Donnerstag, 5. März 2015

Kranker Volkskörper


Eine Kernthese, die sich durch diesen Blog zieht, ist mein konsequentes Eintreten für die repräsentative Demokratie und somit meine Ablehnung direkter „Volksentscheidungen“.
Plebiszitäre Elemente münden letztendlich in der Diktatur der Inkompetenz.
Es ist viel sinnvoller Entscheidungen den „Profis“ in den Parlamenten zu überlassen. Menschen, die sich rund um die Uhr mit der Thematik beschäftigten und nicht aus Launen heraus etwas ablehnen oder favorisieren.
Der Einfluss von Laien ist immer höchst problematisch.
Natürlich besteht die Gefahr, daß Profis sich zu sehr von der Realität entfernen und daher von Zeit zu Zeit „geerdet“ werden müssen.
Das ist der Grundgedanke von Schöffen bei Gericht. Der Richter, der rund um die Uhr mit Kriminellen zu tun hat, soll mit Menschen aus dem Volk diskutieren, bevor „im Namen des Volkes“ entschieden wird.
Gut gemeint, aber meistens führt es dazu, daß die Laien viel härter urteilen wollen, weil sie von den Angeklagten abgestoßen sind und sich weniger um Verhältnismäßigkeit sorgen.
Vollkommen absurd ist das angelsächsische Geschworenensystem, wo es oft weniger um Wahrheit und Schuld geht, sondern darum wie sympathisch der Angeklagte wirkt.
Wird eine häßliche, unfreundliche schwarze Frau von einem gutaussehenden weißen Mann vergewaltigt, wird der Täter fast immer freigesprochen.
 Wenn ein grobschlächtiger Schwarzer ein nettes weißes Mädchen vergewaltigt haben soll, wird er fast immer verurteilt. Daß es sich um das gleiche Verbrechen handelt, zählt nicht.
Vollkommene Gerechtigkeit kann es nie geben, aber der Staat kann das Justizwesen möglichst objektivieren, um wenigstens der Gerechtigkeit näher zu kommen.
Wichtige Schritte dieses Prozesses waren die Abschaffung der Selbstjustiz und der Lynchjustiz. Es ist richtig die Opfer eines Verbrechens nicht an der Urteilsfindung zu beteiligen, da sie nun einmal a priori subjektiv sind.
Überlasst die Justiz den Profis.
Sehr richtig und wichtig ist auch die Trennung von legislativer, exekutiver und judikativer Gewalt.
Politiker sollen sich nicht in Urteile einmischen.

Das Paradebeispiel für die Urteilsunfähigkeit „des Volkes“ ist der Shitstorm, der sich über die Edathy-Richter ergießt.
Hunderttausende haben eine Bundestagspetition gegen das Urteil unterschrieben. Eine Petition, die von Doofheit und Rechtschreibfehlern strotzt und natürlich nicht beachtet, daß der Bundestag gar nicht in Strafverfahren eingreifen darf.

Daß selbstverständlich diese Paarhunderttausend Menschen genauso wenig wie ich wissen, was sich Sebastian Edathy im Internet für Jungsbilder angesehen hat, spielt für ihre Meinungsfreudigkeit ohnehin keine Rolle. Wozu nach Faktenlage und realer Schuld urteilen, wenn man subjektiv nach Gefühl und Hörensagen verdammen kann?
Vor Gericht waren doch offensichtlich keinerlei Beweise für illegale Kinderpornographie gefunden worden. Die Kriminalisten konnten zwar gelöschte Dateien wieder sichtbar machen, aber dabei handelte es sich im Material, das zum Zeitpunkt, als es runtergeladen wurde, legal war.
Das BILD- und FACEBOOK-Volk stört sich nicht an Fakten, sondern argumentiert ernsthaft; jemand, der sich solche Bilder besorge, konsumiere sicher auch härteres Zeug.
Kann sein. Kann aber auch nicht sein.
Vor Gericht gilt aber IN DUBIO PRO REO – man kann für nichts verurteilt werden, das nicht zu beweisen ist. Simple as that.
Zudem echauffiert sich das Pack über die geringe Summe von € 5.000, die Herr Edathy zahlen mußte.
€ 5.000 sind zu wenig?
Kann sein. Kann aber auch nicht sein.
Ich kann das nicht beurteilen.
Ich weiß aber, daß € 5.000 Euro zufällig auch genau die Maximalsumme ist, die die RKK an Kinder zahlt, die von ihren Priestern über Jahre geschlagen und sexuell missbraucht wurden.
Wenn man das als Maßstab nimmt, also das komplette Zerstören einer Menschenseele und das physische anale Vergewaltigen eines Kindes, scheint mir Edathy sogar extrem hart bestraft zu sein, wenn er dieselbe Summe für das bloße Ansehen von nicht sexuellen Photos bezahlt.
Zudem sind die vielen Katholischen Geistlichen, die Kinder gefickt haben bis heute von der lieben RKK insofern geschützt, daß ihre Identitäten nicht bekannt gegeben werden. Auch in dieser Hinsicht ist Edathy viel schlimmer dran – er ist öffentlich für immer erledigt in Deutschland und wird niemals irgendwo einen Job bekommen.

Ein ganz übles Bild gibt auch der Kinderschutzbund ab, der populistisch die € 5.000 Edathys abgelehnt hat.
Dabei werden Geldstrafen IMMER an gemeinnützige Vereine bezahlt. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Strafen von Kriminellen stammen und der Kinderschutzbund nimmt diese auch sonst immer an – auch von viel schlimmeren Tätern. Aber in diesem Fall geht es auch den Profischützern um reinen Populismus.

Der Ex-Abgeordnete Sebastian Edathy sollte 5000 Euro an den Kinderschutzbund zahlen. Der Verein lehnte empört ab - dabei nimmt er in vergleichbaren Fällen das Geld an.
[….]  Die Kinderschützer hatten sich geweigert, Geld von Sebastian Edathy anzunehmen. 5000 Euro sollte der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete überweisen, weil er Bilder nackter Jungen besessen hatte. Im Gegenzug stellte das Landgericht Verden den Prozess ein. "Ein fatales Signal", wetterte Schmidt. Es handele sich offenkundig um einen "Freikauf".
[….] Das hat die Wut noch gesteigert, mehr als 180.000 Menschen unterzeichneten im Netz eine "Petition" gegen den Gerichtsbeschluss. Die Entscheidung des Kinderschutzbunds bekam immensen Zuspruch. Ganz nach dem Motto: Endlich zeigt dem mal einer die Grenzen auf.
Schmidt hat diese Stimmung genau erfasst - und genutzt.
Allein: In vergleichbaren Fällen hat der Kinderschutzbund ohne viel Aufhebens Zahlungen angenommen. Es sei "gängige Praxis", dass Richter Geldauflagen in Kinderporno-Verfahren "auch für den Kinderschutzbund vorsehen", sagt Christian Friehoff, Vorsitzender des Richterbunds Nordrhein-Westfalen (NRW).
"Gerade die Geldauflagen aus Kinderpornografie-Verfahren gehen oft an Kinder- und Jugendschutzstellen", sagt auch Rechtsanwalt Steffen Lindberg aus Mannheim. Diese ließen sich sehr häufig selbst auf Listen setzen, um im Fall von Zahlungen bedacht zu werden.
In den vergangenen zehn Jahren führte Lindberg mehr als hundert Kinderporno-Verfahren. Ihm sei kein Fall bekannt, in dem das Geld eines Beschuldigten abgelehnt worden sei. Das Vorgehen des Kinderschutzbunds in der medienwirksamen Causa Edathy sei "Heuchelei".
[….] Für den Kinderschutzbund sind Bußgelder aus Gerichtsverfahren eine große Einnahmequelle, sie ermöglichen seine wichtige Arbeit. In den Jahren 2011 bis 2013 nahm der Verein nach Angaben der Recherche-Organisation "Correctiv" insgesamt mindestens 5,5 Millionen Euro auf diesem Wege ein. [….]

