Freitag, 20. April 2012

Was noch zu zerschlagen war......


Die beiden Innenminister der Regierungen Deutschlands und Frankreichs legen mit ihrer Forderung nach einer temporaeren Aussetzung des Schengen-Abkommens die Axt an einen Grundpfeiler europaeischer Einigung. Offene Grenzen sind die Essenz der europaeischen Idee. Mit ihrer Politik stellen Merkel und Sarkozy dies in Frage und gefaehrden so die Zukunft Europas.
 Dabei verhalten sie sich nicht nur als europapolitische Geisterfahrer, sie entlarven auch den Opportunismus konservativer Parteien in immer mehr Laendern. Sarkozy erkennt, dass er die Wahl gegen Francois Hollande verlieren wird und fischt ohne Skrupel am rechten, offen nationalistischen Rand. Dass er dafuer keinen Widerspruch seiner europaeischen Parteifreunde erntet, ist schlimm genug. Dass die deutsche Bundesregierung einen antieuropaeischen Wahlkampf auf dem Ruecken von Fluechtlingen und Migranten sogar offen unterstuetzt ist skandaloes.
Ein Affront ist das Vorgehen zudem gegen die Europaeische Kommission, die einen Vorschlag zur Reform des Schengen-Abkommen vorgelegt hat. Merkel und Sarkozy respektieren die Kompetenzen der Gemeinschaftsinstitutionen nicht und brueskieren mit ihrem Alleingang zum wiederholten Mal unsere europaeischen Partner.

Die schlechteste Bundesregierung aller Zeiten. 

Mit dieser Zustandsbeschreibung konnte sich das Merkel-II-Kabinett schon rühmen, als es noch eine Merkel-Westerwelle-Regierung war.
Immer wieder amüsant zu sehen, wenn in Presserunden jemand diese kurze Einschätzung zitiert und von links bis rechts, von taz bis FAZ alle zustimmen.

Presse-Einigkeit. Immerhin das vermag Schwarzgelb herzustellen. 
So wie in der causa Wulff findet sich einfach niemand in der Journaille, der irgendeinen Streifen Licht in Merkels maroder Morialogen-Mannschaft erkennen kann - von einigen ganz ganz Irren wie Ulf Poschardt oder Roger Köppel abgesehen.

Aber wer konnte denn vor ein, zwei Jahren ahnen, daß es in der Kombination Merkel-Rösler noch kontinuierlich qualitativ bergab gehen würde?

CDU, CSU und FDP scheinen nur noch einen Antrieb zu kennen; die wollen den Terminus Technicus „Worst Case-Szenario“ aushebeln, indem sie fortwährend zeigen, daß es sogar noch schlimmer geht. Selbst wenn man schon im tiefsten Graben sitzt und allgemeiner Konsens erreicht wurde, daß man nun wirklich nicht tiefer sinken könne.

Aber in den Disziplinen Lügen, Stümpern und Fälschen sind die Bürgerlichen einsame Spitze.

Daß Westerwelles Chef-Beraterin Margarita Mathiopoulos diese Woche ihren ergaunerten Dr.-Titel verlor, ist schon kaum noch eine Meldung wert - so alltäglich ist es geworden, daß Schwarzgelbe schummeln, spicken und schwindeln.

 Die 320 gestohlenen Textstellen der Mathiopoulos-Dissertation sind noch nicht mal besonders viel verglichen mit den anderen überführten bürgerlichen Betrüger-Akademikern:
Der Oberbürgermeisterkandidat in Landau Kai Schürholt (CDU), der Kultusminister von Sachsen Roland Wöller (CDU), der Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis (FDP) , der BW-CDU-Landtagsabgeordnete Reinhard Löffler, der niedersächsische Kultusminister Bernd Althusmann (CDU), Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU), der Bundestagsabgeordneten Bijan Djir-Sarai  (FDP), der BW- Landtagsabgeordnete Matthias Pröfrock  (CDU), der NRW-Kommunalpolitiker Andreas Kasper (CDU), die Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin (FDP), der nordrhein-westfälische Bundestagsabgeordnete Dieter Jasper (CDU), Stoibers Tochter Veronica Saß, Stoibers Sohn Dominic Stoiber.

(Gerade mal einen rotrotgrünen Plagiator gibt es: Den Hamburger SPD-Politiker Uwe Brinkmann)

Ein Mogel-Diplom hat auch Roland Kochs Rache in Merkels Kabinett, „Dr.“ Kristina Schröder hingelegt.

Der hessische SPD-Generalsekretär Michael Roth verlangte am Freitag eine "klare Aussage" von Ministerin Schröder, ob sie eine fundierte Doktorarbeit abgeliefert habe, die auf eigener wissenschaftlicher Arbeit beruht, "oder ein Mogel-Diplom, bei dem wesentliche Teile von anderen, möglicherweise bezahlten Hilfskräften erledigt worden sind", sagte Roth in Wiesbaden.     Schröders Arbeit mit dem Titel "Gerechtigkeit als Gleichheit" ist an der Gutenberg-Universität Mainz entstanden und untersucht, wie sich die Wertvorstellungen von CDU-Bundestagsabgeordneten von CDU-Mitgliedern an der Basis unterscheiden. 1000 Parteimitglieder musste Schröder dafür befragen - verschickt wurden die Fragebögen freundlicherweise von der Bundeszentrale der CDU.   Doktorvater von Kristina Schröder ist der bekannte Politologe Jürgen Falter, Professor an der Mainzer Gutenberg-Universität. Schröder beschäftigte ausgerechnet den wissenschaftlichen Mitarbeiter ihres Doktorvaters Falter als Hilfskraft bei der Fertigstellung ihrer Promotion.  Dies sei "ein eingekaufter Luxus, von dem andere Doktoranden nur träumen können", wunderte sich die Süddeutsche Zeitung. Und der Deutschlandfunk resümierte, Schröder habe "eine mustergültige Typ-II-Arbeit vorgelegt, also ein Werk, das weniger vom Interesse an der wissenschaftlichen Arbeit, sondern mehr von dem Wunsch nach einem akademischen Titel geprägt ist".

Die braune Hessin „arbeitet“ offensichtlich generell so, daß sie sich am Ende mit fremden Federn schmücken kann.
Die Co-Autorin von Kristina Schröders Zurück-in-die-1950er-Buch "Danke, emanzipiert sind wir selber!" Caroline Waldeck ist praktischerweise vom Steuerzahler finanzierte  Mitarbeiterin im Familienministerium. 

Die SPD will jetzt klären lassen, ob dabei private und dienstliche Angelegenheiten vermischt wurden. Fraktionsvize Elke Ferner kündigte dazu eine mündliche Anfrage im Bundestag an. Die Sache habe "ein Geschmäckle", sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Renate Künast, der Passauer Neuen Presse. Schröder müsse "aufklären, wie dieses Buch entstanden ist". Es gehöre nicht zu den Aufgaben von Mitarbeitern, ein privates Buch für die Ministerin zu schreiben.

Dabei kann man von Glück reden, wenn die Ministerin nur wegen ihrer privaten Mauscheleien in den Schlagzeilen ist. 
Ihre politischen Aktionen sind erheblich niederträchtiger und zwangen mittlerweile viele Frauen sich in einer Art Notwehr-Aktion per Offenem Brief (18.04.2012) von dem intellektuell minderbemittelten Kohl- und Koch-Fan zu distanzieren.

