Dienstag, 21. Mai 2013

Sauber, Herr Saubermann.



Die Sache mit der Fallhöhe ist immer das Problem.
Hat man ohnehin ein etwas angeschmutzeltes Image, fällt das „Skandaaal“-Gejohle auch deutlich leiser aus.
Daß es Roland Koch oder Franz-Josef Strauß mit der Wahrheit nicht so genau nahmen, war jedem bekannt. Also konnte man ihnen auch schwerlich einen Strick draus drehen, wenn sie – wieder einmal – beim Lügen erwischt wurden.
Wenn Roland Koch mit latent rassistischen Tönen Wahlkampf machte, war das ungefähr so überraschend wie Lothar Matthäus beim Fremdgehen oder Martin Semmelrogge beim Fahren ohne Führerschein.
Harald Juhnke volltrunken oder Nina Hagen ausgeflippt Stuss redend – das sind Auffälligkeiten, die ihnen nicht schaden, weil es ohnehin ins Bild passt(e).
Deswegen wurden auch FJS und Koch immer wieder gewählt.

Schlecht ist es hingegen, wenn man als Moralapostel bei amoralischen Aktionen ertappt wird.
Wenn ausgerechnet die Wissenschaftsministerin bei ihrer Doktorarbeit abgeschrieben hat, ist die Fallhöhe enorm.
Wenn ausgerechnet katholische Priester, die bei jeder Gelegenheit gegen Sex und Schwule wettern zu Hunderten und Tausenden als notgeile Messdiener-Befummler enttarnt sind, ist der gemeine Gläubige not amused.

Allerdings kann man auf einen gewissen Gewöhnungseffekt hoffen. 
Heute kann kein Comedien der ganzen Welt auf Kinderficker-Anspielungen verzichten, wenn er die katholische Kirche erwähnt. Hagen Rether mußte sogar schon beschwichtigen, indem er versicherte, daß wirklich NICHT ALLE Priester pädophile Holocaustleugner wären.
Und siehe da; inzwischen gehören ephebophile Übergriffe in der Sakristei zum festen Konnotationsschema der RKK.
Sie wächst dennoch weiter.
So gerne man auch in Deutschland „Rübe ab!“ ruft, wenn das Thema „Kinderschänder“ in der Yellow Press breitgetreten wird, so intensiv verdrängen dieselben Menschen ihre Ansichten, wenn es um die zölibatären alten Männer im Kleid geht. 24 Millionen Deutsche sind nach wie vor Mitglied der größten transnationalen Ephebophilen-Schutz-Organisation der Welt und akzeptieren offensichtlich, daß die Bischofskonferenz bis heute eifrig die Aufklärung der Missbrauchsfälle verhindert.

Eine besondere Fallhöhe hat auch der Bayerische Ministerpräsident Seehofer aufgebaut, der 2008 in Bayern nicht zur Wahl stand und kurz zuvor auf dem CSU-Parteitag abgestraft worden war.

Dann aber wurde er völlig überraschend in beide Ämter (Bayerischer MP und CSU-Vorsitzender) katapultiert und nutzte die Gunst der Stunde sich als Saubermann von außen zu positionieren. Seine Stellung war extrem stark, weil die Partei auf IHN zugegangen war und er als letzte Rettung galt.
Er führte die neue CSU ein und zögerte nie auch nur eine Sekunde verdiente Parteifreunde über die Klinge springen zu lassen, wenn es ihm helfen konnte.
Crazy Horst ist eine Borderlinerpersönlichkeit mit echten psychopathischen Zügen. Das konnte man schon vor drei Jahren deutlich sehen.

Seehofers psychischer Zustand ist mindestens genauso bedenklich, läutet Ulrich mit Hinweis auf ein SPIEGEL-Portrait ein.
Der CSU-Chef erschiene als „wankelmütiger Willkürherrscher, als einer, der gern mit Menschen spielt, unberechenbar und verantwortungslos. […] Zigfach ist belegt, dass Horst Seehofer mit seinen häufig wechselnden Positionen die Politik der Bundesregierung, ja sogar die seiner eigenen CSU-Landesgruppe, immer wieder chaotisiert."
(Zeit 20.08.2010)
Das Psychogramm des Oberbayern erinnert in der Tat weniger an einen deutschen Politiker, als an eine neroeske Persönlichkeit aus der Feder eines Stephen King.
In Berlin regiert demnach ein Mensch als einer der großen Drei mit, dessen innere Antriebskräfte zutiefst von Bosheit und Destruktivität bestimmt sind.
Einem Psychopathen, der sich längst komplett von der Sachpolitik verabschiedet hat und seine einzige Befriedigung nur noch in Sadismus und Manipulation findet.

Wie eine finstere Gestalt aus einem Psychokrimi hat er sich seine Politwelt im heimischen Keller als Miniaturwelt nachgebaut und dirigiert dort kleine Voodoo-Modelle seiner Politik-Kollegen, als ob er Gott wäre.
Es gibt den Nachbau des Bahnhofs von Bonn, der Stadt, in der Seehofers Karriere begann. Nach dem Jahr 2004, als er wegen des Streits um die Gesundheitspolitik sein wichtigstes Amt verlor, baute er einen "Schattenbahnhof", so nennt er ihn, ein Gleis, das hinab ins Dunkel führt.
Seit neuestem hat auch Angela Merkel einen Platz in Seehofers Keller. Er hat lange überlegt, wohin er die Kanzlerin stellen soll. Vor ein paar Monaten dann schnitt er ihr Porträtfoto aus und kopierte es klein, dann klebte er es auf eine Plastikfigur und setzte sie in eine Diesellok. Seither dreht auch die Kanzlerin auf Seehofers Eisenbahn ihre Runden.
(Spiegel 16.08.10)
Seehofer Wahn trug schon vor Jahren gar seltsame Blüten.
Während eines Karriereknicks im Jahr 2004 ging er mit einem selbstgeschriebenen Kabarettstück auf ein paar kleine Bühnen.
Er selbst spielte Walter Mixa (!!!), der die Beichte eines imaginären Seehofers anhört.
Sein alter ego Beichtvater Mixa fragt darin den Sünder Seehofer unter anderem, ob er unkeusche Gedanken habe, wenn er an Angela Merkel denke. Der antwortet: "Vater, ich habe schon vieles angestellt, aber Wunder kann ich nicht vollbringen."

