Freitag, 21. Dezember 2012

Geschenke!




 Kurzbald ist Weihnachten; da muß Mutti als christliche Führerin Deutschlands mal ihre Schatulle öffnen und ihre Lieben glücklich machen.

Für JEDEN reichen die Wohltaten natürlich nicht.
 Muttis Sozialkompetenz ist ungefähr so ausgeprägt wie die Vorliebe der NRA für ein generelles Waffenverbot.

 Unter 34 OECD-Ländern liegt Deutschland auf dem drittschlechtesten Rang, was das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen betrifft, so eine neue Studie der Organisation. Bei den Einkommen beträgt die Gehaltslücke durchschnittlich 22 Prozent - das ist eine bittere Erkenntnis. Richtig finster sieht es dann beim Rentengefälle zwischen Mann und Frau aus. Hier liegt Deutschland in der Statistik auf dem allerletzten Platz.

 Aber diese elenden Armen und nichtshabenden Weiber sind auch irgendwie unsympathisch.
 Mutti bevorzugt die bescheidenen Typen, wie Joseph Ackermann oder Jürgen Großmann.
Die zukünftigen Beschenkten sollen sich wenigstens mit feinfühligen Sätzen im Kanzleramt beliebt machen.

Andreas Köhler, […] der Bundesvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hatte in einer Rede Angela Merkel in eine Linie mit Adolf Hitler gestellt. "Julius Cäsar, Karl der Große, Napoleon, Adolf Hitler, Angela Merkel - die Liste der Staatsleute, die versuchten, Europa zu einigen ist sehr lang", diesen Satz hatte Köhler auf einer Weihnachtsfeier vor etwa 300 Mitarbeitern gesagt.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung macht gern von sich reden. Man könnte auch sagen: Wo Andreas Köhler hinlangt, da wächst kein Gras mehr. Das hat er wieder bei der Weihnachtsfeier seines Verbandes demonstriert. In einem Land, in dem unselige Nazi-Vergleiche längst Legion sind, nannte er Angela Merkel und Adolf Hitler in einem Atemzug. Ein bisschen Thrill muss offenbar sein.

Erst im Frühjahr ließ sich Köhler das Gehalt anheben – und zwar um 34,6 Prozent auf 350.000 Euro. Das ist mehr, als Merkel kriegt. Weil sein Pensionsanspruch 91 Prozent bemisst, lag dieser plötzlich bei 318 500 Euro. Der Kassen-Funktionär richtete lästigen Nachfragern aus, es gehe hier um interne Vorgänge, die die Öffentlichkeit nichts angingen.

  
Für Medizinfunktionäre und Pharmalobbyisten sind unter Schwarz-Gelb goldene Zeiten angebrochen. 
Während es immer mehr Niedriglöhner gibt und Millionen Menschen in regulärer Arbeit weniger als den HartzIV-Satz verdienen, darf es für die Herren Funktionäre gern ein bißchen mehr sein.

Oberdentalfunktionär Jürgen Fedderwitz hatte sich aber schon immer ganz besonders um sein eigenes Gehalt bemüht.

 Zahnarzt-Funktionäre vervierfachen ihr Gehalt
[…] Nach Statistiken, die der Süddeutschen Zeitung vorliegen, sind die Bezüge einzelner Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (KZV) um mehr als 300 Prozent gewachsen.  Spitzenreiter ist der Chef der KZV Westfalen-Lippe, Dietmar Gorski, dessen Gehalt nun bei 221.600 Euro liegt. Ein Jahr zuvor betrug es 49.000 Euro - ein sattes Plus von 350 Prozent. Damit verdient Gorski mehr als der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) Jürgen Fedderwitz, der mit 220.000 Euro nach Hause geht. Zuvor lagen dessen Bezüge bei 73.600 Euro, wobei damals weitere Zahlungen wie Sitzungsgelder hinzukamen.
 (Andreas Hoffmann, SZ, 27.04.05
Von der Merkel-Regierung gibt es zu Weihnachten noch mal ordentlich Aufschlag. 
Ministerium segnete Luxus-Rente ab

Als wären 240.000 Euro Jahresgehalt nicht genug: Die Vertreter der deutschen Kassenzahnärzte haben sich ein hohes Übergangsgeld genehmigt. Als das Gesundheitsministerium vor einer öffentlichen Debatte warnte, wurde der Großteil des Geldes prompt in ebenso üppige Rentenansprüche umgewandelt.