Unerträglich sind auch all die Besserwisser, die nun, a posteriori, schon immer gewußt haben wollen, daß Edathy irgendwie verdächtig war.
Ich kann gar nicht mehr zählen wie oft ich inzwischen in dem Zusammenhang „ich konnte den ja noch nie leiden“ gehört habe.
Das ist ein typisches Beispiel für die subjektive Selbsttäuschung des Plebs.
Nur zu Erinnerung; die sogenannte Edathy-Affäre begann quasi während der Koalitionsverhandlungen Ende 2013, als über Ministerposten spekuliert wurde.
Damals hatte sich Edathy im NSU-Untersuchungsausschuss einen so phantastischen Ruf erarbeitet, daß die Hauptstadtjournalisten fest mit seinem Eintritt ins Kabinett rechneten. DESWEGEN hatte damals auch Minister Friedrich – rechtswidrig – geplaudert; weil auch er ahnte, daß die SPD ihren Starparlamentarier mindestens zum Staatsekretär machen würde.

Ich lasse mir schon seit es Phoenix gibt keine Bundestagsdebatte entgehen und ganz zweifellos war Edathy einer der besten Redner.
15 Jahre vorbildliche Parlamentsarbeit lieferte der nun Geächtete ab.
 Zudem hat er sich als NSU-Aufklärer eindeutig Meriten erworben. Er hat nahezu im Alleingang das bewirkt was wir überhaupt über die NSU wissen, weil schwarzgelb damals nur mauerte.
Er saß außerdem im Rechts- und Innenausschuss und war da die prägende Gestalt in der Frage des Rechtsextremismus. Er war es, der sich fabelhaft für ein moderneres Staatsbürgerschaftsrecht einsetze.

Die ZEIT schrieb vor einem Jahr:

"Edathy hatte sich Ansehen erworben, weil er den parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) über zwei Jahre lang mit kalter Brillanz und beherrschter Leidenschaft führte. Der NSU-Ausschuss war ein Triumph des Parlamentarismus und Sebastian Edathys Meisterstück. Mit einer Dringlichkeit, deren Gründe die Öffentlichkeit jetzt erst erahnt, verfolgte er sein Ziel: Er wollte aller Welt zeigen, dass die deutsche Gesellschaft ein schmutziges Geheimnis hat."

Sich jetzt, 2015, nachdem man das mit den Schmuddel-Bildern weiß, unter die Polit-Enthirnten zu begeben und auch Edathys parlamentarische Leistungen zu negieren, zeigt einmal mehr wieso Laien sich nicht für Gerechtigkeit eignen.

[….]  Das Verfahren gegen Sebastian Edathy wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Der Angeklagte ist weder schuldig noch unschuldig. Ist Edathy jetzt ein freier Mann? Nein. Der Politiker, dem man den Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften vorgeworfen hat, ist erledigt.
[….]  Das Netz kocht. Mehr als 180.000 Menschen hatten bis Donnerstagmittag eine "Petition" gegen den Gerichtsbeschluss unterzeichnet. Beim Thema Pädophilie äußert sich das ungesunde Volksempfinden. Die mangelnde Barmherzigkeit, die man dem Täter vorwirft, die zeigt man selber.
[….] Tatsache ist, dass Sebastian Edathy keineswegs - wie es in der Netz-Petition heißt - "nur weil er Politiker ist mit einer Geldauflage von 5000 Euro freigesprochen" wurde. Er wurde gar nicht freigesprochen, weil es kein Urteil gab. Der Paragraf 153a der Strafprozessordnung ist ja eine sonderbare Sache. Verdacht hin oder her, wenn die Unschuldsvermutung bis zum Beweis des Gegenteils gilt und es zu keinem Urteil kommt - warum soll ein Angeklagter dann überhaupt Geld zahlen?
[….] Tatsache ist auch, dass die Einstellung eines Verfahrens gegen Geldauflage mehr als üblich ist. Etwa 260.000-mal wird dieses Rechtsinstrument in Deutschland im Jahr eingesetzt.
[….] Aber um solche Feinheiten kümmert sich der interessierte Laie nicht. Stern.de hat dem Schauspieler Til Schweiger in der Sache Edathy einen Kommentarplatz zur Verfügung gestellt. Schweiger befasst sich seit längerer Zeit unter anderem mit dem Kampf gegen Kinderpornografie. Jetzt prügelt er auf Edathy ein: "Wie kalt er in den vergangenen Monaten agiert hat", "Ich finde das alles: erbärmlich. Schrecklich. Herr Edathy, Ihr larmoyantes Verhalten ist zum Kotzen." [….] Was Schweiger und all die anderen Netzpöbler bei Facebook und Co. nicht verstehen und nicht verstehen wollen: Zwischen dem Recht und dem eigenen Rechtsempfinden kann es einen Unterschied geben. Zum Glück.
Der Jurist und Journalist Thomas Darnstädt hat im SPIEGEL geschrieben: "Es hat keine moralische Bedeutung, sondern ist allein Ausdruck juristischer Professionalität, wenn das Gericht im Fall Edathy zu dem Ergebnis kommt, die Anklage sei vergleichsweise belanglos." [….]

Mittwoch, 4. März 2015

Psychopolitik

Der arme Bibi Netanjahu leidet offenbar an einem Nero-Komplex. Er ist ein mehrfach überführter Lügner, der zudem auch noch über eine wahrlich abstoßende Persönlichkeit verfügt.
Wenn man aber seinen zweitägigen Washington-Besuch beobachtet hat, scheint er eine ganz neue Dimension des Irrsinns erreicht zu haben.
Bibi, der Molch und Herr Boehner drehen jetzt völlig frei, oder?
Inzwischen wird Weltpolitik, ja sogar der Frieden, den persönlichen Machtinteressen skrupellos untergeordnet.
In den letzten 70 Jahren hatte Israel nirgends auf der Welt so treue und 
so wichtige Freunde wie im Weißen Haus. 
Und Bibi schafft es der gesamten US-Administration so vor das Schienbein zu treten, daß alle Minister und der Präsident sowieso schreiend weglaufen, wenn er in Washington ist. Niemand will mehr mit ihm gesehen werden.
Wenn Netanjahu im Oval Office auf Obamas Schreibtisch geschissen hätte, wäre das auch kein größerer außenpolitischer Eklat, als das was er tatsächlich anstellte.

Eine Rede, gespickt mit vom eigenen Geheimdienst Mossad längst widerlegten Lügen und Übertreibungen. Und eine Rede voller Anwürfe gegen die USA, immerhin seit der Gründung Israels vor fast 70 Jahren der wichtigste Verbündete des Landes. Nancy Pelosi, demokratische Fraktionschefin im Abgeordnetenhaus und bislang wahrlich nicht als Kritikerin der israelischen Politik aufgefallen, empfand die Rede als „so selbstgefällig und beleidigend“, dass sie „mit den Tränen gekämpft“ habe.
Netanjahus Auftritt habe sie „an Dr Strangelove erinnert“, meinte die bekannteste Politikjournalistin der USA, Christiane Amanpour in Anspielung auf Stanley Kubricks berühmte Kalte-Kriegs-Satire. Darin löst ein paranoider, von sowjetischen Angriffsabsichten überzeugter US-General beinahe  einen Atomkrieg aus.

Und der Grund für Bibis rasenden Hass auf Obama ist lediglich der, daß in Washington gelegentlich Vernunft einkehrt.
Offenbar hat man dort die Lage im Nahen Osten analysiert und ist zu verschiedenen Schlüssen gekommen:

1.) Das größte Hindernis auf  dem „Weg zum Frieden“ ist Israels Siedlungspolitik mit der daraus folgenden Katastrophe für das palästinensische Volk. Obama und Kerry haben das auch öffentlich gesagt, Israel darum gebeten sich beim Siedlungsbau zurück zu halten.
Natanjahu platzte vor Wut.

2.) Die totale Konfrontation mit dem Iran, die seit 2001 besonders von den USA ausgeht, hat zu nichts geführt. Dieses tote Pferd sollte man nicht weiter reichen und stattdessen lieber versuchen auf Augenhöhe mit Teheran zu sprechen.

Nicht, daß mich noch irgendetwas Irres an Gingrich oder McCain verwundern könnte, aber es ist schon ein starkes Stück, daß sie aus purem Hass auf ihre eigene Regierung lieber einen Krieg im Pulverfass Nahost provozieren, als dem verhassten Präsidenten Obama diesen außenpolitischen Erfolg zu gönnen!
Schon jetzt stellen sie klar ein Abkommen mit Teheran bis zum Ende seiner Amtszeit im Dezember 2016 nicht zu ratifizieren. Dabei gibt es nichts wichtigeres als mit seinen „Feinden“ zu sprechen.