Noch lieber als die CDU-Kollegen macht er allerdings seine eigenen CSU-Untertanen nieder.

Übel erging es beispielsweise seiner einstigen Politfreundin Christina Haderthauer, die wie er aus Ingolstadt kommt und die er einst als „größtes Talent der CSU“ lobte.
Dann entschied sie sich, Generalsekretärin unter Erwin Huber zu werden, Seehofers Erzfeind. Plötzlich fiel Seehofer nur Schlechtes zu Haderthauer ein. Die Christine könne das nicht, sagte er, wenn Journalisten um ihn herumstanden. Als Seehofer die Macht in der CSU übernahm, dachte Haderthauer, ihre letzte Stunde habe geschlagen. Die Ministerien wurden verteilt, und am Ende klingelte doch noch Haderthauers Handy. Seehofer bot ihr das Sozialministerium an, aber er fand kaum freundliche Worte. "Du warst schon unter der Erde, jetzt habe ich dich noch mal aus dem Sarg geholt", sagte er. Er lachte dabei, es war das Lachen eines Mannes, der weiß, dass er nun Karrieren mit einem Anruf beflügeln oder beenden kann.
(Spiegel 16.08.10)
Das Nachtreten und Rächen ist die Sache des Süd-Zampanos der Bundesregierung.
Das Interessante ist, wie Seehofer mit den Feinden von gestern umgeht. Er versucht nicht, sich mit ihnen zu versöhnen. Es wäre einfach, denn er hat jetzt die Macht, und sie liegen am Wegesrand. Aber Seehofer blickt auf sie wie ein siegreicher Feldherr, er nennt sie "mein Lazarett" und kichert. Man muss unwillkürlich an einen Saal mit Versehrten denken, die blutige Binden um den Kopf tragen.
(Spiegel 16.08.10)

Seehofer macht viel Show, aber sein Bundesland ist nach wie vor der Saustall, der es unter CSU-Ägide immer war.
Seehofer weist Schuld zu, donnert gegen die Presse, aber er kann sich langsam nicht mehr als moralischer Außenstehender inszenieren.
Denn die Zustände, die ihn nun öffentlichkeitswirksam so sehr überrascht haben, daß er seinen Ministern drakonische Maßnahmen verordnet, kennt er in Wahrheit schon lange.
Seehofer ist nach wie vor nur ein Lügner.

Das engste Umfeld von Bayerns Ministerpräsident Seehofer war über die zweifelhafte Job-Praxis früh informiert: Nach SZ-Informationen wusste die Regierungszentrale mindestens seit Sommer 2009 davon, dass CSU-Landtagsabgeordnete Familienangehörige beschäftigten. Das wirft kein gutes Licht auf Seehofer.
[…] Die Frage, seit wann Seehofer von den Familienjobs weiß, ist von großer politischer Bedeutung. In den vergangenen Tagen hat Seehofer wiederholt versichert, er selbst habe erst durch die Berichterstattung der vergangenen Wochen davon erfahren. Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung hatte er sogar vor einer Woche "Bösartigkeit" unterstellt und mit Konsequenzen gedroht, weil sie in einem Bericht die Frage aufgeworfen hatten, wie es sein könne, dass der Regierungschef und CSU-Vorsitzende keinerlei Kenntnis über die in seiner Partei weit verbreitete Praxis hatte, Familienangehörige zu beschäftigen.   Zu diesen Familienförderern gehören auch fünf heutige Kabinettsmitglieder: Helmut Brunner (Landwirtschaftsminister), Ludwig Spaenle (Kultusminister) sowie die Staatssekretäre Franz Pschierer (Finanzen), Gerhard Eck (Innen) und Bernd Sibler (Kultus). Justizministerin Beate Merk hatte ihre Schwester und damit eine Verwandte zweiten Grades für sich arbeiten lassen und aus ihrem Abgeordnetenetat bezahlt.  Dass immerhin der Chef der Staatskanzlei informiert war, wirft kein gutes Licht auf Seehofer, der sich in diesen Tagen als konsequenter Aufklärer in der Affäre zu profilieren versucht. Nun besteht mindestens Erklärungsbedarf, warum derartige Informationen, die in der Staatskanzlei auflaufen, offenbar nicht an den Regierungschef weitergegeben wurden. Der Chef der Staatskanzlei gehört zu Seehofers wichtigsten Mitarbeitern. […] Schneider war im Übrigen in besonderer Weise für das Thema Verwandtenjobs sensibilisiert. Er hatte selbst als Abgeordneter bis Ende 2005 seine Ehefrau bei sich beschäftigt.
(Mike Szymanski, SZ, 21.05.13)

Montag, 20. Mai 2013

Neues von TVE



Der schönste und bescheidenste Bischof Deutschlands ist natürlich mein Lieblingsbischof; der hier schon viel zitierte Dr. Franz-Peter Tebartz-van Elst.


Er liebt Prunk und Protz, er hat keine Skrupel zu lügen oder gar falsche Eidesstattliche Erklärungen abzugeben und ist zudem auch noch stramm konservativ.