[…] Rund 240.000 Euro pro Jahr erhalten der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Jürgen Fedderwitz, und seine beiden Stellvertreter Wolfgang Eßer und Günther Buchholz. Dienstwagen und Beiträge für die Altersversorgung kommen noch dazu.

Obendrauf sollen die Zahnärztechefs künftig auch noch ein üppiges Übergangsgeld erhalten, um den Schritt in den Ruhestand abzupolstern. Bis zu 30 Monatsgehälter waren ursprünglich geplant. Ausgehend von den aktuellen Vorstandsgehältern käme ein einzelner Funktionär so im Extremfall auf 626.587,50 Euro Übergangsgeld. […]

Zuständig für die Kontrolle der KZBV ist das Gesundheitsministerium. Das heißt: Das Haus von FDP-Mann Daniel Bahr muss die Vorstandsverträge absegnen. Das Interessante war in diesem Fall aber, dass das Ministerium zwar die Brisanz der hohen Übergangsvergütung sah; statt nach einer billigeren Lösung zu suchen, versuchte man aber lieber gemeinsam mit den Funktionären, die fragliche Summe kleiner aussehen zu lassen.
 Aber für den Steuerzahler sind das noch peanuts verglichen zu den Geschenken, die Bahrs Parteichef Rösler für die Energie-hungrigen Betriebe vorgesehen hat.
 Zu bezahlen natürlich ebenfalls vom „kleinen Mann.“
Es könnte sein, daß Weihnachten 2013 keine FDP mehr in der Bundesregierung sitzt  - da wollen die Hepatitisgelben noch mal mit dem ganz großen Schaufelradbagger die Moneten von unten nach oben schaufeln:
Die Ungerechtigkeiten bei der Energiewende nehmen zu: Nach SPIEGEL-Informationen befreit Merkels Regierung im kommenden Jahr rund 1550 Industriebetriebe weitgehend von den Kosten des Mammutprojekts. […]
Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat Mitte Dezember zahlreichen Unternehmen mitgeteilt, dass sie von der sogenannten EEG-Umlage weitgehend ausgenommen sind. [….]
 Der wirtschaftliche Vorteil für die Betriebe wird nach Berechnungen der Grünen bis zu vier Milliarden Euro betragen. Kompensieren müssen das überwiegend Privatkunden und kleinere Unternehmen - für sie sind die Aufschläge auf ihre Stromrechnung entsprechend höher.
[…] "Es ist atemberaubend", kritisiert etwa Felix Matthes vom Öko-Institut im SPIEGEL. Das vorgebliche Kriterium für die Befreiung – der Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit – sei in der Mehrzahl der Fälle nicht gegeben: "Mindestens die Hälfte der Unternehmen ist auf dieser Liste fehl am Platz", sagt Matthes.
Und tatsächlich: Von der EEG-Umlage umfassend befreit sind der aktuellen Liste zufolge auch Kohlegruben der Energiekonzerne RAG und Vattenfall, Schlachthöfe von Wiesenhof und anderen Geflügelmästern sowie eine Reihe von Tierfutterfabriken. Profiteure sind zudem regionale Wurst- und Käsehersteller, Schokoladenfabriken, Solar- und Bioenergiefirmen, die Stadtwerke München, der Erdölmulti Exxon - und die Bremer Tageszeitungen AG, die den "Weser-Kurier" verlegt.
Fröhliche Weihnachten à la FDP.

Es ist ein Rösler entsprungen
Aus einer Irrenanstalt zart
Wie uns die Lobbyisten sungen
Von Raffgier
kam die Art
Und hat eine Parteispende
bracht
Mitten im sozialen Winter
Wohl zu der gelben
Nacht

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Business as usual - Teil II


Nach den knapp 100 Amokopfern des Jahres 2012 in Amerika, war man nach der letzten Katastrophe von Newtown doch ernsthaft geschockt - immerhin hatte es 20 Kleinkinder erwischt.