[…]   US-Präsident Barack Obama verfolgt eine chancen-, aber auch risikoreiche Strategie um Umgang mit Amerikas Erzfeinden Iran und Kuba.
    Im Verhältnis zu Teheran möchte er zunächst den Konflikt um das Atomprogramm aus dem Weg schaffen, dabei aber auch Zeit für den Notfall gewinnen.
 […]  Die Annäherung an zwei Erzfeinde ist für Obama chancen- und risikoreich. Sollte die Entspannung gelingen, böten sich den USA neue Möglichkeiten in Lateinamerika und im Mittleren Osten. Misslingt sie, sähe Obama aus wie ein Naivling, der sich von autoritären Regimes vorführen ließ; ein Rückschlag für seinen Ansatz, mit Gegnern zu reden. "Die Vorstellung, dass wir Länder bestrafen, indem wir sie anschweigen, ist lächerlich", sagte er einmal.
Im Verhältnis zu Teheran möchte Obama zunächst den Konflikt aus dem Weg schaffen, der das Verhältnis Irans zum Westen seit mehr als einem Jahrzehnt belastet: das Atomprogramm, das Iran bis 2003 heimlich betrieb. Teheran beteuert, es reichere Uran in Gas-Ultrazentrifugen nur deshalb an, weil es Treibstoff für Atomkraftwerke benötige. […]  
Hier offenbart sich die gemeinsame Logik einer Entspannung gegenüber Kuba und Iran: Obama hält es für unsinnig, stur an den immer gleichen Methoden festzuhalten, obwohl sie immer aufs Neue versagen. Jahrzehntelang haben die USA Kuba boykottiert und das Regime doch nicht gestürzt. Im Falle Irans war der Erfolg der internationalen Sanktionen ähnlich bescheiden. "Anfangs betrieb Iran bloß ein paar Hundert Zentrifugen, aber jetzt, nach einem Jahrzehnt der Sanktionen, sind es Zehntausende Zentrifugen", sagt Obama. […]

Wenn ich die verschiedenen amerikanischen Analysen der Netanyahu-Rede vor dem US-Kongress betrachte – CNN hat eine Menge davon dokumentiert – fällt mir auf, wie einig man sich von links bis rechts immer noch darin ist, Iran prinzipiell zu verdammen. Das Land wird nach wie vor von allen amerikanischen Analysten als das pure Böse betrachtet, etwas, das man niederringen muß, das niemals Massenvernichtungswaffen bekommen darf.

Die grundsätzliche Frage ist: Wieso dürfen eigentlich die ABC-Macht Israel und die ABC-Macht Amerika einem großen und bedeutenden Land wie dem Iran aufoktroyieren niemals zur ABC-Macht zu werden.
Was Jerusalem und Washington ganz selbstverständlich für sich in Anspruch nehmen; nämlich über ein modernes Atomwaffenarsenal zu verfügen; sollen andere niemals dürfen.
Im Gegenteil; wenn sie nur daran denken sich ansatzweise das anzueignen was Israel und Amerika schon lange haben, ist das ein Beweis für deren Bösartigkeit, ja sogar ein Grund für einen Angriffskrieg.
Dabei erscheint es Kongress-Republikanern und Israelis noch nicht einmal zu lächerlich zu sein seit 15 Jahren dringend davor zu warnen, daß der Iran nun aber wirklich unmittelbar davor stünde eine Atombombe zu bauen; innerhalb von weniger als einem Jahr wäre Teheran so weit.

Jacque Chirac sagte einmal sinngemäß als er noch im Amt war; na und, was würde es schon ausmachen, wenn Teheran wirklich eine Atombombe hätte? Er könne die ja ohnehin nicht einsetzen, da noch bevor die irgendwo einschlüge, Israel von seinen überall verteilten U-Booten aus hundert Atombomben auf den Iran abschießen würde. Der Einsatz einer Atomwaffe gegen Israel bedeute die absolut sichere Auslöschung des gesamten Staates Iran. Und so irre sei niemand, das zu riskieren.

Bei außenpolitischen Konflikten ist der Schlüssel zur Entspannung immer der, sich in die Position des anderen hinein zu versetzen und zu verstehen was er fürchtet, was er erreichen möchte.

In unserer zunehmend manichäisch geprägten Berichterstattung ist das aber geradezu verpönt.
Wer auch nur versucht darüber nachzudenken, was aus Sicht des Kremls bedrohlich wirkt, wird sofort zumindest als „Russlandversteher“ verhöhnt.

Die Sicht des Irans auf seine Nachbarn scheint mir allerdings recht leicht zu deuten zu sein. Er war als rein schiitischer Staat lange Zeit nur von Feinden umzingeln. In diesem Pulverfass mit dem extrem reichen und hochgerüsteten Gegenspieler Saudi-Arabien in Reichweite, spielen Sicherheitsaspekte eine große Rolle. Zu oft ist man schon bombardiert worden, zu grauenvoll waren die Erfahrungen mit dem maßgeblich von den USA angezettelten Irak-Iran-Krieg 1980-1988, bei dem Donald Rumsfeld persönlich nach Bagdad zum Shakehands mit Saddam Hussein reiste, um den Irak so aufzurüsten, daß der Iran eine Million Tote zu beklagen hatte.
Was passiert, wenn einem die USA auf dem Kieker haben – und das ist man als Teil der Washingtoner „Achse des Bösen“ ja offensichtlich  - konnte Teheran 2001 bei seinem direkten östlichen Nachbarn Afghanistan und 2003 bei seinem direkten westlichen Nachbarn Irak erleben: Man wird angegriffen und vom US-Militär viele Jahre lang platt gemacht.
Irak und Afghanistan passierte das, weil sie eben KEINE MASSENVERNICHTUNGSWAFFEN hatten und sich nicht wehren konnten.
Das einzige Land der „Achse des Bösen“, das tatsächlich über Massenvernichtungswaffen, nämlich vermutlich zwei bis fünf Atomsprengköpfe,  verfügt ist Nordkorea und wurde genau deswegen NICHT von den USA angegriffen. Pyönyang ist sicher.

Was liegt also näher für Teheran, als sich möglichst auch die Dinger anzuschaffen – zumal beide Erzfeinde, USA und Israel, Atomwaffen haben und immer wieder bewiesen, daß sie durchaus andere Länder militärisch angreifen.

Was für eine Anmaßung der Washingtoner Sesselpuper Irans Wunsch nach friedlicher Atomtechnologie als Rechtfertigung für einen Angriffsplan auf ein 70-Millionenvolk zu nehmen.


Dienstag, 3. März 2015

Opfer des eigenen Erfolges.

Man wird ja wohl noch träumen dürfen.
Wenn ich mir das Ergebnis der Hamburg-Wahl vom 15.02.2015 hätte aussuchen dürfen, säße die SPD-Fraktion wieder mit einer Einstimmen-Absolutmehrheit da. Sie könnte also weiterhin effektiv regieren, müßte aber diszipliniert sein und hätte keinen Anlass zu Übermut.
Dir Grünen wären wie im Bund so geschrumpft, daß sie knapp hinter der stark verbesserten Linken in der Bürgerschaft vertreten wären. AfD wäre deutlich an der 5%-Hürde gescheitert, die FDP bei 4,9%. Bliebe noch die CDU, die gedemütigt gerade noch zweistellig davon gekommen wäre.
Aber bekanntlich hört der Urnenpöbel ja nicht auf mich.
Obwohl; die 15,9% für die CDU haben mich durchaus erfreut.

Grundsätzlich halte ich absolute Mehrheiten aber für keineswegs so schlecht, wie sie meistens gesehen werden. Natürlich darf das nicht übertrieben werden (so wie in Bayern), aber wenn sich ein Bundesland für einige Jahre das ewige Rumeiern im Koalitionsausschuss und das ständige Suchen nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner erspart, kann das sehr effektiv sein.
Aus demokratietheoretischen und ethischen Überlegungen heraus ist es aber wünschenswert, daß eine absolut regierende Fraktion von beiden Seiten unter Feuer genommen wird.
Das erdet. Einerseits kann man davon ausgehen, daß (um beim Hamburg-Beispiel zu bleiben) die SPD einigermaßen richtig liegt, wenn sich Linke und CDU gleichermaßen empören. Andererseits ist es für den regierten Bürger eine komfortable Situation, wenn er die Pressemitteilungen und Newsletter der Opposition abonniert und dadurch eine Art Doppelfaktencheck geliefert bekommt.

