Freitag, 8. April 2016

Der Mensch auf dem Stuhle Petri.



Rätsel Mensch.
Homo homini lupus.
„Unchristlich“ ist ein negativ assoziiertes Adjektiv und das schmähende „gottlos“ wird für Terroristen verwendet.


Der haustierphilen Deutschen liebste Schimpfworte sind nach wie vor Tierarten.
Dumme Sau, Drecksschwein, blöde Kuh, Ziege, Wurm, Schnepfe – animalische Triebe, tierisch.
Dem gegenüber stehen als höchste Belobigung Begriffe, die uns selbst charakterisieren. Human, Mitmenschlichkeit, menschlich.
Natürlich bin ich ein Anhänger des „evolutionären Humanismus“, so wie er von Dr. Schmidt-Salomon formuliert wird, aber sympathischer ist mir das Tierische.
Homo Sapiens ist eine echte Pest, die eher heute als morgen von diesem Planeten verschwinden sollte.

Menschen verhalten sich gegenüber der Natur ausbeuterisch, zerstörerisch und sogar final destruktiv.
Sie morden und quälen andere Lebewesen dabei keineswegs nur, um zu überleben, zur Nahrungsaufnahme, sondern hauptsächlich aus niederen sadistischen Beweggründen: Raffgier, Religion, Reichtum und Rache.

Außerordentlich verblüffend, daß Mensch ausgerechnet von dem Chef jener Organisation, die seit 2.000 Jahren Brutalitäten gegen ihre Mitgeschöpfe predigt, Gutes erwartet.

Wolfgang Brosche staunt heute immer noch über die Bösartigkeit eines Andreas Launs.

[….] Angesichts dieser dramatischen Fälle – eben keine Einzelfälle, sondern die Regel, die täglich rund zehn Frauen zwingt, sofern sie es sich leisten können, zur Abtreibung ins Ausland zu reisen – fordert Amnesty International nichts Neues: die sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung der Frauen, das heißt auch den freien Zugang zu Verhütungsmitteln und Abtreibung. Daraus macht nun seine Exzellenz Laun die Forderung nach einem Recht auf Abtreibung.
Es ist für ihn eigentlich ein altes Glumpert. Das Lebensschützerkreuz trägt er seit je vor sich her. Nebenbei reitet er in seinem Artikel auf kath.net sein anderes Hobbyhorse, er schießt Breitseiten auf Schwule und die Genderforschung, die er mit dem Thema „Abtreibung“ immer wieder gerne durcheinanderwirft.
Empörung aber muss auslösen, was er sich zu den Wurzeln von Amnesty International verwoardaglt: da der Gründer Peter Benenson, wie Laun mit nicht verhohlener Freude betont, ein konvertierter Jude war, der wohl zum „rechten Glauben gefunden hatte“ – welcher rechte Glaube? Ach Purschn, das Katholische natürlich – da also dieser Gründer, ein Glaubensbruder war, meint Laun, auch Amnesty basiere auf der Abscheulichkeit des „Naturrechtes“. Und damit auf der ebenso abscheulichen katholischen Überheblichkeit, zu fordern, alle Menschen müssten sich seinem und dem Willen seines Gottes unterwerfen. Dass Amnesty aber ein Produkt der Menschenrechtsbewegung in der Nachkriegszeit war, interessiert den Weihbischof net a Fisol! [….]

Laun eben.
Das Niedrigste, das die Gattung Mensch zu bieten hat.

Und so komme ich zur Impudenz des Monats Februar 2016.
Es ist das homophobe Aushängeschild des fiesen Frauentrios aus Beverfoerde, Kelle und Kuby, der absolute Rechtsaußen des österreichischen Episkopats, der Salzburger Weihbischof Andreas Laun.
Der bizarre Bischof entwickelt sich zur neuen Gallionsfigur der Homophoben.
Unter einem zünftigen Nazivergleich macht es der vollbärtige Otter nicht.

Laun ist in dem Verein der misogynen Männer in den bunten Kleidchen zwar ein außerordentlich unangenehmes Exemplar, aber der Fisch stinkt vom Kopfe her.

Wie eigenartig doch all die Linken, LGBT-Bewegten und sonstige Liberalen sind, daß sie ausgerechnet vom Chef der Sippe, der in Rom auf seinen Milliarden hockt und die Kinderficker schützt, erwarten auf einmal als Vorkämpfer für „civil rights“ in Erscheinung zu treten.

Papst: Keine „Freude der Liebe“ für Lesben und Schwule
[….] Anlässlich der Veröffentlichung des nachsynodalen Schreibens „Amoris Laetitia“ („Freude der Liebe“) von Papst Franziskus erklärt Manfred Bruns, Sprecher des Lesben- und Schwulenverbands (LSVD):
Das nachsynodale Papstschreiben ist eine Enttäuschung für alle, die sich mehr Akzeptanz und Wertschätzung von Lesben, Schwulen, ihren Beziehungen und Familien erhofft hatten. In knapp 15 Zeilen macht das 300seitige Schreiben klar, dass Lesben und Schwulen mit Respekt begegnet werden soll und sie nicht „in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“ seien, um gleich darauf festzustellen, dass die „Freude der Liebe“ für sie nicht gilt. Stattdessen soll ihnen geholfen werden, den Willen Gottes ganz zu erfüllen, sprich enthaltsam zu leben und auf Liebe und Sexualität zu verzichten, Umpolungs- und Heilungsangebote inklusive.
Während mit Kolumbien gestern der 22. Staat weltweit die Ehe für Lesben und Schwule geöffnet hat, kritisiert der Papst diese Entwicklungen zu gleichen Rechten, Vielfalt und Respekt. [….][….]

