Montag, 2. Juli 2012

Die lieben Kleinen.



Einige Nasen in der Bundespolitik sind schon erstaunlich lange dabei. 
Angela Merkel wurde vor 22 Jahren erstmals als Ministerin Mitglied der Bundesregierung. 
Jürgen Trittin wurde vor 28 Jahren in den Niedersächsischen Landtag gewählt und dort vor 22 Jahren Minister.
Wolfgang Schäuble, den Merkel eben als Neuerung auf die Position des Euro-Gruppensprechers hieven wollte, amtierte schon 1984 (sechs Jahre vor der deutschen Vereinigung!) als Bundesminister und wurde 1972, also vor 40 Jahren, in den Bundestag gewählt. 
Er hockt dort also schon zehn Legislaturperioden.
Auch Rainer Brüderle, der mächtige FDP-Fraktionsvorsitzende ist ein Politdinosaurier. Schon vor einem Vierteljahrhundert, 1987, wurde er Wirtschaftsminister in Mainz.

Da ist es wenig verwunderlich, daß es in den nachfolgenden Generationen pressiert.

Die Omen und Open der Parteien scheinen noch ewig weitermachen zu wollen.
Wenn die Altvorderen nicht abtreten, kann das zwei Gründe haben: 
Entweder sie wollen nicht, oder sie können nicht, weil Nachfolger nicht in Sicht sind.
Man denke nur an das traurige Trio der SPD, welches die Hinterlassenschaft von Müntefering und Gerd Schröder bildet.
Mit 52 Jahren ist Sigmar Gabriel das Küken, Frank-Walter Steinmeier folgt mit 56 Jahren und Oldie Peer Steinbrück, 65, wirkt fast schon zu alt, um 2013 einen Aufbruch zu verkörpern.
Alle drei haben aber schon lange Politkarrieren hinter sich und bekanntlich auch jeder schon große Wahlen mit Pauken und Trompeten verloren.

Aber an wen könnte man den Staffelstab weitergeben? 

In der CDU hat die ewige Vorsitzende bereits tabula rasa gemacht. Beim besten Willen ist niemand in Sicht, der Kanzler könnte. 
Zuletzt schleuderte sich Norbert Röttgen selbst ins politische Aus.

Auch bei den Grünen traut sich niemand gegen Claudia Roth oder Özdemir oder Künast oder Trittin zu kandidieren. Allerdings sind die vier Top-Grünen verglichen mit den Spitzen der anderen Parteien auch recht ansehnlich.

 In der SPD scheint die weit und breit unfähigste Politikerin unter 500.000 Parteimitgliedern, Generalsekretärin und Kardinal-Religiotin Nahles, sich Hoffnungen auf Parteivorsitz und Kanzlerkandidatur in der Zukunft zu machen.
Da wünsche ich mir sofort ein möglichst langes Leben der Steine.

 Bei den Linken hätte der neue Talkshowliebling Sahra Wagenknecht vermutlich locker die früheren Geronto-Vorsitzenden ablösen können - wenn sie denn gewollt hätte!
Aber jedes Wochenende auf irgendwelchen regionalen Linken-Provinzparteiversammlungen zu verbringen, erschien Wagenknecht offenbar nicht eben erstrebenswert. Und wer würde es ihr verdenken?

Tatsächlich die Jugend rangelassen haben bisher nur zwei Parteien - die FDP und die Piraten.

 Bei ersteren haben die Küken Rösler, Bahr und Lindner die Partei bereits marginalisiert und in den Abgrund gewirtschaftet. 
Bei den Piraten deutet sich ein ähnlicher Prozess schon an - reihenweise tritt das Führungspersonal wegen erwiesener Unfähigkeit zurück, oder beklagt nach wenigen Monaten, der Job sei ihnen aber VIEL ZU ANSTRENGEND auf die Dauer.

Wie soll aber Parteipolitik mit einer Burn-Out-unter-40 -Generation funktionieren?

Das politische Alltagsgeschäft ist inzwischen so wenig attraktiv, daß sich eine neue Klasse der reinen Landespolitiker gebildet hat. 

Kraft, Kretschmann, Albig, Sellering, Tillich, Haseloff, Böhrnsen, Kramp-Karrenbauer, Platzeck, Lieberknecht oder Bouffier werden sicher nicht in die Bundespolitik gehen. 

Als einzige kommen McAllister und Scholz in Frage. Der Niedersachse müßte dazu aber erst mal seine Landtagswahl gewinnen - was höchst unwahrscheinlich ist. Und der Hamburger erklärt fast so glaubhaft wie Frau Kraft, daß er nicht will.

Die Bundesparteispitzen müssen also erst einmal so besetzt bleiben wie sie sind.
Ihr Nachwuchs taugt nichts, wie ein Blick auf die Jugendorganisationen von FDP und CDU in Thüringen zeigt.
Die FDP-Kinder empfehlen Rösler und Co die Koalition aufzukündigen.
 Dies wird prompt von der JU als "geistige Umnachtung"  und  "liberales Selbstmordkommando" diagnostiziert. 

Gurkentruppler und Wildsäue waren offenbar stilbildend für den Parteinachwuchs.