An dieser Stelle eine grundsätzliche Empfehlung: Abonnieren Sie Newsletter der Parlamentsfraktionen! Das sind sehr informative Ergänzungen zur allgemeinen Berichterstattung. Außerdem geben sie Einblick in das Parteienleben.
Im Bundestag werden Newsletter von sehr verschiedener Qualität erzeugt – je nachdem wer in der Fraktion für ein Thema zuständig ist.
Bei den Grünen stechen die sicherheitspolitischen Updates von Agnieszka Brugger und die außenpolitischen Meldungen Jürgen Trittins hervor. Sehr gut, sehr lehrreich. Marie-Luise Beck, Göring-Kirchentag und Volker Beck schreiben hingegen ziemlichen Mist. Dafür ist die Atom-Frau Sylvia Kotting-Uhl ganz prima.

Die SPD-Meldungen sind etwas dürftiger, verbreiten ganz gerne Selbstlob oder allgemeine Gratulationen.

Piraten und FDP kann man natürlich vergessen.

Am Meisten nutze ich aber die Infos der Linken, die fast immer informativ und ausführlich sind.
Inzwischen haben das auch die Hauptstadtjournalisten begriffen und zitieren erstaunlich oft aus parlamentarischen Anfragen der Linken.
In Gysis Fraktion gibt es mittlerweile eine Menge ausgefuchster Fachleute, die die große Koalition richtig piesacken, indem sie immer wieder detailliert nach genau den Dingen fragen, die Regierungsmitglieder gar nicht gern beantworten.
Fragen, welche die zahmen angepassten Journalisten sich kaum zu stellen wagen.
Gerade die CDU-Schwergewichte Merkel oder Schäuble werden im komplett weichgespülten Fernsehen nie mit Fragen konfrontiert, die ihnen wirklich Informationen entlocken.
Oder kann sich irgendjemand daran erinnern, daß die christliche Kanzlerin schon jemals von einem Journalisten ob ihrer exzessiven Waffenexportpolitik in die Ecke gedrängt worden wäre?
Das sind brandheiße Themen, die ohne Linke womöglich ganz untergingen. Und niemand im Bundestag versteht mehr von Waffenexporten als der Hamburger Linke Jan von Aken. Seine Informationen zu verfolgen ist ein Muss. Ich empfehle aber alle fachpolitischen Newsletter der Linken.
Sevim Dagdelen ist ein spezieller Fall; sie ist aber durchaus interessant zu lesen.

Deswegen wünsche ich mir immer die Linke ins Parlament, weil sie kompetente, transparente und fleißige Arbeit abliefern.
Zumindest im Bund und in Ostdeutschland.

Leider gilt das nicht für Westdeutschland, wo die Linke Fraktionen häufig noch aus alten WASG-Kadern und dubiosen marxistischen Splittergruppen bestehen.
Paradebeispiel war die Linke Fraktion in Deutschlands größtem Bundesland NRW von 2010. Grüne und SPD bildeten eine Minderheitenregierung und boten somit der Linken eine exzellente und unerwartete Chance Politik zu beeinflussen. Damit hätten sie sich endgültig etablieren können.
In der Praxis lieferten sich die Deppen solche Scharmützel, daß niemand sie ernst nehmen konnte. Sie erzwangen schon zwei Jahre später vorzeitige Neuwahlen, bei denen sie dann 2,5% hochkant aus dem Landtag flogen und sich überflüssig machten.
Angeblich soll Gregor Gysi regelrecht verzweifelt gewesen sein, ob der Borniertheit seiner Ruhr-Parteifreunde.

Eine löbliche Ausnahme schienen die Hamburger Linken zu sein, die es schafften sich kontinuierlich im Ergebnis zu steigern und zudem in der konservativen Hamburger Pfeffersackgesellschaft anerkannt zu werden.
2008 gewann die Linke 6,4% und nutzte die Chance der perplexen SPD die Oppositionsshow zu stehlen, als Grüne und CDU im Koalitionsbett kuschelten.
Bei der legendären vorzeitigen Neuwahl von 2011, als die CDU unfassbare 20,9 Prozentpunkte verlor und die SPD satte 14,3 Prozentpunkte gewann, hielten sich trotz der absoluten SPD-Mehrheit und der 11,3 % der Grünen, die Linken immer noch bei starken 6,4%. In dem politischen Umfeld darf man das für das reichste westdeutsche Bundesland durchaus als Sensation bezeichnen.
2015 war alles klar für Olaf Scholz, der mit 80%-Zustimmungsraten bei allen sicher weiter regieren würde. Es klappte fast; die Grünen stehen mit nun 12,3% als Koalitionspartner bereit. Aber die LINKE war die Wahlgewinnerin, die mehr als FDP und Grüne zusammen hinzugewann und auf satte 8,5% kam.
Dies ist ein eindeutig der Fraktionschefin und Spitzenkandidatin Dora Heyenn zuzuschreibender Großerfolg.
Sie hatte sich quer durch alle politischen Spektren Respekt erworben, stand für klare linke Oppositionspolitik und war bei den anderen Parteien ob ihrer enormen Faktenkenntnis gefürchtet.
Scholz und seine SPD konnten es sich gar nicht leisten sie in der Bürgerschaft zu ignorieren oder mit Häme zu überziehen, weil die Frau meistens Recht hatte.
Die 65-Jährige Gymnasiallehrerin für Chemie und Biologie hatte in den sieben Jahren ihres Fraktionsvorsitzes enorm viel erreicht. Sie, die SPD-Dissidentin und WASG-Mitgründerin, hatte als linke Schröderkritikerin ihre Themen der Regierungspolitik aufgezwungen.
Chapeau. Mehr kann man realistischerweise als links der SPD denkende Menschen in einem westdeutschen Bundesland kaum erreichen.

Ich freue mich über die Heyenns dieser Republik, weil sie den Weg zu rotroten oder rotrotgrünen Bündnissen öffnen – und nur damit ist es möglich die schädliche CDU-Blockadepolitik eines Tages ganz abzulösen.
Da in Hamburg die Grünen nun ebenfalls in die Regierung eintreten werden und zudem jetzt DREI rechte Parteien Opposition bilden, ist Heyenns Rolle, als einzige links der Regierung stehenden Oppositionskraft wichtiger denn je.
Aber hier muß ich den Konjunktiv verwenden.
Wichtig wäre es.

In der Praxis zeigen aber die Linken wieso sie eben noch nicht für die richtige Politik im Westen taugen: Sie sind von Querulanten und Sturköpfen durchsetzt, die mit Vorliebe den Konservativen helfen, indem sie sich selbst zum Affen machen und Feindbilder abgeben.
Genau das passierte in Hamburg.
Statt Dora Heyenn auf Knien zu danken und sie einstimmig zur Fraktionschefin wiederzuwählen, blähten sich sechs verwirrte Jung-Linke auf und mobbten Heyenn nicht nur vom Fraktionsvorsitz weg, sondern gleich noch ganz aus der Fraktion.
Seit Andrea Nahles legendär-idiotischer Aktion von 2005, als sie nach dem Rotgrünen Machtverlust mitten in den Koalitionsverhandlungen mit der künftigen CDU-Kanzlerin den eigenen SPD-Vorsitzenden Müntefering stürzte und die SPD ins Chaos schickte, habe ich keine Parteipolitdoofheit wie jetzt bei den Hamburger Linken erlebt.  OK, dann war noch die Matschie-Totalblamage von 2009, die auch in dieser Klasse mitspielt.

Was für ein Geschenk für die CDU-Generalsekretäre dieser Republik.

[…] Die Hamburger Fraktion der Linkspartei startet mit Personalquerelen in die neue Legislaturperiode. Erst wurde die bisherige Vorsitzende und Spitzenkandidatin Dora Heyenn überraschend am Wochenende abgewählt, dann trat sie am Montag aus der Fraktion aus. "Das bin ich auch den Wählerinnen und Wählern schuldig", sagte sie. Sie werde aber "selbstverständlich" Mitglied der Partei bleiben.
Die neue Doppelspitze der Fraktion stufte die überraschende Abwahl Heyenns als Unfall ein. "Bei der Wahl kam es leider zu einem unerwarteten Ergebnis. (...) Ich kann auch sagen: Das ist gründlich danebengegangen", sagte die neue Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir. Die Co-Vorsitzende Sabine Boeddinghaus ergänzte: "Wir haben jetzt eine schwierige Situation."   […].