Nein, der Papst wird sich nicht Menschenrechte auf die Fahne schreiben, er wird die 17 Milliarden des IOR nie für die Armen hergeben und schon gar nicht so etwas Niederes wie Schwule oder gar Frauen unter seinen Geistlichen dulden.

Wer von dem heute veröffentlichten Papstschreiben "Amoris Laetitia" enttäuscht ist, ist sich offenbar noch immer im unklaren darüber, welche Positionen dieser Papst vertritt (siehe hierzu mein vor zwei Jahren gegebenes Interview zu Franziskus: http://hpd.de/node/17826). Nachdem ich mich durch dieses unfassbar verworrene, 300seitige Dokument gekämpft habe, muss ich sagen, dass es so wenig inhaltliche Substanz enthält, dass jeder weitere Kommentar überflüssig wäre.
Ich schließe mich daher der Stellungnahme des LSVD an, der zu Recht darauf hingewiesen hat, dass nicht zuletzt auch Katholiken (darunter hochrangige Geistliche) für Menschenrechtsverletzungen gegenüber Schwulen und Lesben (vor allem in afrikanischen Ländern) verantwortlich sind (ein Aspekt, auf den ich bereits in dem oben erwähnten Interview eingegangen bin und der durch die in "Amoris Laetitia" hervorgehobene Eigenständigkeit der nationalen Bischofskonferenzen zusätzlich verstärkt wird).

Bekanntlich sind im Tierreich Vorbehalte gegen die offensichtlich bei allen Arten vorkommende Homosexualität unbekannt. Da ist der Mensch einzigartig.

In Bezug auf homosexuelle Paare spricht sich der Papst wie schon bei früheren Gelegenheiten gegen jegliche Diskriminierung aus. Er fordert einen respektvollen Umgang, rüttelt aber nicht am katholischen Status quo. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften stünden keineswegs auf einer Stufe mit der Ehe zwischen Mann und Frau, heißt es in dem Lehrschreiben.

Es wird Zeit, daß auch die Liberalen in Deutschland den menschlichen Papst als das sehen, was er ist: Ein Privilegien-verliebtes, diskriminierendes Arschloch.

Der Kirchenfreund Heribert Prantl, Mitglied der SZ-Chefredaktion, macht Fortschritte bei diesem Erkenntnisprozess.

 [….] Was Gott gefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Dieser Satz ist, so harsch, wie er interpretiert wurde, kein Satz der Liebe. Dieser Satz hat viel auf dem Kerbholz, weil damit Menschen verdammt, verfolgt und geächtet worden sind. Der Satz in seiner lange gepredigten Unerbittlichkeit ist schuld an Leidensgeschichten. Die Kirche hat diesen Satz seiner zeitgeschichtlichen Bezüge entkleidet, sie hat aus einem Satz, der in biblischer Zeit das soziale Elend der entlassenen Frauen und die soziale Sicherheit in der Gesellschaft im Blick hatte, ein überzeitliches Dogma gemacht.
[….] Die Liebe, die der Papst predigt, könnte viele Formen haben - auch diejenige, homosexuelle Partner zu achten und ihre Partnerschaft in Ehren zu halten. Hier verweigert sich der Papst in verletzender Weise. Er redet von Liebe, verweigert sie aber den schwulen und lesbischen Paaren; er stößt diese Paare in die Sünde.
Er reduziert Liebe auf heterosexuelle Liebe. Gibt es Verantwortung nur dort? Der Papst akzeptiert es allenfalls als schweres Los, wenn jemand in der Familie schwul oder lesbisch ist. Er anerkennt nicht das Füreinander-Einstehen in solchen Partnerschaften. Das ist bitter, unbarmherzig und ohne Liebe.

Donnerstag, 7. April 2016

Von wegen Thema gefunden.

Was geben die neuen demoskopischen Zahlen nicht mal wieder für ein wundersames Denken der Deutschen wieder.
Die SPD im 20%-Keller. Schmerzhaft, aber durchaus erklärlich.
Die AfD nur noch weniger Punkte hinter den Sozis. Völlig abartig, aber bedauerlicherweise auch nicht überraschend.
Bizarrer mutet da schon an, wie schnell die Umfragekönigin Angela Merkel ihren angestammten Platz an der Spitze der Beliebtheitsskala zurückerobert hat.
Scheinbar war das nur eine temporäre Delle, als der Deutsche Michel ihr übel nahm so viele Ausländer reinzulassen.
Die Siebhirne haben das aber schon vergessen und lieben jetzt ihre Kanzlerin wieder wie eh und je.
Offensichtlich hat wieder einmal Merkels Methode gewirkt, niemals Entscheidungen zu treffen.
Wir haben nach wie vor kein sinniges Einwanderungsgesetz, einen Innenminister, der für Desintegration sorgt und statt die Fluchtursachen zu bekämpfen, wurden die Verzweifelten einfach aus der EU ausgesperrt und Erdogan zum Fraß vorgeworfen.

Selbstredend herrscht unter Kanzlerin Merkel auch in ihrem 11. Regierungsjahr der totale innenpolitische Stillstand. Es bewegt sich nichts, keins der drängenden Probleme wird angefasst.

Das Springersche und Mohnsche Narrativ heißt dementsprechend, Merkel agiere auf der Weltbühne, löse als mächtigste Frau der Erde gordische Gipfelknoten.