Wir fühlen uns von der für Frauen- und Familienpolitik zuständigen Ministerin Kristina Schröder nicht vertreten!
Kristina Schröder lässt uns mit unseren strukturellen Problemen alleine – neuerdings müssen wir uns in ihrem gerade erschienenen Buch „Danke, emanzipiert sind wir selber!“ sogar sagen lassen, es handle sich bei diesen nicht etwa um problematische Rahmenbedingungen, sondern schlicht um individuelle Probleme und Aushandlungsprozesse.
Liebe Frau Dr. Schröder,
unser Problem sind nicht überkommene Rollenbilder, diktiert von „Feministinnen“, sondern weniger Lohn für gleiche Arbeit, fehlende Kitaplätze, gläserne Decken, die Gefahr von weiblicher Altersarmut aufgrund von Teilzeitarbeit, Niedriglohnsektor und geringfügiger Beschäftigung!
[….] Im Gegensatz zu Ihnen, Frau Schröder, halten wir die Lösung dieser Probleme aber nicht für eine private Frage des individuellen Verhandlungsgeschicks, sondern schlicht für strukturelle Diskriminierung, der politisch etwas entgegengesetzt werden kann und muss.
Wir fordern Sie auf: Tun Sie endlich, wofür Sie bezahlt werden – von unseren Steuergeldern!  […] Anders als Sie sind wir nicht „vor allem von Feministinnen“ enttäuscht, sondern von Ihnen.
Wenn Sie gemäß Ihrer individuellen Überzeugung weiterhin vorhaben, die Bedeutung von struktureller Ungleichheit für die aktuelle Lage der Frauen in unserem Land zu leugnen, bitten wir Sie von ganzem Herzen: Machen Sie den Weg frei für eine Ministerin, die unsere Interessen endlich vertritt!
Erstunterzeichnerinnen: Claudia Roth und Renate Künast.

Den deutschen Innenminister kann man übrigens getrost „Lügenminister“ nennen. Offensiv und dreist konterkariert er seinen eigenen Job. 

Gerade wichtig genug für die Kaffeepause des Ministers.
Besonders große Bedeutung scheint Innenminister Friedrich der Islamkonferenz nicht beizumessen. Ein paar harmlos-freundliche Worte in der Kaffeepause reichen aus seiner Sicht, um die Beschlüsse zusammenzufassen - während die Vertreter der Islamverbände auf der Straße stehen.  […]    Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), muss seine Positionen zur Islamkonferenz an diesem Donnerstag in Berlin-Kreuzberg auf der Straße erklären. Der Innenminister wollte ihn nicht an seiner Seite haben bei seiner kurzen Erklärung in dritten Stock des alten Umspannwerkes am Landwehrkanal. Ihn nicht und auch sonst niemanden. Hans-Peter Friedrich pur.
[…]  Am Mittwoch erst hat die Bochumer Islamwissenschaftlerin Armina Omerika ihren Rückzug aus der Konferenz erklärt. Diese komme ihr "immer sinnloser" vor. Das liege vor allem an Innenminister Friedrich, dem sie unter anderem unterstellt, Studien zum Islam in Deutschland gerne zu missbrauchen, um "wieder einmal einen populistischen Diskurs" zu bedienen.

Friedrich macht das Gegenteil dessen, was er tun sollte: 
Statt für friedliches Miteinander zu sorgen, gießt er heimlich Öl ins Feuer und sorgt persönlich für antiislamische Hetzkampagnen der BILD-Zeitung. 
Dabei entblödet er sich nicht so ein Tun zunächst vehement abzustreiten, bis es doch bewiesen wurde.

Wurde eine Studie zu angeblich integrationsunwilligen jungen Muslimen vorab an die Bild-Zeitung weitergegeben? Nein, sagte Innenminister Friedrich im Fernsehen. Nein, sagte sein Staatssekretär im Bundestag. Ja, muss das Ministerium nun auf eine Anfrage der Linken zugeben. […]
Die Anfrage geht auf einen Presse-Bericht über radikale Muslime Ende Februar zurück. "Junge Muslime verweigern Integration", war auf bild.de zu lesen, der Artikel berief sich auf eine Studie, die schon lange im Bundesinnenministerium lag - und nun in der Redaktion des Blattes.   Der Artikel berichtet von angeblichen Massen von Integrationsverweigerern und Sympathien für den Islamismus unter jungen Muslimen, was nicht wirklich die Aussagen der 760-Seiten-Studie sind.  Autoren der Studie distanzierten sich und sprachen von Verzerrung. Die Islamwissenschaftlerin Armina Omerika nahm Innenminister Hans-Peter Friedrichs Umgang mit der Studie zum Anlass, am Mittwoch ihren Austritt aus der Islam-Konferenz zu erklären.  Schnell kam der Verdacht auf, Friedrich habe die Studie lancieren lassen, doch er dementierte. "Also, diese Studie ist nicht aus meinem Haus herausgegeben worden", sagte er im ZDF. Später sagte Innenstaatssekretär Christoph Bergner im Bundestag: "Es hat keine öffentliche oder wie auch immer geartete Übergabe dieser Studie durch das Bundesinnenministerium an die Medien gegeben."

Aber dank der untermoralischen Performance des Merkel-Kabinetts sind faustdicke Lügen und Betrügereien der Bundesminister oder des Bundespräsidenten gar keine Aufreger mehr.

Business as usual. 

Willkommen im Sumpf BRD.

Erbärmliche Ausflüchte des Lügenministers
"Wenn ein Bundesminister die Öffentlichkeit derart belügt, wie Hans-Peter Friedrich es getan hat, muss sich die Bundeskanzlerin fragen, ob er noch tragbar ist. Der Lügenminister Friedrich sollte sich den Lügenbaron von und zu Guttenberg zum Vorbild nehmen und zurücktreten", erklärt Sevim Dagdelen, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE […] Dagdelen weiter:
"Bundesinnenminister Friedrich und sein Staatssekretär Christoph Bergner haben das Parlament und die Öffentlichkeit darüber belogen, wie die Studie vorab ausgerechnet in die Hände der Bild-Zeitung gelangen konnte. Sich nun dahinter zu verstecken, dass der Minister nicht gewusst habe, dass seine Pressestelle die Studie lancierte, ist erbärmlich und eines Ministers schlicht unwürdig. Besonders skandalös ist, dass Friedrich und Bergner sogar die beteiligten Wissenschaftler verdächtigt haben. Friedrich muss sich dafür bei den Wissenschaftlern entschuldigen und gegenüber dem Parlament Rechenschaft ablegen.
Die nachgeschobene Erklärung, man habe die Studie der Bild-Zeitung lediglich zur 'Vorbereitung eines Interviews' gegeben, 'um eine differenzierte Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der Studie zu ermöglichen', ist heuchlerisch. Bild ist bekanntlich die schlechteste Wahl für eine differenzierte Berichterstattung. Ich unterstelle, dass der Minister ganz bewusst die Bild-Zeitung ausgewählt hat, um die Wahrnehmung der Studie in Richtung rechtspopulistische Stimmungsmache zu lenken. Das belegen auch sein erster Kommentar zur Studie und der Umstand, dass er die Zeitung auch im Nachhinein nicht einmal im Ansatz dafür kritisiert hat, dass sie die Studie – angeblich – unerlaubt vorab und absolut verzerrend als ‚Schock-Studie‘ veröffentlicht hat.
Friedrich ist für seinen Posten völlig ungeeignet. Ich kann alle muslimischen Verbände und Einzelpersonen verstehen, die der absolut unglaubwürdig gewordenen Islamkonferenz den Rücken gekehrt haben."

