Donnerstag, 14. November 2013

Murx mit Merkel


Mehr und mehr kommen Kommentatoren zu dem Schluß, daß Sigmar Gabriel seine Sache gar nicht so schlecht macht.
Die SPD in die ungeliebte Große K.O.alition zu führen, ohne dabei die Parteiflügel auseinander zu reißen, ist alles andere als einfach.
Frau Kraft drückte es kürzlich sehr anschaulich aus:

75% der Wähler haben uns nicht gewählt! Da ist es absurd anzunehmen, wir könnten 100% des SPD-Programms durchsetzen.

Unglücklicherweise gibt es in der SPD einen Mitgliederentscheid, bei dem 500.000 Menschen ihre persönlichen Partikularinteressen so werten können, daß in der Summe eben doch ein 100%-SPD-Programm erwartet wird.
Es gibt auf Facebook Tausende User, die sich in Gruppen zusammenschließen, dort verabreden kollektiv in die SPD einzutreten, dann bei dem Mitgliederentscheid mit „Nein“ stimmen und anschließend sofort wieder austreten.
Die Verfechter der Homorechte, die Ausländer, die auf die doppelte Staatsbürgerschaft schielen, die Waffenexportgegner, die Niedriglöhner – jeder bekennt auf Facebook keinesfalls mit „Ja“ zu stimmen, wenn nicht sein Anliegen 1:1 erfüllt wird.
Die SPD riskiert und akzeptiert diese tangentialen Mitgliedschaften, weil sie hofft, daß einige doch länger bei ihnen bleiben, nachdem sie gesehen haben, welche Vorteile man dadurch hat. Tatsächlich ist die SPD-Methode die Koalitionsverhandlungen zu führen von beispielhafter Transparenz. Wir Parteimitglieder werden täglich über den Verhandlungsstand informiert, können mitdiskutieren und anschließend abstimmen.

Trotz des mauen SPD-Ergebnisses von knapp 26 Prozent ist es Gabriel gelungen, seine widerstrebende Partei auf eine große Koalition einzuschwören. So gekonnt hat er taktiert, dass sogar die Basis der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zustimmt. Nun steht der 54-Jährige kurz davor, eine tragende Rolle in der neuen Regierung einzunehmen.

Obwohl Gabriel gewissermaßen einen Lauf hat, hält sich die SPD an das Hildebrandtsche Motto „Die SPD scheißt in jede Hose, die man ihr hinhält“:

Die SPD hat Glück, erstmals seit vielen Jahren hat sie wieder so etwas wie eine starke Führungsfigur. Sigmar Gabriel ist politisch gereift, taktiert geschickt in den Koalitionsverhandlungen und versteht es, seine Politik gut zu erklären. Mit seiner nachdenklichen Rede auf dem SPD-Parteitag in Leipzig hat er das unter Beweis gestellt.
Alles gut also bei der SPD? Bei weitem nicht.
Die SPD wäre nicht die SPD, wenn sie es sich und ihrem Führungspersonal einfach machen würde. In Leipzig ist zu spüren: Die SPD ist eine Partei in Angst. Die Parteispitze hat Angst vor der unberechenbaren Basis. Die Basis hat Angst vor der Großen Koalition. Und alle zusammen fürchten sie sich vor der Zukunft.

Obwohl die Strategie des heute mit Verlusten wiedergewählten Parteivorsitzenden durchaus als intelligent zu bezeichnen ist (insbesondere gefällt mir der Nadelstich in Merkels Hintern nun die Linken-Ausschließeritis zu beenden) bleiben einige Probleme.

1.)  Grundsätzlich besteht das Problem bei Basisbefragungen, daß man die Entscheidung den am wenigstens Qualifizierten überlässt. Es gibt auch „Schwarmdummheit“
2.)  Das Personal der SPD ist eher mau, weil die besten Köpfe in den Ländern (Z.B. Hamburg und NRW) sitzen bleiben wollen. Stattdessen wird der SPD-Teil der möglichen nächsten Bundesregierung vermutlich von zwei religiösen Dumpfbacken, die im Wahlkampf schwer versagt haben, bestimmt: Nahles und Steinmeier.
3.)  Auf die Inhalte kommt es an und die überzeugen bisher nicht.

Inhaltlich der neuen Großen Koalition einen Stempel aufzudrücken ist nahezu unmöglich, wenn man erstens der sehr viel schwächere Partner ist und zweitens die Person, die für den deutlich stärkeren Partner spricht, Angela Merkel heißt.
Wie schon bei dem inzwischen legendären Koalitionsvertrag von 2009, der als der Schlechteste, Un-ambitionierteste und Unkonkreteste der Geschichte der Bundesrepublik galt, bleibt Merkel auch 2013 ihrer Linie treu, sich nicht in politische Angelegenheiten einzumischen. Denn nur als in Luftblasen schwebende Präsidialkanzlerin konnte sie ihre gigantischen Zustimmungsraten erreichen.
Daß in Deutschland endlich mal die liegengebliebenen Themen aufgearbeitet werden, will sie nicht. Und schon wieder klappt ihr Flirt mit den Meinungsmachern. Die SPD wird gescholten, sinkt sogar noch in den Umfragen und Merkel ist sakrosankt. Fast.