Stein des Anstoßes für die JU ist eine Pressemitteilung der Jungen Liberalen vom Montag. Darin fordern die Julis nach der Verabschiedung des ständigen Euro-Rettungsschirms ESM und des Fiskalpakts in Bundestag und Bundesrat das Ende der schwarz-gelben Koalition. Die FDP diene nur als Steigbügelhalter und verrate sich selbst und ihre Wähler, erklärte Juli-Landeschef Bernhard Kuske in Erfurt. "Wir fordern die FDP deshalb auf, die Koalition im Bund umgehend zu beenden."
Die FDP sei in den vergangenen Wochen gezwungen gewesen, liberale Kernpositionen aufzugeben, um die Koalition zu erhalten, so Kuske - das habe zum Verlust von Wählern beigetragen. Folglich müsse die FDP in die Opposition, um dort wieder als liberales Gegengewicht zu fungieren.
Es dauerte nicht lange, bis die Thüringer JU mit einer geharnischten Pressemitteilung reagierte. "Offensichtlich leiden die Julis Thüringen derart an geistiger Umnachtung, dass sie jetzt sogar ein liberales Selbstmordkommando einfordern", erklärte Landeschef Stefan Gruhner. Denn: "Das Ende von Schwarz-Gelb bedeutet das Ende der FDP."
Die christlich-liberale Koalition habe einen Wählerauftrag bis zum Herbst 2013. "Union und FDP tun gut daran, wenn sie verlässlich und sachorientiert diesem Auftrag der Wähler nachkommen", ließ JU-Chef Gruhner wissen. Alles andere seien "taktische Spielchen, von denen die Bürger die Nase voll haben".
(Spon 02.07.12)

Sonntag, 1. Juli 2012

Impudenz des Monats Juni 2012.




Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Den Titel bekommt heute wieder eine Einzelperson und zwar ausnahmsweise nicht für eine besonders auffällige Doofheit, sondern dafür, daß sie sich schlicht zurückhält, komplett untertaucht und nicht mehr wahrzunehmen ist:

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.

Die Impudenz des Monats Juni 2012 ist eigentlich Bundesministerin der Justiz. 
Uneigentlich ist aber ihr Posten faktisch vakant.

Sie hat von ihrer ebenfalls langnamigen Ministerkollegin im Sozialministerium gelernt, daß man nur beliebt wird, wenn man bei jeder kritischen Frage untertaucht und der Presse fernbleibt.

Man erinnere sich an das SWIFT-Abkommen (Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung für die Zwecke des Programms der USA zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus), welches die angeblich so liberale Justizministerin auf EU-Ebene durchwinkte.

Es mußte erst von den EU-Parlamentariern aufgrund der ungeheuerlichen Datenschutz-Vergehen gestoppt werden. Leutheusser-Schnarrenberger hatte nicht dagegen gestimmt.

In der 2010er Missbrauchsdebatte knickte die Justizministerin vor den katholischen Bischöfen ein und ließ die Kirchenvertreter den "Runden Tisch" zu Aufarbeitung besetzen. Die Opfer mußten draußen bleiben. Längere Verjährungsfristen gibt es bis heute nicht.
Aktuelles Beispiel ist die sogenannte „Euro-Krise“, die durch Deutschlands Verzögerungstaktik („Zu spät, zu wenig!“) ohnehin viel dramatischer geworden ist.

Nun endlich ist Merkel ein bißchen in Brüssel eingeknickt, endlich gab es die parlamentarische Zustimmung zum dauerhaften Euro-Rettungsschirm ESM. Europa ist aber weiterhin blockiert, weil in Deutschland keine Rechtssicherheit herrscht. 
Europa muß nun leider erst mal warten, bis Deutschland seine Klagen ausgefochten hat. 

Die Justizministerin hat unterdessen wie ein unbeteiligter Zaungast abseits des Geschehens Däumchen gedreht, statt auf die verfassungsrechtlichen Bedenken einzugehen.
Wortmeldungen von ihr sind nirgends registriert worden.
Was hinderte sie eigentlich daran im Vorfeld schon mit den Kritikern wie Gauweiler zu sprechen?

 In Karlsruhe sind nach den Entscheidungen in Bundestag und Bundesrat vom Freitag mehrere Eilanträge gegen ESM und Fiskalpakt eingegangen. Verfassungsbeschwerden gibt es von der Linken-Fraktion, dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, einer Gruppe von Professoren sowie der Bürgerinitiative "Europa braucht mehr Demokratie", die von 12.000 Unterzeichnern getragen und von der früheren Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) angeführt wird.   Innerhalb weniger Wochen werden die Richter diese Anträge behandeln, und auch wenn mit einem Veto der Richter in Berlin nicht gerechnet wird - sicher sein kann sich dessen niemand. Das Inkrafttreten des ESM zum 1. Juli wurde durch die Klagen bereits verhindert, sollte Karlsruhe die Klagen zur Hauptverhandlung zulassen, würde der dauerhafte Rettungsschirm zunächst gestoppt - auf unbestimmte Zeit.

Herr Cameron und Herr Schäuble werfen außerdem das Thema „Volksabstimmung“ in den Raum. 
Müssten nicht die Bürger ob der gigantischen Rettungssummen befragt werden?
 Kann man in Deutschland solche Befragungen überhaupt durchführen?
 Fragen über Fragen. Wer dazu beharrlich schweigt ist die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger.

Selbst beim NICHT-Thema „Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften“, die ohne Probleme erfolgen könnte und sogar im Koalitionsvertrag auf Wunsch der FDP festgelegt ist, schafft es die FDP-Justizministerin eine erbärmliche Figur als Nichtstuerin abzugeben. 
Sie legte erst gar keinen Gesetzentwurf vor und ließ stattdessen die Legislaturperiode fast verstreichen.

 Als nun ein Entschließungsantrag von Bündnis 90 / Die Grünen vorlag, stimmte die FDP sogar DAGEGEN.
Und die Justizministerin schweigt - mal wieder!
Es ist einfach lächerlich, daß in dieser Angelegenheit immer noch eine rechtliche Gleichstellung aufgeschoben wird. Das Thema könnte längst zu den Akten gelegt worden sein.