So wie Merkels Truppe in Deutschland sämtliches Porzellan zerschlägt, geht die Chefin auch auf EU-Ebene vor. 
Sie torpediert den Europäischen Gedanken und setzt 60 Jahre Europa-Politik auf’s Spiel.

Kurz vor der Präsidentschaftswahl in Frankreich profiliert sich Nicolas Sarkozy als Hardliner gegen illegale Zuwanderung. Prompt kommt eine deutsch-französische Initiative: Die Grenzen zwischen EU-Ländern sollen wieder schärfer kontrolliert werden. Ein Wahlkampfmanöver, das Europa schadet.
 Die Bundesregierung fand deutliche Worte. Dass sich die Menschen in Europa frei bewegen könnten, sei ein "riesiges Gut, das nicht durch nationale Befindlichkeiten in Gefahr gebracht werden darf", mahnte Kanzlerin Angela Merkel. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnte vor einer Spirale, "an deren Ende die Reisefreiheit in Frage stehen könnte".
Die harschen Sätze sind nur ein paar Monate alt. Sie fielen, als Dänemark, damals noch rechtskonservativ regiert, im Alleingang wieder Grenzkontrollen einführte. Die Empörung war groß, auch in Deutschland. Heute ist es anders herum. Jetzt ist es plötzlich die Bundesregierung, die sich rechtfertigen muss.
Innenminister Friedrich hat einen Brief an die EU-Ratspräsidentschaft geschrieben, gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen Claude Guéant. Darin fordern sie, künftig ihre Grenzen vorübergehend wieder dicht machen zu können. […]
Die deutsch-französische Kooperation ist wohl vor allem ein Wahlkampfgeschenk für Nicolas Sarkozy.
[…] Westerwelles Parteifreund Alexander Graf Lambsdorff, Chef der FDP-Gruppe im Europaparlament: "Das ist eine Unterstützung Sarkozys bei seinem Versuch, vor der Wahl am rechten Rand zu fischen, zu Lasten Europas."

Die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Christine Lambrecht:
Bundesinnenminister Friedrich und sein franzoesischer Kollege legen aus durchsichtigen Gruenden die Axt an eine der wichtigsten Errungenschaften des europaeischen Einheitsprozesses - die Reisefreiheit. Der populistische Vorschlag, zur Abwehr von illegaler Einwanderung die Grenzen in Europa wieder schliessen zu koennen, ist nichts weiter als Stimmungsmache im franzoesischen Praesidentschaftswahlkampf fuer Sarkozy.
Der deutsche und der franzoesische Innenminister sollten diese rechtspopulistische Diskussion lassen und das Vorhaben ganz schnell aufgeben.
[…] Dieses Thema zu durchsichtigen Wahlkampfzwecken zu missbrauchen ist nicht nur schaebig, sondern auch gefaehrlich, weil es rechten Scharfmachern in die Haende spielt.

Diese Errungenschaft nun in Frage zu stellen, ist ein Misstrauensvotum gegen Europa. Dass der Vorstoß mitten im französischen Wahlkampf kommt, macht ihn zusätzlich verdächtig. Präsident Nicolas Sarkozy, mit dem Rücken zur Wand, markiert den starken Mann gegen Einwanderer. Dass der deutsche Innenminister sich dafür einspannen lässt, ist bedauerlich, aber nicht überraschend, wenn man sich sein Parteibuch anschaut.   Die Symbolik ist jedoch fatal. Sie ist ein Rückfall in das überwunden geglaubte Nationaldenken und erinnert an ein Land, über dessen Obsession mit der eigenen Grenze sich die Kontinentaleuropäer gerne lustig machen: Großbritannien. (Carsten Volkery, 20. April 2012)
Offene Grenzen und ungehinderte Reisefreiheit sind eine der größten Errungenschaften der Europäischen Union. Sie für durchsichtige Wahlkampfmanöver aufs Spiel zu setzen, ist gefährlich. Dass die Bundesregierung der französischen Regierung dabei hilft, zeigt zudem, wie tief die schwarz-gelbe Koalition mit ihrer Europapolitik gesunken ist. Gerade in Zeiten der Wirtschafts- und Finanzkrise müssen die Vorteile und Freiheiten, die das Schengen-System für die Bürgerinnen und Bürger in der EU bietet, verteidigt und gestärkt werden. Dass gerade dies durch Deutschland und Frankreich infrage gestellt wird, ist ein Angriff auf die Europäische Integration und ein absolutes Armutszeugnis für den deutsch-französischen Führungsanspruch in der Europäischen Union.
(Renate Künast , 20. April 2012)

To be continued…

Donnerstag, 19. April 2012

Qual der Wahl




Es gibt mediale Großereignisse, von denen immer gesagt wird, daß sich jeder daran erinnere was er in dem Moment getan hätte.

  • Krönung Queen Elisabeth II.
  • JFK-Ermordung.
  • Mondlandung.
  • Hochzeit Charles & Diana.
  • Mauerfall.
  • 9/11.

Bis Mondlandung war alles vor meiner Zeit, die Hochzeit mit der dümmsten und unangenehmsten Prinzessin Europas sah ich mir 1981 zusammen mit meiner Oma an. Mit mäßigem Interesse.

9/11 verfolgte ich hingegen gebannt über endlose Stunden vorm TV und am Telefon klebend (Verwandte in NY!)

Aber ausgerechnet der Mauerfall ist zu meiner Schande an mir vorbei gegangen.
Ich erinnere mich nicht an dem Abend TV gesehen zu haben.
Meine ersten postmaurerischen Erinnerungen sind die typischen Zweitakter-Abgase, die ich auf einmal überall in Hamburg roch und vorher nur von meinen Fahrten auf der Transitstrecke nach Berlin kannte.
Trabis kannte ich aus Budapest, Belgrad und Bukarest. Ich wußte wie klein die Dinger sind, da ich in Jugoslawien und Ungarn in Trabbi-Taxis gefahren war.

Und plötzlich waren sie überall in Hamburg und stanken vor sich hin. Euphorie packte mich nicht; ich war eher genervt.

Mein erster hängengebliebener Mauerfall-TV-Eindruck war ein Tagesschaubericht über Ossis, die mit Helmut Kohls Begrüßungs-Hunderter in der Hand in Prassabsicht die Westberliner Supermärkte stürmten und schließlich unverrichteter Dinge, aber völlig überwältigt wieder hinaus gingen.
 Dort stammelten sie sichtlich mitgenommen von den endlosen Regalen allein mit Katzenfutter, welches in hunderten Sorten gäbe.
 Wozu bräuchten die BRD-Bürger so eine Auswahl nur für ihre Katzen, während man nur ein paar Straßen weiter vor leeren Regalen gestanden habe?
Das hätten sie sich nicht vorstellen können.

Dieser Bericht beeindruckte mich, weil er mir erstmals eine ganz neue Perspektive aufzeigte.
Als Wessi schlugen in dem Moment mehrere Herzen in der Brust: Mitleid, Überheblichkeit, Verständnis, aber auch Scham, weil man sich bewußt wurde wie sehr unsere Konsumwelt ausgeufert war.

Ich konnte mir sehr gut vorstellen, wie es die schiere Fülle Menschen, die den Anblick nicht gewohnt waren, unmöglich machte eine Entscheidung zu treffen.