Das Bistum Limburg, welches unter seinem äußerst beliebten Vorgänger Franz Kamphaus als liberal galt, brachte er wieder auf strammen Vatikankurs.
Der notorisch unprätentiöse Kamphaus, der so gar keine persönlichen Bedürfnisse hatte, sein Geld spendete, in einer kleinen Zelle des Priesterseminars wohnte, während er seinen Bischofssitz einer tamilischen Flüchtlingsfamilie überließ, ist in Vergessenheit geraten.
 Heute steht das kleine Limburg, welches Teile der Bundesländer Hessen und Rheinland-Pfalz beinhaltet mit seinen 650.000 Katholiken und gut 300 Pfarreien für das diametrale Gegenteil: Uralte kirchliche Titel, teuren Tand, Luxusverliebtheit und Karrieredenken.
Es ist kein Geheimnis, daß Franz-Peter Tebartz-van Elst auf den Job Meisners guckt. 
Limburg gehört zur Kirchenprovinz Köln und das dortige Bistum gilt nach Mailand und Rom als das reichste und bedeutendste in ganz Europa.
Der Kölner Kardinal herrscht nicht nur direkt über 2,1 Millionen Katholiken und gut 700 Pfarreien, sondern de facto auch über gleich fünf Suffraganbistümer, nämlich Aachen, Essen, Limburg, Münster und Trier, denen Kardinal Meisner als Metropolit vorsteht.
Die anderen deutschen Erzbistümer haben maximal drei Suffraganbistümer.
So ein Erzbistum ist eine feine Sache für Karrierekleriker, denn damit ist Mann schon halb Kardinal.
 Die Erzbischöfe von Köln, Berlin und München werden eigentlich immer zu Kardinälen erhoben. Als Kardinal steht man aber schon mit einem Bein im Vatikan.
Ein machtbewusster Bischof wie Tebartz van Elst will sich also möglichst schnell aus kleinen Provinzbistümern hocharbeiten.
Dazu nützt es gar nichts, wenn man wie Thissen oder Kamphaus bei den Gläubigen beliebt ist.
Im Gegenteil.
 Die deutschen und österreichischen Gläubigen gelten in Rom als notorische Querulanten. Nach Vatikanischem Zeitgefühl fand schließlich in Deutschland eben erst die Reformation statt. Es war ein deutschsprachiger Mönch, der so frech dem Papst den Gehorsam verweigerte.
Germanisch-austrisch-helvetische Untertanten müssen nach römischer Auffassung mit der Knute behandelt werden.
Der gebürtige Schlesier Joachim Meisner wurde 1975 Weihbischof des Bischöflichen Amtes Erfurt-Meiningen in der damaligen DDR, stieg 1980 zum Erzbischof des protestantischen Berlin auf, wo er sich durch seine ultrakonservativen Ansichten extrem unbeliebt machte.
Das wird im Vatikan wohlwollend als Steherqualität registriert und so folgte 1989 der Karrieresprung nach Köln. Meisner war dort so willkommen wie Fußpilz, aber in der absoluten Papstdiktatur Katholizismus sind die Ansichten der Gläubigen irrelevant.
 Es zählt nur Rom.
Auch Tebartz van Elst wird von den Limburgern für seine Selbstverliebtheit und Gnadenlosigkeit inzwischen regelrecht gehasst.
 Er macht also alles richtig, um nach Köln berufen zu werden. Zumal der 79-Jährige Meisner inzwischen bei jeder Gelegenheit laut nach Rom brüllt, amtsmüde zu sein und doch bitte möglichst schnell in den Ruhestand gehen zu können.

TVEs Karriere steht also eigentlich nichts im Weg.
Es STAND ihr jedenfalls nichts im Wege – bis zu Ratzinger Rücktritt.
Denn mit dem Expapst hatte der Limburger Bischof nicht nur seine stramm konservativen Überzeugungen, sondern auch seine Vorliebe für Gold, Edelsteine, Prunk, Hermelin und prächtige Roben gemeinsam.
Ratzi dürfte TVE sicher als Kardinalbili angesehen haben.
 Wie schon zuvor Rainer Maria Woelki, teilt nämlich auch TVE neben der reaktionären Grundeinstellung seine ausgesprochen abstoßende Physionomie mit Joseph Ratzinger. Das verbindet.
Nun aber regiert ein neuer Papst.
Natürlich ist Franzi auch stramm konservativ. Wie alle wahlberechtigten Kardinäle wurde auch Bergoglio von Ratzinger oder Woytila kreiert und die beiden haben nie einen Liberalen erhoben. (Selbst Lehmann, der als Vorsitzender der Bischofskonferenz hartnäckig zwei Dekaden bei den Kardinalserhebungen ignoriert wurde, ist nicht wirklich liberal.)

Papst Franz allerdings legt großen Wert auf sein bescheidenes Image.
Vermutlich ist das nur inszeniert, aber in dem Fall dürfte er erst Recht keine als prunksüchtig bekannten Bischöfe befördern. 
Will also TVE bald Erzbischof werden, muß er darauf hoffen, daß es schnell geht.
 Er müßte nach Köln gerufen werden, bevor sich Franz richtig eingearbeitet hat und stattdessen noch der ultrakonservative Ratzifreund Kurienerzbischof Müller die Fäden zieht.
Sollte aber TVE noch länger in Limburg festsitzen – und dafür spricht das Gerücht, daß Ratzis Kumpel Kurienerzbischof Gänswein sich einen prunkvollen Job in Deutschland wünscht – sollte er sich weniger durch Luxusgier, als durch reaktionäre Ansichten im Vatikan beliebt machen.
Und genau das versucht auch mein hessisch-pfälzer Lieblingsbischof.
 Massiv versucht er Aufmerksamkeit zu erringen, indem er mit schrillen Tönen zu aktuellen Themen wie Herdprämie oder Homoehe Stellung bezieht.
Zu Pfingsten versuchte er nichts weniger, als der Wissenschaft wie einst im Mittelalter, Grenzen zu ziehen. Ganz so, als ob ihn das irgendetwas anginge.
Der Bischof warnte davor, den Schöpfer-Geist Gottes zu vergessen. Der Mensch werde dann zum Macher. «Wo der werdende Mensch geklont wird, macht man ihn zum Produkt. Wo Embryonen gemacht und verworfen werden, wenn man sie nicht mehr braucht, erstickt der Atem des Schöpfer-Geistes», erklärte Tebartz-van Elst.

