Sonntag, 9. Juni 2019

Probleme an allen CDU-Ecken


Es läuft einfach nicht für Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Stellvertreter-Riege seit sie aus dem Schatten der übermächtigen Kanzlerin treten mussten.
Galt es nach AKKs Übernahme des Bundesparteivorsitzes im Dezember 2018 nur noch als Frage der Zeit, wann sie Merkel ablösen würde und wie die ausländischen Regierungschef den komplizierten deutschen Namen aussprechen würden, ist es für sie nach einem halben Jahr schon unwahrscheinlich geworden auch nur Kanzlerkandidatin zu werden.

Nur die dramatische Implosion der SPD-Führung bewahrt das Konrad-Adenauer-Haus davor mit „Führungskrise“-Schlagzeilen die Politik zu dominieren.
Die Europawahlen, ein ganze Kaskade taktischer Fehlleistungen und die bis vor kurzem undenkbare Schmach in bundesweiten Umfragen hinter die Grünen zurück gefallen zu sein, bringen AKKs Thron erheblich zum Wackeln.
CDU-Mitglieder lassen ihren Chefs üblicherweise so ziemlich alles durchgehen, interessieren sich wenig für Inhalte, solange sie die Macht sichern.
Aber die ernsthafte Möglichkeit eines Kanzlers Habeck macht inzwischen die gesamte Partei nervös.
Ob das richtig war, Angela Merkel abzuservieren, bangt die Basis.

Personell ist die CDU dramatisch schlecht aufgestellt.
Paul Ziemiak, der junge neue Generalsekretär ließ sich von einem einzelnen Youtuber ohne politische Erfahrungen widerstandslos vorführen, fand bis heute keine einleuchtende Antwort.
AKKs Stellvertreter sind allesamt angeschlagen:

Volker Bouffier, 67, letztes überlebender Homunculus Roland Kochs, leidet an Krebs und erlitt bei der Landtagswahl am 28.10. 2018 einen katastrophalen Absturz um über 11Prozentpunkte auf 27%, verlor in dem kleinen Land 423.000 Stimmen.

Julia Klöckner, 46, Nestlé-Cheerleaderin, Mehrfachwahlverliererin in Mainz, verwandelte ihr Ministerium in eine lobbyhörige Gurkentruppe und gilt als heißeste Rauswurfkandidatin bei einer Kabinettsumbildung.

Armin Laschet, 58, kämpft mit Skandalen seiner Regierung (Hambacher Forst, Christina Schulze Föcking, Herbert Reul) und sehr niedrigen Zustimmungswerten.

Ursula von der Leyen, 60, hat ihre politische Karriere hinter sich, wird nur noch mangels Alternative im Kabinett gehalten, solange Merkel noch da ist. Die Verteidigungsministerin wird in ihrer eigenen Partei regelrecht gehasst und hangelt sich von einem Bundeswehr-Skandal zum Nächsten.

Thomas Strobel, 59, dessen einzige echte Leistung es bisher war, der Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble zu sein, befindet sich sogar in seinem eigenen Landesverband im freien Fall.

Der Baden Württembergische CDU-Landeschef ist so unbeliebt, daß er in dem konservativen Kernland seiner Partei, die dort kontinuierlich fast 60 Jahre den Ministerpräsidenten stellte, die Spitzenkandidatur gegen den alternden Grünen Kretschmann zur Landtagswahl im Frühjahr 2021 zurück zog.
Immer noch liegt die CDU in Umfragen deutlich hinter den Grünen; als Landesminister für Inneres, Digitalisierung und Migration sowie stellvertretender Ministerpräsident war es ihm nie möglich positiv auf sich aufmerksam zu machen.
Mit allerlei Tricks versuchte er innerparteiliche Konkurrenten auszuschalten.

