttäter, klipp und klar.“
[….] Das Bistum war für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Höllische Zustände und himmlisches Schweigen?  [….]

Der Kinderfickerfreund Gerhard Ludwig Müller tat es aus Neigung und/oder Berechnung, als er Georg Ratzinger vehement vor jeder Strafverfolgung schützte, die Aufarbeitung in seinem Bistum Regensburg vollständig blockierte und immer wieder perfide gegen die Opfer austeilte.
Es sollte sich für ihn lohnen, denn Gottes Stellvertreter auf Erden, der zufällig auch Georg Ratzingers kleiner Bruder ist, belohnte Müller, indem er ihn zum drittmächtigsten Mann der 1,3 Milliarden Katholiken machte – zum Präfekt der Glaubenskongregation und Kurienerzbischof.
Ratzingers Nachfolger Bergoglio fand es super und erhob Müller auch noch zum Kardinal.

Am meisten kann sich aber Georg Ratzinger freuen, der ganz offensichtlich von Gott geliebt wird. Inzwischen ist er 95, erfreut sich bester Gesundheit und kann als Papstbruder in für Katholiken paradiesischen Zuständen leben – in einem Vatikanischen Palast mit exklusiven Zugang zu den Vatikangärten. Vollpension mit diplomatischer Immunität und ohne Auslieferungsabkommen.

Was für ein schöner Lebensabend für einen chronischen Kinderquäler.
Gott muss ihn lieben.
Die kleinen Jungs, die Ratzinger einst ins Koma prügelte und die massenhaft an seiner Schule vergewaltigt wurden, findet Gott offenbar nicht so doll.
Denn die betteln immer noch vergeblich um Anerkennung, während sich die Ratz-Bros im Vatikan über die neuen Enthüllungen kaputtlachen.

[…..] Undurchsichtige Strukturen und unklare Verantwortlichkeiten haben die früheren Fälle von Missbrauch und Gewalt bei den Regensburger Domspatzen in Deutschland begünstigt. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien im Auftrag des Bistums Regensburg. […..]
Untersucht wurden die Jahre zwischen 1945 und 1995, aus historischer und aus sozialwissenschaftlicher Sicht. Der Historiker Bernhard Löffler von der Universität Regensburg sprach von einem System des Schweigens. […..] Besonders schlimm war die Gewalt in der Vorschule mit Schülern der dritten und vierten Klasse. Das Ausmaß der psychischen Grausamkeiten und Übergriffe, die zum Teil auch sexualisiert waren, wurde erst 2010 bekannt. […..] Die Macher der Studie wiesen Äußerungen des emeritierten Papsts Benedikt XVI. zurück, der den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche mit der 68er-Bewegung erklärt hatte. Die Gewalt bei den Domspatzen sei „deutlich überwiegend“ mit Ausnahme eines Einzelfalls nicht Folge der 68er-Pädagogik, sagte Bernhard Löffler. […..] Der emeritierte deutsche Papst hatte im Frühjahr in einem Aufsatz die 68er-Bewegung angegriffen und ihr etwa zugeschrieben, Pädophilie erlaubt zu haben. Der Aufsatz sorgte in Deutschland für große Empörung.
[…..] Die Regensburger Domspatzen standen lange unter der Verantwortung von Benedikts Bruder Georg Ratzinger. Löffler sagte, Ratzinger habe für „Jähzorn, überzogene Strenge einschließlich harter Körperstrafen und psychischer Demütigungen“ gestanden. […..]

Während Müller, Ratzinger und Ratzinger unbehelligt im Luxus schwelgen, sollten die Opfer ihrer Taten doch froh sein in Katholien geboren zu sein.
In Indien würde sie nun womöglich als Dattel, Maulwurf oder Sumpfdotterblume ihr Dasein fristen – deren Götter sind noch wesentlich strenger.

Herr Meister


Ende 1986 hatte meine Mutter ihren Gärtner im Haus, der sich sehr über mich wunderte.