Um die ganzen Schwierigkeiten dieser Koalitionsverhandlungen zu verstehen, muss man nur wenige Wochen zurückdenken, an einen der dunkelsten Momente der Kanzlerin: jene Minuten des Wahlabends, als für Angela Merkels Union sogar die absolute Mehrheit möglich schien. Merkel wollte das nicht. Die absolute Mehrheit für CDU und CSU, sie hätte zwar die absolute Macht, aber eben auch die absolute Gestaltungsfreiheit bedeutet. Und Merkel ist keine Gestalterin. Sie verwaltet eher, sie reagiert lieber. Deswegen verlaufen die Koalitionsverhandlungen jetzt so ambitionslos.
Am 17. Dezember soll Angela Merkel das dritte Mal zur Kanzlerin gewählt werden. Bis dahin sind es noch lange fünf Wochen, doch schon jetzt schleppen sich die Verhandlungen zwischen Union und SPD dahin; die unzähligen Arbeitsgruppen häufen Ausgabenwünsche und Ideen an; alles wirkt unkoordiniert und eher so, als tagten hier die Unterabteilungen eines mittelgroßen Sportvereins – und nicht die künftigen Regierungspartner der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt.
Die Prügel dafür bekam bislang vor allem die SPD ab, aber zunehmend gerät die Kanzlerin ins Visier der Kritiker. Wie sie das Land zukunftsfähig machen will, ja wie eine moderne CDU-Wirtschaftspolitik aussehen soll, dazu fehlen Merkel die großen Ideen. […] Eine Reformagenda, von der im Wahlkampf viele träumten, ist Illusion. "Warum sollten wir das tun?", fragt ein hochrangiger Christdemokrat. "Damit würden wir doch nur unsere Erfolge der vergangenen acht Jahre infrage stellen."
[…]   Im System Merkel spiegele sich die Genügsamkeit von Politik und Gesellschaft, die sich vom großen Streit um Ideale verabschiedet hätten. Es regiere die "organisierte Anspruchsarmut", schreibt der Publizist Richard Meng in seinem Buch Merkelland. Klingt wie 2013, war aber 2005 – nur dass es jetzt zum Problem werden könnte.
Mal sehen, wie sich die Kabinettliste präsentiert. Ein sehr starker Minister könnte natürlich unabhängig von den lauen Vorgaben eines Merkelkoalitionsvertrages gute Politik machen.
Allerdings scheint QUALIFIKATION, wie immer unter einem CDU-Kanzler, bei den Ministerbesetzungen keine Rolle zu spielen.

Mann, Frau, Ost, West, rechts, links: Bei der Kabinettsbildung kommt es auf vieles an – nur nicht auf die Eignung. […]
Der Wähler wünscht sich Minister, die nach Kompetenz und Charakter ausgesucht werden. [Stimmt NICHT – Guttenberg und von der Leyen sind ganz ohne Kompetenz beim Wähler extrem beliebt gewesen! – T.] In der politischen Realität begegnet ihm aber stets die Proporz-Dreifaltigkeit aus Region, Geschlecht und Lager. Bei der Personalauswahl für den Kabinettstisch ist nicht entscheidend, was jemand kann und wie er auftritt, sondern woher jemand kommt, ob er Mann oder Frau ist und wo er oder sie in der eigenen Partei angedockt hat, sprich: wem er oder sie nützt. Dieses Mal aber ähnelt die Besetzung des Kabinetts einer Gleichung, die nicht aufgeht. Jeder Versuch, diese Gleichung zu lösen, führt in ein Labyrinth, aus dem es keinen Ausweg gibt.
Voraussichtlich 16 Ministerposten sind zu vergeben: sieben für die CDU, sechs für die SPD, drei für die CSU. Die SPD will ihre Ressorts gendergerecht verteilen. In der internen Machtverteilung zählen die Positionen des Fraktionsvorsitzenden und des parlamentarischen Geschäftsführers mit. Acht Jobs sind also zu haben, vier für Frauen. Gesetzt sind, es ist ja die SPD, drei Männer: Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Thomas Oppermann.
Steinmeier, der einstige Schatten Gerhard Schröders, zählt SPD-intern als Hannoveraner. In einer Partei gelten zwar Regeln – nicht aber für den Chef. Gabriel hat seinen niedersächsischen Männerblock nominiert – er selbst ist in Goslar, Oppermann in Göttingen zu Hause – und anschließend die anderen großen Landesverbände aufgerufen, Frauen zu nominieren. So macht man sich keine Freunde. Schon gar nicht in NRW.
[…]  Die CDU hat allem Proporz weitgehend entsagt, was leichterfällt, wenn alle Macht weiblich ist. […] In der CDU ist es wichtiger, zwischenmenschlich mit der Kanzlerin klarzukommen, als aus einem mitgliederstarken Bundesland zu stammen. Nicht der Proporz ist Quelle künftigen Frusts, sondern persönliche Ambitionen, die unerfüllt bleiben.
[…] Über den Länderfinanzausgleich heißt es, es gebe nur zwei Leute, die wüssten, wie er funktioniert. Der eine habe es vergessen, der andere sei verrückt geworden. So ähnlich verhält es sich jetzt auch mit dem Kabinettsbasteln.

Im Gegensatz zu den vielen anderen Anti-Merkel-Bewegten, hat das Parteimitglied Tammox noch keine Entscheidung über sein Abstimmungsverhalten getroffen.
Dazu möchte ich erst einmal das Vertragswerk sehen und wissen worüber ich eigentlich abstimme.
Die Chancen für ein „Ja“ sind allerdings nicht riesengroß.