Ein ähnliches Phänomen ergibt sich heute für die vielen Urnenpöblern, die vom Interesse geleitet sind die schwarzgelbe Horrorregierung loszuwerden.

Bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen in Frankreich und Amerika ist das viel einfacher. 
Am Ende gibt es quasi nur einen Amtsinhaber und einen Gegenkandidaten. 
Will ich lieber Sarkozy oder Hollande? Obama oder Romney?
 Eine zumutbare Entscheidung.

Ein Deutscher hingegen wird nicht vor eine klare Alternative gestellt. 
Er muß zunächst einmal allein den Entscheidungsprozess leisten, ob er Frau Merkel für eine dritte Amtszeit haben will, oder nicht.

Wenn ja, ist noch nicht klar, was man dafür am besten in der Wahlkabine ankreuzt; es kommen CDU, CSU und FDP in Betracht.

Will man aber einen anderen Kanzler, wird es noch viel schwerer.

Dafür gibt es potentiell vier Parteien, nämlich Grüne, SPD, Linke und Piraten.

Eine Wahlstimme für eine dieser vier Oppositionsparteien muß aber noch lange nicht tatsächlich gegen Frau Merkel gerichtet sein.

Ich gehöre zu den Menschen, die im Jahr 2005 sogar Geld für die SPD-Kampagne gegen Merkel spendeten und am Ende zusehen mußten, wie mit meinem Geld, meinem Einsatz und meiner Partei ausgerechnet die Person zur Regierungschefin gewählt wurde, die ich gerade unter allen Umständen verhindern wollte.
Das damals erworbene Magengeschwür trage ich heute noch mit mir rum.

Schwarz-Rot und Schwarz-Grün sind aber 2013 echte Optionen.
Gut möglich, daß ein überzeugter Anti-Schwarzgelber Trittin/Künast-Wähler am Ende dafür sorgt, daß Frau Merkel ihre dritte Kanzlermehrheit zustande bekommt.

 Die Saarländischen und Hamburger Grün-Wähler wissen schon wie das ist.

Was also tun?

Piraten oder Linke wählen, die garantiert keine Koalition mit der CDU eingehen werden?

Paradoxerweise geht das erst Recht nicht, weil Stimmen für Linke und Piraten ohne Regierungsoption sind.
 Ihre Sitze sind somit kastriert und unter den verbleibenden potenten Abgeordneten ist Merkels Mehrheit dann relativ noch größer.

Je mehr Stimmen Grünen und SPD fehlen, weil sie an Linke oder Piraten gegangen sind, desto höher die Wahrscheinlichkeit, daß es zu einer Kanzlerschaft Merkels (in einer erzwungenen schwarzgrünen oder schwarzroten Koalition) kommt.

Jemand, der NICHT rechts ist und über Verstand verfügt, kann also letztendlich nur grün oder SPD wählen - unter bewußter Inkaufnahme des Risikos am Ende doch Merkel zu bekommen.
Keine schöne Perspektive.
Glückliche Franzosen. 
Wer Hollande wählt, hilft unter keinen Umständen Sarkozy.

Mir ist allerdings nicht ganz klar weswegen man im Bund also überhaupt Piraten oder Linke wählen sollte. 

Natürlich kenne ich die Argumentationen:

 Ich bin gegen Krieg, ich bin für mehr Sozialstaat. Grüne und SPD betrieben aber (angeblich) Politik dagegen.

Es nützt nur nichts die Wahlentscheidung inhaltlich aufzuladen. 
Taktik schlägt Inhalt. 
Wer mehr Sozialstaat will und daher Linke (statt SPD) wählt, erhöht damit die Chance, daß eine CDU-Kanzlerin den Sozialstaat noch mehr beschneidet, als es die SPD täte.

Wer keinen Krieg will und daher statt Grünen lieber Piraten wählt, erreicht damit, daß umso wahrscheinlicher ein CDU-Mann im Verteidigungsministerium hockt, der besonders gerne in einem heißen Krieg in Nahost mitspielen möchte.

Die gleiche taktische Ausgangslage kann man auch auf die Länderwahlentscheidungen in Kiel und Düsseldorf übertragen.

Wie sehr hatte ich mir Hoffnungen gemacht, daß ein rotgrüner Durchmarsch in beiden Bundesländern der finale Lanzenstoß für das Merkel-Rösler-Kabinett wäre.

Die Chancen hätten gut gestanden, daß in dem Fall die sterbende FDP ihre fünf scheintoten Minister abgezogen hätte.
Daß der Waffenlieferungswahnsinn nach Nahost oder die Herdprämie am Ende gewesen wären. 
Wir standen so kurz davor.

Aber dann kam der Piratenhype.

Rot und Grün sackten demoskopisch so weit ab, daß zumindest in Kiel eine CDU-Regierungsbeteiligung wieder wahrscheinlich ist.

Gut für das Konrad-Adenauer-Haus, welches in NRW ohnehin nichts zu verlieren hat.

Und wieso sollte man abgesehen von taktischen Überlegungen überhaupt die Piraten wählen?

Damit man all die potentiell eher links eingestellten Kleinkünstler, Autoren und Musiker ruiniert?

Damit sie in all ihrer Sinnlosigkeit dort die Abschaffung der Studiengebühren fordern, wo es gar keine solchen Gebühren gibt?

Damit sie sich an einem zusammenkopierten Wahlprogramm à la Googleberg durch den Landtag hangeln?

Eine Durchsicht der Wahlprogramme der schleswig-holsteinischen Parteien mithilfe einer Plagiatssoftware bringt Licht und Schatten hervor. SSW, SPD und GRÜNE bestehen die Prüfung fast fehlerfrei. Bei der FDP entdecken wir eine heimliche Liebe zur Eifel. Bei der LINKEN gibt es höfliche Kritik. Die CDU leistet sich einen kleinen, aber groben Schnitzer. Die PIRATENPARTEI fällt durch: Die Partei, die mit dem programmatischen Spruch „Jetzt mit mehr Inhalt“ selbstbewusst im Landtagswahlkampf antritt, schrieb ihr Programm zu 43 Prozent ab – und das auch noch fehlerhaft.
[…] Bei den sehr umfangreichen Übernahmen aus den 2011er Wahlprogrammen aus Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern stellt sich die Frage, wessen Programm das nun eigentlich ist. Ist das „ihr“ Programm? Oder das aus Baden-Württemberg? 45 Prozent des Programms aus dem Südwesten der Republik flossen absatzweise in das Kieler Programm, füllen es zu über einem Drittel (35 Prozent)

Das Abkupfern des Parteiprogramms haben die Piraten auch noch so dermaßen schlecht gemacht, daß sich haufenweise Forderungen finden, die in Schleswig-Holstein gar keinen Sinn ergeben.(*)

Oder soll man die Piraten wählen, damit durch die Hintertür Rechtsradikale ins Parlament kommen?

Gegen Rechtsextrem grenzen sich die Piraten nämlich nicht klar ab und schleppen einen brauen Rand mit sich rum.