Ich war damals politisch sehr aktiv und wähnte mich in einer besonders apokalyptischen Woche.
In dem Jahr war Tschernobyl explodiert, man traute sich nicht Fenster zu öffnen oder Pilze zu essen. Hamburg hatte das erste mal SMOG-Alarm ausgelöst, ich kämpfte in einer Bürgerinitiative mit Unterstützung der Zeitschrift „Trendwende“ gegen die Volkszählung 1987, die George Orwell in den Schatten stellen sollte und nun sprach im Fernsehen der charismatische Willy Brandt von „Bhopal am Rhein“!
Die amerikanische Union Carbide hatte sich in Indien niedergelassen, um dort billiger und ohne die lästigen Schutzmaßnahmen Pestizide zu produzieren. 1984 traten einige Tonnen hochgiftiger Chlorverbindungen aus. Bis zu 25.000 Menschen starben sofort; weitere 500.000 wurden durch direkten Kontakt mit der Gaswolke verletzt und leiden bis heute unter den Folgen. Myriaden Menschen erblindeten und Ungezählte litten unter Hirnschäden, Lähmungen, Lungenödemen, Herz-, Magen-, Nieren-, Leberleiden und Unfruchtbarkeit. Babys wurde fehlgebildet geboren und die Dow Chemical, die 1994 die Union Carbide Corporation aufkaufte, weigert sich bis heute die verseuchten Böden zu sanieren. Produktionen in Billiglohnländern lohnt sich also wirklich.
Nur zwei Jahre später also rückte so eine Chemiekatastrophe ganz nah an uns heran. „Bhopal am Rhein“. Gemeint war damit die Baseler Sandoz-Katastrophe.
Am 01.11.1986 brannte eine gigantische Chemikalienlagerhalle ab. Riesige Mengen kontaminierten Löschwasser gelangten in den Rhein, darunter auch Herbizide des Nachbarunternehmens Ciba-Geigy; wie zum Beispiel 400 kg Atrazin.
Der gesamte Rhein färbte sich blutrot.

[…..] Die Giftwelle schob sich rheinabwärts: Sie löschte den gesamten Aalbestand auf einer Strecke von mehr als 400 Kilometern aus, tötete zahlreiche andere Fische und Lebewesen. Bilder von tausenden verendeten Aalen, die aus dem Rhein geborgen wurden, gingen um die Welt. Die Trinkwasserentnahme aus Deutschlands "Schicksalsfluss" wurde bis in die Niederlande für fast drei Wochen eingestellt. Es war eine der größten Umwelthavarien und löste damals, im Jahr der Tschernobyl-Katastrophe, viele Ängste aus. […..]

Als Herr Meister, der Gärtner aus dem kleinen Vorgarten in unser Wohnzimmer trat, starren wir gerade auf weihnachtliche Bilder aus Rotterdam.

Inzwischen war die toxische Flut aus der Schweiz im Rhein-Maas-Delta angekommen, alle Fische starben, trieben stinkend an der Oberfläche und die Niederländer mühten sich ab die Kadaver abzuschöpfen.

[…..] Wenigstens 30 bis 40 Tonnen hochgiftiger Substanzen sickerten ins Flußwasser, wie viele es wirklich waren, wird sich nie rekonstruieren lassen. Rund 1200 Tonnen Chemikalien, darunter 900 Tonnen hochgiftiger Verbindungen, waren in der niedergebrannten Lagerhalle gestapelt - genug, um die Bevölkerung von ganz Europa umzubringen.
Mit 3,7 Stundenkilometer Fließgeschwindigkeit wanderte die 70 Kilometer lange Giftschleppe flußabwärts. Am sechsten Tag erreichte sie Bonn. Anfang letzter Woche diffundierten die Giftpartikel vor der niederländischen Rheinmündung in die Nordsee. Vorläufige Schadensbilanz für den Oberrhein: 150000 tote Aale, "riesige Mengen von toten Zandern, Barben und Barschen (Fischereisachverständiger Hartmut Kickhäfer), Vernichtung aller Wasserflöhe, das Absterben der Fliegenlarven zu 80 Prozent, der Wasserschnecken "in erheblichem Umfang" - Störung des ökologischen Gleichgewichts in diesem Flußabschnitt auf lange Zeit. […..]