Sie hat es wieder getan. Die schwarz-gelbe Koalition hat sich im Bundestag heute erneut deutlich gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften ausgesprochen. Und dies, obwohl eine breite Mehrheit der Öffentlichkeit längst für die Ehe von Lesben und Schwulen ist.
Und ja, sie hat auch gegen eine deutliche Mehrheit um Bundestag gestimmt! Denn neben SPD, den Grünen und der Linken ist auch die FDP für die gleichgeschlechtliche Ehe. Sie hat dies auf Parteitagen beschlossen. Es steht in ihrem Grundsatzprogramm. Sie hat es in der heutigen Debatte sogar ausdrücklich bekräftigt!
Aber: Die Angst, bei den eigenen Koalitionspartnern CDU und CSU in Ungnade zu fallen, war wieder einmal stärker als die eigene Überzeugung. Bei der FDP gilt wie so oft: Im Zweifel für die Macht und gegen die Menschen in diesem Land.
Diese schwarz-gelbe Regierung hat damit heute ihre diskriminierende und menschenverachtende Haltung gegen Lesben und Schwule zementiert.
In Westeuropa steht sie damit inzwischen so gut wie alleine da: In Holland, Belgien, Schweden, Spanien und Portugal können Schwule und Lesben bereits heiraten. Auch in England und Frankreich wird die Ehe für Homosexuelle kommen. Ich schließe mich meiner Parteikollegin Elke Ferner an, die heute ebenfalls Schwarz-Gelb aufgefordert hat, „sich von ihrem überholten Gesellschaftsbild zu verabschieden und sich ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung zu stellen.“ Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird kommen. Diese Regierung wäre gut beraten, sich nicht wie bisher von Gerichtsurteilen treiben zu lassen, sondern gesellschaftliche Realitäten endlich anzuerkennen und zum Wohle vieler Frauen und Männer in diesem Lande zu handeln.

Von der schwarzgelben Justizministerin gibt es keine Stellungnahme.

Es geht um das ziemlich sensationelle sogenannte „Beschneidungsurteil“ des Landgereichtes Köln.

Man darf einem Kleinkind nicht willkürlich ohne medizinische Notwendigkeit Schmerzen zufügen.

Die religiösen Bräuche haben sich also - wieder einmal - den allgemeinen Menschenrechten anzupassen. 
Sie verstießen in der Vergangenheit immer wieder mit ihren Ritualen gegen Kinderrechte und mußten erst auf einen moralischen Weg gezwungen werden.

Schauen wir uns an, welche ehemals als normal akzeptierte Praktiken inzwischen entweder als schwere Verbrechen unter Strafe stehen oder zumindest nicht mehr selbstverständlich hingenommen werden:

    Kinder dürfen nicht mehr getötet werden, insbesondere nicht mehr als Strafe für Ungehorsam (in klarem Gegensatz zum Deuteronomium, 21:18-21). Das Töten von Kindern, insbesondere von illegitimen Kindern („Bastarden“) und Töchtern, galt in der Antike als normal und war noch im Mittelalter weit verbreitet.
    Kinder dürfen nicht mehr den Göttern ihrer Eltern geopfert werden.
    Kinder dürfen nicht mehr das Opfer von Exorzisten werden.
    Kinder dürfen nicht mehr einfach ausgesetzt werden.
    Kinder dürfen nicht mehr als billige Sklaven missbraucht und verkauft werden.
    Kinder dürfen nicht mehr sexuell missbraucht werden.
    Kinder dürfen nicht mehr verstümmelt werden, damit sie beim Betteln größeren Erfolg haben.
    Kinder dürfen nicht mehr terrorisiert werden mit Schauermärchen über Höllenqualen, die sie bei Ungehorsam zu erwarten haben.

Und jetzt gilt endlich auch für Jungen:

    Kinder dürfen nicht mehr aus religiösen Gründen verstümmelt werden.

Muslime, Juden, Christen und konservative Feuilletonisten laufen nun Sturm gegen die Kölner Richter und wollen weiterhin das Recht haben kleine Kinder irreversibel zu verstümmeln.

Hätten wir eine Justizministerin, würde sie sich schützend vor die Richter des Landgerichts stellen.

Aber die Impudenz des Monats Juni schweigt natürlich auch in diesem Fall eisern.


Samstag, 30. Juni 2012

Nachwehen.



Seit ein paar Monaten gibt es in immer kürzeren Abständen Schmähartikel über die Talkshowplage in ARD und ZDF.
Jeden Abend Talkshow und das mit desinteressierten Moderationsautomaten und immer denselben Gästen, die einfach auf ihrem Sessel fest getackert sitzenbleiben, bis das nächste Thema dran ist, langweilt die Zuschauer.
Donnerschlach! So eine Überraschung. Wer hätte das gedacht?

Daß die Programmverantwortlichen der mit Milliarden Euro finanzierten öffentlich rechtlichen Anstalten so konsequent auf Seichtheit und Langeweile setzen ist wenig überraschend angesichts der Rundfunkräte, in denen sich lediglich Parteipolitiker und Kirchenvertreter tummeln.

Es ist aber insofern ärgerlich, weil die großen Sender durchaus auch zweieinhalb Moderatoren haben, die über Witz und Intelligenz und Hintergrundwissen verfügen. 
Diese Spezies - ich nenne als Beispiel Anja Reschke - wird aber nicht für die großen Aufgaben verwendet. Nein, die Aushängeschilder sind unpolitische Laberer, die jeder Politprofi locker niederreden kann wie er möchte: Kerner, Lanz, Will, Jauch,..

In der ARD geht es soweit, daß das Moderatoren-Duo ihres Aushängeschildes „Tagesthemen“ von zwei so stromlinienförmigen Langweilern besetzt wird, daß ich mich beim besten Willen nicht an ihre Namen erinnern kann.
Daß es auch anders geht, zeigt die Redaktion von „ARD-aktuell“ ausgerechnet mit den offiziellen Stellvertretern.
Über Jahre brillierte die Medizinerin und Profi-Journalistin Susanne Holst als „Aushilfe“ für Will, Buhrow und Miosga. Inzwischen wurde sie von Ingo Zamperoni abgelöst.

 Auch den 38-Jährigen Hessen halte ich für einen Glücksfall.
 Ein angenehmer Mensch, der mit fundierter Bildung (Studium Amerikanistik, Jura und Geschichte in Konstanz, Berlin und Boston) und sprachlicher Kompetenz seine Moderationen schreibt.