Der Geist Gottes sehe in jedem Menschen, ob gesund oder krank, ob behindert oder nicht behindert, ob stark oder schwach, jene unverwechselbaren Gaben, die alle unverzichtbar zum Leben gehörten.
Die Unterstellungen Wissenschaftler, die Mittel und Wege gegen Krankheiten suchten, kämpften auch gegen Kranke, ist kaum an Perfidie zu überbieten.
In bösartiger Weise versucht TVE hier wieder einmal Wissenschaftlern und Atheisten Euthanasie zu unterstellen, indem er so tut, als ob irgendjemand Behinderten oder Kranken das Lebensrecht abspräche oder ihren „Wert“ in irgendeiner Weise geringschätze.
Das ist aber eine Lüge.
1. Jeder Mensch hat ab der Geburt ein Lebensrecht, aber keine Lebenspflicht. (Manchmal ist das Leben leider mit solchen Qualen verbunden, dass es unethisch wäre, es unbedingt aufrechterhalten zu müssen.) 2. Kranke und Behinderte sollten mit allen Mitteln gefördert werden – Krankheit und Behinderung jedoch nicht! Ich halte diese Differenzierung nicht für „behindertenfeindlich“, sondern, ganz im Gegenteil, für „behindertenfreundlich“. Dies sage ich nicht nur als philosophischer Theoretiker, sondern auch ganz bewusst vor dem Hintergrund meiner eigenen praktischen Erfahrungen: Vor einigen Jahren arbeitete ich sehr intensiv mit einem „Förderverein für Familien mit chronisch kranken und schwerstbehinderten Kindern“ zusammen. Daher weiß ich, wie groß die Belastung dieser Familien ist. Die Gesellschaft lässt sie allzu häufig im Stich – ein Status quo, der auf keinen Fall hingenommen werden darf, worauf Peter Singer völlig zu Recht hingewiesen hat. (Auch wenn es exotisch klingen mag: Die Behindertenverbände wären m.E. gut beraten, Singer nicht als „Gegner“ wahrzunehmen, sondern vielmehr als „potentiellen Verbündeten“ im Kampf für menschenwürdigere Lebensverhältnisse.)
Der Prunkbischof beschwört den Wert jedes einzelnen Lebens, welches nur MIT Gott und GEGEN die Wissenschaft erhalten würde.

Wo der Schöpfer-Geist verdrängt werde, da werde das Leben einseitig und der Tod in Kauf genommen. Wo Gott aber im Blick bleibe, da wisse menschliche Forschung um ihre Grenzen.
Dabei vergisst TVE, daß täglich 30.000 GEBORENE Kinder unter den Augen seines Gottes elendig verhungern.
Es ist Gott.
Nach Berechnungen von Gregory Paul (THEODICY’S PROBLEM: A STATISTICAL LOOK AT THE HOLOCAUST OF THE CHILDREN, AND THE IMPLICATIONS OF NATURAL EVIL FOR THE FREE WILL AND BEST OF ALL WORLDS HYPOTHESES*) führen rund 75 % der Zeugungen nicht zu einer Einnistung im Uterus und von den wenigen, die es doch schaffen, erreichen wiederum viele niemals das Erwachsenenalter.
Früher Kindstod, Hunger, Fehlgeburten und andere Krankheiten, die der liebe Gott geschaffen hat, rotten einen großen Teil der Zellhäufchen, die den Klerikern so wichtig sind, aus.
Letztendlich werden weniger als 20% der befruchteten Eizellen zu Kindern.
Der Grund ist eine fatale Fehlkonstruktion der menschlichen Anatomie. Meiner Meinung nach eine Folge der Evolution, aber die Hardcore-Christen glauben bekanntlich nicht an Evolution.
The female body was not well-designed for childbirth, either, since the ratio of fetal skull size to female hip size doesn’t make for great odds for the mother. Every year, more than half a million women die in pregnancy or childbirth. Natural evolution, not religion, explains the tough compromises forced on the human body, and why few embryos make it to infancy and so many mothers die in the process.
(centerforinquiry.net)
Nur die moderne Medizin in säkularen Staaten kann etwas mehr Kindern das Überleben retten.
In religiösen Ländern, die sich auf Gott verlassen, überleben die wenigstens Föten:
And worship and prayer does nothing to help these terrible odds against life. Only in modern industrialized countries using secular scientific medicine do we see infant mortality rates dramatically reduced. However, it remains generally true that countries with higher rates of religious faith have higher rates of infant mortality. Is that part of God’s plan too?
(
centerforinquiry.net)
TVE ist mit seiner gestrigen Pfingstpredigt also völlig auf dem Holzweg. 
Bezüglich der Wahrheit. Und damit vermutlich auf bestem Wege in das Herz der Kurie.
Es gäbe verschiedene Gaben, verschiedene Dienste und verschiedene Kräfte, aber nur den einen Schöpfer, den der Mensch nicht aus dem Blick verlieren dürfe.

"Wo der Schöpfer-Geist verdrängt wird, da wird das Leben einseitig und der Tod in Kauf genommen. Wo der Schöpfer-Geist nicht mehr zu Wort kommen darf, da wird die Welt monoton und das menschlich Machbare zum Absoluten", erklärte Bischof Tebartz-van Elst. Wo Gott aber im Blick bleibe, da wisse menschliche Forschung um ihre Grenzen und um die Größe, im Dienst des Schöpfer-Geistes zu stehen. Weil Gott keinem alles und keinem nichts gab und weil jeder seinen unverwechselbaren Teil zum Ganzen einbringe, habe Gottes Schöpfung Vielfalt, die der Mensch letztlich nicht erklären, sondern nur bestaunen könne. "Auf Gott zu setzen, bedeutet, neu zu werden und beweglich zu bleiben. Die Charismen zu sehen, bedeutet, Vielfalt zu sehen und Einheit zu wahren", so der Bischof. Aus diesem Staunen und aus Ehrfurcht vor dem Schöpfer-Geist komme dann das Hören auf seine Stimme, eine Wachsamkeit für die Zeichen der Zeit und eine Offenheit für sein Wirken.

[…]  "Wo wir dem Schöpfer-Geist seinen Raum lassen, gewinnt die Kirche eine Vielfalt in Einheit, eine Weite ohne Beliebigkeit und eine Entschiedenheit ohne Enge", so der Bischof. Wo aber der Mensch meine, das ihm Mögliche machen zu müssen, werde schnell der eigene Teil zum Ganzen erklärt und Ideen zu Ideologien.
(BistumLimburg 19.05.13)

Sonntag, 19. Mai 2013

Serbisch-Orthodoxe zum Dritten.