„In ihrem Parteiprogramm sprechen sich die Piraten gegen Rassismus aus - soweit die Theorie. Doch in der Praxis fallen immer häufiger Mitglieder mit antisemitischen und rassistischen Äußerungen auf. Einer davon ist Bodo Thiesen - und seine Geschichte zeigt, wie schwer sich die Partei im Umgang mit braunem Gedankengut tut. Thiesen wies 2008 auf einer Mailingliste Polen indirekt die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu ('durch die Generalmobilmachung') und verteidigte den Holocaust-Leugner Germar Rudolf.
 Dafür gab es zwar eine Verwarnung des Bundesvorstands. Doch Thiesen wurde trotzdem 2009 zum Ersatzmitglied des Bundesschiedsgerichts gewählt. […]
Für die Piraten ist das Urteil zusätzlich problematisch, weil Thiesen kein Einzelfall ist. Ein Kreisvorsitzender der Partei aus Baden-Württemberg twitterte zum Beispiel, 'den Juden an sich unsympathisch' zu finden, ein Direktkandidat aus Niedersachsen wollte Holocaust-Leugnung 'entkriminalisieren', andere hatten ihre frühere NPD-Mitgliedschaft verschwiegen. […]  Der Chef des Berliner Landesverbands, Hartmut Semken, […] findet: 'Jeder Pirat hat eine Privatmeinung. Das Grundgesetz sagt, er darf sie auch äußern.' In seinem Blog schreibt er, das Problem der Piraten seien nicht 'die Bodos' - sondern diejenigen, die rechte Mitglieder aus der Partei werfen wollten. Wer nämlich nicht bereit sei, mit Nazis zu reden, sei 'dem Nazitum näher als er glaubt'.
 (Hanna Beitzer SZ, 18. April 2012)
Tja, in dem Punkt weiche ich ausnahmsweise mal ab vom meinem Parteitaktik-Credo: 
Wer mit Rechtsradikalen kungelt ist für mich unwählbar.


Der Landesvorsitzende der Berliner Piraten, Hartmut Semken [….]  hatte in einem Blog-Eintrag Neonazi-Gegner in seiner Partei kritisiert und eine rigorose Abgrenzung gegenüber Rechtsextremisten indirekt abgelehnt. Nun fordern mehrere Mitglieder des Berliner Landesverbands, darunter ein Abgeordneter der Fraktion im Abgeordnetenhaus, Semkens Rücktritt.
[….]  Zu den Initiatoren gehören die Piraten Philip Brechler und Stephan Urbach und das Fraktionsmitglied Oliver Höfinghoff. Ein weiterer Piraten-Abgeordneter unterstützte die Forderung, erklärte aber, sich aus der öffentlichen Debatte zunächst heraushalten zu wollen. [Wie jämmerlich ist das denn? - T.]  
[Semken wies]  Vorwürfe, er würde mit seinen Äußerungen Rechtsradikale zu den Piraten locken, scharf zurück. "Ich weigere mich aber, auf Menschen mit rassistischem Gedankengut allein mit Verachtung und dem Aufruf des Fertigmachens zu reagieren", so Semken weiter, "denn das stärkt sie nur weiter."
[….]  Für den Bundesvorstand, den die Piraten am übernächsten Wochenende in Neumünster küren wollen, kandidiert etwa der Berliner Dietmar Moews. Der 61-Jährige hatte während der Debatte um Günter Grass in einem Videoblog über das "Weltjudentum" schwadroniert. Antreten darf er trotzdem.

Ja, sicher, die Piraten befinden sich in der Anfangsphase und es ist legitim eine neue Partei aufzubauen. 

Dies haben aber Grüne und WASG geschafft ohne je den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen, wie sie gegenüber Neonazis, Rassisten, Antisemiten und Homophoben eingestellt sind.

Und das ist auch das Mindeste, das ich von einer neuen Partei erwarte,

Piraten, setzen, sechs.