Im Grunde genommen war das für amerikanische Verhältnisse nicht der Rede wert.
Die Amerikaner haben ein sehr emotionales Verhältnis zu Waffen. Es herrscht eine enorme Paranoia: Wie bei dem Vater, der sich mit seinem Baby auf dem Arm und einem Revolver in der Hand fotografieren ließ. Er beruft sich auf sein verfassungsmäßiges Recht, eine Waffe zu tragen, um sich und seine Familie zu schützen. Nur: Tatsächlich kommen jeden Tag zehn Kinder durch Schusswaffen ums Leben. Zahllose Todesopfer werden von ihren Familienmitgliedern, Verwandten oder Freunden erschossen, im Streit oder bei Unfällen. Waffen bieten keinen Schutz, sie richten ein Gemetzel an: In den USA kosten sie im Jahr fast 40.000 Menschen das Leben.
(Zed Nelson, Photograph von „Gun Nation“)
 20 tote Kinder schafft Amerika ganz üblich in zwei Tagen abzuknallen, ohne daß das irgendeine Meldung wert wäre.
Für die Waffenlobby NRA (National Rifle Association) ist so eine Ballung unter PR-Gesichtspunkten etwas suboptimal, weil die emotionalen Amerikaner es nicht lieben, die Opfer mit Namen zu versehen und trauernden Eltern aus der Anonymität herausgeholt zu bekommen.
Die namenlosen schwarzen oder Latino-Straßenkids, die täglich in den Ghettos umgenietet werden sind für die frommen Christen der NRA hingegen absolut irrelevant.
Direkt nach einem großen Shooting tauchen die Republikaner und NRA-Fuzzis immer einige Tage ab.
In dieses Vakuum stoßen dann die usual suspects von der Psychopathenfront, die sofort die wahren Schuldigen für diese Massenmorde identifizieren:
Atheisten, Schwule, Barack Obama, die Trennung von Kirche und Staat oder die Abtreibung. 
Die üblichen Erklärungsmuster also, die genauso herhalten müssen, um Sandy, Fukushima oder Katrina zu deuten.


Es war absolut vorhersehbar, 
„that right-wingers would see in such a dreadful event an opportunity to promote their paranoid vision of a perfect America as one where every citizen is armed to the teeth, and trembling in awe of their vengeful God”
(Adele M. Stan, alternet, 16.12.12)
 Unter den ersten hassfanatischen Vakuumköppen, die sich vorwagten, waren:
 Mike Huckabee: Massacre the result of church-state separation. Apparently, former Arkansas governor and pastor Mike Huckabee thinks that if only the Constitution had been rewritten to allow for the mandatory worship of his God in public schools, the massacre would not have happened.  […]


Bryan Fischer: God let massacre happen in public school because he's not wanted there. […]



Steve Deace: Killings caused by widespread child-murder by parents and a school assignment in France. […]



 Glenn Beck: Killings caused by soul problems. Taking to his Twitter stream, Glenn Beck was quick totweet [14], at 12:24 p.m.: "Our communities are suffering and it is because of the ever expanding lack of self control & personal responsibility."  […]



Larry Pratt: Making schools gun-free zones caused the problem.
 Ganz kurz sah es so aus, als ob die Waffengegner Oberwasser hätten, aber heute klingt das schon wieder anders.
Ein schwacher Obama sagt nun lediglich noch, daß er auch gegen freiverkäufliche halbautomatische Waffen sei. 
Nun will er erst mal eine Kommission einberufen - als ob es zu dem Thema noch irgendetwas gäbe, das nicht schon diskutiert wäre.

 Wenn Du nicht mehr weiterweißt und Angst hast, Dich mit jemand anzulegen, gründe eine Kommission.

Drei, vier Tage später sind aber diejenigen, die ernsthaft den 2. Verfassungszusatz von 1791 schleifen wollen, schon wieder in der Defensive.
 Zwar stammt dieser Zusatz aus dem Jahr 1791, als noch die ganz reale Gefahr bestand, dass König George III. versuchen könnte, die abtrünnige Kolonie zurück ins Empire zu holen. Und doch kann man aus einer wörtlichen Lesart den Schluss ziehen: Wer gegen das Recht auf das Waffentragen ist, der ist auch gegen das grundlegende Freiheitsrecht Amerikas. Die Freiheit ist nach dem amerikanischen Verständnis das höchste aller Güter. Ganze Generationen waren während der vergangenen Jahrhunderte bereit, dafür zu sterben.
 Die „normalen“ GOPer und NRA’ler kommen wieder aus ihren Löchern gekrochen.