OK, streng genommen geht es diesmal gar nicht um SERBEN, sondern die orthodoxen Christen in Georgien.
Aber wer wird denn am Tage der Ausgießung des Heiligen Geistes so pingelig sein?
Georgien also. Dort wollten ein paar Schwule und Lesben am „internationalen Tag gegen Homophobie“ (= IDAHO = International Day Against Homophobia, wird seit 2005 jeweils am 17. Mai begangen) demonstrieren.
Das Oberhaupt der Orthodoxen Kirche Georgiens, Patriarch Ilia II., hatte ein Verbot der Homorechts-Demo gefordert und erklärt, Homosexualität sei "anormal und eine Krankheit".
Der 80-Jährige gebürtige Irakli Ghuduschauri-Schiolaschwili ist Patriarch der Georgischen Orthodoxen Apostelkirche, Erzbischof von Mzcheta-Tiflis und Metropolit von Zchum-Abchasien. Der homophobe Hass-Patriarch ist hochgeehrt. 
1986 erhielt er die Ehrendoktorwürden des theologischen St. Wladimir Seminars in New York, er ist Mitglied der Christlichen Friedenskonferenz, er war einer der sechs Präsidenten des Ökumenischen Rates der Kirchen und ist seit 1997 ist er Mitglied der Internationalen Akademie für Information der UNO.
Die Orthodoxe Kirche Georgiens (georgisch ქართული მართლმადიდებელი და სამოციქულო ეკლესია, Kartuli Martlmadidebeli da Samotsikulo Eklesia) ist Teil der Verfassung Georgiens, sie muß keine Steuern bezahlen und Patriarch Ilia II. darf bei feierlichen Anlässen auf der Regierungsbank platznehmen.
Rund vier Millionen Georgier, 85% der Bevölkerung, sind georgisch-orthodoxe Christen. 
Es bestehen 15 Eparchien (Bistümer), 350 Pfarrkirchen und 50 Klöster (1996).
Wie ihre katholischen und orthodoxen Kollegen in anderen Ländern, versteht sich aber auch die kleine Kartuli Martlmadidebeli da Samotsikulo Eklesia vorzüglich darauf Gewalt und Hass zu säen.


Die serbisch-orthodoxen Brüder zeigen sich dabei gern von der ganz abartigen Seite, indem sie Todeswünsche aussprechen, zum Völkermord aufrufen oder Kinder vergewaltigen.

Aber auch die etwas moderater auftretenden Katholiken des neuerdings so beliebten Papst Franz verursachen eine massive Zunahme von brutalen Ausschreitungen.
Zum Beispiel in Frankreich.
Dort hat die massive homophobe Propaganda der RKK durchaus Wirkung gezeigt.
Die französische Schwulen- und Lesbenrechtsgruppe SOS Homophobie hat eine dramatische Zunahme von Beleidigungen und Angriffen gegen Lesben und Schwule in Frankreich im Zuge der Debatte um die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe beklagt. Im Oktober und November 2012 seien jeweils doppelt so viele Vorfälle gemeldet worden wie in den Vorjahresmonaten, erklärte die Organisation am Dienstag bei der Vorstellung ihres Jahresberichts in Paris. Im Dezember habe sich die Zahl sogar verdreifacht. "Der Beginn des Jahres 2013 weist die gleiche Tendenz auf", sagte SOS-Homophobie-Chefin Elisabeth Ronzier.   Die französische Gesellschaft gilt grundsätzlich nicht als homophob - in Paris etwa gibt es, wie in vielen europäischen Städten eine lebendige Schwulen- und Lesbenszene. Im Rahmen der Gesetzesnovelle haben sich die konservativen Kräfte des Landes jedoch radikalisiert. Umfragen zufolge war eine klare Mehrheit der Bevölkerung für die Liberalisierung der Ehe.
Die Georgisch-Orthodoxen sind gleich selbst als schwarzer-Popen-Block gegen die Homosexuellen vorgegangen.


Christliche Nächstenliebe eben.
Thousands of Georgians have protested in the capital Tbilisi against a gay rights rally being held to mark the international day against homophobia.

They broke through police barricades and carried stinging nettles with which to beat activists. Some posters read: "We don't need Sodom and Gomorrah". […] Several people, including a journalist and a police officer, were injured.  The protests followed comments from the head of the Georgian Orthodox Church.  Patriarch Ilia II had urged the authorities not to allow the gay pride rally to go ahead, saying it was a "violation of the majority's rights" and "an insult" to the Georgian nation. He described homosexuality as a disease and compared it to drug addiction.   The BBC's Damien McGuinness in Tbilisi says the Patriarch is by far the most respected public figure in Georgia, with approval ratings consistently at around 90%.   All the anti-gay demonstrators our correspondent spoke to said the Patriarch's comments had inspired them to attend Friday's protest, which was organised with the help of Orthodox priests.
Mit Steinwürfen vertrieben Tausende orthodoxe Gläubige, angeführt von Priestern, am internationalen Tag gegen die Diskriminierung von Homosexuellen einige Dutzend Schwule und Lesben aus der Innenstadt. 13 Verletzte wurden in Kliniken gebracht, wie Medien am Freitag aus der Ex-Sowjetrepublik im Südkaukasus berichteten.
Der Christliche Mob stellt heutige Nazidemos in Deutschland locker in den Schatten.



Georgien möchte übrigens gerne in die EU.
Es hat zwar einen korrupten und verlogenen Präsidenten, aber da dieser sich als Intimfeind Putins sieht, drängen die USA schon die EU zur Aufnahme Georgien.

Samstag, 18. Mai 2013

Homöopathisch Nie.