·        



(*) Der Lackmustest: Fand eine Anpassung auf landesspezifische Forderungen statt? Welche Transferleistung ist erkennbar?
Einige Beispiele:
  1. Unvollständige Übernahme
    In dem Kapitel Transparenz mit der hintersinnigen Überschrift: „Geheimnis war gestern“ wird der Abschnitt „Transparenz bei Besetzung von Ämtern“ vollständig aus dem Programm Baden-Württemberg übernommen. In dem abgekupferten Abschnitt heißt es im Original unter anderem:
    Wir fordern eine Verbesserung der Transparenz bei der Besetzung von Ämtern und öffentlichen Aufsichtsgremien. Darunter fallen zum Beispiel die Beigeordneten in großen Kreisstädten oder Verwaltungsräte. (…)
    Warum auch immer aus den „großen Kreisstädten“ in der Kieler Fassung „Städten“ wurde – die in Schleswig-Holstein nicht bekannten kommunalen „Beigeordneten“ und „Verwaltungsräte“ blieben erhalten – und stehen nun sinnfrei im Text herum.
  2. Falscher Begriff
    Bei der kurz darauf folgendenTransparenz in der Kommunalpolitik“ liegt das Programm in der eigenen(!) Formulierung knapp daneben:
    „Wir setzen uns dafür ein, (…)  dass von den jeweiligen Sitzungen der Kreistage und der Stadt- und Gemeinderatssitzungen Live-Streams erfolgen (…).“
    Okay. In Schleswig-Holstein heißt das Gemeinde- oder Stadtvertretung. Für den Außenstehenden mag sich das kleinlich anhören, für Kommunalpolitiker ist das wichtig.
  3. Unreflektierte Übernahme
    Ländle pur findet sich bei der geforderten „Transparenz im Haushalt des Landes“. Nur scheint es, dass die in Baden-Württemberg offenbar zu beklagende Flucht aus dem Budget in „überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanzierte Stiftungen“ nicht auf Schleswig-Holstein übertragbar ist. Denn hier im Lande können wir schon seit einiger Zeit eher eine Abkehr von Stiftungsunwesen erkennen, etwa jüngst bei der Auflösung der Innovationsstiftung.
  4. Falsche Behauptung
    Im Abschnitt Mehr Bürgerbeteiligung – weniger Hürden bei Volksbegehren werden die einleitenden Absätze aus dem Muster(vorlagen)ländle übernommen. Kurz bevor es dann in die freie Formulierung überbegeht, steht hier wie dort:
    „Zum Unterschreiben müssen sich die Bürger in amtlichen Eintragungsräumen einfinden.“
    Nein, müssen sie nicht. Es mag sein, dass das in Baden-Württemberg so ist. In Schleswig-Holstein ist das nicht so. § 16 Absatz 1 Volksabstimmungsgesetz: „Die Eintragung in Eintragungslisten oder Einzelanträgen kann in amtlichen oder nicht-amtlichen Räumen sowie anderen Örtlichkeiten stattfinden“. Und das müssen Piraten in Schleswig-Holstein bitte auch wissen, sie sind Bündnispartner von Mehr Demokratie e.V. und unterstützen sie bei vielen Gelegenheiten.
  5. Doppelt falsch
    Der in Baden-Württemberg gebürtige SatzIn Schleswig-Holstein ist für Kinder mit besonderem Förderbedarf das Risiko einer Sonderschuleinstufung und der daraus folgenden Ausgrenzung aus dem Regelschulbetrieb im internationalen Vergleich besonders hoch.” ist im Schleswig-Holsteiner Programm gleich doppelt falsch: Wie zuletzt der „Chancen-Spiegel“ der Bertelsmann-Stiftung zur Bildungsgerechtigkeit zeigte, ist Schleswig-Holstein auf diesem Gebiet bundesweit führend: Nur 2,9 Prozent aller Schüler sind hier vom Regelschulsystem ausgeschlossen und werden gesondert in Förderschulen unterrichtet (Bundesdurchschnitt: 5,0 Prozent). 49,9 Prozent aller lern- oder körperbehinderten Schüler besuchen eine reguläre Schule. Diese Quote liegt mehr als doppelt so hoch wie der Bundesdurchschnitt.
  6. Längst eingelöste Forderung
    Zur Abwechslung das Wahlprogramm Mecklenburg-Vorpommern. Eingepfercht zwischen zwei Abschnitten aus dem dortigen Programm steht der Satz: „Wir wollen durch eine Änderung des Landesbeamtengesetzes Schleswig-Holstein erreichen, dass auch in Schleswig-Holstein der Generalstaatsanwalt kein politischer Beamter mehr ist“. Tolle Idee. Der Satz kommt nur vier Jahre zu spät: Der Generalstaatsanwalt ist in Schleswig-Holstein seit 2008 kein politischer Beamter mehr.
  7. Mechanische Anpassung
    Der schon bei der LINKEN kritisierte Mechanismus, in einem Text die Bezeichnung des Bundeslandes auszutauschen, findet sich auch bei den Piraten: Etwa bei der Begrenzung des Missbrauchspotenzials der Leiharbeit: „Wir wollen, dass das Land Baden-Württemberg Schleswig-Holstein dazu eine entsprechende Initiative im Bundesrat startet.“ Könnte jemand bitte mal abgrenzen, inwieweit das ein Monat nach der Wahl in Baden-Württemberg beschlossene (Bundes)Gesetz zur Verhinderung von Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung da schon was von erledigt hat?
  8. Artefakt in der Überschrift
    Beim Thema Studiengebühren wird der Eingangssatz aus Baden-Württemberg übernommen, dann aber eigenständig weitergeschrieben. Das ist auch dringend nötig. Denn in Baden-Württemberg kann man die Studiengebühren abschaffen – in Schleswig-Holstein mangels Masse nicht. Und dann fordert keine Partei derzeit ihre Einführung. Nur: wäre es da nicht konsequent gewesen, auch die Überschrift „Abschaffung von Studiengebühren“ anzupassen?
  9. Verkehrte Welt
    Der Atomausstieg. Der Satz “Der Tendenz der Landesregierung, Umweltpolitik einseitig mit … der Förderung der Atomenergienutzung zu verbinden und diesen unterzuordnen, treten wir entschieden entgegen” war im Mappus-Ländle des Jahres 2011 entschieden richtig. Nur in Schleswig-Holstein ist er, nicht erst seit Fukushima, Unfug. Schon die auf Bundesebene beschlossene Laufzeitverlängerung wurde von der Landes-FDP, die traditionell in der Atomkraft einen eigenen Kurs fuhr, stark kritisiert. Beim Umschwenken von CDU und FDP nach der Fukushima-Katastrophe waren die beiden Landesparteien eher treibende Kraft als „einseitige Förderer“ der Atomenergie. Man kann der Landesregierung im Land der drei nordelbischen Atommeiler sicher viel vorwerfen – aber Atomlobbyismus a la Mappus nun wirklich nicht.
  10. Überraschende Probleme
    In Baden-Württemberg müssen – ernsthaft jetzt – schlimme Verhältnisse herrschen, wenn man das von dort stammende KapitelPersönlichkeitsrechte der Schüler und Lehrer achten“ durchliest. In Schleswig-Holstein bleibt der Inhalt ein Fremdkörper: Private Sicherheitsdienste spielen an den Schulen in Schleswig-Holstein keine Rolle. Forderungen danach erinnere ich keine. Und natürlich muss sich in Schleswig-Holstein kein Schüler einer Urinuntersuchung oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen. Dafür fehlte es im Schulrecht übrigens auch an jedweder rechtlichen Grundlage.
  11. Fehlende Fehler
    Die Forderung „Widerspruchsverfahren gegen Behördenentscheidungen und -bescheide (…) in allen Gesetzen und Verordnungen beibehalten bzw. wieder einzuführen“ überrascht. Dort, wo es abgeschafft wurde, waren eigentlich alle dafür. Und hier heißt es zu Schleswig-Holstein: „Derzeit liegen keine Erkenntnisse über einen eventuell beabsichtigten Ausschluss des Widerspruchsverfahrens vor“. Profi-Tipp: In der gleichen Übersicht kann man sehen, wo die Forderung zutrifft …
(13. April 2012 Swen Wacker)

Mittwoch, 18. April 2012

85 Jahr und kein bißchen weise…





Immer noch staune ich wie an sich vernünftige Menschen über Joseph Ratzinger sprechen.

Dieser Mann, gegen den lange Anklageschriften beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag vorliegen, weil weltweit an die 100.000 Kinder von Priestern mißbraucht wurden und er über 25 Jahre alles dafür tat die Täter zu schützen und die Opfer zu diffamieren.

Dieser Mann, der wer weiß wie viele Tote auf dem Gewissen hat, weil er seine Organisation predigen läßt, daß auch HIV-Positive keineswegs Kondome benutzen dürften.

Dieser Mann, der mit Rechtsradikalen und Holokaustleugnern sympathisiert.

Dieser Mann, der in beispielloser Brutalität Befreiungstheologen niedergemacht hat, weil sie sich für die Armen und sozial Schwächsten einsetzten, statt mit den faschistischen Diktaturen zu klüngeln, wie es der Vatikan verlangte.

Dieser Mann, der in ekelhafter Weise antijüdisch, frauenfeindlich, homophob, antimuslimisch und antiprotestantisch palavert.

Dieser Mann, der Millionen Mitglieder aus der Kirche treibt.


Dieser Mann, der bis heute zuläßt, daß kinderfickende Priester ihren Dienst verrichten.

Dieser Mann, dem es bis heute nicht einfällt ein Wort dazu zu sagen, daß Nonnen in Spanien, Kanada und anderswo Myriaden Kinder geraubt und verkauft haben.

Dieser Mann, der angesichts von Lynchmorden an Homosexuellen in Uganda und anderen Staaten, welche Schwule mit der Todesstrafe verfolgen seinen UN-Botschafter verkünden läßt:

"Staaten müssen weiterhin das Recht haben, strafrechtlich gegen homosexuelle Handlungen vorzugehen!"

Dieser Mann hatte vorgestern Geburtstag und der offizielle Religionsschreiberling der besten deutschen Tageszeitung, Matthias Drobinski von der SZ, nennt ihn „der Unverstandene.“ 
Der Mann, der wie kein anderer in der intriganten Schlangengrube Kurie Macht anhäufte und als Papst einen Prunk wie seit 100 Jahren nicht mehr entfaltet, sei in Wahrheit ganz bescheiden.

Es ist aber auch so, dass Joseph Ratzinger zeitlebens der Personenkult fremd war. Keines seiner Kirchenämter hat er angestrebt, auch nicht das des Papstes; er hat die ihm angetragenen Funktionen akzeptiert und ausgefüllt. […]
Es gibt ja viel Gutes zu sagen über Benedikt XVI., den deutschen Papst, der drei Tage nach seinem Geburtstag auch sieben Jahre im Amt ist: ein liebenswürdiger, heiterer, tief frommer Mensch, belesen und gebildet wie nur wenige Päpste vor ihm. Er steht für die abendländisch-europäische Tradition der katholischen Kirche - und dass die Kardinäle im April 2005 Joseph Ratzinger wählten, zeigt, wie wichtig ihnen diese Tradition war, dass sie noch nicht die Zeit gekommen sahen für einen Papst aus Afrika oder Lateinamerika. Benedikt hat seitdem den aufgeklärten, reichen Gesellschaften ins Gewissen geredet: Vergesst Gott nicht, macht euch nicht selbst zum Maßstab des Lebens. Vergesst nicht, dass der Glaube die Vernunft braucht und die Vernunft den Glauben. Und auch nicht, dass der Glaube Wahrheiten formulieren muss, will er sich nicht im Beliebigen auflösen.