Mittwoch, 13. November 2013

Wo das herkommt, gibt es noch viel mehr




Der Einfachheit halber sollte man sich ersparen bei der Aufzählung des kirchlichen Hasses die einzelnen Gruppen, die gehasst werden zu nennen.
Xenophob, antiislamisch, misogyn, rassistisch, homophob, antisemitisch – diese Begriffe tauchen ohnehin meistens zusammen auf, weil die Unterbelichteten der Nazi- oder Katholobewegung eben alles hassen, das irgendwie anders ist oder als minderwertig dargestellt werden kann.
Klar, im Laufe der Geschichte wurden Konservative und Kleriker von der Bürgerrechtsbewegung gezwungen einige Aspekte ihrer Anti-Haltung aufzugeben.
Selbst amerikanische Evangelikale der radikalsten Sorte würden heute nicht mehr so ohne weiteres ihre antischwulen Tiraden auch auf Schwarze beziehen. Vor einigen Generationen hatte man noch beides gleichermaßen abgelehnt.
Und die deutsche CDU, die verbissen gegen die vollen Homorechte kämpft, würde heute ihre antischwulen „Argumente“ niemals mehr auf Juden beziehen, obwohl vor 75 Jahren noch beide Minderheiten als „gleich schlimm“ galten.
Daß die Vorbehalte der Union gegen gelichgeschlechtliche Eltern genauso absurd sind wie die angeblich minderwertige „jüdische Rasse“, stört die Rechten wie immer wenig.
gute sache! manuela schwesig und ihre mitstreiter kämpfen für grundwerte und gleichberechtigung. merkel und die cdu kämpfen dagegen. peinliche gurkentruppe!
(Johannes Kahrs, 13.11.13, empfiehlt einen Artikel via FB)
Die Versuche der Union die Zeit aufzuhalten, sind zum Scheitern verurteilt.
Eines Tages wird sich eine neue CDU-Generation heftig dafür schämen bis weit ins 21 Jahrhundert hinein auf diskriminierenden Positionen beharrt zu haben.

In Russland bleibt womöglich noch ein bißchen mehr Zeit. Neben dem Hass auf Nichtgläubige, Juden und Homosexuelle, erweitert Kyrill gerade noch einmal seinen Hass-Vorrat.
Dabei ist seine Homophobie auch schon nicht von schlechten Eltern und verursacht grausam behandelte Opfer.

Sie erniedrigen ihre Opfer, rasieren ihnen den Kopf, schreiben ihnen das Wort "Homo" in den Pass: Russische Neonazis drangsalieren Schwule, filmen die Qualen und stellen die Aufnahmen ins Netz. Die Behörden sahen dem Treiben lange tatenlos zu. […]
"Seid gegrüßt, meine kleinen Freunde des Extremismus", so beginnt Marzinkewitsch seine Videos. Mit Helfern lockt er Homosexuelle in Wohnungen. Dann quält er sie und stellt Mitschnitte davon ins Netz. Nackt müssen sie vor ihm knien. Dann rasiert der Neonazi ihnen die Haare und pinselt eine Regenbogenfahne auf die Kopfhaut. Der Regenbogen ist das Symbol der internationalen Schwulenbewegung.
Mal zwingt er sie, an einem riesigen Sexspielzeug zu saugen, mal ruft er Bekannte, Dozenten oder Arbeitgeber seiner Opfer an, um diese bloß zu stellen. Manchmal gießt Marzinkewitsch ihnen eine Flüssigkeit über den Kopf, die stark an Urin erinnert. In einem der Streifen müssen zwei junge Männer halb entkleidet miteinander tanzen. Einer der beiden weint.
Wenn Marzinkewitsch zuschlägt, lässt er das Bild ausblenden und zeigt stattdessen eine zynische Schrifttafel mit der Aufschrift "Nein zu Gewalt". Weil die Tonspur weiterläuft, hört man die Schreie seiner Opfer, die er mit der Faust oder einem Gummiknüppel schlägt. Er sagt: "Ich will töten, aber ich darf nicht." […]
Im Internet wirbt der Schwulenhasser um Nachahmer. Tesak rät ihnen, Messer lieber nicht zu benutzen, "um den Fang nicht zu beschädigen". Seine Fangemeinde wächst im Internet mit jedem Tag. Das macht sich der Neonazi auch finanziell zu nutze. Er wirbt auf seiner Webseite für Nahrungsergänzungsmittel von Body Buildern oder Diätprodukte.
[….] Er [schickt…] einen Videogruß an die Abonnenten seiner Seite beim Facebook-Klon VK.com. Dort hat er 190.000 Fans.

Die Saat des Oberhirten geht also auf.

Die rund 100 Millionen Mitglieder hören auf den Prunk-Patriarchen Kyrill, welcher im eine-Million-Euro Maybach durch Moskau rast und eine Vorliebe für extrem teure Uhren auslebt.

Die Spitzen des Staates zeigen sich regelmäßig zu den Feiertagen beim Gottesdienst, der Klerus wurde in politische Gremien eingebunden, Patriarch Kyrill macht vor Wahlen stets klar, wen die Kirche für den richtigen Kandidaten hält, und preist die Putin-Ära als 'ein Wunder Gottes'.  […] Besonders die Jungen und die Angehörigen der Intelligenzija, […] stoßen sich heute daran, dass Würdenträger in Staat und Kirche sich in ihrem zynischen Verhältnis zur Macht immer ähnlicher werden. Selbstverständlich werden die Straßen gesperrt, wenn der Patriarch in seinem Maybach mit Begleitkolonne durch Moskau fährt, genauso wie das für den russischen Präsidenten oder Premier geschieht. […]  
Der Hang hochgestellter Kirchenmänner zu Prunk und Luxusgütern weckt bisweilen den Eindruck, als würde der Klerus jetzt nachholen, was die Oligarchen in den wilden Zeiten des Banditenkapitalismus vorgelebt haben.
 (Sueddeutsche Zeitung 27.04.12)

Der Prass- und Prunk-begeisterte Metropolit Kyrill rafft aber nicht nur Luxusgüter an sich und spannt den Staat für seine Geldgier ein, sondern er unterstützt auch euphorisch die diskriminierende Hetze gegen sexuelle Minderheiten in Russland.
 