Herr Meister hatte seine ganz eigene Meinung dazu: „Das gönne ich den Holländern!“
Wir mussten uns wohl verhört haben, starrten ihn ungläubig an.
Aber Herr Meister war überzeugt im Recht zu sein und präsentierte uns vollkommen unironisch seine Erklärung.
Seit 30 Jahren äßen seine Frau und er zu Weihnachten eine deutsche Gans. Dieses Jahr hätten sie erstmals eine Gans aus Holland gekauft und das Biest wäre ja dermaßen zäh gewesen!

In den folgenden Dekaden verwendete ich diese Begebenheit oft als Metapher für das Urteilsvermögen der Deutschen.
Herr Meister hatte das Wahlrecht und wählte. Ich kann das bis heute nicht.

Wenn CDU-CSU-SPD-Politiker ihren Anspruch als Volkspartei formulieren, betonen sie ein Gesamtangebot zu machen, nicht nur Partikularinteressen zu vertreten.

[…..] Die Volksparteien sind derzeit nicht in der Lage, der Gesellschaft Debatten aufzudrängen, eine Agenda zu setzen. Wenn aber die großen Parteien keine Debatte über das Wesentliche in einer Gesellschaft führen, also etwa über Wohlstandsverteilung, über Daseinsvorsorge und Ähnliches, dann machen andere ihre Themen stark. Das ist mancherorts – glücklicherweise – das sehr präsente Thema Klimaschutz, andernorts sind es Fragen von Migration und Sicherheit. In urba­nen Milieus Fragen des Lebensstils und der Offenheit. Das geht zu unseren Lasten, dabei hängt es eng mit unseren traditionellen Themen zusammen.
  Eine Regierungspartei ist in einem Widerspruch gefangen. Sie kann nicht wie die Grünen den Zeitgeist aufgreifen und neue politische Forderungen stellen, ohne sofort damit konfrontiert zu werden, was sie selbst zu dieser Entwicklung beigetragen hat. Uns werden Gesetze und Entwicklungen der vergangenen Jahre entgegengehalten, in denen wir mit in der Regierung saßen. […..]
(Kevin Kühnert, SZ-Magazin, 19.07.2019)

[……] Es scheint derzeit einen Trend zu geben, Parteien zu wählen, die sich für ein Thema engagieren. Mit den Grünen wird das Thema Klimaschutz verbunden. Das Vollsortiment, das die Volksparteien anbieten, scheint bei Jungwählern nicht mehr attraktiv zu sein. Das ist ein Problem – nicht nur für die Volksparteien, sondern auch für die Gesellschaft.
[…..]Demokratie ist dann gut, wenn man nicht nur das Spartenprogramm fährt, sondern das Vollprogramm wie Union und SPD. […..]
(Philipp Amthor, SZ-Magazin, 19.07.2019)

Was die beiden drögen Zukunftshoffnungen ihrer Parteien dort sagen wollen erscheint mir auf bizarre Weise falsch und richtig zugleich.

Einthemenparteien halte ich auch für sehr problematisch.
Schließlich hängt alles mit allem zusammen und gerade Volksvertreter sollten daher Allrounder sein, die das Gesamtbild überschauen, Kompromisse machen können und anerkennen, daß andere auch berechtigte Interessen haben.
Idealerweise werden die Allround-Politiker mit einem Vertrauensvorschuss ausgestattet, dem sie sich würdig erweisen.
Aber wie soll das funktionieren, wenn so viele Wähler wie Herr Meister denken?

Es muss doch nur ein afghanisch-stämmiger Taxifahrer mal einen schlechten Tag haben, sich verfahren und schon wettert sein Fahrgast gegen „die“ Ausländer, wählt das nächste mal AfD.

Der kleine Ärger im Alltag, das Geschehen auf dem eigenen Tellerrand, weit unterhalb der Wahrnehmungsschwelle der „großen Politik“ prägt oft mehr das politische Handeln als alle wohlüberlegten Zukunftspläne der großen Parteien.

Ausgefeilte Steuer- und Rente-Konzepte sind möglicherweise irrelevant, wenn sich ein Wähler jeden Tag über miserable kommunale Verkehrsplanung ärgert, weil eine Baustelle vor der Tür ist.
Ich höre in Hamburg heute noch in das Geschimpfe über „die verdammte Verkehrspolitik von Herrn Scholz“ – auch wenn ich schon ein Dutzend mal erklärt habe, daß der gute Mann schon seit März 2018 nicht mehr Hamburger Bürgermeister ist und auch schon vorher garantiert nicht persönlich bestimmte wo, wann welche Baustelle eingerichtet wird, weil das Sache der Bezirksregierungen ist.