[….] Die Unterstützung für den Landeschef scheint mit jeder Umfrage weiter zu bröckeln, in der die CDU und Strobl weit hinter den Grünen und deren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann landen. Zuletzt attestierte Infratest-Dimap den Grünen 32 Prozent und der CDU 28 Prozent. Bei den persönlichen Werten ist der Abstand noch größer: 72 Prozent sind mit Kretschmann zufrieden, nur 37 mit Strobl.
Am Freitag strebt Strobl auf dem Landesparteitag seine Wiederwahl zum Landesvorsitzenden an, doch die Stimmung ist schlecht unter den Delegierten. Viele reisen mit geballter Faust in der Tasche nach Weingarten. Sie werfen Strobl vor, er habe den Parteitag nur deshalb um fünf Monate vorverlegt, damit er drei Wochen vor der Europa- und Kommunalwahl ein möglichst gutes Wahlergebnis für sich verbuchen kann. Er spekuliere darauf, dass die Delegierten Geschlossenheit zeigen und keine Denkzettelabstimmung wagen, um ihr eigenes Wahlergebnis am 26. Mai nicht zu gefährden. […..]

Das Mitglied der schlagenden Heidelberger Studentenverbindung Alte Leipziger Landsmannschaft Afrania Strobl verlor schon schmachvoll im Jahr 2016 die Mitgliederbefragung um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl gegen den nahezu unbekannten Guido Wolf mit 44,1 % gegen 55,9 % der Stimmen.
Am 03.05.2019 beim Landesparteitag in Stuttgart erzielte Strobl schließlich nur schwache 83% ohne einen Gegenkandidaten.
Bei den Europa- und Kommunalwahlen am 26.05.2019 brach die BW-CDU schwer ein.

Derartig gerupft musste Strobl auch auf die Spitzenkandidatur 2021 verzichten und gab gegen seine Freundin und Konkurrentin Kultusministerin Susanne Eisenmann auf.

[….]  Der Landeschef der Südwest-CDU gibt klein bei: [….] Nach SPIEGEL-Informationen hat der Stuttgarter Innenminister und Landeschef Thomas Strobl bereits am Wochenende in einem Gespräch mit Eisenmann seinen Verzicht erklärt. Dabei hätte er als Parteichef das Erstzugriffsrecht auf die Kandidatur gehabt.
An diesem Montagabend soll Strobl den Parteigremien Eisenmann als Spitzenkandidatin vorschlagen. Das dürfte der machtbewusste Innenminister nur zähneknirschend tun. In der Partei atmen dagegen viele auf. Auch etliche Landtagsabgeordnete hatten Strobl nicht mehr zugetraut, die Union aus der ungeliebten Juniorpartnerschaft mit den Grünen zu befreien - und mittelfristig wieder zu altem Glanz zu führen. [….] Die Beliebtheitswerte Strobls sind seit Langem im Keller. Gerade mal 17 Prozent der Baden-Württemberger würden sich für ihn als Ministerpräsident entscheiden. [….] Bis zuletzt war in der CDU unklar gewesen, wie man Strobl als Spitzenkandidat am elegantesten loswerden könnte. Die Befürworter Eisenmanns hatten auf einen Mitgliederentscheid gezielt, den wiederum der Innenminister um jeden Preis vermeiden wollte. Als offizielle Begründung für seine Antipathie gegen ein Basisvotum galt die befürchtete Spaltung der Union. Doch es war ein offenes Geheimnis, dass der nicht gerade als Menschenfänger geltende Strobl keine Chance gegen seine Kontrahentin gehabt hätte. [….]

Keiner ihrer Stellvertreter im CDU-Bundesvorstand taugt etwas, also muss es AKK allein reißen.
Ein Job, den Merkel offenbar nebenher zu erledigen vermochte – schließlich hatte sie als Bundeskanzlerin manchmal auch ein bißchen was anderes zu tun.
Kramp-Karrenbauer arbeitet fulltime als CDU-Chefin und lässt den Laden weiter abstürzen.
Sie erfährt dabei etwas, das frühere CDU-Bundesvorsitzende gar nicht kannten. Offene Kritik an der eigenen Führung. Unions-Größen sind massiv unzufrieden mit der Vorsitzenden und auch die konservativen Zeitungen senken die Daumen.