Wahr wird es aber auch durch ständiges Wiederholen nicht.
Merkel steht vielmehr vor den Trümmern ihrer Außenpolitik.
Mit Nichten ist irgendetwas an der griechischen Finanzkrise gelöst; im Gegenteil; die von Schäuble aufoktroyierten Privatisierungen funktionieren nicht und der extra zum Verhindern von Schuldenerlassen von Merkel ins Boot geholte IWF verlangt nun genau das; einen Schuldenschnitt.
Es besteht weitgehend Konsens; den IWF einzubinden war Merkels Kardinalfehler.

Die gesamte EU ließ Merkel an den Abgrund treiben.
Ihr russophobes Kernanliegen; Putin vor den Kopf stoßen, die Ukraine assoziieren; ist ebenfalls auf ganzer Linie gescheitert. Poroschenko taucht in den „Panama-papers“ auf und seine Regierung versinkt im Chaos.

Das von Deutschland gewünschte EU-Ukraine-Assoziierungsabkommen; immerhin ein Auslöser des russisch-ukrainischen Konflikts; bezog gestern in Holland schwere Prügel.

[….] Die EU rutscht noch tiefer in die Krise: Das klare Nein der Niederländer zum Abkommen mit der Ukraine ist in zweifacher Hinsicht ein schwerer Schlag für die Union.
[….] Diese Ablehnung ist nicht nur ein Sieg für Russlands Präsidenten Wladimir Putin, sondern auch ein Sieg für all jene, die die EU lieber heute als morgen zerbrochen sähen. Das Referendum ist gültig, die nötige Wahlbeteiligung von 30 Prozent wurde knapp erreicht.
Der Schaden ist eingetreten, und zwar in Gestalt einer Ablehnung von über 60 Prozent derjenigen, die ihre Stimme abgegeben haben.
[….] Für die EU ist das Ergebnis eine doppelte Ohrfeige, bei der es nur noch darum geht, ob sie ein blaues Auge oder einen Kieferbruch zur Folge hat.
Denn das Ergebnis dieses Referendums belegt zum einen, dass die EU in den Niederlanden - einem Land, das noch vor wenigen Jahren zu den europafreundlichsten überhaupt gehörte - inzwischen extrem unpopulär ist. [….] Doch das katastrophale Bild einer zerstrittenen und desorganisierten Gemeinschaft, das die EU in der Griechenland-Krise geboten hat, und die Orgie des Egoismus osteuropäischer Staaten in der Flüchtlingskrise dürften dazu beigetragen haben, dass jene Sorgen, die den Nein-Befürwortern in den Niederlanden nun zupass kamen, überhaupt existieren. [….]

Merkel kann eben nicht nur keine Finanz, keine Sozial-, keine Bildungs-, keine Gesundheits- und keine Wirtschafts-Politik; nein sie kann auch keine Außenpolitik.

Und diese Erbärmlichkeit, mit der sie Erdogan über Extra3 wüten ließ, ohne sich offensiv vor die westeuropäischen Werte zu stellen.
So kommt es eben, daß sich die Niederländer nicht mehr für die EU erwärmen können. Was ist denn das auch für ein Haufen, der rückgratfrei vor dem Presseprügler Erdogan buckelt?

Es kam sogar noch schlimmer, indem Merkel Erdogan Recht gab und ihrerseits auf Jan Böhmermann rumhackte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen seiner „Erdogan-Schmähung“; drei Jahre Gefängnis drohen.
Das würde in der Türkei auch so laufen.

Merkel ergreift hierbei nicht nur für die falsche Seite Partei, sondern sie gibt auch noch zu erkennen den Böhmermann-Sachverhalt gar nicht zu kennen, wenn sie so tut, als ob dieser einfach nur das inzwischen so bekannte Schimpfgedicht auf den türkischen Präsidenten verfasst zu haben.
In Wahrheit ging es ihm um etwas anderes, das er sehr geschickt vortrug:

[….] Wie das ZDF am Nachmittag bekannt gab, hat es die jüngste Ausgabe von Böhmermanns Sendung "Neo Magazin Royale" aus der Mediathek entfernt. [….] Grund für die Löschaktion ist ein von Böhmermann vorgetragenes Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, der Text dazu kursiert im Netz. Wer ihn liest, kann die Entscheidung zunächst nachvollziehen. Erdogan wird darin als "sackdoof, feige und verklemmt" verunglimpft, als "Präsident mit kleinem Schwanz", der Kinder schlage und Sex mit Ziegen habe. Was für ein dämlicher Text.
Wer jedoch die Chance hatte, die Sendung zu sehen, wurde Zeuge einer ziemlichen klugen Clownerie. Böhmermanns Gedichtvortrag war eingebettet in eine längere Passage, die sich mit Erdogan und dessen Brass auf die NDR-Satiresendung "Extra 3" beschäftigte. Die Satiriker hatten in einem vergleichsweise harmlosen Liedchen über den "Boss vom Bosporus" gespöttelt, woraufhin dieser den deutschen Botschafter einbestellte.
Im Dialog mit seinem Sidekick Ralf Kabelka erörterte Böhmermann, wie weit Satire eigentlich gehen dürfe. Und ab welchem Punkt man ernsthaft Zoff mit einem Medienanwalt bekomme. Schmähkritik sei verboten, erklärte kundig Kabelka. Also eine Äußerung, durch welche eine Person verächtlich gemacht werden soll und bei der es nicht mehr um eine sachliche Auseinandersetzung geht. Zur Veranschaulichung trug Böhmermann dann sein Erdogan-Gedicht vor, mit unschuldigem Blick und mehrmals beteuernd, so etwas würde er niiiiiie sagen. Hier. Im ZDF.
Als das Publikum applaudieren wollte, wehrte er ab - weil er schließlich, und das solle man keinesfalls verwechseln, nicht das Gedicht rezitiert, sondern lediglich erläutert habe, was man eben gerade nicht vortragen dürfe. Ein bisschen erinnerte das an den bigotten Trick von Zeitungen und Zeitschriften, sexistische oder sonstwie anstößige Fotos zu zeigen, versehen mit der Bildunterschrift: "Diese Fotos wollen wir nie mehr sehen."
In Wahrheit ging es im "Neo Magazin Royale" nicht um Erdogan. Der eigentliche Witz spielte sich eine Ebene höher ab. Böhmermann, [….]  erklärte Satirefreiheit, indem er mit ihr spielte. Und er ahnte, wohin das führen würde. In der Sendung mutmaßte er, dieser Beitrag könnte womöglich gelöscht werden. [….]