Während des vorgestrigen Fußball-EM-Halbfinales hatte Zamperoni beim 0:2-Rückstand einer 110% auf Fußball fixierten Zuschauermasse die unglückliche Aufgabe eine Tagesthemen-Ausgabe zu präsentieren.
Wie bringt man aber politische Nachrichten mit den notwendigen Hintergrundinformationen an die Frau und den Mann, wenn sich ohnehin niemand dafür interessiert, weil alles heulend und deprimiert ob der drohenden Halbfinalniederlage darnieder liegt?

Zamperoni gelang das auf brillante Art. 
Er schloß, wie bei den Tagesthemen üblich, mit einem Bonmot.

“Und beenden möchte ich diese Tagesthemen – aus gegebenem und persönlichem Anlass – mit Worten des italienischen Dichter-Fürsten Dante: “Das Gesicht verrät die Stimmung des Herzens”. Ich weiß nicht, was Ihnen mein Gesicht jetzt verrät, aber seien Sie versichert, dass ich innerlich ziemlich zerrissen bin. In diesem Sinne: che vinca il migliore, möge der Bessere gewinnen”

Das brachte die ARD-Zuschauer auf die Palme.

 Denn, OH GRAUS, Zamperonis Vater ist ITALIENER!

 Wagte es da etwa ein Moderator einer DEUTSCHEN Sendung Sympathien für das gegnerische Team durchblicken zu lassen?

„Wäschekörbeweise“ seien laut Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, wüste Mails und Anrufe nach der deutschen 1:2-Pleite eingegangen. Die Volksseele habe ob das Lächelns und eines offenbar falsch verstandenen Schlusswortes gekocht.
(dpa 29.06.12)

Sein Lächeln macht Deutschland wütend lautete die Mopo-Überschrift.

Darf so ein Itaker überhaupt lächeln?

„Möge der Bessere gewinnen“ - ein Affront.

Die BILD kleidete das Zitat in deutschnationale Sätze und betont wie wütend die deutschen Fans sind.

Zamperonis feixender Abschluss: „In diesem Sinne! Che vinca il migliore: Möge der Bessere gewinnen.“ Zu dem Zeitpunkt führte Italien wohlgemerkt bereits mit 2:0.

Feixen? Es bleibt rätselhaft wo BILD das gesehen haben will.

Zamperonis Chef Kai Gniffke befand sich flugs in einem Shitstorm, den deutschnationale Fußballfans lostraten.

“Das war doch eine Unverschämtheit diesen Mann einzusetzen. Er hat seine Lage leider ausgenutzt und dauergegrinst und seinen Kommentar zum Schluß konnte er sich sparen.”Andere Zuschauer haben mich ermahnt, ich solle Herrn Z. erklären, “dass er im deutschen Fernsehen tätig ist”. Kurz: Die Volksseele kocht, und wir lernen, dass Einwandererkinder zwar für Deutschlands Nationalmannschaft kicken dürfen, aber wenn Zamperoni in den Tagesthemen Dante zitiert, ist die nationale Ehre im Eimer. Unmittelbar nach Spielschluss brach die Lawine der Reaktionen über uns herein, und die Redaktion samt Moderator fragte sich selbstkritisch, ob wir einen Fehler gemacht haben.

Aber Zamperoni, dessen Vergehen es offenbar ist Halbitaliener zu sein, hat alles richtig gemacht.
 Falsch liegen die Deutschen, die in patriotischer Wallung eben doch das tun, was in den Talkshowdiskussionen zum Thema Patriotismus immer scharf bestritten wird. 
Sie sind nicht „nur“ stolz auf ihr Land, sondern setzen automatisch andere Länder herab, diffamieren andere Menschen wegen ihrer Herkunft.
Die Unterschiede zwischen Nationalismus udn Patriotismus verschwinden beim Fussball ganz schnell.
Italiener in Deutschland wurden nach dem Spiel mit Spaghetti beworfen und beschimpft.

In der angeblich liberalen Hamburger Morgenpost gibt ein Nils Weber „10 Tipps gegen den EM-Frust“.

 Seine offenbar witzig gemeinten Empfehlungen lauten unter anderem:

2. Suchen Sie sich einen Engländer, den Sie zum Elfmeterschießen herausfordern können. Der Rest fügt sich.
3. Gehen Sie in den kulinarischen Strafraum, dorthin, wo es weh tut: Zum Italiener. Stellen sie sich ihrem Trauma, auf die harte Tour. Ziehen Sie sich ihr Deutschland-Trikot an. Bestellen Sie laut eine Pizza Endstationi. Essen Sie ganz auf, auch den knochenharten Rand. Sagen Sie, es sei die beste Pizza ihres Lebens gewesen. Geben Sie extra viel Trinkgeld. Pfeifen Sie beim Hinausgehen die „Rocky“-Melodie.
5. Fragen Sie am Montag einen Spanier oder Italiener: „Und, wer hat gewonnen?“ Falls er „Wir!“ antwortet, fragen Sie weiter: „Und, wer hat’s bezahlt?“

Freitag, 29. Juni 2012

Ich habe genug von den Claudia Kellers




Carolin Emcke ist eine bekannte Autorin der ZEIT und sie ist lesbisch.

Normalerweise würde ich das nie extra erwähnen, aber da sie es selbst in einem Buch zum Thema gemacht hat, will ich einen schönen Gedanken zitieren. Emcke hadert nämlich mit dieser Kategorisierung. Ein Adjektiv könne kaum eine Identität vollständig beschreiben.