[….] Die Unionsparteien und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stürzen nach den herben Verlusten bei der Europawahl in der Wählergunst ungebremst ab. CDU und CSU verlieren im Vergleich zum Mai drei Punkte und landen bei ihrem Allzeittief von 25 Prozent bei der Frage, wer gewählt wird, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Auf diesen Wert war die Union erst einmal gekommen, im Oktober 2018. [….] Die neuen Tiefstwerte für die Union hängen offenbar mit der Schwäche der CDU-Vorsitzenden zusammen: So büßt Kramp-Karrenbauer in der Politikerzufriedenheit satte zwölf Punkte ein und fällt von Platz fünf im Mai auf Platz zehn im Juni. [….]

Das sind spannende Zeiten.
Weder im Willy-Brandt-, noch im Konrad-Adenauer-Haus existiert Kompetenz ihre jeweiligen Parteien aus dem Tief zu führen.

Neuwahlen sind also de facto keine Option, weil CDU, CSU und SPD mit Sicherheit noch mehr gerupft würden.
Die schwache CDU-Performance – Forsa sieht sie bei bundesweit 24% - wird schließlich nur mit dem großen demoskopischen Pluspunkt Merkel erreicht. Sie ist die beliebteste Politikerin Deutschlands. Nicht auszudenken, wie weit die CDU abstürzen könnte, wenn die Groko platzt und ein sehr viel unbeliebterer Kandidat anträte.
Auch Linke und FDP stehen demoskopisch sehr viel schlechter da als bei den Bundestagswahlen 2017. Auch das spricht gegen vorzeitige Neuwahlen.

Es bliebe also der Koalitionswechsel. Aber eine andere Mehrheit als die Groko ist nur mit den Grünen zu erreichen. Den 8,9%-Grünen von 2017, die dann in einer Regierung der mit Abstand schwächste Partner wären – während sie in aktuellen Umfragen aber die stärkste Partei wären.
Absurd. Wieso sollte sich Habeck Lindner und AKK unterordnen, wenn er gute Chancen hätte selbst Kanzler zu werden?

Es spricht also viel dafür, daß Merkel bis 2021 weiterwurschtelt.
Nicht nur, weil es demoskopisch übel für die drei Groko-Parteien aussieht, sondern weil die Kanzlerin nun erfährt, daß ihre ausdrückliche Wunschnachfolgerin im Parteivorsitz keine personelle Alternative ist. AKK kann es nicht.

Samstag, 8. Juni 2019

Grünes Strohfeuer?


Die Grünen sind eine Partei im Glück; eine für sie extrem günstige politische Großwetterlage lässt sie quasi von allein in immer höhere demoskopische Sphären abheben.
Die allerneuste Forsa-Umfrage sieht sie inzwischen bundesweit sogar deutlich vor der CDU/CSU.
CDU 24%, SPD 12%, Grüne 27%, FDP 8%, Linke 8%, AfD 12%.
Auf den Grünen-Zug möchte natürlich jeder gern aufspringen, jetzt ist es schick zu sagen „ich habe grün gewählt“.
Während die Anhänger der SPD von ihrer Partei stets verlangen rote Linien einzuziehen und Kompromisse mit der Union übel nehmen, ist es bei den Grünen genau umgekehrt. Daß Grüne Minister in Hessen, Baden Württemberg und Schleswig Holstein umweltfeindlich agieren, der Autolobby hörig sind, Abschiebungen durchführen und die Frankfurter Flughafenstarbahnen durchwinken, wird ihnen sogar als „Realismus“ und „Regierungsfähigkeit“ hoch angerechnet.

 
Man muss sich vor den Grünen nicht fürchten – am wenigsten die Industrie.
Die Grünen verstehen außerdem die Kunst des Agendasettings und werden ganz selbstverständlich von jedermann als die Partei des Megathemas Klima assoziiert, während die CDU immer noch rätselt wie diese olle Kamelle es 2019 in die Schlagzeilen schaffte.


Schon in den 1990er Jahren hatte Bundesumweltministerin Merkel schließlich erkannt, daß Klimapolitik am besten bei der Autoindustrie aufgehoben ist, der man keine Vorgaben machen solle.