Extrem erbärmlich, was Merkel in dieser causa abliefert.

[….] Um was geht es im Fall Böhmermann? Schon längst nicht mehr um die Satire. Unabhängig davon, dass man der hiesigen Politik schon gerne zugetraut hätte, zu verstehen, wie Jan Böhmermann den türkischen Präsidenten angegangen hat. Nach diesem Motto: Ich zeige euch jetzt mal den Unterschied zwischen Satire und Schmähkritik und was Satire nicht darf – um dann doch zu sagen, was er sonst nicht sagen dürfte. Das ist brillant böse, ist eine Reflexionsebene, wie sie üblicherweise im deutschen Fernsehen nicht erreicht wird. Er zeigt, was geht.
Aber die deutsche Obrigkeit verteidigt das nicht – sondern entschuldigt sich. [….] Die deutsche Obrigkeit lässt sich sogar noch darauf ein, zu prüfen, ob hier bei Böhmermann ein strafbares Verhalten vorliegen könnte. Das geht doch nicht!
Vielmehr müsste ein derartiges Ansinnen gleich abgewiesen werden, von oben und von vornherein, strikt und klar. Warum? Weil auch nicht ansatzweise der Eindruck entstehen darf, Deutschland würde seine Presse- und Meinungsfreiheit je zur Disposition stellen. Präsident Erdogan darf gar nicht erst der Versuch gestattet werden, daraus eine Affäre zu machen, auf dass Deutschland Abbitte bei ihm leiste.
[….] Was kann zulasten der Presse- und Meinungsfreiheit in Kauf genommen werden? Schon die Frage wäre als Richtschnur falsch. Schließlich will derjenige, um den es aktuell geht, mit seinem Land in die Europäische Union aufgenommen werden. Da sollte er aufgeklärt sein, in Kant’scher Hinsicht, politisch sowieso. Also besser, Recep Tayyip Erdogan gewöhnt sich an den europäischen Wertekanon. Bei aller Freundschaft.

Genauso erbärmlich agierte die mächtigste Frau der Weltgestern gegenüber dem Kriegstreiber Sherzh Sargsyan, dem armenischen Präsidenten, der sie wie ein dummes Schulmädchen vorführte – in ihrem Kanzleramt.

[….] Kanzlerin Merkel hat sich vom armenischen Präsidenten vorführen lassen. [….] Der Besuch des armenischen Präsidenten Sherzh Sargsyan fand zur Unzeit statt, schlimmer: Er geriet zum diplomatischen Desaster und könnte Deutschlands Rolle als ehrlichen Makler im Konflikt um die Region Berg Karabach beschädigen.
 [….]  Und der armenische Präsident nutzte das Forum für einen Auftritt, wie man ihn im Kanzleramt wohl lange nicht mehr erlebt hat. Aserbaidschan habe die "friedliche Bevölkerung" in Berg-Karabach überfallen.
Dabei kämpften die Menschen in der überwiegend von Armeniern bewohnten Region doch nur für ihr Selbstbestimmungsrecht. Es gehe um etwas, "für das alle kolonialisierten Völker immer gekämpft haben." Einmal in Rage geredet, schwadronierte er über die Heimatliebe der Armenier, die mächtiger sei als die überlegene Waffentechnik des Feindes und am Ende siegreich sein werde. Bei all dem ließ es sich der Gast nicht nehmen, Deutschland ein ums andere Mal für die große Unterstützung zu danken. Wofür genau, ließ er bewusst offen - aber das Bemühen, die Kanzlerin zu vereinnahmen, war mit Händen zu greifen.
Und Merkel? Als ginge sie das alles nichts an, ließ sie die Tiraden unkommentiert, verzichtete sogar auf den üblichen diplomatischen Hinweis, man habe das hinter verschlossenen Türen "offen und differenziert" diskutiert. [….] Im Ernst? Besteht Deutschlands Neutralität darin, Kriegsparteien gleichberechtigt die große Bühne für ihre Kriegspropaganda bereitzustellen? Will sich Angela Merkel - um der ausgleichenden Gerechtigkeit willen - dann auch vom aserbaidschanischen Kriegsherrn vorführen lassen? Denn vorgeführt wurde die Kanzlerin vom armenischen Präsidenten. [….]

Merkel kann ihren Job nicht. Simple as that.