Anders als Herr Drobinski glaubt, denke ich, der Papst wird ganz richtig verstanden.
Es ist kein Zufall, daß hoch aggressive Demagogen wie Mathias Matussek seine größten Fans sind.

Denn es stimmt nicht, daß der Papst sich nur Feinde schafft und Enttäuschte zurück läßt.
Ratzinger hat viele begeisterte Anhänger, die ihn voll und ganz unterstützen.
Dies sind nur keine freundlichen Menschen, sondern widerliche Hetzer und Hasser, wie die verfassungsfeindlichen Kreuznetler oder die Piusbrüder.

Luisa Brandl orakelte letzten Freitag dem Papst wären die Zügel längst entglitten, der arme Mann habe gar keine Kontrolle mehr und werde ferngesteuert.

 Eines ist sicher: Die legendäre Zurückhaltung der Kardinäle ist nun dahin. Die Nachfolge Benedikts ist kein Tabu mehr. Kurz vor seinem 85. Geburtstag am 16. April sieht sich Ratzinger den wildesten Spekulationen um seinen Gesundheitszustand ausgesetzt. Hinter den Vatikanmauern wird getuschelt, er habe Krebs und würde das Jahr nicht überleben. Andere verweisen auf seine Herz-Kreislauf-Beschwerden, seine Angst vor Reisen, die ihn anstrengen und die er deshalb auf ein halbes Duzend im Jahr begrenzt hat. In Mexiko sah man den Papst zum ersten Mal auf einen Stock gestützt aus dem Flugzeug steigen. Er müsse Medikamente einnehmen, heißt es, zur Vorbeugung von Thrombosen.
Benedikt hält das Zepter nicht mehr in der Hand.
Für Ratzinger hat ein "annus horibilis" begonnen. Kaum sind die Skandale um Pädophilie und Vertuschung der Missbrauchsdelikte verhallt, muss sich das Kirchenoberhaupt um seine interne Führungsposition sorgen. […]
Dass Benedikt das Zepter nicht mehr in der Hand hält, wird auch an der ungebremsten Kritik an seinem Staatssekretär Tarciso Bertone deutlich. Bertone sei inkompetent auf internationalem Parkett, wird in der Kurie gemäkelt. Er spreche keine Sprache außer Italienisch und habe sich in einem kleinen Kreis Vertrauter abgezirkelt. Ratzinger gebietet weder der Kritik Einhalt noch hat er den Mut, sich von dem Getreuen zu lösen. Er steht weiter unter dem Einfluss seines Staatssekretärs.

Ich halte das für großen Bullshit, denn keiner kennt die vernetzten Kurien-Strukturen so gut wie Joseph Ratzinger, der selbst schon über 30 Jahre in diesem engmaschigen Netz voller Fallstricke manövriert.

Der Papst kümmert sich aber um seine eigene Agenda. 
Der Mann ist im Denken sehr eingeschränkt und kann für die meisten Aspekte dieser modernen Welt einfach kein Interesse aufbringen.

Ihn interessieren Arme in Asien, Afrika und Südamerika nicht.
 Er kann mit fremden Kulturen und anderen Auslegungen des Christentums schlicht und ergreifend nichts anfangen. 
Er ist ein Bayer geblieben und weiß sich darüber hinaus im winzigen Mikrokosmos Vatikan zu bewegen.

Schon sein Vorgänger, der verglichen mit ihm geradezu sagenhaft aufgeschlossen war und ein überbordendes Interesse an Menschen in ihrer ganzen Buntheit hatte, interessierte sich für viele Aspekte des Papsttums nicht. 
Er reorganisierte nichts, straffte keine Strukturen, modernisierte die Kurie nicht.

Bei Ratzinger ist die Fokussierung auf seine Themen - altertümliche Liturgie, Abscheu vor Frauen und Fremden, Sympathie für Rechtsradikale - noch wesentlich ausgeprägter.


 Ratzinger ist im Grunde herzlos und beschäftigt sich nicht mit den „small people.“

Wer das erkennt und zufällig auf dieser Wellenlänge tickt, kann frohlocken.

 Für ultrakonservative Karriere-Kleriker erscheint Ratzinger außerordentlich aktiv und umtriebig. Typen wie Dominikus Schwaderlapp, Overbeck, Tebartz-van Elst und Woelki wurden rapid-befördert. 
Notorische Nazi-Vergleicher wie Kardinal Meisner bekamen ihre alte Messe und ihre judenfeindlichen Karfreitagsfürbitte zurück.

Und die Allerradikalsten, die hochgradig misogynen, antisemitischen und homophoben Piusbrüder mit ihrem holokaustleugnenden Bischof Williamson, die noch von Woytila exkommuniziert wurden, wissen wie Ratzinger tickt.

Sie verstehen ihn im Gegensatz zu Matthias Drobinski sehr gut.

 Sie haben Zugang zum angeblich so Entrückten und Entweltlichten.

Als eine "schmerzende Wunde im Leib der Kirche" hat Josef Ratzinger den Verlust der Einheit mit Zehntausenden von Anhängern und Hunderten von Priestern bezeichnet und seinen persönlichen Ehrgeiz seit langem daran gesetzt, das Schisma zu beenden.
Der deutsche Papst hielt auch nach dem weltweiten Skandal um den Holocaust-Leugner und Piusbischof Richard Williamson an seinem Vorhaben fest. […]
Unter liberalen und linken Katholiken würde es weltweit einen Aufschrei geben, wenn die Piusbrüder wieder offiziell zur römisch-katholischen Kirche gehörten, wenn ihre Bischöfe mit Roms Erlaubnis neue Priester weihten und sich die katholischen Messen im alten Ritus weiter verbreiteten. Aber das will der Papst durchstehen. […]    Das Geschenk an Benedikt XVI. ist ein freundlicher Brief der Bruderschaft, der schon Ostern hinter den Mauern des Vatikans eintraf. […]
Der deutsche Kardinal Josef Becker, der als Berater der Glaubenskongregation an den Verhandlungen mit der Piusbruderschaft mitwirkte, meinte kürzlich, es sei zwar schwer, beide Positionen miteinander zu verbinden, aber man müsse den jeweils anderen "auch versuchen zu verstehen".

Die Tiefbraunen haben schon Oberwasser.

Dieses Mal ist es ernst: Das Abkommen zwischen dem Vatikan und der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. ist unter Dach und Fach.
[…] Es ist eine Frage von Tagen, bis ein Dokument zwischen dem Heiligen Stuhl und der Priesterbruderschaft Sankt Pius X. unterzeichnet wird. Das erklärte der Vatikanist Jean-Marie Guénois gestern in der Online-Ausgabe der Pariser Tageszeitung ‘Le Figaro’.  /  Inoffiziell haben die Vertreter der beiden Seiten nach Angaben von Guénois in den letzten Wochen in der größten Diskretion gearbeitet, um „ein Abkommen zu erreichen.“  / Der Papst – der am kommenden Montag 85 Jahre alt wird – hat lange um dieses Abkommen gekämpft.  / Die Piusbruderschaft wird zur Personalprälatur / Nach Angaben von Guénois wird der Bruderschaft ein spezieller Status zugebilligt, der jenem des sich bereits im altliberalen Niedergang befindlichen Opus Dei entspricht.
 (Hakenkreuznet 14.04.12)

Man versteht sich.