Was für ein Glück für die Grünen; sie können vage bleiben, auf Konzepte gegen Altersarmut, Pflegnotstand und Wohnungsnot verzichten. Abwarten und genießen, wie die (ehemals) großen Parteien im Panikmodus immer grotesker und altmodischer Fehler um Fehler produzieren.

Ein erratisch lachender Bundessuperinnenminister, der damit prahlt Gesetze extra kompliziert zu machen, da Unverständliches leichter durchzusetzen wäre.
Eine ohnehin lobbyhörige Landwirtschaftsministerin, die zum Schaden von Umwelt und Verbrauchern nun alle Hemmungen fallenlässt und sich Nestlé-Werbefigur einspannen lässt.


Dazu gibt es als kommenden CDU-Star Amthor auf allen Kanälen.



Zum Mitschämen, oder anders ausgedrückt: Läuft bei den Grünen.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Die Megathemen Klimawandel, Energiewende und Plastikmüll stehen nicht so weit oben auf der Agenda weil die Grünen, Rezo und Greta so sagenhaft begabte Spindoktoren sind, sondern weil tatsächlich in den letzten 14 Jahren unter der Kanzlerschaft Merkels total versagt wurde.
Deutschland ist in jeder Hinsicht zurückgefallen, hat beim Klima längst den Anschluss verloren und ist nun ein Klotz am Bein der Weltrettung.
Und es wird schlimmer; die neue CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer fällt sogar noch hinter die ohnehin antiquierten Ansichten der Umweltministerin Merkel aus den 1990er Jahren zurück.
Sie scheint „Öko“ und „Bio“ für oberflächliche Modelabels der Multikulti-Generation zu halten. Klimaschutz dürfe der Wirtschaft keine Kosten verursachen und niemand belasten. Kann man sich nicht ausdenken. Die Frau hat sich wieder einmal im Jahrhundert geirrt.

[….] AKK auf klimapolitischen Abwegen
„Die jüngsten Äußerungen von Annegret Kramp-Karrenbauer zum Klimaschutz sind ein verbaler Amoklauf. Nicht das Klima spaltet das Land, sondern die Koalition der Klimaschutzverweigerer. Menschen, die sich für den Erhalt der Lebensgrundlagen einsetzen, als Spalter der Gesellschaft zu diffamieren, ist nichts anderes, als den sprichwörtlichen Überbringer der schlechten Nachrichten zu köpfen“, kommentiert Lorenz Gösta Beutin, klima- und energiepolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, die jüngsten Äußerungen der CDU-Vorsitzenden zur Klimapolitik. Beutin weiter:  
„Die Aussagen der CDU-Chefin sind zutiefst demokratiefeindlich. Seit Monaten gehen Zehntausende in Deutschland und Europa auf die Straße, weil sie zehn Jahre des klimapolitischen Stillstands für einen Skandal halten und von der Politik Handeln fordern. Statt diese Menschen, die ihre Grundrechte wahrnehmen, ernst zu nehmen und zu hören, werden sie von der einstigen Volkspartei beleidigt und als Feinde der Gesellschaft hingestellt.
Die Energiewende als ‚Experiment‘ zu bezeichnen, erinnert stark an die Realitätsverweigerung à la AfD. Auch die AfD sät mit Fake News und Klimawandelleugnung Misstrauen gegen die Energiewende und stellt diese verschwörungstheoretisch als sinnloses Elitenprojekt dar. Kramp-Karrenbauer versucht hier ganz offensichtlich vor den anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland am rechten Rand zu fischen und riskiert damit, das weltweite Klimaschutz-Vorzeigevorhaben Energiewende in Misskredit zu bringen.“ [….]

Unter Rotgrüner Regierung stieg die Mehrweg-Quote auf 2/3 aller Getränkeverpackungen.
Nach 14 Jahren Merkel sind wir kräftig in die ökologische Steinzeit zurück gestürzt.

2004 waren 33,7% der Verpackungen Einweg und 66,3% Mehrweg.
Dann kam Merkel.