Die Bundesgrünen und der arme Gregor Gysi dürften wieder einmal der Verzweiflung über ihre Trümmer-Basis im Westen nahe gewesen sein.

[…] Es ist nicht Dora Heyenns Art, ihre Gefühle zu verstecken. Und so machte die bisherige Vorsitzende der Linken Bürgerschaftsfraktion auch am Montag kein Geheimnis aus dem, was in ihr vorgeht. "Ich bin enttäuscht, ich bin ärgerlich, ich bin wütend", sagte die 65-Jährige am Montag dem Abendblatt.    Am Wochenende hatte sich ihre Partei nicht nur für eine künftige Doppelspitze der Fraktion ausgesprochen, sondern mehrheitlich auch gegen sie: das Zugpferd der Hamburger Linken. Und genau darin lag für parteiinterne Kritiker auch das Problem. Heyenn sei inzwischen so präsent, dass die Partei hinter ihr verschwinde.
[…] Mit der Einführung der Doppelspitze hinter ihrem Rücken sei jedoch seitens der Fraktion "eine Grenze überschritten" worden.
Politiker anderer Parteien drückten persönlich und in den sozialen Netzwerken ihr Verständnis für den Schritt Heyenns aus.
[…] Als sich aber auf einer Fraktionssitzung sechs von elf Abgeordneten gegen Heyenn stellten, warf die 65-Jährige das Handtuch. Nicht einmal der Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, konnte sie zu einer erneuten Kandidatur bewegen. Irgendwann sei Schluss, sie sei nicht Heide Simonis, sagte Heyenn. Mit 8,5 Prozent hatte die Linke bei der Bürgerschaftswahl am 15. Februar ihr bislang bestes Ergebnis in Hamburg erreicht. Damit geht die Fraktion mit elf statt bisher mit acht Abgeordneten in die fünfjährige 21. Legislaturperiode. Die Fraktion sollen künftig die Abgeordneten Cansu Özdemir (26) und Sabine Boeddinghaus (58) führen. […]


Montag, 2. März 2015

Neologismen - Teil IV


Letzte Woche hatte ich mal wieder die Gelegenheit privat mit einem Selfmade-Millionär zu sprechen. Er ist Unternehmer und steht Ende 80 immer noch jeden Tag voller Freude auf, um morgens als erstes im Geschäft zu sein.
Sowas gibt es.
Der Mann ist zudem sozial engagiert, betont bei jeder Gelegenheit, daß seine Angestellten das wichtigste Kapital sind und beklagt die gräßlichen Auswüchse des Turbo-Finanzkapitalismus, der ohne Moral Menschen und Ressourcen ausbeute.
Unternehmer, die in Insolvenz schlittern oder einfach erfolglos sind, haben seiner Ansicht nach zu 100% selbstschuld. Es gäbe kein Geschäftsfeld, bei dem man nicht erfolgreich sein könne. Es scheitere immer nur an Faulheit, Gier und unternehmerischen Fehlern. Wenn man sich richtig einsetze ginge alles.
Er können ohne lange nachzudenken 400 Geschäftsideen aufzählen, mit denen man ein florierendes Unternehmen gründen können – natürlich vorausgesetzt, man sei bereit sich richtig einzusetzen und sieben Tage die Woche um vier Uhr morgens aufzustehen.
Als er angefangen hätte, gab es die Begriffe „Überstunden“ oder „Urlaub“ gar nicht.
Da habe man mit großer Selbstverständlichkeit und Freude zehn Stunden am Tag durchgearbeitet und sei dann so lange geblieben bis alles erledigt gewesen sei.
Es wäre ihm und niemand anderen jemals eingefallen zu sagen „ach, am Samstag möchte ich lieber nicht kommen, weil ich mich dann mit meiner Freundin treffe!“
Heute hingegen wären die Menschen so dekadent und faul, daß sich extra eine eigene Bemutterungsindustrie gebildet habe.
Das sei eben das Perfide am Kapitalismus – alles werde ausgenutzt. Da kämen dann Ärzte, die sich extra Begriffe wie „Depression“ oder „Burn Out“ ausdächten, um den Menschen eine Ausrede für ihre Bequemlichkeit zu geben.

Ohne Ironie zu bemühen: Ich kann diese Sichtweise durchaus nachvollziehen.
Menschen der Flakhelfergeneration, die als Kind den totalen Zusammenbruch erlebten, sogar hungern mußten und dann alles daran setzten wieder auf die Beine zu kommen, können die Sorgen der heutigen Jugendlichen nicht verstehen.
Die Flakhelfergeneration wurde zu einem perfekten Zeitpunkt geboren: Während ihres gesamten Berufslebens ging es immer nur kontinuierlich aufwärts. Alles wurde immer besser, während in Europa so lange wie nie zuvor Frieden und Stabilität herrschte.
Es war keine Ignoranz, sondern es lag tatsächlich außerhalb der Vorstellungskraft sich über Dinge wie verprügelte Kinder in Christlichen Heimen, Vorhautbeschneidungen, Schwulenparagraphen, Verbot der Vergewaltigung in der Ehe, Prügelstrafe in der Schule oder §218 Gedanken zu machen.
Man stimmte diesen vielen Restriktionen nicht unbedingt bewußt zu; sie waren so selbstverständlich, daß man gar nicht auf die Idee kam sie zu hinterfragen.

Der Luxus, den man sich peu à peu erarbeitete – die Waschmaschine, ein Kühlschrank, einen Fernseher, ein Restaurantbesuch, womöglich ein eigener VW-Käfer, eine Reise an die Ostsee oder später sogar nach Italien - machte das Leben schöner und komfortabler.
Er veränderte aber die Lebensbedingungen nicht fundamental. Es ging immer alles weiter seinen Gang.
Man absolvierte die Schule, bekam einen Ausbildungsplatz und anschließend blieb man 45 bei einer Firma. Das Gehalt wurde dabei kontinuierlich so erhöht, daß man es sich immer etwas gemütlicher machen konnte.

Die extremen Veränderungen unserer gesellschaftlichen Bedingungen sind noch recht neu. Eine Globalisierung, die ganze Industriezweige einfach verschwinden läßt, klimatische Veränderungen, Terrorgefahr, Internet – das sind Entwicklungen, die rasend schnell gehen und niemand unberührt lassen.

Das Internet macht grundsätzlich wie das Fernsehen Dumme dümmer und Kluge klüger.
Generell ist aber unser Zugang zu Informationen exponentiell gewachsen.

Ein 18-Jähriger in den 50er Jahren mußte sich zum Masturbieren noch umständlich von Muttern Kataloge mit Unterwäsche klauen und dann anhand kleiner Bilder, die einen nackten Frauenunterschenkel zeigten ganz viel Phantasie aufwenden.
Heute hat jeder 13-Jährige ungehindert jeder Zeit Zugriff auf drastischste Pornos jeder erdenklichen Spielart.
Zudem ist das Risiko erwischt zu werden insofern viel geringer, weil es höchstens peinlich ist. Die Zeiten, daß man dafür verprügelt oder beim Pastor gemeldet wird, sind vorbei.

Haben es also heutige Jugendliche nicht leichter?

Ja und Nein.
So bequem die onastische Entwicklung im Internetzeitalter sein mag; sie hat eben auch das Potential zu großer Verunsicherung und Ausbildung von Komplexen, weil ich viele Pubertierende fragen werden, ob sie den Vorgaben der professionellen Pornowelt wohl genügen werden.

Ein 18-Jähriger in den 50er Jahren war gar nicht so leicht zu erreichen. Man blieb in derselben Clique und Verabredungen erforderten eine komplizierte Logistik und Planung.
Heute hat jeder 13-Jährige ungehindert jeder Zeit Zugriff auf ein Smartphone und kann 24 Stunden pro Tag mit jedem auf der Welt in Kontakt treten. Es muß sich keiner mehr einsam fühlen; mit wenigen Klicks ist eine neue Peergroup von Gleichgesinnten gefunden.

Haben es also heutige Jugendliche nicht leichter?

Ja und Nein.
Internetkommunikation ist zweifellos ein Segen – insbesondere für die Außenseiter oder die Jugendlichen, die abseits von Städten wohnen.
Aber offenbar schafft das auch einen enormen Druck, öffnet Mobbing Tür und Tor, läßt einem womöglich die Realität ganz entgleiten und führt somit zu Aufmerksamkeitsabhängigkeiten. Kein Leben ohne Likes. Kein Sein ohne Selfie.