Die Rede von kultureller, religiöser, ethnischer, sexueller Identität ist so selbstverständlich geworden, dass sich erklären muss, wer die Gegebenheit dieser Kategorien infrage stellt, wer ihren objektiven Gehalt bezweifelt, wem diese Zuordnungen von Identität und Differenz Unbehagen bereiten. Es gilt als tolerant, in diesen Kategorien zu denken, die »Andersartigkeit« anzuerkennen, es gilt als liberal, in Talkshows auch mal einen »echten Schwulen« oder einen »authentischen Muslim« oder einen »Juden« einzuladen, auch wenn sie dann meist nur über »Al-Kaida« und »Ehrenmorde«, »Israel« und »den Holocaust« oder eben »Sex« reden dürfen, als ob nicht auch ein Atheist die Position einer gläubigen Muslimin erläutern, ein nichtjüdischer Deutscher das Existenzrecht Israels verteidigen oder ein Heterosexueller das Adoptionsrecht für Homosexuelle fordern könnte. Es war ein langer, politisch wichtiger Kampf um Sichtbarkeit und Repräsentation, aber in dieser Art der Repräsentation liegt auch etwas Befremdliches.

Diese spezielle Art der Liberalität hat sich inzwischen verselbstständigt.
Ich erfahre das gelegentlich am eigenen Leib, wenn ich in christlichen Kreisen diskutiere. 
Mich interessiert nun einmal Religion und ein Hauptkollisionspunkt des real existierenden Katholizismus‘ ist die praktizierte Homophobie der Ratzingerophilen.  Kritisiere ich dies, schließen professionelle Religioten sofort daraus, ich müsse offensichtlich auch schwul sein (und Schwule nimmt man nicht ernst).
Als ob es nicht für jeden Menschen „normal“ sein müsste, sich für Menschenrechte und gegen Diskriminierungen einzusetzen.
Ich lehne schließlich auch vehement aus grundsätzlichen moralischen Überlegungen die Sklaverei ab (im Gegensatz zu Jesus, der sie gutheißt), obwohl ich nie im Leben Sklave war.

In vielen deutschen Chefredaktionen gibt es auch dieses Denken, daß nur ein der Religion sehr Wohlgesonnener über kirchliche Themen berichten soll.

Es widerspricht aber dem journalistischen Ethos mit dem zu beobachtenden Gegenstand verquickte Personen als quasi objektive Berichterstatter auftreten zu lassen. 
Journalismus bedeutet eigentlich „professionelle Fremdbeobachtung“ und nicht Werben befangener Schreiberlinge für ihre Sache.
Bei anderen Themen wird dieser Eindruck vermieden. Man sollte gerade nicht CDU-Mitglied sein, um von der CDU zu berichten.
Interessanterweise sind in diesem Punkt ausgerechnet die verhassten Parteipolitiker viel weiter. Man kann das an Buchvorstellungen beobachten. 
Destilliert ein Spitzenpolitiker seine Agenda zwischen zwei Buchdeckel, wird gerne ein Politiker aus einer möglichst weit politisch entfernten Partei gebeten das Buch vorzustellen.
Wolfgang Schäubles Buch "Scheitert der Westen?" wurde 2003 vom amtierenden Grünen Außenminister Joschka Fischer laudatiert.
Merkel fungierte als Laudatorin für die Biographie des renitenten FDP-Chefs Rösler.

Erbärmlich inzestuös besetzten die Chefredaktionen ihre Ressorts für’s Religiöse.
Im SPIEGEL gibt es immerhin auch kritische Autoren, wenn es um Papstthemen geht. Lobend erwähnen möchte ich Peter Wensierski. Aber was heißt das schon, wenn immer wieder der hochaggressive Hardcore-Religiot Matthias Matussek seine katholisch-extremistischen Ansichten vertritt?

Fast zehn Jahre schrieb der radikal-konservative Ratzinger-Epigone Alexander Kissler für die Süddeutsche Zeitung über die katholische Kirche (2001-2010), bevor er auf passendere Stellen wechselte. Heute schreibt er unter anderem für das „Vatikan Magazin“ und die katholische „Christ und Welt“-Beilage der ZEIT.

Sein Nachfolger ist Matthias Drobinski, der seit 2010 alle Missbrauchsfälle der RKK journalistisch für die SZ begleitet. Im Vergleich zu Kissler ist er war geradezu neutral, aber dennoch schreibt er stets wohlwollend über den Katholizismus. Drobinskis Dreh- und Angelpunkt ist das Wohl der Kirche, welches es zu stärken gelte.

Es ist einfach langweilig seine Artikel zu lesen, weil man immer schon weiß was kommt.
Zu „Beschneidungsurteil“ vermeldete er, wie nicht anders zu erwarten:

Das Kölner Urteil ist Ausdruck unserer säkularen Gesellschaft. Manchmal aber ist es überhaupt nicht gut, wenn sich Richter über Religionen stellen.

Zu Gute halten muß man der SZ, daß sie in diesem Fall wenigstens eine Gegenmeinung von Markus C. Schulte von Drach veröffentlichte.

Sehr unangenehm fällt die Tagesschau auf, die zu dem Thema den katholischenTheologen Michael Bongardt befragt, welcher - ach wie überraschend - die Religionsfreiheit bedroht sieht.

Die pro-Religions-Crew der ZEIT um Evelyn Finger ist so einseitig katholisch, daß ich sie bereits in einer ganzen Artikel-Serie würdigte.

Die WELT-Gruppe hält sich mit Paul Badde und Andreas Englisch zwei so enthusiastische Papst-Verehrer, wie man sie selbst in der Papst-WG kaum noch einmal findet.

Englisch möchte man instinktiv als erstes zum Drogentest schicken, wenn man ihn in Talkshows vor Benedikt-Begeisterung übersprudeln sieht.

Das ZEIT-Partnerblatt „Tagesspiegel“ aus Berlin hält sich „für’s Religiöse“ Claudia Keller. Ein überzeugte Christin, die ganz offensichtlich nicht gerade zu den gebildeten Kommentatoren gehört.

Sie erklärte, daß nur ein Gläubiger über die nötige moralische Autorität verfüge das Amt auszufüllen. Atheisten dächten nämlich nicht über den Tag hinaus. 
Etwas Dümmeres habe ich schon lange nicht gehört.