Unter der phlegmatischen lobbyaffinen Nicht-Politik Merkels mauserte sich Deutschland zum Europameister des Verpackungsabfalls.
Mit weitem Abstand produzieren Deutsche den meisten Plastikabfall pro Kopf und Jahr – nämlich 221 Kilo! Das sind insgesamt 18,2 Millionen Tonnen Verpackungsmüll jährlich aus Deutschland. Wir werden jährlich schlimmer.
Während sogar afrikanische Nationen wie Tansania die Zeichen der Zeit erkannten und Plastiktüten streng verboten haben, generiert sich Merkel-Klöckner-Deutschland als internationale Müllmaschine und Klimapest.
Auf der Gesamtabfall Deutschlands sprengt mit 412 Millionen Tonnen und 626 Kilogramm pro Bürger alle Rekorde.


Das ist keine Frage des Agendasettings oder politischer Mode.
Hier handelt es sich um sehr konkretes massives politisches Versagen der CDU und einer offenbar zu schwachen SPD in der Groko.
Die Grünen profitieren politisch, aber sie haben das Thema nicht etwa künstlich aufgeblasen, sondern es fiel uns schon vor langer Zeit stinkend auf die Füße.

[….]  Die Deutschen wollten früh mit Mülltrennen und Solarparks die Natur und das Klima retten. Doch das Land ist in vielen Bereichen zurückgefallen. [….] Jahrelang galt die deutsche Vorreiterrolle im Umweltschutz als unumstößliche Gewissheit. Umweltgruppen nutzten sie als Ansporn für mehr. Wer sich einmal an die Spitze der Bewegung gesetzt hat, der darf diesen Platz ja nicht verlieren. Immer wieder warnten sie, Deutschland dürfe diese Rolle nicht verspielen. Andere schufen dagegen das Bild vom zwanghaften Umwelt-Streber. Sie zeichneten die Bundesrepublik als Land, das ständig strengere Regeln aufstellt als eigentlich nötig, so die eigene Wettbewerbsfähigkeit schwächt und Unternehmen vertreibt. Vor allem die Industrie argumentierte so. Träfe das zu, sie hätte schon dreimal komplett ausgewandert sein müssen. Keine von beiden Seiten hatte recht, aber zurück blieb dieser eine Eindruck: Bei der Umwelt macht uns Deutschen so schnell keiner was vor. Was für ein Irrtum.
 [….] Die Geschichte deutscher Umweltpolitik ist in vielerlei Hinsicht eine Geschichte des Selbstbetrugs. [….]
 Ein Industrieland, das massiv mobilisiert für den Ausbau erneuerbarer Energien - das war tatsächlich ein Paukenschlag. [….] Doch Braunkohle-Kraftwerke produzierten Strom wie gehabt, jetzt allerdings für den Export. [….][….] Die Landwirte düngen heute oft zielgenauer und damit eigentlich schonender. "Weil aber die landwirtschaftliche Produktion zunimmt, auch weil weltweit immer mehr Fleisch gegessen wird, gerät am Ende nicht weniger, sondern gleich viel Dünger in die Umwelt", sagt Knut Ehlers, Agrarexperte beim Umweltbundesamt. Ähnlich ist es beim Plastikmüll. Es wird zwar mehr recycelt, aber die Menge des Plastikabfalls insgesamt wächst eben auch. Dieser Effekt macht vieles von dem zunichte, was zuvor mühsam für die Umwelt erstritten wurde. [….]

Nach den Zahlen des Bundesumweltamtes und des Bundesumweltministeriums explodiert die Menge des deutschen Plastikmülls.

Über 3 Millionen Tonnen Plastik landen in Deutschland jährlich auf dem Müll.

 
Und um das Klimanachhaltig zu ruinieren, produzieren wir immer mehr Fleisch – es gibt kaum eine größere Sünde bezüglich des ökologischen Fußabdrucks.