Mittwoch, 6. April 2016

Faul, faulig, rechts



Jetzt fragen sich die schwäbischen Sozis, was sie mit Nils Schmid anfangen können. So ein Netter. Fleißig, sympathisch, unprätentiös, bescheiden, zurückhaltend, skandalfrei, erfolgreicher Superminister – aber das Charisma eines Brötchens und daher auch an der Wahlurne massakriert.

[…] "Lieber Nils", so beginnt der Brief von baden-württembergischen Kommunalpolitikern, aber weiter geht es weniger freundlich. Das "unglaublich schlechte Abschneiden bei den letzten beiden Landtagswahlen hängt auch mit Dir als Spitzenkandidat zusammen", heißt es weiter. Schmid sei ein exzellenter Fachmann und integrer Mensch, könne aber Menschen nicht begeistern. "Diese Eigenschaft fehlt Dir - und das kann man auch nicht lernen", steht da kategorisch. Deshalb solle er sein Amt als Vorsitzender niederlegen und sich öffentlich von der Idee verabschieden, in fünf Jahren wieder als Spitzenkandidat anzutreten. […]

Auf der rechten Seite des politischen Spektrums gibt es dieses Problem nicht.
Persönliche Integrität, Intelligenz und Bescheidenheit einer Person schließen Rechtsextremismus aus.

Es wundert wenig, daß nicht nur Lucke, sondern auch seine Nachfolgerin Petry im Licht des politischen Erfolges noch eitler, selbstherrlicher und selbstverliebter werden.
Die anderen eitlen, selbstherrlichen und selbstverliebten Typen in der AfD beginnen Petry wie eine sterbende Bienenkönigin aus dem Nest zu mobben. Von der Partei-Homepage wurde die Parteichefin inzwischen verbannt.

[…] Von Petry aber, immerhin das bekannteste Gesicht der Partei: kein Bild, kein Text. Nichts. Fast wirkt es so, als habe sie die AfD schon verlassen, wie einst der frühere Partei-Mitgründer Bernd Lucke. Hat sie aber nicht.
Ihre derzeitige Abwesenheit auf der offiziellen Seite ist ein Symptom für den schleichenden Prozess, der sich seit Längerem in der rechtspopulistischen AfD abzeichnet: Petry, auch sächsische Landes- und Fraktionschefin, ist an der Spitze zunehmend isoliert. Es sind weniger inhaltliche Differenzen, es ist ihr Stil, der manche in der Partei bereits an das Agieren Luckes erinnert - einst hatte sie ihm fehlenden Integrationswillen vorgehalten.
Nun sprechen sie in der Partei immer öfter über Petrys Egozentrik. […]

Andere Rechts-Fraktionen zerlegen sich genauso in den Landtagen.
Es dauert meist nicht lange, bis sie sich aufspalten, austreten und gegenseitig so zu hassen beginnen, daß sie endgültig zu Comedy-Gestalten werden.

Zuletzt sollten Petrys Liebhaber Markus Pretzell und Schießbefehl-Trixi aus der ECR-Fraktion im EU-Parlament geworfen werden, weil man selbst bei den ganz Rechten nichts mehr mit den deutschen Irren zu tun haben wollte.

[…]  ECR group kicks out German far-right MEPs
Two MEPs from the far-right Alternative for Germany have been asked to leave the European Conservatives and Reformists group in the European Parliament.
“The ECR Bureau met this evening and has invited the AfD to leave the ECR Group before 31st March, otherwise a motion will be tabled to expel them at its next meeting on the 12th April,” said a statement from the ECR.   There are two AfD members in the ECR — Beatrix Von Storch and Marcus Pretzell. […]

Einen ähnlichen Weg ging die AfD-Fraktion in Hamburg.
Zunächst zerlegte sie sich, indem sich Fraktionschef Kruse von der Bundesparteispitze absetzte und sich darauf konzentrierte sich mit den Mitgliedern seiner eigenen Fraktion, insbesondere Dirk Nockemann, zu streiten.

Vermutlich würde es noch viel mehr in der AfD-Fraktion der Hamburger Bürgerschaft krachen, wenn sie nicht so stinkend faul wären. Ihre Büros sind verwaist, sie schwänzen die Bürgerschaftssitzungen und kommen nicht in die Ausschüsse.
Der Fraktionschef Kruse setzte sich für mehrere Monate nach Kalifornien ab; der Mann lebt gar nicht mehr in Deutschland, kassiert aber 8.000 Euro monatlich als Volksvertreter in Hamburg.

Wie der Herr, so das Gescherr. Die Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt, RLP und BW zeigen, daß sich die Wähler ohnehin nicht für AfD-Programmatik oder die konkrete Arbeit der AfD-Politiker interessieren. Sie sind lediglich ungebildet, hasserfüllt und xenophob, so daß sie bräunlichen Pöblern nachlaufen.

Irgendwie niedlich, wenn sich jetzt ausgerechnet die Polit-Simulanten aus dem Umfeld der Yellowpress-Ikone Katja Suding über die ostentative Faulheit der AfD aufregen. Als ob das neu wäre. Als ob das ihre Wähler störte.