"Moral ist entweder absolut, oder es gibt sie nicht. Wenn Sie Homosexualität rechtfertigen, warum dann nicht gleich Pädophilie?", erklärte Kyrill vor einem Jahr im Interview mit dem Hamburger Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“.
 Der neue Chef der 135 Millionen Russisch-Orthodoxen Christen begründete seinen Vergleich mit der Heiligen Schrift: "Die Bibel nennt das Sünde", so Kyrill zur Homosexualität. Der CSD Moskau sei daher lediglich "eine aufdringliche Zurschaustellung von Unzucht".
(Queer.de 02.02.2009)

Menschenrechte, Demokratie und womöglich Schwulenrechte - das mag der Russische Patriarch in Moskau genauso wenig wie Ratzinger im Vatikan.

"Sie persönlich, Wladimir Wladimirowitsch, haben eine großartige Rolle bei der Korrektur des Laufs unserer Geschichte gespielt. Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken", sagte der Patriarch nach Kirchenangaben. In der Vorwoche hatte Kyrill I. orthodoxen Christen abgeraten, an der dritten großen Protestkundgebung gegen Putin in Moskau teilzunehmen. Sie sollten lieber zu Hause beten, als Sprechchöre zu rufen. 
(Kathweb 09.02.2012)

Immer mehr scharf homophobe Gesetze werden in Russland durchgesetzt.

Kyrill hasst neben Ungläubigen, Kommunisten, Schwulen, Muslimen und Protestanten neuerdings verstärkt Ausländer. Das übliche Portefeuille also.

Russland: Patriarch Kyrill I. warnt vor "Überfremdung"
Der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. hat die Regierung seines Landes zu einer härteren Ausländerpolitik aufgerufen. Die Krawalle im Moskauer Stadtviertel Birjuljowo Mitte Oktober hätten gezeigt, dass Russland eine "kritische Grenze" erreiche, wenn sich die Behörden taub gegenüber Forderungen der Bürger nach einer Lösung der "Probleme der übermäßigen Migration, der damit verbundenen Verbrechen und des manchmal provozierenden Verhaltens von Fremden" stelle, sagte das Oberhaupt der russischen Orthodoxie nach Angaben der Moskauer Nachrichtenagentur Interfax bereits am 1. November.
Wenn die Position der Mehrheit der Russen "weiter ignoriert" werde, würden davon nur die Scharfmacher auf beiden Seiten profitieren, die Russland zerstören wollten. Es drohe eine sehr gefährliche "Entfremdung der Russen, vor allem der jungen Russen, vom Staat und staatlichen Strukturen".

Christen – wenn sie mächtig werden……….

Dienstag, 12. November 2013

Sport und Spaß.



Guckt man sich die Eröffnungsfeier einer Olympiade an, fragt man sich beim Einmarsch der Nationen manchmal, ob zu den Gruppen überhaupt aktive Sportler gehören, weil in der ersten Reihe stets pyknische Funktionärs-Geronten grinsen.
Sportfunktionär ist ein schöner Beruf.
Man muß sich nicht selbst anstrengen, wird fürstlich bezahlt und muß dafür nur im Hintergrund ein paar Strippen ziehen. Das beschränkt sich in der Regel darauf einen Verteilungsschlüssel zu ersinnen, wie die üppig fließenden Vermarktungs-Millionen auf die alten Anzugträger verteilt werden.
Allein die ARD gibt 2013 mehr als 360 Millionen Euro für Sportrechte aus. Und dieses ist ein billiges Jahr ohne Olympiade und Fußball-WM.
Die Herren von IOC, Fifa und Co können also aus dem Vollen schöpfen. Vermutlich können sich überhaupt nur noch sehr reiche, totalitäre Staaten wie Katar oder Russland die Bestechungsgelder für den Zuschlag für eine Fußball-WM oder eine Olympiade leisten.
Mega-Events wie Olympische Spiele sind längst so aufwändig geworden, daß sie keineswegs einen garantierten Geldsegen für das Veranstalterland bedeuten.
Auch der Image-Gewinn ist schlecht planbar, da man „die Stimmung“ nicht künstlich generieren kann.
Einige Olympiaden der letzten beiden Dekaden waren zweifellos tatsächlich in dem Sinne erfolgreich, daß sie eine grandiose Werbung für die Gastgeberstadt und Nation waren.
Noch heute schwärmen Sportler und Besucher von Barcelona 92, Sydney 2000, Vancouver 2010 oder Lillehammer 1994.
Die Bevölkerung spielte mit; die Veranstaltungen waren alle ausverkauft und auch noch der Letztplatzierte eines Wettbewerbs aus einer Nation vom anderen Ende der Welt wurde frenetisch bejubelt.
Atlanta 96, Athen 2004 und Albertville 92 erreichten eher das Gegenteil. Eine unfreundliche, desinteressierte Bevölkerung, die nur die eigenen Athleten beklatschte, machten die Spiele für die Teilnehmer außerordentlich missvergnüglich.
Auch perfekte Organisation, zu der wirklich nicht jede Nation in der Lage ist, garantiert keinen Erfolg.
Ja, Peking 2008 und Nagano 1998 funktionierten nach Drehbuch. Aber mehr auch nicht. Niemand ist deswegen ein Fan der beiden Städte geworden.
Einige Olympiaden schaffen es sogar überhaupt keinen Eindruck zu hinterlassen. Oder kann sich irgendwer noch an Turin 2006 erinnern?
Der logistische und sicherheitstechnische Aufwand verleidet jedem Planer die Laune.