Deutschland ist der internationale Master der Gülle, blockiert in Brüssel strengere CO2-Regeln für die Autoindustrie, überschwemmt die Ozeane mit immer mehr Plastik, ruiniert die afrikanische Landwirtschaft mit Billigfleischexporten, überzieht die Krisengebiete der Welt mit Waffen, brüstet sich damit immer mehr Flüchtlinge auszuweisen, stellt weltweit die umweltschädlichsten Autos her, verfügt über keine ökologische Verkehrsstrategie, setzt auf Flugzeuge.

 
Eine CDU-Chefin, die in den letzten anderthalb Dekaden ihre Hausaufgaben gemacht hätte, müsste sich heute nicht über demoskopische Grünen-Höhenflüge wundern.


Freitag, 7. Juni 2019

Teutonenphlegma


Deutsche Wähler, insbesondere die Westdeutschen, sind extrem phantasielos und ängstlich. Daher konnte sich hier das etablierte Parteiensystem viel länger als in anderen europäischen Staaten behaupten.
Deutsche gewöhnen sich nicht leicht um; sie wollen am liebsten, daß alles so bleibt, wie es immer war.
Wenn sich überhaupt etwas ändert, wird es eher von oben initiiert. Von Regierungschefs, die nicht nur an ihren nächsten Wahltermin denken, sondern das langfristigere Wohl Deutschlands im Blick haben.
An echte Änderungen haben sich bisher nur die drei sozialdemokratischen Kanzler Brandt, Schmidt und Schröder gewagt und für alle drei endete ihre politische Karriere frühzeitig.
Wenn man hingegen fest die Augen vor der Zukunft verschließt, bräsig jede Änderung blockiert und nur mit Begriffen wie „Kontinuität, Stabilität und Verlässlichkeit“ wirbt, kann man gefühlte Ewigkeiten im Amt bleiben, alles aussitzen und wird wie Adenauer, Kohl und Merkel vom Gewohnheitstier Wähler immer wieder bestätigt.
Na gut, wie haben zwar das langsamste Internet Europas, die Infrastruktur verfällt, wir können kein Mobiltelefon oder Elektroauto bauen, wir sind bei der Gentechnik genau wie bei der Künstlichen Intelligenz international abgehängt, weil Merkel niemals initiativ wurde und Vorgaben machte. Und so fallen wir täglich zurück. Deutschland kann kein Windrad offshore aufstellen, scheitert an Großprojekten und hält sich eine Bundeswehr, in der nur Jahrzehnte alter Schrott rumsteht, da die Anschaffung neuer Waffensysteme so viele Dekaden durchdiskutiert wird, daß sie bei Auslieferung schon lange verwaltet sind.
Symptomatisch dafür steht die Gorch Fock, das nicht mehr schwimmfähige Marine-Schulschiff, an dessen Sanierung das geballte Knowhow der Verteidigungsministeriums und der Marine scheitert. Es wurde 1958 für 10 Millionen DM gebaut. Seit 2015 wird das Schiff bei der Elsflether Werft in einem Schwimmdock in Bremerhaven saniert. Bisher wurden dafür 135 Millionen Euro verprasst. Wann das Schiff jemals wieder schwimmfähig ist, steht in den Sternen. Im besten Fall funktioniert das Kadettenausbildungsschiff in ein paar Jahren nach einigen weiteren hundert Millionen Euro Kosten wieder und Deutschland kann stolz sein auf seine Marine auf dem technischen Stand von vor 75 Jahren. Man sollte meinen, daß heutzutage von der Bundesmarine andere Fertigkeiten beherrscht werden sollten. Moderne Aufklärung, Drohneneinsatz, Tarnkappentechnik, Mobilität zu Luft. Aber wozu? Die deutschen Marinehubschrauber funktionieren sowieso alle nicht, Drohnen können wir nicht nur nicht herstellen, sondern sind seit zehn Jahren sogar zu doof welche zu kaufen. 500 Millionen hatte Ex-Verteidigungsminister de Maizière bei dem Versuch „Euro Hawk“-Drohen zu beschaffen, versenkt.
Das Projekt wurde eingestellt und immerhin besteht in den folgenden sechs Jahren Konsens darüber, daß man das Desaster nicht erklären kann und die technischen Probleme unlösbar sind.
Das ist eben Deutschland: Vollkommen unfähige und überforderte CDU-Minister und eine Regierungschefin, der das alles vollkommen egal ist.