Als R2G-Fan muss ich leider sagen, daß die verkehrspolitischen Vorstellung der Grünen in meinem Bezirk Hamburg-Mitte (Fläche: 142,2 km², Einwohner: 302.667) zuverlässig solche enormen Schnapsideen sind, daß selbst ich – und ich fasse es nicht das zu schreiben – gelegentlich Verständnis dafür habe nun mal die CDU zu wählen.
Zuverlässig wird jede einigermaßen funktionierende Kreuzung und Durchgangsstraße so umgebaut, daß alle Verkehrsteilnehmer maximal verärgert sind.
Monatelang werden Wohnstraßen gesperrt, um am Ende mit weniger Bäumen, aber trotzdem auch weniger Platz wieder eröffnet zu werden.

In meiner Straße wurden letztes Jahr abwechselnd alle 20 Meter links und rechts Schikanen eingebaut, die zu Einspurigkeit und Staus führen. Statt des zuvor ruhig und reibungslos funktionierenden Verkehrs, haben wir nun Hubkonzerte.
Gegenwärtig wird die Parallelstraße mit ähnlichen Schikanen und drastischen Fahrbahnverengungen versehen. Während der Bauarbeiten wird der Verkehr durch meine Straße umgeleitet, die daraufhin so total verstopfte, daß alle Schikanen und Verkehrsinseln aus dem letzten Jahr wieder abgebaut wurden.

Die Sendung Extra3 berichtet regelmäßig in der Rubrik „der reale Irrsinn“ über derartige Bezirkspossen.




Ich befürchte, die “große Politik” unterschätzt wie sehr sich die Herr Meisters über so etwas ärgern.

Die wichtigste Verkehrsader meiner Umgebung ist die Sierichstraße.

[…..]  In den 1950er Jahren stießen Pläne, die vielbefahrene Straße zu verbreitern, nicht nur bei den Anwohnern auf Widerstand; ihr hätten auch die Eichen geopfert werden müssen, die den Straßenzug auf der gesamten Länge säumen. Der spätere Leitende Baudirektor Werner Hoffmann schlug als Alternative „eine in amerikanischen Großstädten geübte Praxis“ vor. „Hier machte man bei wesentlich dichterem Verkehr gute Erfahrungen mit einer wechselnden Verkehrsführung – morgens hin und abends her – im gleichen Straßenzug jeweils als Einbahnstraße entsprechend dem Verkehrserfordernis.“
Nach einem halbjährigen Probelauf wechselt die Fahrtrichtung auf der Sierichstraße als einer der wenigen Straßen in Europa seither tageszeitabhängig, was zweimal täglich erfolgt. Die Straße wird täglich von 4 Uhr morgens bis 12 Uhr mittags zur unechten Einbahnstraße stadteinwärts. Von 12 Uhr mittags bis 4 Uhr morgens darf auf ihr nur stadtauswärts gefahren werden. Die Verkehrsregelung passt sich damit den Kfz-Verkehrsströmen und der Lastrichtung des Berufsverkehrs an. Aufgrund dieser Einzigartigkeit gilt die Sierichstraße als „Hamburgs bekannteste Einbahnstraße“. [….]
(Wiki)

Jeder Bewohner des Bezirks weiß wie dringend notwendig dieser Richtungswechsel ist, weil die Sierichstraße zur Rushhour die einzig verfügbare Verkehrsachse dieser Richtung ist.

Die Grünen wollen das nun unbedingt abschaffen und den Verkehr zum absoluten Stillstand bringen.

Das ist eine kleine, kommunale Entscheidung, die bundes- und weltpolitisch selbstverständlich gar keine Rolle spielt, aber ich prophezeie, daß so ein Irrsinn Stimmen kostet und womöglich zu entscheidenden Verschiebungen um Bundestagswahldistrikt führt.
Wenn erstmals ein CDUler direkt gewählt wird, liegt das an solchen Petitessen.
Denn viele Wähler heißen Meister.