 […] Die Abgeordneten der AfD haben sich im ersten Jahr der Wahlperiode nur sehr spärlich an den inhaltlichen Diskussionen der Hamburgischen Bürgerschaft beteiligt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung sämtlicher Sitzungsprotokolle der Fachausschüsse, die der FDP-Abgeordnete Michael Kruse jetzt vorgelegt hat. Laut seiner Auflistung haben die bis zum Fraktionsaustritt von Ludwig Flocken im Februar 2016 noch acht AfD-Abgeordneten sich nur sehr selten mit Wortbeiträgen oder Fragen in den Ausschüssen beteiligt.
In den insgesamt 18 Sitzungen der Ausschüsse für Justiz, Wissenschaft und Öffentliche Unternehmen meldeten sich die AfD-Abgeordneten demnach laut den öffentlichen Protokollen nicht ein einziges Mal mit Fragen oder eigenen Vorschlägen zu Wort. Auch bei den insgesamt neun Sitzungen des wichtigen Haushaltsausschusses leistete die AfD keinerlei Beitrag. In vielen anderen Ausschüssen hielten sich ihre Abgeordnete ebenfalls zurück.
[…] [Der Abgeordnete] Joachim Körner leistete nicht einen einzigen Beitrag zu den Fachdiskussionen.
"Die Arbeit der AfD-Fraktion ist nicht nur qualitativ dünn. Die Zahlen zeigen, dass die AfD-Fraktion in einigen Themengebieten schlicht die Arbeit verweigert", urteilt FDP-Mann Michael Kruse. "In mehr als 70 Prozent der Ausschusssitzungen des ersten Bürgerschaftsjahres hat die AfD-Fraktion nicht einen einzigen inhaltlichen Beitrag abgeliefert, hat also weder etwas gefragt noch eine inhaltliche Einschätzung vorgenommen."
In den inhaltlichen Beratungen vieler Fachausschüsse sei die AfD "schlicht nicht existent". […]

Verblüffend, aber selbst in der AfD gibt es Ausnahmen. Mandatsträger, die nicht moralisch völlig verkommen sind und erwägen ernsthaft zu arbeiten.
So einer sitzt ausgerechnet im Erfurter Landtag – also unter der Fuchtel von Hobby-Goebbels Höcke.
Rechtsanwalt Oskar Helmerich, (*1960 in Deggendorf)  hatte sich seine Arbeit in der AfD offensichtlich ursprünglich anders vorgestellt.
Heute erkennt er in der AfD „fast nur noch Extremisten und Verfassungsfeinde", während er zu Luckes Zeiten "nur vernünftige Leute kennengelernt" habe. Der scharfe Rechtsdrall insbesondere des Thüringer Landesverbandes, dessen Landesvorstand er bis März 2015 angehörte, widerte ihn allerdings zunehmend an. Helmerich, sowie die AfD-Abgeordneten Jens Krumpe und Siegfried Gentele stellten sich gegen die stramm völkische „Erfurter Erklärung“ Höckes.
Der Thüringer Landeschef verträgt Kritik ähnlich gut wie sein rhetorisches Vorbild Adolf Hitler. Alle drei Fraktionskollegen, die es wagten zu widersprechen, wurden entweder gegangen oder kamen einem Fraktionsausschluss durch Austritt zuvor.

Ehemalige AfDler mit Restverstand?
Was macht man mit solchen Typen?
Helmerich möchte gern zur SPD wechseln. Dort ist man nur mäßig begeistert ehemalige Rechte zu integrieren. Nach heftigen Diskussionen stimmte eine 2/3-Mehrheit der Sozis dafür Helmerich als parteilosen Abgeordneten in ihrer Fraktion zu dulden.

[…] Jeder bekommt seine 15 Minuten Ruhm, hat Andy Warhol gesagt. Oskar Helmerich, 56, bekam seine im Herbst 2015. Dabei hatte der Mann, der da hinter dem Rednerpult im Thüringer Landtag stand, so gar nichts von Warhol: graues Sakko, schlammfarbene Krawatte, schütteres Haar. Doch das, was er sagte, brachte die Mehrheit der Abgeordneten dazu, rhythmisch zu klatschen - und mindestens einen auf die Palme.
Helmerich, aus der AfD ausgetreten und fraktionslos, knöpfte sich seinen bisherigen Fraktionschef Björn Höcke und dessen gespanntes Verhältnis zu den Medien vor. Dabei fielen Worte wie "Realitätsverlust" und "schwerwiegende Persönlichkeitsstörung". Na und, könnte man sagen, da hat einer nachgetreten. Die Neuigkeit aber ist, wo dieser Mann nun eintreten will.
[…] Der Kollaborateur wird bedroht, auch das hört man. Im Mai 2015 zitierte die Thüringer Allgemeine aus einer anonymen E-Mail, die dem "Spalter" einen Kieferbruch ankündigte. […]

Dienstag, 5. April 2016

Schlimmer fromm.



Daran kann ich mich auch noch erinnern.
Jimmy Carter war uns ja als Präsident immer etwas suspekt. War halt vorher Erdnuss-Farmer aus Georgia und dann auch noch so unfassbar fromm.
Wie schwer genervt Bundeskanzler Schmidt von ihm war, ist legendär.
Carter war nicht sachorientiert, sondern sah alles durch seine christliche Brille.
Dabei kam er offensichtlich während seiner Gebetssessions auch immer wieder zu anderen Ergebnissen und hielt sich nicht an Abmachungen.
Wenn solche Leute wie Carter die Weltpolitik bestimmen, wird es schwierig für ihre Partner.
Helmut Schmidt erläuterte das im Jahr 2008 noch einmal am Beispiel des westlichen Boykotts der Olympischen Spiele in Moskau 1980.