Zugegeben, es verlockt manchmal ein homöopathisches Mittelchen auszuprobieren, wenn Menschen, denen man normalerweise vertraut, Stein und Bein schwören, es helfe ganz phantastisch.
Die Versuchung ist natürlich umso größer, wenn es um ein Leiden geht, welches mit schulmedizinischen Methoden nicht in den Griff zu bekommen ist.
Aktuelles Beispiel ist mein Heuschnupfen, der mich dieses Jahr in den Wahnsinn zu treiben droht.
Dazu wird mir immer wieder das „absolute Wundermittel“ Regasinum empfohlen.
Regasinum Antallergicum ist eine Arznei aus dem Kreis der Homöopathie mit vielversprechenden Erfolgen beim Einsatz in der Allergiebehandlung, bei diversen Hautveränderungen aus dem Ekzemkreis sowie gegen Psoriasis und Neurodermitis. Nach meiner Erfahrung können diese Krankheitsbilder nachhaltig für eine gewisse Zeit gelindert werden. Das Nebenwirkungsspektrum ist sehr gering und die Kosten sehr überschaubar und von Jedem bezahlbar.
Die wenig spektakulären Inhaltsstoffe sind selbstredend irrelevant, weil diese Homöopathen-Mittelchen ja ohnehin so „verdünnt“ sind, daß man keinerlei Wirkstoff zu sich nimmt:
Apis mellifica Dil. D4: (Honigbiene) Aralia racemosa Dil. D3: (Amerikanische Narde, Araliacceae), Naja tripudians Dil. D8: (Kobra oder Brillenschlange), Acidum formicicum Dil. D6: (Ameisensäure). 
Der Verdünnungsfaktor „D8“ bedeutet beispielsweise, daß ein Teil Wirkstoff auf Einhundert Millionen Teile Wasser kommt. 1:100.000.000. Das wäre also ein Tropfen geraspelte Kobra-Lösung in einer Tanklasterfüllung Wasser.
Hier ist also Imaginationskraft gefordert.
 Mit anderen Worten: Man muß schon dran glauben.
Und hier beginnt mein ganz großes Problem.
Dinge einfach zu glauben, die wissenschaftlich als Schwachsinn enttarnt sind, ist meine große Schwäche.
 Kein Funken Spiritualität bringe ich auf und bin der am wenigsten religiöse Mensch, den man sich vorstellen kann.
Glaubt man allerdings an Homöopathie oder gerät an einen Arzt, der seine Methode überzeugend verkaufen kann, kann ein gewaltiger Placeboeffekt eintreten.
Eine meiner Kommilitoninen jobbte während des Studiums als Nachtschwester in einem Altenpflegeheim auf einer Station, die für renitente Rentnerinnen verschrien war, die die ganze Nacht andauernd klingelten und sich beklagten nicht schlafen zu können.
Mit der Zeit wurde gemauschelt, daß diese Studentin heimlich aus dem pharmakologischen Institut ein hochwirksames Schlafmittel schmuggele, welches sie an Bewohner mit extremen Schlafstörungen abgebe.
Es war ein Wundermittel. Wenige Minuten nach der Einnahme, schliefen die schwierigsten Patienten ein und wachten acht Stunden nicht mehr auf.
Tatsächlich verabreichte sie ihnen kleine Traubenzuckerdrops – mit der richtigen Geschichte.
Ich habe damals mit ihr diskutiert, daß ich dieses Vorgehen amoralisch fände.
 Sie war aber der Meinung schließlich sei allen geholfen und sie verlange auch keine Gegenleistung.
Placebo-Effekte können enorm sein. 
Ich würde gerne wissen, ob ich mit so einem Mittel auch einschlafen könnte. Es fällt mir allerdings schwer daran zu glauben, denn bei „Wunderschlafmittel“ würde ich automatisch hellhörig werden und nach dem Wirkungsmechanismus fragen.

Aber man darf Placebo-Effekte nicht kleinreden.
Eine bekannte Studie zu Schein-Operationen ist die des amerikanischen Chirurgen Bruce Moseley. Als Spezialist für Gelenkerkrankungen hatte er zahlreiche ältere Menschen mit Knie-Arthrose unter seinen Patienten, und Arthroskopien gehörten zu seiner Routine. Irgendwann wollte er wissen, ob nicht ein Teil des Behandlungserfolgs auf einem Placebo-Effekt beruht.
Er inszenierte ganz normale Operationen mit den üblichen Präliminarien wie Aufnahme ins Krankenhaus, Beruhigungsspritze, Narkose und den typischen Geräuschen eines OP-Saals, operierte aber tatsächlich nur die Hälfte der Patienten. Den anderen ritzte er während der Narkose nur die Haut ein, damit das Knie etwas blutete, und verpasste ihnen eine dicke Naht. Um die Täuschung zu perfektionieren, konnten die Schein-Operierten ebenso wie alle anderen auf einem Monitor eine echte Operation verfolgen, nur dass es bei ihnen gar nicht ihre eigene war.
Das Ergebnis war, dass die zum Schein operier­ten Menschen nach der Heilungsphase ebenso zufrieden waren mit der Behandlung wie die tat­sächlich Operierten. Moseley betrachtete das als Nachweis für einen Placebo-Effekt. Gleichzeitig zeigte es aber auch, dass eine Kniegelenks-Operation in vielen Fällen nutzlos oder überflüssig ist, weil die Beschwerden auch von selbst oder mit einer weniger invasiven Therapie verschwinden. Quelle: Moseley, J. B., et al., A Controlled Trial of Arthroscopic Surgery for Osteoarthritis of the Knee. N. Engl. J. Med. 347 (2002) 81-88.
Placebo-Effekte sind durchaus zu erklären. 
Die Stichworte sind „Erwartung“ und „Konditionierung“.
Ein hochreligiöser Mensch, der fest an Marienerscheinungen und Wunder glaubt, kann also durch eine aufwändige Pilgerfahrt seinen Heuschnupfen tatsächlich lindern, während das Lourdes-Wasser bei mir gar keine Linderung brächte.
Bis zu einem gewissen Grad sind also die tatsächlichen Wirkungsmechanismen irrelevant.
Patienten, die homöopathische Mittel wünschen, neh­men sie mit einer hohen positiven Erwartungshaltung ein, weil sie ihrer Weltanschauung und ihren Vorlieben entsprechen. Hinzu kommt eine gewisse Konditio­nie­rung, da normalerweise jeder Erwachsene in seinem Leben schon einmal die Er­fahrung gemacht hat, dass Arzneimittel ihm geholfen haben. Diese positive Erfah­rung überträgt sich sowohl auf Placebos als auch auf Globuli oder andere Sub­stanzen. Somit tritt mit hoher Wahrscheinlichkeit die gewünschte Wirkung ein. Ob dieser eine pharmakologisch nachweisbare Substanz zugrunde liegt oder ein Placebo, ist unwesentlich.
Man könnte das Spiel auf die Spitze treiben und einem hochgradig überzeugten Homöopathiefan dazu animieren eine Krebserkrankung oder einen Leistenbruch mit Globuli zu heilen, um ihm zu beweisen, daß diese teuren Zuckerkügelchen nichts bringen.