Es erinnert an die Weltwirtschaftstreffen, die einst von Helmut Schmidt erfunden in kleinster Runde in einem Gasthaus stattfanden. Die Idee war, daß Regierungschefs die Gelegenheit bekommen sollten in Ruhe zusammenzusitzen, um längerfristige Pläne zu schmieden.

Heute sind G20-Treffen ein logistischer Alptraum. Allein die amerikanische Delegation ist weit über 1000 Personen groß und zudem müssen Myriaden Protestler niedergeknüppelt werden. Spaß ist anders.
Inzwischen wird überlegt solche Treffen auf einem Flugzeugträger auf hoher See stattfinden zu lassen.
Dort wäre man für Demonstranten nicht erreichbar und würde auch keine Stadt lahmlegen müssen. Die Kosten würden drastisch sinken; die Sicherheit übernähme automatisch das Marine.

Ich stelle mir vor, daß man auf diese Weise auch Leichtathletik-WMs oder Olympiaden durchführen könnte.
Man müßte nur einmal ein richtig großes Schiff bauen, das einem Flugzeugträger ähnlich über eine große Fläche an Deck verfügte, so daß dort Tartanbahnen oder Weitwurfanlagen aufgebaut werden könnten.
Außer den Sportlern wären nur die Dopinglieferanten (vulgo Ärzte) und ein paar Schiedsrichter notwendig.
Man wäre sogar wetterunabhängig, weil sich das Schiff dorthin bewegen könnte, wo es gerade sonnig und windstill ist.
Die Zuschauer würden abgeschafft und könnten stattdessen alles aus dem heimischen TV-Sessel verfolgen.
Die Sportrechtemillionen würden kontinuierlich fließen, weil man auf dem Schiff ein Megasportevent nach dem Nächsten abhalten könnte.

Eine Fußball-WM oder Sommerolympiade in einer normalen Stadt wie zuletzt London durchzuführen, dürfte schwieriger werden, weil sich die Gegner dieses Wahnsinns zunehmend Gehör verschaffen.

Im Frühjahr sagten die Schweizer Nein Danke.

Das Projekt zur Durchführung der XXIV. Olympischen Winterspiele 2022 im Kanton Graubünden muss zurückgezogen werden. Mit 52,7 Prozent Ja-Stimmen und einer Beteiligung von über 59 Prozent haben die Stimmenden des Bergkantons eine Kandidatur bachab geschickt.

Die Bayern gaben den Funktionären letzten Sonntag ein vierfaches NEIN.
Bevor jemand schon sein Scheckbuch zückt, weil er aus Sorge um die darbenden IOC-Funktionäre eine Spende nach Lausanne schicken möchte, sollte ich darauf hinweisen, daß die IOC-Mitglieder noch einen winzig kleinen Notgroschen von 1,1 Milliarden Euro gebunkert haben.

Nervös werden die Inkarnationen der Korruption um die Herren Blatter und Bach aber dennoch.
Nun plötzlich merken sie, daß ihre offensichtliche Geldgier und Bestechlichkeit, die sich unter anderem in den Entscheidungen für Katar (dort sterben derzeit versklavte Arbeiter auf den Baustellen) und Sotchi (dort macht man jetzt schon mal Jagd auf die Schwulen) zeigte, ihr Image gründlich ruiniert haben.
Schon in China 2008 reagierte das IOC mit einem Maulkorberlass für die Sportler, die es wagen würden Zensur und Menschenrechtsverletzungen in Peking anzusprechen.

Die Quittung kommt 2013 aus Deutschland und der Schweiz: Mit solchen Funktionären will man sich nicht mehr ins Bett legen.

Diese Sorte „unangenehmer Mensch“ findet sich offenbar auf allen Sportfunktionärsebenen. Franz Beckenbauer trat nach, indem er nach der erlittenen Abstimmungsniederlage "Das wird ihnen irgendwann leid tun!" giftete.

Gerd Heinze, der Präsident der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft DESG, hat mit drastischen Worten seinen Unmut über das klare Nein der Bürger zu Olympia 2022 zum Ausdruck gebracht. „Auf Deutsch gesagt: Die Bayern haben keinen Arsch in der Lederhose“, sagte Heinze am Montag der Nachrichtenagentur dpa. „Sie sind nicht bereit, das geringste Risiko einzugehen, um Dinge nach vorn zu bringen, die für ganz Deutschland so wichtig wären“, beklagte Heinze.

Heinze weiß wie man sich beim Volk beliebt macht. Die Bayern als Feiglinge zu beschimpfen und darin die Ursache der Ablehnung zu diagnostizieren, ist schon eine bemerkenswerte Tatsachenblindheit.
Die Herren Multimillionäre* sind pissed.

Die Absage der Bürger an eine Bewerbung Münchens war ja weniger gegen das Konzept selbst gerichtet. Sie sollte vor allem ans IOC gehen, für Intransparenz, "Knebelverträge", wie es die Gegner nannten, und Kosten, auf denen die Ausrichter sitzenbleiben. Vor allem zeige die Entscheidung das "Misstrauen" gegenüber dem IOC, sagte denn auch der Schweizer Gian-Franco Kasper, Präsident des Internationalen Skiverbandes und IOC-Vizepräsident.
Noch deutlicher wurde Manfred von Richthofen, DOSB-Ehrenpräsident und als ehemaliger Präsident des Deutschen Sportbundes Vorgänger von Bach: "Das IOC hat keinen guten Ruf. Olympische Spiele haben einen unangenehmen Beigeschmack bekommen. Bach hat einen riesigen Sack von Problemen in Bezug auf Sauberkeit, Doping, Bestechlichkeit, Transparenz. Lösungen sind notwendig."