 
Newt, „der Molch“ Gingrich, ehemaliger Sprecher des Repräsentantenhauses,  Man Of The Year 1995 und GOP-Präsidentschaftskandidatenkandidat von 2012, weiß auch um die tieferen Ursachen des Schoolshootings: „school massacre was tied to godlessness in contemporary American society“ 
When you have an anti-religious, secular bureaucracy and secular judiciary seeking to drive God out of public life, something fills the vacuum. And that something, you know, I don’t know that going from communion to playing war games in which you practice killing people is necessarily an improvement.

I think the fact is if you look at the amount of violence in games that young people play, at 7, 8, 10, 12, 15 years of age, if you look at the de-humanization, if you look at the fact that we refuse to say that we are endowed by a creator, that our rights come from God, that if you kill somebody you’re committing an act of Evil.
 Der ganz alltägliche Wahnsinn bricht wieder aus, die Partei, die eben noch eine komfortable Mehrheit im „house“ erhielt, findet ihre Stimme wieder.


Republikaner fordern, Lehrer und Hausmeister zu bewaffnen, um Schulkinder zu verteidigen. […] Einige Republikaner fordern angesichts der Tragödie von Newtown nicht weniger, sondern mehr Waffen. Ihre Logik: Nur mit Waffen lassen sich Amokläufer stoppen.

So argumentiert zum Beispiel Louie Gohmert, Abgeordneter im US-Repräsentantenhaus, die ermordete Direktorin Dawn Hochsprung hätte ihre Schüler mit einem Sturmgewehr verteidigen können - wäre sie nur entsprechend ausgerüstet gewesen: "Bei Gott, ich wünsche mir nichts mehr, als dass sie eine M4 in ihrem Büro gehabt und ihn erschossen hätte, bevor er all diese wunderschönen Kinder töten konnte", erklärte er im TV-Sender Fox News.

Der ehemalige republikanische Präsidentschaftskandidat Rick Perry hat sich an die Spitze der "Teacher-with-gun"-Bewegung gestellt. Geht es nach ihm, sollen künftig Lehrer, Hausmeister, vielleicht sogar Abiturienten im Schulalltag Waffen tragen dürfen. […]

Die republikanische Politikerin Michele Fiore hat für ihren Bundesstaat Nevada einen Gesetzentwurf angekündigt, der es nicht nur Lehrern und Verwaltungsmitarbeitern, sondern auch Schülern erlaubt, sich zu bewaffnen. [….]

Auch in Oklahoma, South Dakota, Tennessee und Arizona haben Abgeordnete die Idee von Louie Gohmert aufgegriffen. […]

In Texas gibt es bereits Schulen, die es ihren Mitarbeitern erlauben, sich zu bewaffnen - ein Bezirk hat sich schon 2008 dafür entschieden. Als Perry den Bezirk bei einer Rede vor Tea-Party-Anhängern erwähnte, konnte er minutenlang nicht mehr weitersprechen. Er wurde er von begeistertem Beifall unterbrochen.
 Tja, meine lieben Landsleute, ihr wollt es ja so.


10 erschossene Kinder täglich, mindestens.
 
Gods Own Country.


Mittwoch, 19. Dezember 2012

Das ist doof!


Man kann es auch ganz ohne Substanz und Hintergrundwissen weit bringen, hoch geachtet werden und auf Top-Positionen hocken.
Dazu braucht es nur Chuzpe, Kamerageilheit, Selbstverliebtheit und eine Begabung zum Blender.
Gauck, Wulff und Guttenberg sind solche Typen.
Drei, die sich mit heißer Luft aus ihren eigenen Fürzen zum Popanz aufgeblasen haben.