Tatsächlich schützt sich der Esoterikmedizinfan vor solchen Enttäuschungen, indem er sich selbst eben nicht auf diese Probe stellt. 
Instinktiv erwartet ein Homöopathie-Patient nur überschaubare Erfolge, ohne sich aber die beschränkte Wirkung einzugestehen.
Hier handelt es sich um dasselbe Phänomen, wie bei Religiösen, die um Heilung beten.
Milliarden Gläubige weltweit würden schwören, daß ihre Gebete bei Krankheiten helfen können, obwohl dies nie in einer Studie nachgewiesen werden konnte.
Aber selbst die Strenggläubigen, die ihren Gott für allmächtig halten, erwarten in Wirklichkeiten eben KEINE Wunder von ihm. Sie beten nur für einen Effekt, der ohnehin eintreten könnte.
Etwas Unmögliches erwarten sie aber eben nicht. Sie wissen im Grunde genommen genau, daß die Fähigkeiten des „Allmächtigen“ sehr begrenzt sind. Warum beten sie dennoch?
Die Antwort scheint mir zu sein, daß die Gläubigen sich ihre eigene Illusion nicht zerstören wollen und in vorauseilendem Gehorsam nur für das beten, das mit einer messbaren Wahrscheinlichkeit ohnehin eintreffen könnte.

Auf Gebete verlassen will sich aber keiner.

Noch nicht mal der Papst - sonst würde er nicht im Panzerglaswagen umher fahren, sonst würden auf Kirchen keine Blitzableiter angebracht werden. Beides sind schließlich Beweise dafür, daß nicht an die Kraft Gottes geglaubt wird.

Ähnlich verhält es sich mit Krankheiten.
Wenn, wie zum Beispiel bei Krebs eine (wenn auch extrem geringe) Aussicht der Spontanremission besteht, oder man sich in onkologischer Behandlung befindet, „lohnt“ es sich zu beten.

In ganz aussichtslosen Fällen, wird gar nicht erst gebetet, da sich der Gläubige unterbewußt darüber klar ist, daß er doch kein Gläubiger ist und doch nicht an die Allmacht Gottes glaubt.

Deswegen beten Amputierte nicht dafür, daß ihnen über Nacht ein Bein oder ein Arm nachwächst.
Dies ist nichts anderes als das Eingeständnis, daß Gott gar nicht heilen kann.

Denn WÄRE er ALLmächtig, könnte er schließlich genauso einen Arm nachwachsen lassen („ein Wunder“) wie die französische Ordensschwester Marie Simon-Pierre „über Nacht“ von Parkinson zu befreien und damit seinem ehemaligen Vize Woytila zur Seligkeit zu verhelfen.

In Wahrheit wissen wir aber keineswegs, weswegen die Nonne geheilt wurde.

Für den zu Parkinson analogen Fall eines Tumors schreibt „whywontgodhealamputees.com“ sinngemäß:
Bevor man sich nicht die Zeit nimmt hierüber einmal rational nachzudenken, erscheint die Situation nicht eindeutig zu klären. Sowohl Gott kann hier geheilt haben, wie die Gläubigen glauben, wie auch der Arzt und die Medizin. Oder es kam zur Spontanheilung durch das eigene Immunsystem. Wenn der Tumor verschwindet kann dies mit anderen Worten durch verschiedene Ereignisse geschehen sein. So kann es lediglich ein zufälliges Zusammentreffen von Ereignissen gewesen sein, dass Sie gebetet haben und die Heilung erfolgte. Dann hätten die Gebete absolut Nichts mit der Heilung zu tun gehabt. Wie können wir also entscheiden, ob Gott die Heilung verursachte oder irgendein anderer Effekt?
Ein Weg besteht darin, die Uneindeutigkeit aus solchen Ereignissen zu eliminieren. In einer eindeutigen Situation können wir entscheiden, ob Gott etwas mit der Heilung zu tun hat oder nicht.
Eindeutigkeit, also Hoffnungslosigkeit besteht aber bei Amputierten.
Es gibt kein medizinisches Verfahren Beine nachwachsen zu lassen. Es ist noch nie eine Spontan-Beinnachwachsung beobachtet worden. Ein allmächtiger Gott sollte das aber können, sonst wäre er qua Definition gar kein Gott. Zudem sagt Jesus, daß jedes Gebet erhört wird.
Was passiert also, wenn wir zu Gott beten, er solle einen Amputierten heilen? Nach Aussage der Bibel müssten nun die fehlenden Gliedmaßen nachwachsen. In Wirklichkeit tun sie dies natürlich nicht. Warum tun sie es nicht? Weil Gott eine Illusion ist! Man beachte, dass es in dieser Situation keinerlei Mehrdeutigkeit gibt! Es gibt absolut nur einen einzigen Weg wie ein amputiertes Glied nachwachsen kann. Dieser einzige Weg würde darin bestehen, dass Gott ein Wunder wirkt. Gott müsste die Gebete erhören! Was wir aber finden ist, dass wann immer wir eine eineindeutige Situation herstellen, in der es keinen Raum für das Zusammentreffen zweier Ereignisse gibt, wir niemals eine Antwort Gottes auf Gebete finden. Gott beantwortet NIEMALS Gebete, wenn diese Antwort nicht durch bloßen Zufall geschehen kann.
Tatsächlich gibt es diverse groß angelegte Studien, die finanziert von Christen zu dem für sie niederschmetternden Ergebnis kamen, daß Gebete beim Krankheitsverlauf gar nicht helfen.
Würde stimmen, was in der Bibel steht, könnten wir ohnehin Hunger und Krankheiten recht einfach überwinden:
You can see the same effect in the following prayer. Let's assume that you are a true believer and you do believe that God cures cancer. What would happen if we get down on our knees and pray to God in this way:
Dear God, almighty, all-powerful, all-loving creator of the universe, we pray to you to cure every case of cancer on this planet tonight. We pray in faith, knowing you will bless us as you describe in Matthew 7:7, Matthew 17:20, Matthew 21:21, Mark 11:24, John 14:12-14, Matthew 18:19 and James 5:15-16.
In Jesus' name we pray, Amen. We pray sincerely, knowing that when God answers this completely heartfelt, unselfish, non-materialistic prayer, it will glorify God and help millions of people in remarkable ways.
If God cures cancer, then this is an easy prayer for an omnipotent, all-loving God to answer.
The fact is, what this prayer does is remove ambiguity. As soon as we do that, we see the true nature of "God."
There is no way that a coincidence can answer this prayer, and, sure enough, the prayer goes unanswered.