Aber den deutschen Michel stört es scheinbar nicht. Die Bundeskanzlerin, die sich nach ihrem Verzicht auf den CDU-Parteivorsitz de facto gar nicht mehr um deutsche Politik kümmert und nur noch als präsidiale Sagengestalt über allem schwebt, erlebt ein neues demoskopisches Hoch, ist die mit Abstand beliebteste Politikerin.
Kein Wunder, denn Merkel „tut uns nichts“.
All die bösen Zukunftsthemen, die andere Politiker ansprechen und die uns erahnen lassen, daß es nicht immer so weitergehen kann – Pflegekatastrophe, Klimaerhitzung, Altersarmut – werden nicht mit der freundlichen Frau Merkel aus der Uckermark assoziiert.
Merkels bestes Wahlkampfargument ist nach wie vor, daß sie vorher schon lange Bundeskanzlerin war.
Ihre Untertanen mögen sich nichts anderes vorstellen.
Gegenwärtig haben wir die 19. Wahlperiode des Bundestages. Bei 19 Wahlen wurde nur ein einziges Mal eine völlig neue Regierung gewählt, als nämlich 1998 CDU-CSU-FDP durch SPD-GRÜNE ersetzt wurde.
Bei allen anderen Wahlen wurde mindestens eine Regierungspartei auch in die neue Regierung gewählt.
„Keine Experimente“, der berühmte CDU-Wahlslogan darf getrost als Motto für die Gesamtwählerschaft gelten.

Andere Nationen haben ein völlig anderes Demokratieverständnis und zelebrieren mit Lust möglichst radikale Wechsel, auch wenn es dazu keinen Grund gibt.
Man erinnere sich an die US-Wahl vom November 2000, als Bill Clinton die beste ökonomische Bilanz aller Zeiten hinterließ, Amerika international geachtet war und seine Zustimmungswerte Rekordhöhen erreichten.
Man hätte diese Politik fortführen können, indem man seinen intelligenten und sehr erfahrenen Vizepräsidenten Al Gore ins Weiße Haus schickt.
Aber nein, das Ami-Volk entschied sich für den Deppen GWB, der vorher nich nie im Ausland war und immer wieder mit sagenhafter Unkenntnis auffielt.
Das Ergebnis ist bekannt. Er zettelte nicht nur mehrere Kriege an, sondern stürzte auch die US-Wirtschaft in eine Rezession – inklusive Rekordschulden und der schwersten Weltfinanzkrise seit 80 Jahren.
2008 und 2016 entschieden die Amis erneut für die radikalen Wechsel.
In Italien beispielsweise ist es geradezu Volkssport denjenigen zu wählen, der am Verrücktesten wirkt.

In Deutschland gab es bisher nur CDU- und SPD-Kanzler, weil es immer nur SPD- und CDU-Kanzler gab.
Man kann sich nichts anderes vorstellen und die anderen Parteien finden sich mit der Rolle ab. Guido Westerwelle nannte sich einmal „Kanzlerkandidat“ und wurde dafür herzlich ausgelacht.

1988, nach fast 40 Jahren Bundesrepublik wurde Heide Simonis im kleinen Land Schleswig-Holstein die erste weibliche Landesfinanzministerin.
In elf Ländern und dem Bund; also gewissermaßen 12 mal 40 = 480 Jahre; amtierten nur Männer. „Frauen können doch nicht mit Geld umgehen“. Kernressorts sind nur für Männer; war immer so, soll immer so bleiben.
Die HartzIV-Kritiker haben seit 15 Jahren die Möglichkeit einfach DIE LINKE, also die einzige Partei, die Hartz wieder abschaffen will, zu wählen. Tun sie aber nicht, weil die Fantasie dazu fehlt, daß Linke in der Bundesregierung sitzen könnten.