Schmidt: An unsere Situation erinnere ich mich sehr genau. Kurz nach Weihnachten 1979 war die Sowjetunion in Afghanistan einmarschiert. Ich hörte, dass es in Washington Stimmen gab, die zur Strafe die Olympischen Spiele in Moskau boykottieren wollten. Ich hielt das für dummes Zeug und rief den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter an. Er sagte, da sei nichts dran. Daraufhin habe ich den deutschen Sportverbänden gesagt: Ihr könnt fahren. Nach nicht allzu langer Zeit rief mich Carter an und sagte, er hätte seine Meinung geändert, die Amerikaner würden nicht nach Moskau fahren – und wir sollten das auch nicht.

ZEIT: War das ein Befehl?

Schmidt: Er hat auf alle Nato-Partner in Europa Druck ausgeübt – auch auf die Engländer und die Franzosen. Die haben aber gesagt: "Ihr könnt uns mal", und sind trotzdem gefahren. Nur drei haben nachgegeben. Das waren die Länder, die an ihrer Grenze unmittelbar mit der sowjetischen Militärmacht konfrontiert waren, nämlich Norwegen, die Türkei – und die Bundesrepublik.

ZEIT: Hatten Sie wirklich keine Wahl?

Schmidt: Ich hatte zu der Zeit ohnehin erhebliche Auseinandersetzungen mit den Amerikanern – denken Sie nur an den Konflikt über die Neutronenbombe oder über die Finanz- und Währungspolitik – und kam mit großen Bauchschmerzen zu dem Ergebnis, dass wir Deutsche uns einen zusätzlichen Konflikt mit Amerika nicht leisten können.

ZEIT: Aber Sie finden den Boykott bis heute falsch?
Schmidt: Es hat nichts gebracht. Die russischen Fernsehzuschauer haben gar nicht gemerkt, dass ein paar Staaten gefehlt haben.
(Zeit, 10.04.2008)
Wer hätte gedacht, daß es noch viel schlimmer kommen konnte, und dieser Western-Schauspieler auf Carter folgen würde.

Ronald Reagan und George H. Bush verachtete ich wegen ihrer Außenpolitik über alle Maßen. Das waren echte Krieger, die skrupellos kleinere Länder angriffen und mit SDI sogar das All mit Atomwaffen bestücken wollten.
Was für ein relief, als 1992 der junge Bill Clinton gewählt wurde.
Vermutlich weil ich den jungen Starjuristen aus Arkansas mochte, der sich als junger Mann dem Krieg verweigert und stattdessen in Europa mit linken Studentengruppen rumzog, war ich irritiert, als er ebenfalls dieses „God bless America“ von sich gab.
„Sag mal, hast Du das auch gehört? God bless America? Wieso macht Clinton das denn“ fragte ich meine Mutter damals am Telefon.
Wir kamen zu dem Schluss, daß es sich dabei offenbar um eine Art Wahlkampftaktik handeln müsse. Clinton galt damals als so links und unerfahren, daß er diese „moral majority“, die sich damals formierte, nicht verschrecken wollte.
Bizarre Sache.
Aber das würde sicher auch wieder vergehen. Die Clintons waren verglichen mit ihren Vorgängern tatsächlich enorm progressiv. Hillary sollte eine allgemeine Krankenversicherung durchdrücken und Bill besuchte als erster US-Präsident eine Schwulen-Veranstaltung.
Das würde sich diese alberne Gottes-Rhetorik auch schon wieder aus seinen Ansprachen verabschieden.

Bekanntlich kam es anders.

"And may God bless America" - Bill Clinton, "And God bless America" - George W. Bush, "God bless you and God bless the United States of America" - Ronald Reagan, "And may God bless the United States of America" - Barack Obama, "And may God always bless and strengthen this great nation, the United States of America. Thank you and God bless you all" - Marco Rubio
Susan Jacoby kann es nicht mehr hören. Ganz gleich, welcher Partei sie angehören, hält ein US-Politiker eine gewichtige Rede, dann endet diese fast unweigerlich mit einem  "God bless America ", Gott segne Amerika.

GWB, Schande über ihn, zettelte ungeniert illegale Angriffskriege an, während er im Kabinett Bibelstunden abhielt und verkündete Gott spreche mit ihm.

Inzwischen ist die gesamte Amerikanische Politik total verfrömmelt.
Kandidaten aller Parteien versuchen sich gegenseitig mit ihrer Gottesfürchtigkeit zu übertreffen. Die amerikanische Verfassung, die gerade keine Verquickung von Kirchen und Staat zuläßt, wird dabei einfach ausgehebelt.
Republikaner behaupten viel mehr völlig ungeniert die constituion fuße auf der Bibel.
Das ist zwar eine glatte Lüge, aber wen stört das heute noch?

Insbesondere die GOPer rücken seit 20 Jahren kontinuierlich nach rechts, hin zu den radikalen Evangelikalen, welche die Bibel wörtlich verstehen.
Konservative Christen vermehren sich viel schneller als durchschnittliche Amerikaner und da sie ihre Blagen homeschoolen, werden sie von Generation zu Generation radikaler. Säkulare und Liberale hingegen lassen sich scheiden, verhüten, praktizieren gleichgeschlechtlichen Sex, lassen Frauen Karriere machen. Da werden also weniger Kinder geboren.
Man kann also leicht ausrechnen wie lange es dauern wird bis alle Amerikaner strenggläubige Evangelikale sind.
Davon gehen die republikanischen Präsidentschaftskandidaten bereits aus und drehen die Uhrzeit um 200 Jahre zurück.
Abtreibung, Homosexualität, Verhütung – all das soll radikal bestraft werden. Evolution und Klimawandel gelten als Hoax.