Politiker quer durch alle Parteien stehen nun verstört da und können nicht begreifen, daß ihr bisheriges Verhalten nicht mehr funktioniert; nämlich dem Volk Brot und Spiele zu bieten, so daß sie sich selbst hervorragend inszenieren können, ohne ihre eigentliche Arbeit zu tun – nämlich die soziale, ökologische und ökonomische Zukunftssicherung.
Hier erlebt man die geistige Entkoppelung von Politfunktionären und Volk.

[…] Die Politik, der treueste Bündnispartner der Sportverbände, ist schlicht schockiert darüber, dass ihr jetzt ein wesentliches Instrument für landesweites Entertainment und nationale Identitätsstiftung wegzubrechen droht. Die Verstörung über ein eindeutiges Bürgervotum ist bezeichnend - im Sport selbst herrscht nun anhaltendes Entsetzen.
Denn das Nein zu München richtete sich ausdrücklich nicht gegen den Sport oder Olympia generell, wie die Gegner vor und nach der Abstimmung darlegten. Sondern im Kern gegen das IOC und die Art, wie der globale Spitzensport heute geführt und vermarktet wird. Ein Spitzensport, der just vor zwei Monaten einen neuen Präsidenten gekürt hat. Der kommt aus Deutschland, heißt Thomas Bach und hat den nationalen Sport über die letzten 15 Jahre dominiert, von 2006 an war er Chef des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). Wenig Vorzeigbares oder Sinnstiftendes ist aus diesen Jahren überliefert. [….] Das Glaubwürdigkeitsdefizit reicht tief in die nationale Sportpolitik hinein. Das dürfte zur größten Hypothek für den organisierten Sport aus dem München-Desaster werden. Unter dem Wirtschaftsberater Bach war die DOSB-Politik stark auf Lobbyismus ausgerichtet; in Michael Vesper gelangte ein Generaldirektor an die Verbandsspitze, dem wenig Fachkenntnis, aber rustikales Durchsetzungsvermögen auf der politischen Bühne nachgesagt wurde. Wie in der großen Sportpolitik üblich, wurden wichtige Prozesse auch hierzulande gern im Hinterzimmer verhandelt.
[….]   Der groteske Höhepunkt dieser Führungskultur war im August 2012 zu erleben, als während der Londoner Sommerspiele das Innenministerium von Journalisten per Gerichtsurteil gezwungen wurde, die Medaillen-Zielvereinbarungen mit dem DOSB offenzulegen.

Wie ich der Hamburger Lokalpresse von heute entnehme, rotten sich die hiesigen Sportfunktionäre nun wieder zusammen, um eine erneute Olympiakandidatur der Hansestadt vorzubereiten.
Wäre München nämlich zum Zug gekommen, hätten Sommerspiele im selben  Land kurz darauf keine Chance gehabt.
2024 ist laut IOC zwar erst einmal wieder Amerika gesetzt, aber 2028 stünde nach Südamerika (Rio 2016), Asien (Tokio 2020) und Nordamerika (2024) im Funktionärsgeklüngel wieder einmal Europa auf dem Plan.
Wie blamabel die Hamburger Kandidatur für 2012 unter dem passionierten Missorganisator Ole von Beust (debakulierte auch bei Elbphilharmonie, Hafencity, Domplatzbebauung, Europapassage, Schulreform, etc..) gescheitert war, ist schon wieder vergessen.
Ich freue mich schon auf den Volksentscheid im gnadenlos durcheventisierten Hamburg über ein zusätzliches Milliardenschweres Megaevent.
Unterdessen ist es aber auch amüsant zu beobachten, wie sie die Olympia-Bewegten nach den Bayerischen Entscheiden zerlegen.
Das vierfache Nein zu Olympia hat in den Kreisen der Befürworter zu Dissonanzen und gegenseitigen Schuldzuweisungen geführt. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) lehnte eine Übernahme der politischen Alleinschuld für das Scheitern der Bewerbung ab und nahm explizit die bayerische Staatsregierung mit ins Boot - was sich die Staatskanzlei umgehend verbat. Es habe sich um kommunale Bürgerentscheide gehandelt, hieß es.
Als ungünstig wurde auch die Wahl des Termins im November bezeichnet - eine Kritik, die am Montag auch aus der Opposition im Münchner Rathaus kam. CSU und FDP warfen Ude vor, durch eine ungünstige Terminwahl sowohl eine ausführliche Olympia-Debatte als auch eine hohe Wahlbeteiligung verhindert zu haben. Sämtliche Olympia-Befürworter gehen nach wie vor davon aus, dass es in der Bevölkerung eigentlich eine Mehrheit für Winterspiele gibt.
[…]   "Ich nehme zur Kenntnis, dass ich plötzlich der einzige Olympia-Befürworter bin", sagte Ude ironisch auf Vorwürfe, er habe den Kontakt zum Bürger verloren. Tatsächlich hätten Stadt, Freistaat, Sportverbände und die Partner im Oberland die Bewerbung gemeinsam vorangetrieben. Kritik am Termin des Bürgerentscheids bezeichnete der SPD-Politiker als "schlichtweg lächerlich". Das Datum sei von allen Beteiligten beschlossen worden.


*Von Karl-Heinz Rummenigge erfuhr man dieser Tage, daß sein Grundgehalt als Sportdirektor beim FC Bayern 56.000 Euro IM MONAT beträgt. Und das sind Peanuts gegen die sonstigen Einnahmen durch Werbung.
Beckenbauer dürfte noch deutlich mehr verdienen.