Lange Zeit galt es als undenkbar Grüne in die Bundesregierung zu schicken. Es könnte doch nicht EIN GRÜNER, womöglich auf Turnschuhen, Deutschland repräsentieren. Fast 20 Jahre wurde täglich vor dem dann folgenden „rotgrünen Chaos“ gewarnt. Und nichts hasst der gemeine Teutone so sehr wie Chaos in der Regierung.
Nur durch einmalige außergewöhnliche Umstände, wird politisch etwas gewagt.
2011 gab es so eine Konstellation, als ein extrem unbeliebter MP Mappus, heimlich und dubios für fünf Milliarden Euro den Atomenergiekonzern EnBW kaufte, die Landeshauptstadt im Stuttgart21-Chaos unterging und dann auch noch Fukushima explodierte.
Nur so konnte mit Winfried Kretschmann erstmals ein Grüner Regierungschef werden. Ein MP, der sogar wiedergewählt wurde, da man sich inzwischen an ihn gewöhnt hatte.
1998 gab es ebenfalls außergewöhnliche Umstände, weil Helmut Kohl nach 16 Jahren einen gewaltigen Reformstau aufgetürmt hatte, sich vollkommen starrsinnig weigerte irgendjemand in der CDU Platz zu machen, Deutschland die höchsten Steuern aller Zeiten aufgebrummt hatte und zudem mit Gerd Schröder ein besonders dynamischer SPD-Kandidat antrat, der nicht nur eloquent redete, sondern in acht Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen bewiesen hatte, daß er regieren kann.

Auch 2019 könnte ein Jahr mit einer außergewöhnlichen Konstellation sein.
Enorme Groko-Müdigkeit, sich weltweit manifestierende Klimakrise und gleich mehrere Parteichefs, die mit kaum je dagewesener Unfähigkeit auffallen.
Nicht nur Nahles und AKK debakulierten in den letzten Monaten auf hohem Niveau, sondern auch die kleinen Parteien werden durch Megafinanzskandale (AfD), brutalen Führungsstreit (Linke Wagenknecht) oder extreme Widerlichkeit (Lindner) gebeutelt.
Bleiben nur die Grünen, die erstens das Glück haben, daß die Jungwähler sich nicht mehr daran erinnern, wie sie 1998-2005 noch radikaler als die SPD soziale Einschnitte forderten, HartzIV bewarben und in einen Krieg ohne UN-Mandat zogen. Und die zweitens genau zum richtigen Zeitpunkt Europawahlen hatten; denn im „fernen Europa“ experimentieren deutsche Wähler schon eher.
Das 20%-Rekordergebnis vom 26.05. hat nicht nur zwei Parteichefinnen in extreme Schwierigkeiten gebracht, sondern dem Wähler etwas vor Augen geführt, das er sich bisher nicht vorstellen konnte:
Ein Grüner im Kanzleramt!
Bisher war das ausgeschlossen, da man nur das wählte, was wahrscheinlich war.
Deutsche Wähler hängen sich gern an Trends, wollen auf keinen Fall den Wahlverlierer angekreuzt haben. Man will zu den Gewinnern gehören und springt auf den Zug, der kurz vor der Wahl demoskopisch am besten dasteht.

Bei einer SPD im freien Fall, einer völlig überforderten CDU-Führung ohne Konzept und zudem einer LINKEN, die einfach abgetaucht ist und im Wagenknecht-Vakuum gar nicht mehr medial vorkommt, wird auch einmal das Vorstellbare, konkret denkbar. Ja, Robert Habeck könnte wirklich Kanzler werden. Und wäre das nicht irgendwie besser als Scholz oder AKK?
Der Gedanke beflügelt und ganz ohne irgendein inhaltliches Argument machen die Grünen als Inkarnation der selbsterfüllenden Prophezeiung seit der Europawahl weitere gewaltige Sprünge. Erfolg generiert Erfolg.
Schon zwei Institute – Forsa und Infratest Dimap – sehen die Grünen als stärkste Partei in Deutschland. Vor der CDU. Bis vor kurzem unvorstellbar. Aber da nun die Vorstellung möglich ist, kann es weiter bergauf gehen.