So ähnlich stellen sich das auch die ultraultraorthodoxen Juden in Israel vor. Sollen die liberalen Hippies in Tel Aviv ruhig beim CSD rumtanzen – auf Dauer wird es ihnen nichts nutzen, wenn jede ultraultraorthodoxe Jüdin zehn Kinder und hundert Enkel bekommt.
In wenigen Generationen sollten die Superreligiösen eine gewaltige Mehrheit stellen.

Erstaunlicherweise geht diese Rechnung aber weder in Amerika noch in Israel auf. Die streng evangelikale und die ultraultraorthodoxe Lebensweisen sind zu unattraktiv und zu offensichtlich bigott.
Es werden eben nicht alle Kinder aus diesen Sippen wieder genauso religiös, sondern viele wenden sich ab.
Selbst Amish und Hutterer, denen es über Jahrhunderte gelang ihre Kultur durch radikale Abschottung zu konservieren, sind inzwischen durch das Internet schwer gefährdet.
Verständlich. Wer will sich noch ohne Strom, Telefon und Waschmaschine abmühen, wenn nebenan jeder Teenager Klugtelefon und Auto besitzt?

Anders als Carter und Reagan können also heutige Frömmler wie Cruz und Rubio, die sich schriftlich zur radikalen Bekämpfung der Homosexualität verpflichtet haben, nicht mehr ein ganzes Land auf ihre Seite ziehen.

Immer noch dürfte die Majorität der Amerikaner recht indolent und uninformiert sein, aber der gesellschaftliche Fortschritt ist doch unmerklich so weit durch die Ritzen des Internets diffundiert, daß es auf Bundesebene klare Mehrheiten für Haschischfreigabe und Homoehe gibt, daß Erderwärmung als Tatsache akzeptiert wird.

Das Problem an den Religioten ist aber, daß sie wie üblich viel lauter, rabiater, reicher und organisierter als die Atheisten sind.
In Deutschland gibt es grob gesagt jeweils gut 30% Katholiken und Evangelen. Dem stehen aber nahezu 40% Atheisten gegenüber. Wir sind eine relative Mehrheit.
Der Organisationsgrad der Säkularen ist allerdings so erbärmlich gering, daß sie gegenüber der kleineren Gruppen der Kirchisten lobbymäßig untergehen.
Die Kirchen beider Konfessionen sind jeweils viele hundert Milliarden Euro schwer. Die Atheisten haben gar nichts.
 Kirchen haben jeweils über 20 Millionen Mitglieder, bei gbs oder IBKA tummeln sich wenige Hundert Mitglieder.
So kommt es, daß die größte Glaubensgruppe in Deutschland de facto nicht öffentlich repräsentiert wird.
Wir werden nicht in Talkshows geladen, erhalten keine  Staatsdotationen, sitzen nicht in Rundfunkkommissionen oder Ethikräten.
Kein einziges Mitglied der Bundesregierung ist Atheist.

Ein ähnlich verzerrtes Bild bietet sich in den USA.
Es gibt je nach Schätzung 35 bis 50 Millionen Atheisten in Amerika.
Sie sind damit annähernd so zahlreich wie die politisch so unfassbar mächtige Gruppe der Evangelikalen. Im Präsidentschaftswahlkampf werden sie aber überhaupt nicht berücksichtigt.
Es konnte bekanntlich ein Schwarzer Präsident werden. Womöglich folgt bald eine Frau. Ein Jude ist möglich. Ein Mormone hätte es 2012 schaffen können. Selbst ein Schwuler ist nicht mehr ausgeschlossen.
Ein Atheist hat aber (noch) gar keine Chance auf den potus-Job.

Auf die Frage, wie wichtig es für einen US-Präsidenten sei, gottesfürchtig zu sein, antwortete Ted Cruz andächtig: Ein Präsident müsse seinen Tag betend auf den Knien beginnen, sonst habe er nicht das Potenzial die USA anzuführen.
Cruz wörtlich: "Any president, who doesn’t begin every day on his knees, isn’t fit be to be commander in chief of this country. – Amen! Amen!"
Und auch sein Republikanerkollege Marc Rubio findet, dass man gar nicht oft genug in die Kirche gehen könne. Dass es mit der Nominierung am Ende nicht geklappt hat, ist dann auch schnell erklärt: Gott habe andere Pläne für ihn gehabt, als das Amt des Präsidenten.
[….] Niemand will den Stempel Atheist aufgedrückt bekommen, sagt [Autorin und Pulitzer Preis-Finalistin] Susan Jacoby, selbst wenn er einer ist. Denn Atheismus hat in den USA - anders als in vielen anderen Ländern, einen negativen Beigeschmack.
[….] "In Europa kann man als Atheist auch Staatschef werden. Das ist den Leuten egal. Ein atheistischer US-Präsident ist derzeit noch undenkbar. Die Statistiken sagen, dass Atheisten sehr viel unbeliebter sind."
[….]  Atheistische Organisationen sind klein und in der Regel schlecht finanziert. Sie haben keine Sprecher, keine Anführer, die Atheismus auslegen. Sie haben keine Päpste, Rabbiner oder Imame. Jacoby spricht von einem PR-Problem. Deshalb bemühe sich kaum ein Politiker offiziell um diese Wählergruppe. Dabei liegen die Konfessionslosen in den Vereinigten Staaten inzwischen nur noch knapp hinter den evangelikalen Christen. 36 Millionen sind es laut PEW Forschungszentrum, Tendenz steigend. [….]