Acht der zehn bisherigen Staatsoberhäupter waren Protestanten. Die meisten waren es nicht nur auf dem Papier, sondern engagierten sich intensiv in ihrer Kirche. Gustav Heinemann war Mitglied der Bekennenden Kirche, Richard von Weizsäcker Präsident des Kirchentages, Roman Herzog Synodaler. Heinrich Lübke und Christian Wulff sind die katholischen Ausnahmen.    
 Einen Konfessionslosen gab es noch nie in diesem Amt. Das ist kein Zufall. Der Bundespräsident sollte jemand sein, der über den Tag hinausdenkt und gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem Horizont zu deuten vermag, der den Alltag übersteigt.  Wer an Gott glaubt, hat einen solchen Horizont. Er weiß, dass es eine Alternative gibt, dass das Naheliegende nicht immer das Beste ist.

Immerhin - in der Online-Ausgabe erschien einige Tage später ein missbilligender Brief eines Lesers aus Berlin.

„Protestantische Bundespräsidenten –
Ein Mann, viele Worte“ vom 21. Februar

Nur wer an Gott glaubt, kann gesellschaftliche Zusammenhänge vor einem über den Alltag hinausgehenden Horizont deuten – eine im Jahr 2012 wahrhaft bemerkenswerte These! Ungeachtet der Frage, ob Protestanten angesichts zweier katholischer Präsidenten besonders gut für das Amt des Bundespräsidenten geeignet sind, ist die Feststellung, Konfessionslose seien es jedenfalls nicht, schlicht anmaßend.
Gesellschaftlich wichtige Entwicklungen müssen auch in neuerer Zeit gegen den erbitterten Widerstand der christlichen Kirchen erkämpft werden (Frauenwahlrecht 1919, Straffreiheit homosexueller Handlungen 1973, Abtreibung 1974, Lebenspartnerschaftsgesetz 2001, PID 2011).
Noch heute gilt das allgemeine Arbeitsrecht nicht für kirchliche Arbeitgeber. Sie können Mitarbeitern kündigen, weil sie geschieden oder homosexuell sind, selbst dann, wenn die kirchliche Einrichtung vom Staat finanziert wird. Die Abschaffung solcher Sondergesetze scheitert regelmäßig an konfessionsgebundenen Bundestagsabgeordneten. Angesichts dieser Fakten kann ich nicht erkennen, wodurch sich Religiöse in gesellschaftlichen Zusammenhängen besonders weitsichtig gezeigt hätten. So wie Joachim Gauck Thilo Sarrazin Mut für sein Buch attestierte, war auch dieser Kommentar mutig.

Den (meiner Meinung nach lausigen) Tagesspiegel-Meinungsartikel zum aktuellen Thema „Beschneidung“ verfasste Malte Lehming.
Heute durfte Solon Solomon nachlegen, der ernsthaft angesichts dieses Urteils den Satz fallen läßt "so wurde der Faschismus geboren."

Religionsfreundin Claudia Keller durfte Bericht erstatten. 
Die Gelegenheit nutzte sie, um durch die Hintertür ihre pro-religiösen Freunde als anscheinend neutrale „Staatsrechtler“ einzuführen.
Ein Artikel, der sicher den meisten Lesern nicht weiter auffallen wird. Überprüft man ihre Informationen, wird aber Kellers Einseitigkeit sofort deutlich.
Sie zitiert in dem Artikel „Verletzte Gefühle“ den angeblichen Experten Heinig.

 Der Göttinger Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig hält das Urteil „für rechtlich und politisch verfehlt“. Dass der Eingriff den Tatbestand der Körperverletzung erfülle, sei eindeutig. Aber da eine Gefährdung des Kindeswohls überaus zweifelhaft sei, müsse man den Eltern die Entscheidungsfreiheit lassen. Vor allem aber fürchtet Heinig einen großen gesellschaftspolitischen Schaden. Das Urteil werde weltweit rezipiert, und viele Juden und Muslime seien verunsichert. Heinig fürchtet, diese werden zur Geburt ihrer Kinder ins Ausland fahren und sagen: „In Deutschland kann man sein Judentum, sein Muslimsein ja nicht leben.“
(Nicht daß ich der Sippenhaft das Wort rede, aber Hans Michael Heinig ist der Ehemann der Kirchenrätin und Kulturbeauftragten der EKD, Petra Bahr, für die  „Salafisten, Atheisten und Co“ irgendwie alles das gleiche sind.

Wie Skydaddy mustergültig ausführt, ist Frau Bahr eine echte Demagogin, die es mit der Wahrheit zumindest nicht sehr genau nimmt.)
Dazu liegt mir eine Entgegnung eines Berliner Rechtsanwaltes vor, die ich vollständig zitieren möchte:


zum Artikel "Verletzte Gefühle" von Claudia Keller und Jost Müller-Neuhof im Tagesspiegel vom 28. Juni 2012:

Richtig herausgearbeitet wird der neuralgische Punkt der sich an das Urteil des Kölner Landgerichts anschließenden Diskussion: "Wie weit darf der Staat in die Religionsfreiheit eingreifen?" Schade nur, daß die Autoren quasi als entscheidende Meinung, die zur Klärung dieser Frage aufgerufen wäre, allein den Staatskirchenrechtler Hans Michael Heinig zitieren. Zum einen handelt es sich bei ihm um einen eng mit der evangelischen Kirche verbundenen Wissenschaftler, sein Standpunkt ist daher vorhersehbar religionsfreundlich. Zum anderen begründet er die Entscheidungsfreiheit der Eltern für die Beschneidung von Kindern und Säuglingen damit, daß "eine Gefährdung des Kindeswohls überaus zweifelhaft sei."