Die Liste ließe sich noch viel weiter führen.
So sehr unsere biologischen Bedürfnisse „ im Westen“ übererfüllt sein mögen – wir haben mehr als genug Nahrung, Kleidung, Freizeit und Freiheit – desto mehr Unsicherheiten tun sich auf.
Der Luxus dem engen Korsett aus Konventionen entfliehen zu können, nimmt einem gleichzeitig den Schutz und die Sicherheit diese Konventionen nicht zu hinterfragen.

Extraordinäre Amish erleben das, wenn sie nach ihrer „Zeit des Herumhüpfens“ entscheiden, ob sie sich taufen lassen und Amish werden möchten.
Natürlich verlockt es Internet und TV zu haben und sich eine andere Frisur machen zu können. Die Welt draußen ist so spannend.
Aber die Welt der Amish gibt mit all ihren teilweise sinnlosen Regeln und der penetranten Kontrolle durch die Gemeinschaft auch Sicherheit durch die Gruppe.
Wenn einer jungen Amish-Familie das Haus abbrennt und sie von eben auf jetzt alles verlieren, müssen sie nicht wie andere Amerikaner im Auto oder tent-cities vegetieren, sondern es dauert nur wenige Tage bis alle Amish der Umgebung mit ihrem Werkzeug anrücken, um Haus und Scheune größer und schöner als vorher wieder aufzubauen. Natürlich ohne Murren, ohne daß man sie demütig bitten oder bezahlen müsste.
Man muß sich nicht um Kindergartenplätze sorgen und die Oma auch nicht ins Heim abschieben, wenn sie gaga wird.

Die Jugendlichen und anderen faulen Säcke, die der eingangs geschilderte Unternehmer ob der Modeworte „Burn Out“ und „Depression“ auslachte, sind gewissermaßen ihrer Gemeinschaft beraubte Amish.
Ja, das eröffnet eine unendliche Fülle von Möglichkeiten, ist aber auch sehr verunsichernd.

Depressionen, Angststörungen und Stress-Erkrankungen sind real und eben keine Einbildung von Faulpelzen.
Das zeigt schon die hohe Mortalität von Depressionserkrankungen, die im Bereich von Hodenkrebs liegt.
Hunderttausende leiden so sehr, daß sie völlig arbeitsunfähig werden, Tausende sogar so extrem, daß sie nur noch den Suizid als Ausweg sehen.

Früher war alles besser. Ja, das stimmt. Aber früher war eben auch alles schlechter – je nach Perspektive.
Daraus ergibt sich eine Vielzahl von Problemen.

Der Neologismus des Tages ist kein Witz, sondern sehr ernst gemeint. "Affluenza" ist ein geistiger Zustand, der es Jugendlichen unmöglich macht, die Konsequenzen ihrer Handlungen einzuschätzen, weil die Eltern ihnen das nie beigebracht haben.

Affluenza ist die Bezeichnung für die moralische Verderbtheit der Superreichen. Was nach Krankheit klingt, ist ein neues Phänomen, das vor allem "Rich Kids " betrifft. Sie leben den Traum, den andere träumen, sind aber vor dem Gefühl einer großen Leere nicht gefeit.
 [….]  Affluenza setzt sich aus den beiden Worten "affluence" (englisch für Wohlstand) und Influenza, der Grippe, zusammen. Das klingt nach Ansteckung und Gefahr. Und das scheint auch passend. Riskiert man einen Blick auf Instagram, das wortlose Bilder-Eldorado und Kommunikationsmittel heutiger Teenager im Internet, findet man schnell entsprechende Kanäle, die sich Millionen von Zugriffen erfreuen.
[….] "Wenn alles möglich und jeder Wunsch erreichbar ist, hat sehr schnell nichts mehr einen Wert, häufig nicht einmal mehr eine psychotherapeutische Sitzung", sagt [Psychologe Patrick Frottier]  aus eigener Erfahrung. Primär sei ja nicht der Reichtum, sondern der Umgang damit das eigentliche Problem.
Wenn alles möglich ist, endet Freiheit nämlich schnell in einer Beliebigkeit, die gerade für Teenager auf der Suche nach einer eigenen Identität zu Problemen führen kann. "Grenzen geben Sicherheit", sagt er, und Beliebigkeit verhindere das Entwickeln einer eigenen Identität, eigener Werte und damit der Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen.
Ziel einer Psychotherapie sei es deshalb, das Konzept von Eigenverantwortung zu vermitteln. Am anderen Ende der Gesellschaftsskala, also bei den Kindern aus sozial und einkommensschwachen Schichten, gehe es, sagt Frottier, übrigens genau um dasselbe Ziel. Das, was Rich Kids als Beliebigkeit erleben, ist für arme Jugendliche das Fehlen von Möglichkeiten.
Die Konsequenz, so der Kinder- und Jugendpsychiater, bei Arm und Reich: die Verweigerung, Verantwortung zu erkennen und zu tragen. [….] Der britische Psychologe und Autor Oliver James betrachtet das Rich-Kids-Phänomen in einem größeren Kontext: "Es gibt einen Zusammenhang zwischen zunehmender Affluenza und einer größer werdenden, materiellen Ungleichheit innerhalb unserer Gesellschaft", sagt er. Je größer die Kluft zwischen Arm und Reich, umso mehr sehnen Menschen Reichtum herbei. Wünsche, die die Unterhaltungsindustrie gerne erfüllt.
[….] "Verwahrlosung, ob durch Wohlstand oder nicht, hat mit mangelnder Zuwendung und emotional zu wenig sicheren Beziehungen in der frühen Kindheit zu tun", sagt [Psychologin Karin] Lebersorger und sieht in Bezug auf Affluenza noch eine Ursache: häufig wechselnde Betreuungspersonen wie etwa Aupairs oder Kindermädchen.
"Das wirkt sich auf die neurobiologische Entwicklung der Spiegelneuronen aus, ohne die später Empathiefähigkeit nur schwer möglich ist", so die Psychologin. Eltern, die durch Geschenke ihre Abwesenheit und unbewussten Schuldgefühle kompensieren, erzeugen bei den Beschenkten eine Vermischung von materiellen und emotionalen Werten. "Manche Kinder reagieren sensibel darauf."  [….]

Eine extreme Form der Affluenza, bzw der Verweigerung ist die von mir schon zuvor beschriebene Hikikomori.

Sonntag, 1. März 2015

Impudenz des Monats Februar 2015


Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Hamburg ist zweifellos ein wichtiger Medienstandort.
Hier sitzen der NDR, das Studio Hamburg, ARD-Aktuell (Tagesschau, Tagesthemen,..), SPIEGEL, ZEIT und STERN.
Umso peinlicher, daß wir im Gegensatz zu München, Berlin oder Frankfurt keine ordentliche Tageszeitung haben.

Wie die meisten Hamburger habe ich für die regionalen News – mit Bauchschmerzen – die Hamburger Morgenpost und das Hamburger Abendblatt abonniert.
Es hilft ja nichts; von Todesanzeigen über den Immobilienteil bis zu Baustellenmeldungen gibt es eine Menge Themen, die man als Stadtbewohner über sein Umfeld wissen muß, die aber nicht durch die sehr viel besseren überregionalen Periodika abgedeckt werden.

Die Mopo ist schon so oft verkauft worden, daß man kaum noch nachkommt.
Aber sie ist ohnehin Boulevard; mehr als zehn Minuten braucht man morgens nicht, um das Ding durchzulesen – und das ist schon inklusives des Sudoku-Lösens.

Das Abendblatt, immerhin die erste Axel-Springer-Zeitung, sollte eigentlich auf höherem Niveau schwingen, aber es ist womöglich gerade wegen seiner Konkurrenzlosigkeit in der Stadt journalistisch wirklich mau. Es liegt qualitativ noch deutlich unter dem Berliner Tagesspiegel und kann mit der SZ nicht im Entferntesten mithalten.
Eine Schande, denn die finanziellen Mittel wären da.
Der Tagesspiegel (Auflage 110.000) und die Berliner Zeitung (Auflage knapp 120.000) behaupten sich trotz ihrer geringen Reichweite in der 3,5- Millionenstadt, während das so viel dominantere Abendblatt (Auflage 200.000 in einer 1,8 Millionenstadt) behäbig und tumb CDU-freundlich daher kommt.
Es hätte eigentlich nur besser werden können, als im Mai 2014 die Funke-Mediengruppe (Ex-WAZ-Konzern) das Blatt übernahm.