In Deutschland gibt es eine lange Historie der Adoration von Pfeifen, Pfaffen und Pfuschern.*
Gauck auf Guttenbergs Spuren
„Statt in Afghanistan für eine sofortige Beendigung der militärischen Auseinandersetzungen zu werben, propagiert Bundespräsident Gauck eine Fortsetzung des Krieges“, so Wolfgang Gehrcke, Mitglied im Vorstand der Fraktion DIE LINKE, zum Abschluss des Weihnachtsbesuchs von Bundespräsident Gauck in Afghanistan. Gehrcke weiter:
„Zum Kriegsgetöse gehörte zu allen Zeiten, dass Präsidenten und Oberbefehlshaber den ‚Soldaten im Felde‘ Tannenbäume und Weihnachtspost überbrachten. Zu Guttenberg als Verteidigungsminister verband seinen Weihnachtsbesuch mit einer Fernsehshow, Gauck hält in Afghanistan Predigten. Aber von der Weihnachtsbotschaft ‚Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen‘ ist er weit entfernt. In Afghanistan herrscht weder Friede, noch sind die Zustände in dem Land so, dass sie Menschen gefallen könnten.
Gaucks Afghanistanbesuch ist die präsidiale Begleitmusik zur Verlängerung des ISAF-Mandates durch den Bundestag. Darauf können die Menschen in Afghanistan und auch die deutschen Soldaten gut verzichten. Der Abzug der Bundeswehr ist die einzig sinnvolle Alternative. Und wäre eine wirklich gute Weihnachtsbotschaft nicht nur für die Soldatinnen und Soldaten.“ 

(Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, 19.12.2012)
Neben den üblichen CDU-Vollpfeifen hat gerade das Bundesverteidigungsministerium, welches als Schleudersitz gilt, erstaunlicherweise auch immer wieder sehr gute Minister hervorgebracht: Leber, Schmidt und Struck nämlich.

Als Peter Struck 2009 aus dem Bundestag ausschied, war er einer der wenigen Politiker, die ich wirklich vermisste.
Ich schrieb echte Lobeshymnen auf ihn und konstatierte, daß sogar die von Struck nicht unbedingt heiß geliebte Angela Merkel seine überragenden Qualitäten schätzte.

Seine politischen Erinnerungen, So läuft das. Politik mit Ecken und Kanten. Propyläen, Berlin 2010, bilden eins der wenigen Politikerbücher, die wirklich sehr aufschlußreich und kurzweilig sind.

Und nun das; heute hat ein Herzinfarkt den notorischen Raucher Struck wenige Tage vor seinem 70. Geburtstag weggerockert.

SHIT!
Er war einer von den Guten.

Genau das Gegenteil der oben genannten Mehr-Schein-als-Sein-Blender, die es im ständigen Bestreben sich selbst zu inszenieren vor jede Kamera drängt.
Struck hat eher weniger als mehr gesagt, sich komplett aus der Yellow-press herausgehalten und erkennbar nicht den geringsten Wert darauf gelegt sich in Partei und Volk beliebt zu machen.
 Er war Sachpolitiker, der rational und mit einem enormen Kenntnisstand agierte.
Es kam immer wieder vor, daß andere Politiker abfällig über diesen eher unnahbaren, wenig kumpelhaft wirkenden Hintergrundwerker sprachen. 
Auch Gerhard Schröder hat diese Gelassenheit lange mit Gleichgültigkeit oder Desinteresse verwechselt. Struck organisiere in der Bundeshauptstadt Bonn „das Kartell der Mittelmäßigkeit“, ätzte der damalige niedersächsische Ministerpräsident in den 90er Jahren über seinen Landsmann Struck, nachdem der ihm die Fähigkeit zum Kanzlerkandidaten abgesprochen hatte. Als Struck Fraktionschef und Verteidigungsminister war, schätzten sich die beiden dann allerdings sehr.
(Tagesspiegel 19.12.12)
Nach den Plantsche-Bildern auf Mallorca, die der liebestolle Scharping mit seiner „Gräfin“ in der Bunten abdrucken ließ, mußte Struck als Verteidigungsminister eine völlig verunsicherte Truppe übernehmen, die zudem auch noch das erste mal mit den Beinen in einem richtigen Krieg außerhalb Europas steckte.
Ihm gelang das eigentlich Ungelingbare: Struck erwarb enormes Vertrauen in der Generalität, bei den einfachen Soldaten und im Parlament.
Er wurde ein extrem beliebter Verteidigungsminister, den die Truppe mochte, weil er keine wolkigen Sprechblasen abließ. Auf sein Wort war absoluter Verlass. 

Ich werte es als besondere Ehre, daß die kriegerische US-Zicke Donald Rumsfeld sich über Jahre weigerte dem deutschen Amtskollegen die Hand zu geben.