Allein: Darauf kommt es nicht an! Wie Heinig selbst einräumt, besteht an einer tatbestandlichen gefährlichen Körperverletzung durch den Eingriff der Beschneidung kein Zweifel. Nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung und juristischen Literatur kann ein solcher Eingriff nur gerechtfertigt sein, wenn er zum Wohl des Kindes medizinisch indiziert ist. Nicht Zweifel an der Gefährdung des Kindeswohl, sondern ausschließlich die Notwendigkeit des medizinischen Eingriffs zum Wohl des Kindes schützt vor Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung. Auch Heinig behauptet aber nicht, die Beschneidung sei zum Wohl des Kindes notwendig. Für eine Abwägung zwischen der körperlichen Integrität des Kindes und der Religionsfreiheit der Eltern bleibt hier ersichtlich kein Raum. Selbstverständlich obliegt es dem Staat im Rahmen der ihn treffenden Schutzpflicht für seine Bürger, Kinder und erst recht Säuglinge vor lediglich religiös begründeten Körperverletzungen durch ihre eigenen Eltern zu bewahren. Das Urteil aus Köln bedeutet einen lange überfälligen Fortschritt der gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland, es bleibt zu hoffen, daß die Entscheidung alsbald höchstrichterlich bestätigt wird.

Bedauerlich ist, daß der Tagesspiegel bei gesellschaftlich so wichtigen und polarisierenden Diskussionen lediglich auf Experten aus dem kirchennahen Spektrum zurückgreift und nicht wenigstens gleichberechtigt auch einen religionskritischen Wissenschaftler zu Wort kommen läßt. Für den nur durchschnittlich interessierten Leser muß sich der Eindruck ergeben, Heinig habe die Haltung der deutschen Rechtswissenschaft wiedergegeben. Dies ist jedoch wie gezeigt ein Trugschluß. Vom Tagesspiegel erwarte ich insbesondere vor dem Hintergrund seines Mottos "rerum cognoscere causas", daß ich unvoreingenommen und objektiv über Tatsachen informiert werde. Eine Ausnahme gilt bei ausdrücklich als "Meinung" gekennzeichneten Beträgen. Der Artikel "Verletzte Gefühle" war nicht als Meinung gekennzeichnet und läßt daher die notwendige Objektivität vermissen.


off the record:

Ich bin es leid, bei jedem auch nur ansatzweise religionspolitische Themen berührenden Artikel ausschließlich mit Ihrer Autorin Claudia Keller konfrontiert zu werden! Sie ist bekanntlich eine gläubige Katholikin und damit per definitionem zu Objektivität gerade in diesem Bereich nicht in der Lage, sonst könnte sie keine "gute Katholikin" sein. Es ist mit der Sicherheit eines Uhrwerks vorhersagbar, daß sie in jedem einzelnen ihrer Artikel - schön verpackt zwar, so daß es nicht jedem gleich auffällt - die offizielle Meinung der Deutschen Bischofskonferenz zur Kenntnis bringt.

Es wird beantragt:
Die Mitarbeiterin Claudia Keller wird mit sofortiger Wirkung von ihren Pflichten beim Tagesspiegel entbunden und durch einen religionspolitisch neutralen Kollegen ersetzt.

Hilfsweise:
Jedem von der Mitarbeiterin Claudia Keller verfaßten Artikel wird zur Wahrung der Objektivität auf derselben Seite ein Artikel von gleicher Länge, in gleicher Aufmachung und Schrifttype von einem explizit religionskritischen Autoren gegenüber gestellt. Der Unterzeichner erklärt sich zur Übernahme dieser Aufgabe gern bereit.

Höchst hilfsweise:
Jedem von der Mitarbeiterin Claudia Keller verfaßten Artikel wird ein Warnhinweis vorangestellt. Insoweit wird folgender Text für ausreichend, jedoch auch notwendig gehalten: "Die Autorin ist gläubige Katholikin. Die Redaktion des Tagesspiegel übernimmt keine Gewähr für Objektivität."

Hinweis: Der "off-the-record"-Teil ist Ausdruck meiner jetzt bereits mehrere Jahre anhaltenden Frustration darüber, daß ich in "meiner" Tageszeitung in einer ganz überwiegend atheistischen Stadt zu jedem religionspolitischen Thema nur die Meinung von Frau Keller finde, des Mitglieds einer - jedenfalls in Berlin und Brandenburg - religiösen Splittergruppe.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Underneath the radar….




Fußball. 
Draußen ist es irgendwie verdächtig ruhig. Sollte ich das Glück haben, daß Italien „Jogis Jungs“ im Halbfinale raus kickt und dann endlich wieder Schluß ist mit Grölen, Böllern und Autokorsi?
Das gefiele den allermeisten Deutschen natürlich nicht und ganz besonders eine wäre bitter enttäuscht. Nämlich Angela Merkel. 

Keine Zeit eignet sich so gut dazu dummerhafte Politik zu betreiben, wie eine Fußball-EM oder WM.
Im Schatten der sportlichen Ereignisse kann man so einiges am Volk vorbei mogeln, das unter normalen Umständen auf sehr viel mehr Widerstand stieße.

Es könnte auch mehr ins Augen fallen, daß der Kanzlerin im verflixten siebten Jahr (und dabei waren Jahr fünf und sechs schon extrem verflixt!) rein gar nichts gelingen will.

Sie hat mittlerweile so gut wie alle Verbündeten in der EU verloren und gilt weltweit als Haupthindernis auf dem Weg zur Beendigung der Finanzkrise in Europa. 
Auf EU-Gipfeln fallen Abstimmungsergebnisse inzwischen 1:26 gegen Deutschland aus.
Allen Ernstes wollte Merkel in dieser konfrontativen Lage, in der alle nur mit dem Kopf schütteln angesichts der deutschen Politik, ihren Totalausfall auf dem Finanzministerstuhl zum Sprecher der Euro-Gruppe machen. 
„Nein Danke“ war dazu heute die einhellige Antwort der anderen Regierungschefs.

Die Agentur Reuters meldete unter Berufung auf Insider, dass Juncker vorerst Chef der Euro-Gruppe bleibt. Darauf hätten sich die Staats- und Regierungschefs der Euro-Länder am Rande des EU-Gipfels verständigt.  Als Euro-Gruppenchef spricht Juncker für die Finanzminister der 17 Euro-Länder.