Aber weit gefehlt.
Das Hamburger Abendblatt, das ich hiermit zur Impudenz des Monats Februar 2015 küre, ist sogar nochmals im Niveau abgesunken.

Im Bürgerschaftswahlkampf war es wie eh und je stramm parteiisch und versuchte Olaf Scholz runtertuschreiben, indem es Polit-Hallodries wie den CDU-Rechtsaußen Andreas Wankum und Christopher Ploss immer wieder Platz einräumte für ihre unsachlichen Anwürfe gegen den Senat.
Faktencheck gibt es nicht.

Noch ungenierter sind die stets äußert wohlwollenden Portraits christlicher Würdenträger in dieser weit überwiegend atheistischen Stadt.
Da erfüllt es mich mit Genugtuung zu sehen, daß die Auflage, die 1998 noch bei 320.000 Exemplaren lag, inzwischen unter 200.000 gerutscht ist.

Hinzu kommt beim Abendblatt eine eigentümliche Kundenfeindlichkeit.
Lange Zeit genoss ich beispielsweise kostenlosen Online-Zugang, wie ihn die meisten Zeitungen ihren PRINT-Abonnenten automatisch einräumen.
Im August 2014, drei Monate nach der Übernahme durch FUNKE wurde mir der E-Paper-Account gekündigt. Das sei aus steuerrechtlichen Gründen ab sofort nicht mehr möglich, bedeutete man mir.
Ein offensichtlich vorgeschobenes Argument, denn alle anderen Zeitungen, deren Print-Version ich abonniert habe, bieten mir nach wie vor Online-Zugang.
(Bei der SZ leider immer nur zehn Tage, aber immerhin.)

Nun müsste ich NEBEN meinem Printabo, für das ich immerhin 450 Euro jährlich zahle (sic!) noch einmal für die Onlineinhalte zahlen – und zwar nicht zu knapp: € 1,50 pro Ausgabe oder € 20,- pro Monat, also zusätzlich € 240,- im Jahr.
Damit kosten Online und Print im Jahr zusammen sogar mehr als die SZ-Print und SZ-Epaper!
Geht es noch, lieber Funke-Konzern?
Ich bin gerne bereit für Zeitungen zu bezahlen, aber das Abendblatt liegt qualitativ UND quantitativ WELTEN hinter der SZ. In der Preisliga könnt ihr nicht mithalten!

Dazu zwei kleine Beispiele.

1.)
Kraftwerk Moorburg.

Vattenfall hatte sich von dem riesigen Kraftwerk an der Süderelbe den großen Wurf erhofft, aber für den Energie-Riesen lief das Milliarden-Projekt alles andere als reibungslos. Eigentlich sollte der Bau bereits 2012 fertig sein. Die Baukosten stiegen von 1,7 auf knapp 3 Milliarden Euro. […]
Der damalige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) war es gewesen, der mit dem Kraftwerk den Wünschen der Industrie nach einer zuverlässigen Stromquelle nachgab. 2007 verkündete er den vorzeitigen Baubeginn. Als er dann nach der Bürgerschaftswahl 2008 mit den Grünen eine Regierung bildete, konnten diese den Bau nicht mehr verhindern. […]
Selbst wenn der Wirkungsgrad des Kraftwerks laut Vattenfall mit 46,5 Prozent über dem deutschen Durchschnitt von 38 Prozent liegt, produziert Moorburg bei voller Auslastung dennoch 8,5 Millionen Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid pro Jahr.

Dieses Monstrum ging gestern an Netz und es stellt sich nun offiziell heraus, was man schon 2007 und 2008 ausführlich öffentlich diskutiert hatte: Das Ding ist totaler Mist!

Die Besonderheit ist, daß die schlimmsten beiden CDU-Jahre, als wirklich alles schief ging und die katastrophalsten Fehlentscheidungen getroffen wurden, die beiden letzten Jahre unter schwarz-GRÜN waren.
Wir erinnern uns; das erste, das die grüne Umweltsenatorin Hajduk tat, war die Super-CO2-Schleuder Moorburg zu genehmigen.

Paradoxe Qualifikationen bringen aber auch die grünen Senatoren - hier wächst durchaus zusammen, was zusammen gehört.

Die GAL stellt den Justizsenator und Hamburg schiebt brachial ab.
In den Gefängnissen gibt es eine Serie von Suiziden bei Abschiebehäftlingen.

Die grüne Schulsenatorin hatte so viel Erfolg mit ihrer Reform, daß die Bevölkerung das zentrale schwarzgrüne Projekt in einem Volksentscheid glatt beerdigte.
Finanzielle Unterstützung hielt der „Gucci-Protest“ der Hamburger Reichen unter anderem von einem gewissen Ian Kiru Karan. (s.u.)

Dritte und wichtigste grüne Senatorin ist die Chefin von Umwelt und Stadtplanungsbehörde - Anja Hajduk, die in noch nie dagewesener Weise Hamburgs Straßenbäume abzuholt.
Das Kraftwerk Moorburg, die Inkarnation der Klimapest, wurde gleich zu Anfang von der Grünen Umweltsenatorin Anja Hajduk genehmigt.
Es erzeugt allein so viel CO2, wie das ganze Land Bolivien. Moorburg, das 2012 für 1,7 Milliarden Euro fertig gestellt werden soll, wird so viel Kohle verbrennen, dass jährlich 8,5 Millionen Tonnen CO2 in die Luft gepustet werden.
Das entspricht den jährlichen Abgasen von mehr als 1,4 Millionen PKW - mehr als das Doppelte des gesamten Straßenverkehrs in Hamburg.

Die Moorburg-Entscheidung der Hamburger Grünen wird erst jetzt in ihrer ganzen Tragik deutlich.

Das Monstrum ist so „groß, teuer, schmutzig – und unrentabel“, daß auch Vattenfall das Ding lieber heute als morgen stilllegen würde.

Vielen Dank, Hamburger Grüne!

[….] In Moorburg steht ein Milliarden-Koloss, den heute keiner mehr bauen würde. Heftige Proteste begleiteten den Bau des Kohlekraftwerks, Pannen und Prozesse bremsten das Projekt aus. Eigentlich sollte der erste Block schon vor Jahren in Betrieb gehen. Jetzt steht ein neuer Termin – mal wieder. Stößt Vattenfall das Sorgenkind am Ende sogar ab?
„Probebetrieb“, „Betriebssetzungphase“ – Begriffe, die eines zeigen: Noch immer ist Moorburg nicht voll in Fahrt. [….] Fakt ist: Bilanziell hat das Unternehmen beim Wert des drei Milliarden Euro teuren Kraftwerks schon eine Milliarde Euro abgeschrieben. Zudem will sich Vattenfall von seinen Braunkohle-Kraftwerken in der Lausitz trennen. Solche Verkaufsabsichten bezögen sich nicht auf Moorburg, betont die Sprecherin.
Aber wenn einer viel Geld bietet? Einige Argumente sprechen für einen Verkauf: Das Kraftwerk ist zu groß. Die Energiewende schreitet voran, auch wenn das Kraftwerk modern ist, steht Kohle für die Vergangenheit. Und auch das Image des Unternehmens spielt eine Rolle. Manfred Braasch (BUND) sagt: „Aus meiner Sicht ist die Zukunft des Kraftwerks völlig offen.“ Nur: Wer sollte das Ding kaufen?
Auch der SPD-Senat hat klargestellt, Moorburg würde man heute so nicht mehr bauen. Die CDU-Abgeordnete Birgit Stöver forderte jüngst eine Stellungnahme zu den massiven Verzögerungen. Der Senat antwortete: Die Verantwortung liegt bei Vattenfall. Alle Anträge und Anzeigen zu technischen Änderungen seien von den Behörden fristgerecht bearbeitet worden. [….]

(Was für eine Frechheit der CDU! Sie waren es, die gegen den Rat der SPD das Monstrum förderten und genehmigten. Genau wie die Elphi muß die SPD nun die CDU-Suppe auslöffeln und wird noch beschimpft von den Verursachern des Problems!)

Daß sich Grünenchefin und CDU-Liebchen Fegebank so ungeniert auf die Hamburger Wahlplakate traut, ist mir ein absolutes Rätsel.