 Seine Parlamentskollegen scheinen ehrlich „betroffen“ zu sein. CDU’ler äußern sich auffällig positiv. SPD’ler verehrten ihn sowieso. 
Wir verlieren nicht nur einen großen Politiker, einen der für viele Menschen im Land ein  Vorbild war. Wir verlieren einen Freund, einen engen Weggefährten, einen
Mann voller Herzenswärme, Humor und Lebensklugheit.
Zweimal wurde Peter Struck an die Spitze der Fraktion gewählt, als einziger
Fraktionsvorsitzender seit Gründung der Bundesrepublik. Er genoss von Anfang
an hohe Anerkennung in der Fraktion. Und über die Jahre wurde aus
Anerkennung tiefe Zuneigung. Die Menschen mochten ihn für seine Offenheit,
Geradlinigkeit und für seine klaren Ansagen.
(SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier)
 Aber auch die Kleinen sind selten einmütig:
In Peter Struck verliert unser Land einen großen Sozialdemokraten und leidenschaftlichen Parlamentarier. Sein Spruch, dass kein Gesetz den Bundestag so verlasse wie es hineingekommen sei, wurde als ,,Struck'sches Gesetz" zum geflügelten Wort. Als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag von 1998 bis 2002 und danach als Bundesminister der Verteidigung trug er entscheidend zum Zustandekommen und Erfolg der rot-grünen Regierungskoalition bei. Wir erinnern uns mit Dankbarkeit an eine faire und partnerschaftliche Zusammenarbeit.
(Die Grünen-Fraktionschefs Jürgen Trittin und Renate Künast 19.12.12)

Tiefe Trauer über den Tod von Peter Struck
Zum plötzlichen Tod von Peter Struck erklärt der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE, Gregor Gysi:
Über viele Jahre konnte und durfte ich mit Peter Struck zusammenarbeiten. Er war fleißig, engagiert und verlor nie das Gefühl für die Situation der Bevölkerung, für Menschen in Armut. Er konnte sich freundschaftlich, kollegial und solidarisch verhalten, inzwischen eher eine Rarität in der Politik. Er besaß auch Humor und war lebenslustig, fuhr – für mich völlig unverständlich – gerne Motorrad. Wir sollten versuchen, ihn mit seiner Lebenslust in Erinnerung zu behalten.
Seinen Angehörigen drücke ich mein tief empfundenes Beileid aus.
(Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, 19.12.2012)

Die Nachricht von Strucks Tod habe ihn und alle Fraktionsmitglieder "persönlich tief getroffen", sagte der FDP-Fraktionsvorsitzende Brüderle. Der ehemalige Verteidigungsminister und langjährige Vorsitzende der SPD-Fraktion bleibe "als leidenschaftlicher Parlamentarier und vorbildlicher Demokrat" in Erinnerung, der "fair und kollegial über Fraktions- und Koalitionsgrenzen hinweg" mit den Liberalen zusammengearbeitet habe. "Unsere Gedanken sind jetzt insbesondere bei seiner Familie."
(liberale.de 19.12.12)
 Kritische Töne sind auch in den Kommentaren kaum zu finden; die Journaille verneigt sich.
Die Beschreibungen als knorriger Typ, die gefielen ihm. Sein Charakter hob ihn auch ab von den jüngeren Abgeordneten in der eigenen Partei, aber auch im Parlament insgesamt, deren Glattheit und Karrierebewusstsein er mit wachsender Skepsis sah. […]

Parlamentarier war er mit Begeisterung: "Es gibt nichts Höheres", hat er einmal gesagt. Das Struck'sche Gesetz, wonach kein Gesetz aus dem Parlament so herauskommt, wie es als Entwurf hineingegangen ist, war auch Ausdruck des großen Selbstbewusstseins als Parlamentarier. […] Als Verteidigungsminister entließ er ohne viel Federlesens suspekte Traditionalisten aus der Bundeswehr, was ihm Respekt verschaffte. […]

Er hatte über all die Jahrzehnte einen Schlaganfall und zwei Herzinfarkte. Der Mann hätte sich auch mal schonen können, ja müssen. Aber das wollte er nicht. Einem dritten Herzinfarkt ist er am Mittwoch erlegen.