Dienstag, 17. April 2012

Im Stress….



Ob es in Bayern denn auch diese Piraten gäbe, fragte Papst Benedikt XVI bei seinem gestrigen Geburtstagsempfang den Bayerischen Ministerpräsidenten Seehofer.

Die halbe deutsche Presse jubilierte.
 Das sei ja erstaunlich wie detailliert Herr Ratzinger informiert wäre.
Naja, Piraten-Experte Seehofer wird ihm sicher eine objektive Einschätzung gegeben haben. (Bayerns Innenminister Joachim Hermann wirft den Piraten vor, zu Chaos und Anarchie aufzurufen.)

Statt Chaos und Anarchie merken einige Piraten gerade, daß die praktische Politik erheblich anstrengender und zeitaufwändiger als anonymes Herumkritisieren ist. 
Gestern schockte Schatzmeister Rene Brosig seine Mit-Segler mit der Nachricht seinen Job hinzuwerfen. 

Nach nur 3h Schlaf heute Nacht und einem vollen Arbeitstag 
fühle ich mich jetzt wie betrunken
(Rene Brosig 6:55 PM - 17 Apr 12 via TweetDeck)

Wer hätte das gedacht; in der Bundespolitik und im Focus des Medieninteresses kommt man nicht dazu eine ruhige Kugel zu schieben!

Jeder Bundesvorstand muss die viele Zeit die sie/er in die Parteiarbeit einbringt, an anderer Stelle wegnehmen. Wir alle haben unsere Auszeiten, die Zeit zur Regeneration, auf ein Minimum reduziert. Eine Nacht ist bei mir heute nach etwa 4-5 Stunden Schlaf zu Ende und freie Wochenenden gibt es praktisch nicht mehr. Einige Vorstandsmitglieder reduzierten zudem ihre beruflichen Verpflichtungen. Andere und zu denen gehöre auch ich, reduzierten die Zeit für Freunde und Familie.   Nachdem ich praktisch keine Regenerationszeiten mehr habe und durch Beruf und Partei sehr viele Aufgaben zu erledigen sind, befinde ich mich in einem Zustand der permanenten Anspannung. Das Gefühl noch etwas erledigen zu müssen, sich keine Auszeit nehmen zu dürfen, ist seit Monaten mein ständiger Begleiter. Selbst ein Tag Garten- oder Haushaltsarbeit führt zu einem schlechten Gewissen. Während ich die Arbeit an Haus und Hof noch mit Hilfe von außen kompensieren kann, fehlt es mir an ausreichender Zeit für Familie und Freunde. Die permanente Anspannung führt dazu, dass ich nicht mehr ausgeglichen bin.

Die politische Geschäftsführerin der Piraten, Marina Weisband, hatte mit einer ganz ähnlichen Begründung auf ihre erneute Kandidatur verzichtet.

Über so viel Naivität kann man sich nur wundern.
Das ist doch alt bekannt, daß sich Spitzenpolitiker in eine körperlich unglaublich auszehrende Mühle begeben.
Sie ruinieren ihre Gesundheit, bekommen Herz-Probleme, muten ihrer Familie Unzumutbares zu. Ehen scheitern, Kinder wenden sich ab. 

Hochinteressant ist daher die Photo-Dokumentations-Langzeitstudie „Gesichter der Macht“ von Herlinde Koelbl, die von 1991-1999 jährlich je ein Portrait von 15 Spitzenpolitikern anfertigte. Man kann nur staunen wie enorm sich der Dauerstress in Gesichtsfurchen und tiefen Augenringen ablesen läßt.

Nicht daß ich Angela Merkels Europa-Politik auch nur ansatzweise vernünftig fände, aber bei der Gipfeleritis der letzten Jahre kann man tatsächlich nicht behaupten, sie wäre faul. 

Ich frage mich allerdings, ob nicht einige zeitaufwändige politische Prozesse effektiver zu handhaben wären.

Anders als Brosig ist Merkel mit einem Apparat ausgestattet, der es ihr erlauben sollte zu delegieren.

Andere Bundeskanzler waren dazu durchaus in der Lage.
Der ebenfalls durch außerordentlich komplizierte außenpolitische Großkrisen manövrierende Bundeskanzler Schröder konnte sich auf seinen Vizekanzler stützen. 
Schickte er Fischer zur UN oder in den Nahen Osten, konnte dieser ihm ein gewaltiges Stück Arbeit abnehmen; möglicherweise sogar mehr erreichen als der Chef.

Merkel hätte 2009 niemals akzeptieren dürfen einen Volldödel wie Westerwelle auf den entsprechenden Posten zu setzen.
 Gaga-Guido ist nicht nur keine Hilfe, sondern verschlimmbessert die Situation eher noch, so daß das Bundeskanzleramt anschließend die Scherben beseitigen muß, wenn der Außenminister mal wieder irgendwo in der Welt Deutschland blamiert hat.

Die Zusammenarbeit der Ministerien sollte eigentlich der Kanzleramtsminister koordinieren und Reibungsverluste vermeiden. 
Stattdessen hat sie die Vollpfeife Pofalla („ich kann deine dumme Fresse nicht mehr sehen“ - Pofalla zu Bosbach) an der Backe, die immer noch zusätzliches Chaos auslöst. 
Was für ein Unterschied zu Schröders höchsteffektiven Frank-Walter Steinmeier in dem Job.

Dasselbe Problem hat Merkel in ihrem zweiten Chefposten als CDU-Vorsitzende.
Auch dort ist sie von mittelmäßigen Ja-Sagern umgeben, bei denen man schon froh sein muß, wenn sie sich ohne sich zu verlaufen im Konrad-Adenauer-Haus einfinden. 

Die Chaotisierung der CDU findet derzeit auf den Schlachtfeldern Herdprämie, Entfernungspauschale und verbindliche Frauenquote statt, bei denen alles munter durcheinander gackert.

Als Ausweg gäbe es zwei Möglichkeiten.

 Zunächst einmal eine alle überzeugende Argumentation. Diese Möglichkeit entfällt natürlich bei in Schilda ausgebrüteten Idiotien, wie der Herdprämie.

Bleibt zweitens das „Basta“, also eine Entscheidung von ganz oben, der sich alle fügen müssen.
Das allerdings ist Merkels Sache nun erst Recht nicht.

Robert Roßmann kommentierte in der gestrigen SZ „Die CDU, ein Betreuungsfall“ und schloss seine vernichtende Analyse der debakulierenden Unions-Führung mit folgender Einschätzung:

Und so wird die CDU weiter streiten. Bis die Frauen doch noch einknicken - oder Wolfgang Schäuble das Problem für die Kanzlerin löst. In Zeiten der Schuldenbremse hat der Finanzminister keine Milliarden für das teure Betreuungsgeld übrig. Es wäre ein Ergebnis à la Merkel: Die Kanzlerin entscheidet nicht, sondern wartet, bis etwas sich entscheidet.

So entsteht Arbeit durch Kanzlerische Arbeitsverweigerung.

Die Frau mit der Richtlinienkompetenz verweigert sich konsequent der Einsetzung derselben.