If you look at the data, you can see exactly what is happening here:
When we pray to God about any non-ambigous situation, God never answers the prayer.
When we analyse any ambiguous prayer using statistical tools, we find zero effect from prayer.
Gott existiert also nicht, oder das was in der Bibel über ihn steht ist alles Bullshit.
Simple as that.
(Tammox 02.07.2011)

Was mich nachhaltig irritiert, ist die Tatsache, daß sowohl die aktuelle ZEIT („Esoterik – Jenseits der Vernunft“), als auch der aktuelle SPIEGEL („Der heilende Geist. Medizin: Gesund durch Meditation und Entspannung“) mit Esoterik titeln.
 
Es wäre zu einfach zu sagen, Homöopathie wäre zwar Humbug, aber außer dem materiellen Schaden bei den Esoterikgläubigen werde niemand verletzt.

So leicht ist es nicht, denn Eso-Scharlatane können durch Verdrängung der klassischen Medizin durchaus schwere gesundheitliche Probleme verursachen.
Und auch der von mir so gepriesene Placebo-Effekt, hat eine Kehrseite, nämlich seinen dunklen Bruder „Nocebo-Effekt“ (von lat. nocere = schaden, nocebo = ich werde schaden). Analog des Placebo-Effektes tritt hier durch eine Behandlung ohne Sinn, oder ein Medikament ohne Wirkstoff ein Effekt ein, der aber dem Wohlbefinden nicht etwa förderlich, sondern abträglich ist.
Kopfschmerzen, Schlafstörungen und Unruhe verursacht von Elektrosmog oder unterirdische Wasserströme dürften so ein Beispiel sein.
Diese Effekte gibt es zwar nicht, aber es wird so viel darüber geschrieben, daß viele Menschen schon anfangen unter den Folgen zu leiden, weil sie von den negativen Folgen des Elektrosmogs überzeugt sind.
Besonders problematisch sind Beipackzettel, die viele Menschen nur durchlesen müssen, um schon an den beschriebenen Nebenwirkungen zu leiden.
Ein Mann, der zum Tode verurteilt wurde und auf seine Hinrichtung wartet, bekommt Besuch von einem Arzt, der ein Experiment vorbereitet hat: Er verbindet ihm die Augen, fesselt ihn an Armen und Beinen an sein Bett und ritzt mit einem Skalpell die Haut an Handflächen und Fußsohlen ein. Gleichzeitig sticht er kleine Löcher in Wasserbeutel, die er an den Bettpfosten angebracht hat. Mit dem Schnitt in die Haut beginnt das Wasser in Blechschüsseln zu tropfen.
Der Arzt stimmt einen monotonen Singsang dazu an, der immer leiser wird. Irgendwann tropft das Wasser nur noch langsam in die Schüsseln, und der Mann ist nicht mehr ansprechbar. Der Arzt vermutet, der Mann sei eingeschlafen oder ohnmächtig geworden. Doch er irrt, der Verbrecher ist tot – gestorben an dem Glauben, dass er verbluten würde. Dabei hat er durch die kleinen Schnitte in die Haut nicht mal ein Schnapsglas voll Blut verloren.
Dieses ebenso grausame wie aufschlussreiche Experiment fand in den Dreißigerjahren in Indien statt. Es ging in die Medizingeschichte ein, als drastisches Beispiel für die Kraft negativer Gefühle und Vorstellungen. […] »Der Placebo-Nocebo-Effekt ist ein erstaunliches Beispiel dafür, wie Seele und Geist mit dem Körper interagieren«, sagt Fabrizio Benedetti.   Amerikanische Psychologen konnten zum Beispiel zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzschlag zu sterben, für Frauen dreimal so hoch ist, wenn sie glauben, sie seien besonders anfällig für einen Infarkt. »Negative Gefühle erhöhen bei allen Menschen die Gefahr für einen Infarkt so stark wie Bluthochdruck«, sagt Karl-Heinz Ladwig, Herzexperte in der Klinik für Psychosomatik der Technischen Universität München. Symptome wie Erschöpfung oder Hoffnungslosigkeit in den sechs Monaten vor einem Infarkt seien so typisch, dass Ärzte den seelischen Beschwerden und Stimmungstiefs viel mehr Aufmerksamkeit schenken und nicht nur die klassischen Risikofaktoren Bluthochdruck, Diabetes und erhöhtes Cholesterin beachten sollten. […]  »Der Schaden durch Nocebos geht in die Milliarden«, sagt Manfred Schedlowski, Psychologe an der Universität Essen. »Viele Menschen nehmen ihre Medikamente aus Angst vor möglichen Nebenwirkungen nicht ein – Ärzte müssten viel besser darüber aufklären.« Schedlowski ärgert sich, dass kaum ein Mediziner seinen Patienten die beruhigende Wahrheit sagt: Die Pharmafirmen sind aufgrund immer strengerer Sicherheitsbestimmungen verpflichtet, jede Nebenwirkung, die jemals irgendwo aufgetreten ist, in Beipackzetteln aufzulisten, und sei sie noch so selten. Die möglichen Schäden lesen sich dann selbst bei den harmlosesten Medikamenten wie eine Horrorliste – »auch wenn es wahrscheinlicher ist, vom Blitz getroffen zu werden als diese Nebenwirkung zu erleiden«, so Schedlowski.
Kaum zuträglicher für die Genesung von Patienten ist deren Gefühl, zu billig behandelt zu werden. In einer Studie wurden Probanden mit ein und demselben Medikament behandelt, erhielten aber unterschiedliche Angaben über den Preis des Mittels. 85 Prozent der Teilnehmer, die ein angeblich teureres Medikament bekamen, berichteten daraufhin von nachlassenden Schmerzen; in der Gruppe mit dem vermeintlich im Preis herabgesetzten Mittel waren es nur 61 Prozent. Diese Haltung kennen Ärzte auch aus der täglichen Praxis. So bevorzugen viele Patienten rezeptpflichtige teure Schmerzmittel gegenüber rezeptfreien billigen. Viele Patienten klagen auch darüber, dass preisgünstige Generika bei ihnen nicht so gut wirken wie das teure Original – obwohl der Wirkstoff des Nachahmermittels chemisch absolut identisch ist mit dem des Ursprungspräparats. Der Essener Placeboforscher Manfred Schedlowski fordert daher, Patienten eingehender an der Therapie zu beteiligen. »Ärzte sollten sich mehr Zeit nehmen und Patienten erklären, dass diese Mittel genauso gut wirken wie die teuren, statt ihnen nur zu sagen: Die Krankenkasse bezahlt die anderen nicht mehr.«