Montag, 11. November 2013

Der Beweis – Teil II


AUS DEM PARADIESE

„Gut und Böse sind die Vorurteile
Gottes“ –    Sprach die Schlang‘ und floh in Eile.
(Nietzsche)

Wenn ich mal mit Studenten in Kontakt komme, merke ich erst wie altmodisch ich bin. Ich besitze kein Smartphone, kein Navi, kein iPad.
Musik kaufe ich mir ausschließlich als CD und einen Film habe ich mir auch noch nie downgeloaded. Alle TV-Sendungen, die ich sehen will, zeichne ich auf VHS auf. Dadurch spare ich Zeit, weil ich bei jedem Werbeblock oder uninteressanten Talkshowgästen vorspule. Auch Sendungen wie „Extra Drei“ habe ich in Rekordzeit hinter mir, weil ich die nervigen Moderationen von Christian Ehring immer nur mit gedrückter „FF“-Taste mitbekomme. „Zappen“ ist nicht.
Für meine Konsumgewohnheiten brauche ich allerdings mindestens eine ausführliche TV-Programmzeitschrift, um immer rechtzeitig die interessanten Shows einprogrammieren zu können.
Leider gibt es keine für meine Zwecke „gute“ Fernsehzeitschrift.
Im Laufe meines lebens hatte ich schon so ziemlich alles einmal abonniert und jeweils mindestens einmal wutentbrannt gekündigt, wenn die rechtslastigen Bauer- oder Springer-Ansichten in den redaktionellen Teilen zu heftig durchschienen.
Den Einfluß soll man nicht unterschätzen! Die sogenannten „Premium-Programmzeitschriften“ haben gigantische Auflagen. Die Hörzu verkauft 1,2 Mio Exemplare und erreicht damit 4,7 Millionen Leser. Bauers „TV“ bringt es immerhin noch auf 700.000 verkaufte Exemplare.
Zum Vergleich die 14-Tägigen: TV MOVIE verkauft 1,3 Mio Hefte (Reichweite 6,4 Mio) und TV Spielfilm bringt eine Million Hefte unter die Leute (Reichweite 6,4 Mio). Davon träumen SPIEGEL und FOCUS. Bei TV14 sind es gar 2,3 Mio Exemplare (Reichweite 6,7 Mio) und auch TV-Digital schafft die 2-Millionen-Marke locker

Gegenwärtig habe ich (mal wieder) ein GONG-Abonnement.
Die kleine Gong-Verlagsgruppe assoziiert man immer mit „bayerisch“ und „katholisch“ und „bieder“.
Das stimmt sicherlich auch noch; allerdings gehört der Gong-Verlag heute zu 100% der Funke-Mediengruppe, also dem ehemaligen WAZ-Konzern.
 Mit einer wöchentlichen Auflage von 260.000 Exemplaren ist der GONG zwar kleiner als Hörzu und TV, aber er dürfte trotzdem eine Millionen Menschen erreichen.
Was in den „Artikeln“ oft so locker als Ratgeber daherkommt, stellt eine enorme Verbrauchermacht dar. Denn diese Zeitschriften liegen gewöhnlich rund um die Uhr im Wohnzimmer für die ganze Familie griffbereit.

In der neuesten GONG-Ausgabe (Heft 46, erschienen am 08.11.13) gibt es eine lange Titelgeschichte geschrieben vom frommen Michael Schwelien:

DIE RENAISSANCE DES GLAUBENS – Hat die Wissenschaft Gott entdeckt.


Ich wurde natürlich sofort hellhörig. Seit Jahrzehnten beschäftige ich mich mit dem Thema, lese fortwährend Bücher über kirchliche Zustände und verfolge die großen philosophisch-theologischen Fragen, wie das „Theodizee-Paradox“.

Gott zu „entdecken“, ihn also wissenschaftlich nachzuweisen, wäre in der Tat eine hochinteressante Angelegenheit, die gewaltige Mea-Culpa-Aktionen der Konfessionslosen und Atheisten erforderte.
Klar, es verwunderte mich ein wenig, daß diese Gottesbeweise zunächst vom Gong und nicht etwa Radio-Vatikan oder der EKD verbreitet werden, aber Gottes Wege sind bekanntlich unergründlich!

Leider gelingt es mir nicht heraus zu finden, ob der GONG-Michael-Schwelien derselbe Michael Schwelien ist, den man schon ewig von der ZEIT kennt und der spätestens seit seinem Buch „Das Boot ist voll“ (2004) eigenartigerweise nicht nur Fans hat.
Kann es sein, daß alternde und zunehmend verwirrte ZEIT-Autoren zum GONG wechseln?

Der GONG-Schwelien ist jedenfalls ein Wissenschaftler, der naturwissenschaftliche Laien wie Hawking oder Dawkins alt aussehen läßt:

„In allen drei Naturwissenschaften Biologie, Chemie und Physik stoßen Forscher inzwischen an die Grenzen des bisher Vorstellbaren und stellen mit ihren Entdeckungen das bisherige Weltbild auf den Kopf. Ist am Ende das Unerklärliche der eigentliche Beweis Gottes?“
(M. Schwelien, GONG, 08.11.13, s.6)

Nun, zunächst einmal wird es Kosmologen, Meteorologen, Klimatologen, Geologen, Mineralogen, Meereskundler, Humanmediziner, Genetiker, Archäologen, Paläontologen, Zoologen, Botaniker, Mykologen, Virologen, Bakteriologen, Informatiker und Thermodynamiker natürlich enttäuschen zu hören, daß sie gar keine Naturwissenschaftler sind.
Ich selbst bin aber auch enttäuscht. Da habe ich lange Jahre eine der von Schwelien genannten Naturwissenschaften an der Uni Hamburg studiert und gar nicht gemerkt, daß damit die Existenz Gottes bewiesen werden sollte. Irrigerweise ging ich davon aus gerade als Naturwissenschaftler die Idee eines Schöpfers ad absurdum zu führen.