Was Angie anrichtet, bzw wozu ihre Sturheit führen könnte, pfeifen inzwischen die Spatzen von den Dächern. Merkels Kollegen greifen inzwischen zu extrem drastischer Sprache. Zur HÖLLE könne der Euro bald fahren.

Italiens Ministerpräsident Mario Monti warnte nun vor einer möglichen Katastrophe für die EU, sollten die Länder keine gemeinsame Linie finden.
Wenn die Italiener entmutigt würden - sprich: falls es keine Hilfssignale aus Deutschland gebe -, könnte dies "politische Kräfte" freisetzen, die die europäische Integration und den Euro "zur Hölle fahren lassen", sagte Monti bei seiner Ankunft in Brüssel am Mittwochabend. Italien habe bereits große Opfer gebracht und die Schulden unter Kontrolle bekommen. Mit anderen Worten: Nun seien die Geberländer wie Deutschland am Zug.
Wie groß die Not in den südeuropäischen Ländern ist, wurde am Mittwoch erneut deutlich. Die Renditen für italienische Staatsanleihen stiegen auf den höchsten Wert seit Dezember, damit drohen dem Land immer höhere Kosten für den Schuldendienst.

Man muß nur in einfache Boulevardblättchen wie die Mopo gucken, um sich die drohenden höllischen Zustände vorstellen zu können.

Angela Merkel hat sich so deutlich festgelegt wie noch nie: „Solange ich lebe“, werde es keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa geben, erklärte sie kürzlich.
Tatsächlich haftet Deutschland über die Europäische Zentralbank bereits heute für Schulden anderer Euro-Länder in Höhe von 100 Milliarden Euro – „obwohl Frau Merkel sichtbar noch lebt“, wie Jürgen Trittin (Grüne) süffisant feststellt.
Ohne diese Vergemeinschaftung würde die Euro-Zone wohl zerbrechen, sind sich Experten sicher. […]
Übrig bliebe ein „Rest-Euro“ mit Deutschland und kleineren Ländern wie Österreich, den Niederlanden oder Finnland. […]
Das Bundesfinanzministerium hat das Euro-Aus durchgerechnet. Ergebnis: Das „Wirtschaftswachstum“ in Deutschland betrüge im ersten Jahr minus zehn Prozent. Zudem würde die Arbeitslosigkeit auf fünf Millionen hochschnellen (aktuell drei Millionen). […]
Experten beziffern die Gesamtkosten für Deutschland bei einem Euro-Aus auf ein bis zwei Billionen Euro – etwa das Sechsfache des Bundeshaushalts.
[…] Über den Umstellungskurs könnten Sparer im schlimmsten Fall teilweise enteignet werden. […]
Das Bundesfinanzministerium befürchtet, dass mit dem Euro auch andere Errungenschaften untergehen könnten. Zum Beispiel der Binnenmarkt oder die Reisefreiheit. Zudem könnte die zu erwartende massive Wirtschaftskrise auch radikalen politischen Kräften in Deutschland Auftrieb geben.

Macht ja nichts.

Da ist es schon beruhigend, wenn der Bundestag „nur“ über total schwachsinnige Dinge, wie die Antibildungsprämie der Bundesregierung diskutiert.

Zu Recht ist das Betreuungsgeld heftig umstritten. Denn es ist eine falsche Weichenstellung, die auf Jahre die Chancen von Kindern und Frauen verschlechtert. Es ist ein Hemmnis für gute Bildung, es ist ein Stolperstein für Integration, es ist eine Falle für Frauen und es ist noch dazu eine Sackgasse für Fachkräfte.
Weit mehr als zwei Drittel aller Deutschen lehnt das Betreuungsgeld ab, 64 Prozent der CDU-Anhänger ebenfalls. Die Menschen wissen: Das Betreuungsgeld ist nichts anderes als eine Stillhalteprämie für Horst Seehofer. Auch deshalb ist die Ablehnung so überwältigend.

Anders als bei der geplatzten ersten Lesung traf diesmal sogar die Bundesfamilienministerin Schröder im Bundestag ein und ging Fragen nicht aus dem Weg. 
Irgendwie tapfer. Normalerweise tauchen Merkel-Minister bei unangenehmen Dingen einfach ab und werden nicht mehr gesehen.
Allerdings kann man mit Ehrlichkeit und Ratio der Herdprämie nichts Positives abgewinnen.
 Aber Kristina Schröder hat sich längst von den argumentativen Zwängen der Ehrlichkeit befreit.

Ministerin Schröder erneut beim Lügen erwischt.
"Selten hat eine Bundesregierung so dreist gelogen wie Schwarz-Gelb beim Elterngeld. Nicht zwei Drittel, wie Kristina Schröder behauptet, sondern lediglich 15 Prozent der Eltern beziehen zumindest zeitweise gemeinsam Elterngeld. Die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass die alten Probleme ungemindert fortbestehen", erklärt der familienpolitische Sprecher der Fraktion DIE LINKE, Jörn Wunderlich, zu den neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes zum Elterngeld und zu deren Kommentierung durch Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). Wunderlich weiter:
"Entgegen den Darstellungen der Ministerin ist es für Paare weiterhin äußert unattraktiv, gemeinsam Elterngeld zu beziehen. Gerade einmal ein Promille aller Eltern bezog über den gesamten Zeitraum gemeinsam Elterngeld. In 99,9 Prozent der Fälle waren Elterngeldbezug und Erziehungsarbeit weiterhin ungleich verteilt. Nach Ansicht der Bundesregierung ist dies jedoch offenbar kein Problem. Unseren Antrag, den gemeinsamen Elterngeldbezug attraktiver zu machen, hat die Koalition vor zwei Wochen abgelehnt."
(PM der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag 27.06.2012, Jörn Wunderlich)