Peter Struck war sturmfest, erdverwachsen, ein Raubauz und feiner Kerl. Es gibt wohl wenige Akteure im Berliner Polit-Betrieb, die die überraschende Nachricht von Peter Strucks Tod nicht betroffen macht. Der langjährige SPD-Parlamentarier wirkte nach außen oft knorrig und unnahbar, in Wahrheit war er aber ein echter Kumpeltyp, einer, mit dem man Pferde stehlen konnte, wie es so schön heißt.

[…] Nur mit Angela Merkel wurde er nie warm. Mit der Kanzlerin legte sich Struck zu Zeiten der Großen Koalition als SPD-Fraktionschef oft und gerne an. Seine Poltereien gegen Merkel waren legendär und sorgten bei den Genossen in der sonst so freudlosen Koalition stets für beste Stimmung. Immer wieder warf er ihr öffentlich Führungsschwäche vor. Auch im Koalitionsausschuss gerieten sie aneinander. Struck gestand offen: "Sie kann mich nicht leiden und ich sie nicht."

[…] Obwohl es anfangs Zweifel gab, ob Struck der richtige Mann für den Schleudersitz auf der Hardthöhe war, verschaffte er sich schnell Respekt. Seine offene, direkte Art kam bei Offizieren und einfachen Soldaten gleichermaßen gut an. Struck war unentwegt bei der Truppe unterwegs und warb daheim für die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Er war ein Kümmerer, einer, der die Sorgen der Soldaten ernst nahm. Wer ihn in seinem Büro besuchte, konnte da stets eine liebevoll aufgebaute Sammlung an Abzeichen, Wimpeln, Mützen und anderem Militär-Nippes bewundern. Wenn er über seine Truppenbesuche berichtete, geriet er regelrecht ins Schwärmen.

[…]  Im Gegensatz zu vielen anderen Politikern schaffte Struck ein elegantes Karriereende: Er wurde nicht aus dem Amt gedrängt, sondern bestimmte selbst den Zeitpunkt des Aufhörens. […] Eine andere von Strucks Passionen war das Motorradfahren. Es konnte einem passieren, dass man als Journalist zum Interview verabredet war und Struck erschien in voller Motorradmontur. "Los, stellt mal eure Fragen. Ich fahr gleich noch eine Runde", erklärte er dann trocken.

Jetzt hat Peter Struck seine letzte große Fahrt angetreten. Viel zu früh, leider.
 Zum Schluß noch ein paar echte Strucks:
     "Kein Gesetz verlässt den Bundestag so, wie es eingebracht wurde."
Struck als Fraktionschef im Jahr 1999

    "Diskussionsfreude finde ich gut. Eine stumme Partei ist 'ne dumme Partei."
SPD-Fraktionschef Peter Struck 2007 über die Debatten in seiner Fraktion

    "Jede Fraktionssitzung ist jetzt ein kleiner Parteitag."
Struck würdigt 1999 die neue Diskussionskultur in der SPD, nachdem Gerhard Schröder Parteichef geworden ist.

    "Die kann mich mal."
Struck als SPD-Fraktionschef 2008 an die Adresse der CDU, die forderte, er solle sich entschuldigen. Struck hatte Hessens Ministerpräsident Roland Koch unterstellt, über eine U-Bahn-Attacke ausländischer Jugendlicher auf einen Rentner froh zu sein.

    "Es ist schon ein hartes Brot, mit diesen Schwarzen da in Berlin zu regieren, das kann ich euch sagen!"
SPD-Fraktionschef Struck über die sozialpolitischen Forderungen der Linken

    "Sie kann mich nicht leiden und ich sie nicht."
Struck über Kanzlerin Merkel, 2009

    "Dafür hätte er nicht nach Amerika fahren müssen. Es sei denn, er hat Wert auf die Fotos am Times Square gelegt."
Struck im Jahr 2009 zu den Ergebnissen der Gespräche von Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit dem Opel-Mutterkonzern General Motors in den USA



*Das gilt übrigens auch für viele andere Berufe.
Man denke nur an die ungeheuer beliebten und viel beschäftigten Schauspieler, wie Veronica Ferres und Til Schwaiger, die beide ebenso Mimik- wie Talent-los mit ihrer extrem unangenehmen Persönlichkeit nerven.
Von deutschen Popmusikern will ich gar nicht erst anfangen.