Im Gong wird zunächst einmal für Laien verständlich rekapituliert, welche naturwissenschaftlichen Hinweise es für Gottes Existenz schon gibt:

1.)  Das Higgs-Boson, welches Leon Lederman eigentlich „The Godamn Particle“ nennen wollte, wurde von seinem Verleger in „Gottesteilchen“ umbenannt und inzwischen bestätigt. Francois Englert und Peter Higgs bekommen dafür jetzt den Nobelpreis.
2.)  Ist das Universum selbst ist ein Hinweis auf Gottes Existenz, weil die vielen Galaxien über geladene Teilchen so miteinander verwoben sind, daß sie einem menschlichen Hirn ähneln.
3.)  Gottes Gegenwart sitzt im Hirn, also IN UNS. Man spürt überirdische Kräfte, wenn Neurochirurgen bestimmte Bereiche des vorderen Schläfenlappens stimulieren.
4.)  Die Erschaffung Adams. Michelangelos berühmtes Deckengemälde in der Sixtina zeigt wie Gott Adam mit dem Zeigefinger zum Leben erweckt.
5.)  Quatentheorie! „Lebendige Seele: Die Quantenphysik baut Brücken zwischen Naturwissenschaft und Glauben. Viele Physiker sagen heute, menschliches Bewusstsein sie außerhalb des Körpers möglich, könne den Tod überdauern: Ein Nachweis für die unsterbliche Seele. ÜBER DEN TOD HINAUS: Unser Körper besteht aus […] Teilchen. Da diese Teilchen auch Wellencharakter haben, lässt sich sagen, dass belebte und die unbelebte Welt miteinander verschränkt sind.“

Besonders der 4. Punkt erscheint mir als klarer naturwissenschaftlicher Beweis unumstößlich zu sein.
In dem für Programmzeitschriften mit sechs Seiten (sic!) ungewöhnlich langen Artikel, widmet sich Schwelien zunächst aber der Frage wieso wir eigentlich wissen wollen wer Gott ist:

Wer ist wie Gott? Das fragte der Erzengel Michael. Luzifer wollte so sein wie Gott. Eine Anmaßung! Dafür wurde er aus dem Himmel gestoßen. Aus der Frage wurde ein Name. Michael bedeutet nichts anderes als „Wer ist Gott?“
(M. Schwelien, GONG, 08.11.13, s.7)

Der GONGer fährt fort mit der Schilderung der bedauerlichen Trennung von Wissenschaft und Kirche im Mittelalter. Erst die heutigen Evangelikalen fanden den Mut „die Bibel buchstäblich auszulegen“ und in den Evolutionsbiologen „anmaßenden Ahnungslose zu sehen, die so sicher wie Luzifer zur Hölle fahren werden“.
Bei den „drängenden Fragen“ nach dem Ende unserer Zeit oder den Grenzen des Weltalls („solche Fragen hat sich jeder schon einmal gestellt.“), käme man unweigerlich zu dem Schluß, das „Unbegreifliche, das höhere Wesen – das muss Gott sein!“

Michael Schwelien hat die wissenschaftliche Arbeitsweise von These, Gegenthese und Beweisführung an dieser Stelle vorbildlich adaptiert.

Er betont, daß das Higgs-Teil an sich noch nicht die Existenz Gottes beweise, aber immerhin würden die Fragen „Gott oder Urknall“ nicht mehr als Gegensätze erforscht!
„Die beiden Grundansätze zur Erklärung des Seins werden als miteinander vereinbar erforscht.“
Es gebe weltweit eine Renaissance der Religionen und ein Miteinander mit den Wissenschaftlern.

„So sagt der Religionswissenschaftler Michale Blume [in diesem MICHAEL Schwelien-Text wimmelt es von Michaels. –T.], Spiritualität und Frömmigkeit seien als segensreiche Resultate der Evolution zu begreifen.“
(M. Schwelien, GONG, 08.11.13, s.8)

Es ist eine glückliche Koalition aus Theologen und Naturwissenschaftlern, die sich nun daran macht die Seele und das Jenseits zu erklären.

Wer ist wie Gott? Können wir ihn sehen? Nein, das geht über unseren Verstand hinaus. Was ist ein Gottesteilchen? Können wir es sehen? Nein, es wurde nur erforscht, dass es eine Masse bildet und dabei eine Spur hinterlässt. Früher dachte man, ein Strahl sei „ein Ding an sich“. Jetzt sehen wir, dass ein Strahl einmal als Strom von Teilchen „in Erscheinung tritt“, und unter anderen Umständen als Wellenbewegung erscheint.
(M. Schwelien, GONG, 08.11.13, s.9)

Dass mit dem Welle-Teilchen-Dualismus die Koexistenz von Naturwissenschaft und Schöpfungsgeschichte bewiesen ist, hat Schwelien damit klar erläutert.
Ich bin insbesondere davon beeindruckt wie toppaktuell die Wissenschaftsredaktion des GONGs ist.
Denn nach den Entdeckungen von Planck und Einstein hat Louis de Broglie den Welle- und Teilchencharakter ja gerade erst 1924, also „jetzt“ wie Schwelien es nennt, erkannt.

Ein hochinteressanter Artikel ist das. Da ich nicht alle Beweise vorweg nehmen will, empfehle ich hiermit jedem echten Naturwissenschaftler sich den aktuellen GONG zu kaufen, um auch endlich an Gott zu glauben!