Das Abendblatt hatte natürlich während all der Jahre für die CDU, für Ole von Beust und für Moorburg Stimmung gemacht.
Nun, nur sieben Jahre nach allen anderen, verkünden sie mit vorgehaltenem Finger, das Bauwerk sei ein „großer Irrtum“. So etwas dürfe nicht mehr vorkommen!
Ja, Abendblatt, die Kunde höre ich wohl. Dann wäret Ihr aber mal besser Eurem journalistischen Auftrag nachgegangen und hättet schon vor zehn Jahren mal recherchiert, aufgeklärt und die Moorburg-Gegner unterstützt, statt verhöhnt!

[…] Als das Kohlekraftwerk Moorburg in der Mitte des vergangenen Jahrzehnts geplant wurde, sah die Welt der Stromerzeugung völlig anders aus. […] [Bullshit – der rotgrüne Atomausstieg stammt aus dem Juni 2000! – T.] ] Zehn Jahre später jedoch ist klar, dass die Versorgungsunternehmen das Vorhaben nicht mehr stoppen können, dass die Nutzung der Atomkraft in Deutschland bis zum Jahr 2022 auslaufen wird – und dass der Bau und Betrieb neuer Kohlekraftwerke niemanden im Lande mehr begeistert.
Die Tragik des Kraftwerks Moorburg besteht darin, dass ein solches Bauprojekt ohne Weiteres zehn Jahre lang dauern kann. In der vergangenen Dekade aber haben sich die Bedingungen am deutschen Energiemarkt fundamental verändert. Was damals als fortschrittlich galt, wirkt heute wie ein Relikt aus grauer Vorzeit. […]  Vattenfall müsste die Dampfturbinen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten nun also so oft wie möglich auf Hochtouren laufen lassen, um den wirtschaftlichen Schaden halbwegs einzugrenzen – das allerdings würde bedeuten, dass vom Hamburger Gebiet aus Jahr für Jahr bis zu neun Millionen Tonnen Kohlendioxid zusätzlich in die Atmosphäre ausgestoßen werden, in einer Zeit, in der die Staatengemeinschaft erbittert und fast ohne Erfolg um die Reduktion jeder einzelnen Tonne Treibhausgas ringt.
[…]  Ein weiteres Chaosprojekt können sich Hamburg und Schleswig-Holstein nicht erlauben. In Wedel müssen alle klug kooperieren, um die beste Lösung für ihre Region zu erreichen: die beteiligten Landesregierungen, der Energieversorger Vattenfall, Anrainer und Umweltschützer. Denn ein neues Moorburg darf es nicht geben.

2.)
Plapper-Weihbischof Jaschke.

Herrn Jaschke, den omnipräsenten Kamerafetischisten hält es natürlich nicht zu Hause, wenn er die Chance hat sich einem Millionenpublikum zu zeigen.
Man erzählt sich, er lächele an jeder roten Ampel und werfe sich in Position, weil er das Licht für eine aufnehmende Kamera hält.

Jaschke ist immer der Erste, der seinen Senf dazu gibt und seiner persönlichen Hauspostille „Hamburger Abendblatt“ Interviews und Einsichten verschafft.

744 Artikel zeigt die Suchfunktion des Abendblattes an, wenn man „Weihbischof Jaschke“ eingibt.
Das Abendblatt ist dabei, wenn ihn Schüler fragen „Welchen Klang hat das Wort Gott?“, es berichtet von seiner Eröffnungspredigt der 40. St.-Ansgar-Woche und transportiert auch sofort Jaschkes Entsetzen darüber, daß eine ehemals evangelische Kirche nach zehn Jahren Brachliegen zu einer Moschee werden soll.

Höchst verwundert zeigt sich der katholische Weihbischof Hans-Jochen Jaschke. "Die Austauschbarkeit von Christentum und Islam ist nicht im Sinne eines guten interreligiösen Dialogs."

Der öffentliche Jaschke scheint einen geradezu pathologischen Mitteilungsdrang zu haben.

Gestern durfte Jaschke sich wieder einmal ausbreiten und faselte so einen Unsinn, daß man schon allein deshalb sein Abendblatt-Abo kündigen möchte.

Menschen knien in einer Reihe und warten auf die Enthauptung, gnadenlos mit unbeschreiblichem Sadismus von der Kamera festgehalten. Hunderte von Mädchen werden entführt und auf das Widerwärtigste missbraucht. Jüdische Kunden in einem Supermarkt werden erschossen. Die Bilder des Schreckens und der Gewalt reißen nicht ab. […]  Als Mann des Glaubens und der Sache der Religion empört es mich zutiefst, es beschämt mich, wenn Gott bei diesem Wahn im Spiel sein soll, wenn er in seinem Namen geschehen oder doch irgendwie gerechtfertigt werden soll.
[…Was meinen Sie Herr Jaschke, wie zutiefst empört man erst über diesen religiotischen Gewaltwahn ist, wenn man evolutionärer Humanist ist und mit immer vor Religion warnt!]
Hat Religion ein solches Gewaltpotential?
[Ja!] Ist Gewalt die böse Kehrseite der frommen Berufung auf einen Gott?
[Ja!] So fragen mich kritische Geister.
[…] Auch Christen sind nicht unschuldig. Wir wissen um die finsteren Kapitel unserer Geschichte, um den Missbrauch von Gott für Zwecke und Ziele, die ihm total widersprechen.
[Offenbar kennen Sie, Herr Jaschke, die Bibel und Ihren Gott nicht. Denn der ist es ja, der explizit Mord, Massenmord und Vergewaltigung fordert!]
Ja, Religion kann Gewalt wecken und damit radikal ihrem Wesen widersprechen.
[Nein, Gewalt IST das Wesen jeder Religion, weil sie andere herabsetzt und die eigenen Anhänger enthemmt und ermächtigt! Jede Umfrage zeigt, daß gläubige Christen eher ihre Kinder schlagen, eher Folter und Kriegseinsätze befürworten und Todesstrafe mehr akzeptieren]
Soll ich auf andere Ideologien aufmerksam machen?
[Nein!]  Auf einen Nazi-Ungeist, der die grauenvollsten Verbrechen rechtfertigen wollte?
[Die Nazis waren zu 95% Christen, Hitler war Katholik!]  […]
Auf eine RAF mit angeblich [nicht nur angeblich, Du Depp!]  intelligenten Leuten, die kein Unrecht gescheut haben?
[Wobei RAF und Linksextremismus bei weitem nicht so viele Opfer wie (christliche) Rechtsextremisten forderten] Auf Systeme wie in Nord-Korea, die über jede Leiche gehen? [Das ist ebenfalls eine Form der Religion]
 Auf eine Ideologie der Vernunft zu Beginn der europäischen Revolutionszeiten, die die Menschen abgeschlachtet hat?
[WTF?]
Die Christen sollen nicht von sich weg auf die anderen zeigen.
[Und warum Jaschke, tust Du das dann so ausführlich? Ich dachte, Du wolltest nicht auf andere Ideologien aufmerksam machen!]
Gerade die scheinbar Frommen müssen sich bekehren. Sie müssen gegen jeden Missbrauch von Gottes heiligem Namen protestieren.
[Es ist nicht das Problem wozu Gott ge- oder missbraucht wird, da es ihn gar nicht gibt! Schön wäre aber, wenn das Morden durch die Gottgläubigen aufhörte!]
Wir wollen es heute besonders von den religiösen Führern laut hören; sie dürfen sich nicht in feiges Schweigen flüchten: Gott verabscheut das Verbrechen, die Schändung eines jeden Menschen.
[Glatter Unsinn. Das Gegenteil steht in der Bibel. Daher hat auch Jaschkes Kirche in der allerlängsten Zeit ihrer Geschichte die größten Verbrechen an der Menschheit begangen!]
Stoppen wir die Wahnsinnigen! Nehmen wir uns weltweit an die Hand für eine Kultur der Humanität, der Freiheit und Toleranz!
[Aha, endlich ein sinnvoller Satz! Er fordert die Abkehr von der Religion!]
So kann das gute Gesicht der Religion aufleuchten.
[Nach 2000 Jahren des schlechten Gesichtes, wäre es wohl an der Zeit, wenn gar kein Gesicht mehr aufleuchtet bei der Kinderficker-Sekte]
  Es ehrt uns Menschen und will uns von Verblendungen befreien.
[Sklaverei, Frauenverachtung, Genozide, Mord an Andersgläubigen – ja, welche Ehre]